BGH, 04.07.1957 - 2 StR 48/57
Es ist mit Art. 12 GG vereinbar, daß der Gesetzgeber die Errichtung oder die Übernahme einer Lebensmittelverkaufsstelle von dem Nachweis der erforderlichen Sachkunde abhängig macht.
Gründe
Der Angeklagte, ein Bäckermeister, übernahm im Januar 1953 neben einer Bäckerei eine Kolonialwarenverkaufsstelle, in der er, wie es in einem derartigen Betrieb üblich ist, insbesondere auch Lebensmittel feilbot. Er beantragte für diese Verkaufsstelle eine Ausnahmegenehmigung nach § 5 EHSchG. Als er die daraufhin verlangte Eignungsprüfung nicht bestand und sich auch einer Wiederholungsprüfung nicht stellte, versagte ihm das zuständige Landratsamt die Ausnahmegenehmigung. Dennoch betrieb er den Kleinverkauf von Lebensmitteln weiter.
Das Amtsgericht hat den Angeklagten von der Anklage eines Vergehens nach §§ 2 Abs. 1, 9 EHSchG freigesprochen, weil es den verlangten Nachweis der Sachkunde für die Übernahme einer Kolonialwarenverkaufsstelle als unvereinbar mit dem Grundrecht der Freiheit der Berufswahl (Art. 12 GG) ansieht und deshalb Ziffer I der dies regelnden Durchführungsverordnung zum Einzelhandelsschutzgesetz vom 23. Juli 1934 für nicht mehr rechtswirksam hält. Hiergegen hat der Amtsanwalt Revision eingelegt.
Das Oberlandesgericht Neustadt will die Revision aus dem vom Amtsgericht angeführten Grunde verwerfen, sieht sich an dieser Entscheidung aber durch das Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig vom 28. April 1954 (GoltdArch 1955, 285) gehindert, das in einem sonst ähnlich gelagerten Fall für die Errichtung einer Kolonialwarenverkaufsstelle den hier verlangten Nachweis für vereinbar mit dem Grundgesetz erklärt hat. Die Sache ist daher dem Bundesgerichtshof gemäß § 121 Abs. 2 GVG vorgelegt worden.
I.
Die Voraussetzungen des § 121 Abs. 2 GVG sind gegeben.
Die Vorlagepflicht besteht auch bei der Sprungrevision (BGHSt 2, 63). Sie wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß sich die Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig mit der Errichtung einer Verkaufsstelle befaßt, während die Vorlagesache die Übernahme einer bereits bestehenden Verkaufsstelle zum Gegenstand hat. Denn die Frage, ob die Vorschriften der §§ 2 und 5 EHSchG und Ziffer I der Durchführungsverordnung dem Grundgesetz widersprechen, kann für die Errichtung und für die Übernahme einer Verkaufsstelle nur einheitlich entschieden werden, weil die Voraussetzungen, an die die genannten Vorschriften die Genehmigung knüpfen, in beiden Fällen dieselben sind. Grundlage für die beabsichtigte abweichende Entscheidung ist danach dieselbe Rechtsfrage (BGHSt 6, 42).
II.
In der Sache selbst folgt der Senat im Ergebnis der Auffassung des Oberlandesgerichts Schleswig.
1.
Das Einzelhandelsschutzgesetz vom 12. Mai 1933 in der Fassung des Gesetzes vom 9. Mai 1935 (RGBl I 589) und die Durchführungsverordnung vom 23. Juli 1934 (RGBl I 726) sind nach Art. 125 Nr. 1 in Verbindung mit Art. 74 Nr. 11 GG Bundesrecht geworden. Denn diese Vorschriften galten am Tage des Zusammentritts des ersten Bundestages jedenfalls innerhalb der französischen Besatzungszone einheitlich. Bedenken formeller Art gegen ihre Gültigkeit bestehen nicht (BVerwGE 2, 295). Nach Art. 123 GG gilt Recht aus dieser Zeit jedoch nur fort, soweit es dem Grundgesetz nicht widerspricht. Der Prüfung dieser Frage durch den Bundesgerichtshof steht Art. 100 Abs. 1 GG nicht entgegen, da der Normenkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht jedenfalls solche Gesetze nicht unterliegen, die vor Inkrafttreten des Grundgesetzes verkündet und nachher nicht neu gefaßt worden sind (BVerfG in NJW 1953, 497 und NJW 1957, 417).
