Art. 100 GG
BVerfG, 06.11.1957 - 2 BvL 12/56; 2 BvL 13/56; 2 BvL 14/56; 2 BvL 15/56
Eine Vorlage zur Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG ist unzulässig, wenn der Vorlagebeschluß entgegen § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen läßt, daß das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der in Frage gestellten Vorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Falle ihrer Ungültigkeit, und wie es dieses Ergebnis begründen würde.
BVerfG, 17.01.1957 - 1 BvL 4/54
1. Die Vorschrift des § 80 Abs. 4 BVerfGG ist nicht anzuwenden, wenn die Vorlage eines Gerichtes gemäß Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 1 BVerfGG vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 21. Juli 1956 dem Bundesverfassungsgericht in einer Weise zugegangen ist, die den damaligen Verfahrensbestimmungen genügte.
2. Die Befugnis und Verpflichtung zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG bezieht sich auf alle Spruchstellen, die sachlich unabhängig, in einem formell gültigen Gesetz mit den Aufgaben eines Gerichtes betraut und als Gerichte bezeichnet sind.
3. Die unverändert gebliebene Norm eines nach Verkündung des Grundgesetzes im übrigen geänderten Gesetzes kann dann nicht als vorkonstitutionelles Recht im Sinne der Entscheidung vom 24. Februar 1953 (BVerfGE 2, 124 [128 ff.]) angesehen werden, wenn ein an das Grundgesetz gebundener Gesetzgeber auch jene Bestimmung in seinen Willen aufgenommen hat.
4. Das Ermessen des Gesetzgebers wird auch durch Grundsatznormen begrenzt, in denen für bestimmte Bereiche der Rechts- und Sozialordnung Wertentscheidungen des Verfassungsgebers ausgedrückt sind. Wird die Unvereinbarkeit einer gesetzlichen Bestimmung mit einer solchen speziellen Grundsatznorm festgestellt, ist für eine verfassungsrechtliche Prüfung derselben Vorschrift unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) kein Raum mehr.
5. Art. 6 Abs. 1 GG ist nicht nur ein "klassisches Grundrecht" zum Schutze der spezifischen Privatsphäre von Ehe und Familie sowie Institutsgarantie, sondern darüber hinaus zugleich eine Grundsatznorm, das heißt eine verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts.
Er ist mindestens insoweit den Gesetzgeber aktuell bindendes Verfassungsrecht, als er eine Beeinträchtigung von Ehe und Familie durch störende Eingriffe des Staates selbst verbietet. Die Schlechterstellung der Ehegatten durch die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer - § 26 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung vom 17. Januar 1952 - EStG 1951 - (BGBl. I S. 33) - stellt einen solchen störenden Eingriff dar.
6. Zur Gleichberechtigung der Frau gehört, daß sie die Möglichkeit hat, mit gleichen rechtlichen Chancen marktwirtschaftliches Einkommen zu erzielen wie jeder männliche Staatsbürger.
BVerfG, 30.11.1955 - 1 BvO 2/52
1. Gerichtliche Vorlagen nach § 86 Abs. 2 BVerfGG sind nur über das zuständige obere Bundesgericht zu leiten.
BVerfG, 18.12.1953 - 1 BvL 106/53
1. In dem Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG ist es nicht zulässig, das vorlegende Gericht als "Beteiligten" anzuhören oder einem seiner Mitglieder persönlich das Wort zu erteilen.
BVerfG, 17.12.1953 - 1 BvL 59/52
1. Es besteht kein Rechtsanspruch des einzelnen Gemeindeangestellten gegen den früheren Dienstherrn auf Unterbringung nach dem G 131.
2. Bei der Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG erstreckt sich die Prüfung des Bundesverfassungsgerichts auf die Vereinbarkeit der Norm mit allen in Betracht kommenden Bestimmungen des Grundgesetzes; das vorlegende Gericht kann die Prüfung nicht auf die Frage der Vereinbarkeit mit einem bestimmten Artikel des Grundgesetzes beschränken.
3. Der Auftrag des Art. 131 GG, die Rechtsverhältnisse des betroffenen Personenkreises durch Bundesgesetz zu regeln, hindert den Bundesgesetzgeber nicht daran, seine Befugnis zur Rechtsetzung im Rahmen des Art. 80 Abs. 1 GG zu übertragen.