2.
§ 2 EHSchG verbietet zunächst allgemein die Errichtung oder Übernahme von Warenverkaufsstellen, läßt dann aber nach § 5 EHSchG Ausnahmen nach Maßgabe der von der Reichsregierung aufzustellenden Richtlinien zu. Diese in der bereits näher bezeichneten Durchführungsverordnung enthaltenen Richtlinien bestimmen in Ziffer 1, daß Ausnahmen nur dann zugelassen werden sollen, wenn die für den Betrieb der Verkaufsstelle erforderliche Sachkunde nachgewiesen wird und keine Tatsachen vorliegen, aus denen sich ein Mangel der erforderlichen persönlichen Zuverlässigkeit ergibt; sie lassen in Ziffer II auch dann eine Versagung zu, wenn die Errichtung der Verkaufsstelle in der in Aussicht genommenen Gegend zu einer außergewöhnlichen Übersetzung innerhalb des gleichen Handelszweiges führen würde. Diese Regelung brachte damit an Stelle der in der Gewerbeordnung niedergelegten Gewerbefreiheit für die Errichtung (Übernahme) von Einzelhandelsgeschäften zwar keine vollständige Berufssperre, aber eine in das Ermessen der Behörde gestellte Erlaubnispflicht. Sie bezweckte die Sicherung des Bestandes der mittelständischen Betriebe gegenüber dem zunehmenden Wettbewerb der Einzelhandelsgroßunternehmungen und der Gefahr einer weiteren Übersetzung des Einzelhandels (Pfundtner-Neubert, Das neue deutsche Reichsrecht III C 4 Einführung). Diesem Zweck diente auch das Erfordernis des Sachkundennachweises, durch das ungeeignete Berufsbewerber zur Hebung des Ansehens des gesamten Berufsstandes ferngehalten werden sollten. Auch vom damaligen Standpunkt aus hielt sich dieses Erfordernis damit im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung des § 5 EHSchG (BVerwGE 2, 295 [297]).
3.
Wenn auch die praktische Entwicklung im Gegensatz zur gesetzestechnischen Fassung dazu geführt haben mag, daß regelmäßig die Erlaubnis zur Errichtung (Übernahme) einer Warenverkaufsstelle erteilt wird, so kann doch eine solche Erlaubnispflicht, die an den Nachweis vorwiegend wirtschaftspolitischen Zielen dienender Voraussetzungen geknüpft ist, heute nicht mehr anerkannt werden, soweit sie das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt.
Art. 12 Abs. 1 GG bestimmt in Satz 1, daß jeder Deutsche das Recht der freien Berufswahl hat, und in Satz 2, daß die Berufsausübung durch Gesetz geregelt werden kann. Da unter Beruf jede auf die Dauer bestimmte und nicht nur vorübergehenden Erwerbszwecken dienende Betätigung zu verstehen ist, steht auch der Einzelhandel als Beruf unter dieser grundrechtlichen Schutzvorschrift (BVerwGE 1, 92 [93]; 2, 295 [298]).
Das in Art. 12 Abs. 1 GG verankerte Grundrecht der Berufsfreiheit ist nicht als ein Ausfluß des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 GG) zu werten und deshalb auch nicht an die in Art. 2 Abs. 1 GG gesetzten Schranken gebunden. Wie der Bundesgerichtshof schon in seinem Gutachten vom 28. April 1952 (BGHSt 4, 385 [389 ff.]) dargelegt hat, stellt sich Art. 12 Abs. 1 GG vielmehr als ein eigenes Gesetz dar, das das Recht der Berufsfreiheit ohne Bindung an das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 2 GG regelt. Andernfalls wäre nicht verständlich, weshalb der Gesetzgeber dieses Grundrecht in Art. 12 Abs. 1 GG besonders und auch abweichend von Art. 2 geregelt hat (vgl. auch BVerwGE 1, 48 [51]).
Daraus folgt nicht etwa ein Recht auf schrankenlose Freiheit bei der Aufnahme eines Berufes. Der Gesetzgeber kann unmöglich gemeint haben, daß jedermann jeden beliebigen Beruf ergreifen könne, ohne die dafür erforderliche Eignung zu besitzen (Friesenhahn in NJW 1949, 704). Das Grundrecht der freien Berufswahl sichert nur, daß jeder Beruf von jedem unter den Voraussetzungen gewählt werden kann,. die die fragliche Berufsart nach dem ihr wesenseigenen Berufsbild erfordert. Bestimmten Berufen ist wegen der besonderen Gefahren, die ihre Ausübung mit sich bringt, oder wegen der besonderen Kenntnisse, die ihre Ausübung verlangt, wesenseigen, daß nur der sie wählen kann, der die für ihre Ausübung nötigen Voraussetzungen erfüllt (so schon das oben erwähnte Gutachten in BGHSt 4, 385 [391]). Das ergibt sich aus dem Grundgesetz selbst. So geht beispielsweise Art. 74 Nr. 19 von der Möglichkeit einer Berufsregelung aus, indem er den Erlaß von Gesetzen über die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe der Zuständigkeit der Länder zuweist, solange und soweit der Bund hier von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch macht. Insbesondere folgt dies aus dem Gesetzesvorbehalt in Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG selbst, dessen Zweck jedenfalls auch dahin geht, die Allgemeinheit vor Gefahren zu schützen, die sich aus der Ausübung bestimmter Berufe ergeben können. Aus dem Wesen solcher Berufe ergibt, sich außerdem, daß schon die Aufnahme der Ausübung dieser Berufe an gewisse Voraussetzungen geknüpft werden muß, wenn nicht die Rechte Dritter, beispielsweise auf körperliche Unversehrtheit, gefährdet werden sollen. Bei solchen Berufen ist es deshalb auch zulässig, schon die Voraussetzungen für ihre Aufnahme zu regeln. Denn es wäre widersinnig, die Berufsaufnahme zunächst jedem zu gestatten, die Berufsausübung aber dann, weil die Fähigkeit zur Ausübung des Berufs fehlt, zu versagen (BGH in LM Nr. 1 zu § 1 RechtsberatG; BVerwGE 2, 295 [299]).
Art. 12 Abs. 1 GG schließt somit gesetzliche Vorschriften über die Berufswahl nicht aus, sondern läßt sie jedenfalls unter dem Gesichtspunkt einer zum Schutze der Allgemeinheit notwendigen Regelung der Berufsausübung zu (BVerwGE 2, 295 [298]). Auch wer einen so geregelten Beruf wählt, bleibt an sich in der Berufswahl frei; er kann diesen Beruf eben nur so wählen, wie er durch Gesetz geregelt ist (Schierholt in DVBl 1950, 69).
4.
Die gesetzliche Einschränkbarkeit von Grundrechten und damit auch des Rechts auf Berufsfreiheit durch den ordentlichen Gesetzgeber auf Grund von Gesetzesvorbehalten findet aber in Art. 19 GG ihre unverrückbare Grenze (BVerwGE 2, 295 [298]). Nach Abs. 1 dieser Bestimmung muß ein solcher gesetzlicher Eingriff formell zunächst vom Grundgesetz zugelassen sein, muß ein allgemeines, nicht nur einen Einzelfall regelndes Gesetz sein und muß das eingeschränkte Grundrecht unter Angabe des Artikels ausdrücklich benennen. Den ersten beiden Erfordernissen genügen das Einzelhandelsschutzgesetz und die Durchführungsverordnung vom 23. Juli 1934 in Verbindung mit dem Gesetzesvorbehalt in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG. Das dritte Erfordernis kommt sinngemäß nur für Gesetze in Frage, die nach Inkrafttreten des Grundgesetzes beschlossen werden; für die hier in Frage stehenden gesetzlichen Vorschriften aus den Jahren 1933 - 1935 entfällt diese Notwendigkeit; die Ausnahme wird durch Art. 125 GG gedeckt.