4. § 52 G 131 stellt durch die Bezugnahme auf die Abschnitte II und IV des Gesetzes die Rechtsverhältnisse der versorgungsberechtigten Angestellten so weit klar, daß mit den üblichen Mitteln richterlicher Auslegung Einzelfälle entschieden werden können. Daß sich dabei Zweifel ergeben können, berechtigt den Richter nicht dazu, die Auslegung überhaupt abzulehnen.
5. Der Auftrag des Art. 131 GG ging nicht dahin, allen Betroffenen auch dann neue subjektive Rechte zu verleihen, wenn sie nach dem 8. Mai 1945 keine Rechtsansprüche hatten.
6. Gehaltsforderungen für die Zeit zwischen dem 8. Mai 1945 und dem Termin, an dem ein Angestellter zum Zwecke der politischen Überprüfung von seinem Arbeitsplatz entfernt wurde, werden durch § 77 Abs. 1 G 131 nicht berührt.
7. Die von der britischen Militärregierung durchgeführten oder veranlaßten Amtsentfernungen haben das Angestelltenverhältnis nicht nur suspendiert, sondern rechtswirksam beendet.
BVerfG, 01.07.1953 - 1 BvL 23/51
1. Die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG ist unabhängig davon, ob auch das Verfassungsgericht eines Landes die Vereinbarkeit von Landesrecht mit Normen der Landesverfassung zu prüfen hat, die mit Normen des Grundgesetzes inhaltsgleich sind.
2. Für die Zulässigkeit des Vorlagebeschlusses genügt es, daß nach Ansicht des vorlegenden Gerichts der beschrittene Rechtsweg zulässig und daß diese Ansicht des Gerichts nicht offensichtlich unhaltbar ist.
3. "Eigentum" im Sinne des Art. 14 GG umfaßt grundsätzlich nicht vermögenswerte Rechte des öffentlichen Rechts, jedenfalls nicht Ansprüche, die der Staat in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht den Bürgern durch Gesetz einräumt.
4. Das Verfassungsrecht besteht nicht nur aus den einzelnen Sätzen der geschriebenen Verfassung, sondern auch aus gewissen sie verbindenden, innerlich zusammenhaltenden allgemeinen Grundsätzen und Leitideen, die der Verfassungsgesetzgeber, weil sie das vorverfassungsmäßige Gesamtbild geprägt haben, von dem er ausgegangen ist, nicht in einem besonderen Rechtssatz konkretisiert hat.
5. Zu den Leitideen des Grundgesetzes, die auch den Landesgesetzgeber unmittelbar binden, gehört das Rechtsstaatsprinzip.
6. Das Rechtsstaatsprinzip enthält als wesentlichen Bestandteil die Gewährleistung der Rechtssicherheit; diese verlangt nicht nur einen geregelten Verlauf des Rechtsfindungsverfahrens, sondern auch einen Abschluß, dessen Rechtsbeständigkeit gesichert ist.
7. Mit der Gewährleistung der Rechtssicherheit ist es unverträglich, daß Akte der Staatsgewalt, die wie die Haftentschädigungsbeschlüsse in Nordrhein-Westfalen auf Grund eines gültigen Gesetzes in einem gerichtsähnlichen Verfahren zustandegekommen sind, an dem der Staat und der Einzelne als Parteien beteiligt waren, und die dem Einzelnen auf Grund eines abgeschlossenen Tatbestandes vorbehaltlos eine bestimmte Rechtsposition verliehen haben, nur wegen eines Wandels der Rechtsauffassung wieder beseitigt werden.
BVerfG, 24.02.1953 - 1 BvL 21/51
Der Normenkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG unterliegen nicht solche Gesetze, die vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes, dem 24. Mai 1949, verkündet worden sind.
BVerfG, 06.03.1952 - 1 BvO 1/51
Besteht in einem gerichtlichen Verfahren Streit darüber, ob ein Reichsgesetz durch ein Kontrollratsgesetz vor Einwirkung des Grundgesetzes aufgehoben worden ist, so betrifft er nicht die Recht
BVerfG, 20.03.1952 - 1 BvL 12, 15, 16, 24, 28/51
1. Der Normenkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 I GG unterliegen nur Gesetze in formellem Sinne einschließlich der im Gesetzgebungsnotstand gemäß Art. 81 GG erlassenen Gesetze.
2. Die Einholung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 I GG ist nur zulässig, wenn das vorlegende Gericht das Gesetz für verfassungswidrig hält. Bloße Bedenken reichen nicht aus.
3. Die Akten sind dem Bundesverfassungsgericht gemäß § 80 I BVerfGG im Gerichts- nicht im Verwaltungswege vorzulegen.