Schließlich darf nach Art. 19 Abs. 2 GG auch ein formell zulässiger gesetzlicher Eingriff das Grundrecht nicht in seinem Wesensgehalt antasten. Daß dies der Fall wäre, wenn das einschränkende Gesetz die Zulassung zu einem Beruf überhaupt sperrt, bedarf keiner Erörterung. So liegt es hier indessen nicht. Wie schon dargelegt ist, brachte die zur Entscheidung stehende Regelung für die Errichtung (Übernahme) eines Einzelhandelsgeschäfts im Ergebnis keine vollständige Berufssperre, sondern nur eine an bestimmte - in Ziffer I der Durchführungsverordnung niedergelegte - Voraussetzungen geknüpfte Erlaubnispflicht. Freilich kann diese Regelung in dem ursprünglich geltenden Umfange nicht mehr angewandt werden. Denn Ziffer I der Durchführungsverordnung enthält nur eine Sollvorschrift und stellt somit die Erteilung der Erlaubnis auch bei Erfüllung der festgelegten Voraussetzungen in das richterlich nicht nachprüfbare Ermessen der Behörde. Das ist mit Art. 19 Abs. 2 GG nicht vereinbar. Ziffer 1 der Durchführungsverordnung darf deshalb in Zukunft nur noch in dem Sinne angewandt werden, daß der Berufsbewerber bei Erfüllung der festgelegten Voraussetzungen - soweit diese selbst nicht auch das Grundrecht in seinem Wesensgehalt antasten - einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Berufserlaubnis hat (BVerwGE 2, 295 [299]).
Eine solche allein noch mögliche Auslegung geht zwar nicht mehr von der Zielsetzung aus, die der nationalsozialistische Gesetzgeber ursprünglich im Auge gehabt hat. Das zwingt aber nicht zur Annahme einer Ungültigkeit der Vorschrift. Vielmehr ist die Auslegung gerechtfertigt, weil sich die allgemeine Auffassung von der Bedeutung wirtschaftspolitischer Ziele und deren Verhältnis zu den Freiheitsrechten des Einzelnen seit damals grundlegend geändert, und diese Wandlung auch das Grundgesetz entscheidend beeinflußt hat.
Gegen das Erfordernis des Nachweises der Sachkunde für den Betrieb einer Lebensmittelverkaufsstelle selbst bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken aus Art. 19 Abs. 2 GG. Die Frage, wann ein gesetzlicher Eingriff das Grundrecht der Berufsfreiheit in seinem Wesensgehalt antastet, wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum nicht einheitlich beantwortet. Das Bundesverfassungsgericht hat sie noch nicht entschieden. Der Bundesgerichtshof hat dazu bisher nur bei der Bearbeitung von Vorlagesachen gemäß Art. 100 GG und § 80 BVerfGG gutachtlich Stellung genommen. Er hat sich dahin geäußert, das Grundrecht werde in seinem Wesensgehalt immer schon dann angetastet, wenn durch einen gesetzlichen Eingriff die wesensmäßige Geltung und Entfaltung des Grundrechts stärker eingeschränkt werde, als dies der sachliche, zu dem Eingriff führende Anlaß zwingend gebiete; der Eingriff dürfe deshalb nur bei zwingender Notwendigkeit und in dem nach Lage der Sache geringstmöglichen Umfang vorgenommen werden und müsse zugleich von dem Bestreben geleitet sein, dem Grundrecht gleichwohl grundsätzlich und im weitmöglichsten Umfang Raum zu lassen (so in BGHSt 4, 375 [377] und in Der Betrieb 1955, 1111). Das Bundesverwaltungsgericht befürwortet eine weitere Auslegung des Art. 19 Abs. 2 GG. Es geht bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines gesetzlichen Eingriffs nicht vom Zweck der Beschränkung, sondern allein von dem aus, was nach der Beschränkung von dem Grundrecht übrigbleibt. Es ist der Auffassung, sogenannte subjektive Zulassungsbeschränkungen, d.h. solche Beschränkungen, die der Berufsbewerber in seiner Person nach seinem freien Entschluß erfüllen könne, tasteten das Grundrecht der Freiheit der Berufswahl in seinem Wesensgehalt in keinem Falle an; deshalb wird das Erfordernis des Sachkundennachweises für alle Zweige des Einzelhandelsgewerbes als mit Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 2 GG vereinbar erklärt (vgl. BVerwGE 2, 295 [300, 301]). Die Rechtsprechung im übrigen und das Schrifttum haben sich im wesentlichen einer dieser beiden Auffassungen angeschlossen.
Einer näheren Erörterung der Streitfrage bedarf es im vorliegenden Fall nicht. jedes Grundrecht setzt notwendigerweise den Bestand der Gemeinschaft voraus, durch die es gewährleistet ist. Zum Inhalt eines jeden Grundrechts gehört deshalb selbstverständlich, daß seiner schrankenlosen Ausübung dort eine Grenze gesetzt ist, wo übergeordnete Rechtsgüter verletzt oder gefährdet werden können. Zu solchen übergeordneten Rechtsgütern gehören jedenfalls die öffentliche Sicherheit und die Gesundheit der Mitbürger. Gesetzliche Eingriffe in ein Grundrecht, die zum Schutze solcher Rechtsgüter, d.h. zur Abwendung von Gefahren, geboten sind, die bei schrankenloser Ausübung des Grundrechts drohen, können deshalb auch den Wesensgehalt dieses Grundrechts nicht antasten.
5.
Für das Erfordernis des Sachkundennachweises im Sinne von Ziffer I der Durchführungsverordnung folgt nach alledem:
a) Der Nachweis der Sachkunde kann zum Schutze übergeordneter Rechtsgüter geboten sein. Ob dies gleichermaßen für alle Zweige des Einzelhandelsgewerbes gilt, bedarf hier nicht der Entscheidung. Für den Verkauf von Lebensmitteln trifft dies jedenfalls zu. In einer Kolonialwarenverkaufsstelle werden in aller Regel Lebensmittel verschiedenster Art feilgehalten. Ein großer Teil dieser Lebensmittel unterliegt in erhöhtem Maße dem Verderb und stellt dann eine besondere Gefahr für Leben und Gesundheit der Bürger dar. Der Umfang dieser Gefahr und ihre allgemein anerkannte Bedeutung zeigen allein schon das Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln und seine zahlreichen Vorschriften über Herstellung, Aufbewahrung, Kennzeichnung und Verkauf. Gefahren ähnlicher Art, aber auch solche für die öffentliche Sicherheit, bringt der Verkauf von Spirituosen mit sich. Diese drohenden Gefahren für die menschliche Gesundheit und die öffentliche Sicherheit können nur durch einen sachgemäßen Betrieb einer Lebensmittelverkaufsstelle vermieden werden. Der Nachweis der Sachkunde ist daher zur Errichtung oder Übernahme einer solchen Verkaufsstelle zum Schutze übergeordneter Rechtsgüter geboten. Die Tatsache, daß der Angeklagte Bäckermeister ist, sagt nichts über seine Sachkunde im übrigen aus.
b) Die Vorschrift der Ziffer 1 der Durchführungsverordnung weist auch ausdrücklich darauf hin, daß die Erlaubniserteilung nur vom Nachweis der erforderlichen Sachkunde abhängig gemacht werden darf. Erforderlich nach dem Vorstehenden ist jedenfalls das Maß an Sachkunde, das unerläßlich ist, um von der Allgemeinheit die aus unsachgemäßem Umgang mit Lebensmitteln drohenden Gefahren abzuwenden. Darüber hinausgehende Anforderungen, beispielsweise die Forderung nach allgemeinen kaufmännischen Kenntnissen, sind unzulässig (OVG Lüneburg in MDR 1955, 439). Auch die Art der feilgehaltenen Waren wird gegebenenfalls das Maß der (erforderlichen) Sachkunde bestimmen. Dies bedeutet nicht etwa eine mangelnde Bestimmtheit der Vorschrift. Denn das Maß der im Einzelfall erforderlichen Sachkunde kann vom Gesetzgeber unmöglich für alle Fälle vorwegbestimmt werden. Insoweit kann er sich nur des richterlich nachprüfbaren Ermessens seiner Organe bei der Entscheidung im Einzelfalle bedienen (vgl. auch BVerwGE 2, 295 [301]).