Art. 33 GG

BVerfG, 24.01.1961 - 2 BvR 74/60

1. Soweit Art. 33 Abs. 5 GG die Beachtung – und nicht nur die Berücksichtigung – eines bestimmten, die persönliche Rechtsstellung des Beamten betreffenden "hergebrachten Grundsatzes des Berufsbeamtentums" fordert und garantiert, verleiht er in jedem Fall dem Beamten einen subjektiven grundrechtsähnlichen Anspruch gegen den Staat, der dahin geht, daß der Staat nicht die durch den hergebrachten Grundsatz geschaffene persönliche Rechtsstellung des Beamten verletzt.
2. Art. 33 Abs. 5 GG räumt auch den Richtern entsprechende grundrechtsähnliche Individualrechte ein, soweit sich für sie vom Gesetzgeber zu beachtende hergebrachte Grundsätze des richterlichen Amtsrechts nachweisen lassen, die gerade die persönliche Rechtsstellung der Richter mitgestalten.
3. Die richterliche Unabhängigkeit fordert, daß das Aufsteigen des Richters im Gehalt gesetzlich normiert wird und daß ein Aufrücken in der Besoldung in den Fällen, in denen es nicht die Folge der Zuweisung einer anderen, mit höherer Verantwortlichkeit verbundenen Dienstaufgabe ist, nicht in das Ermessen der Exekutive gestellt wird.

BVerfG, 12.07.1960 - 2 BvR 373/60; 2 BvR 442/60

1. Die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl beziehen sich auch auf das Wahlvorschlagsrecht.
2. Aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung folgt, daß in einem Kommunalwahlgesetz auch ortsgebundenen, lediglich kommunale Interessen verfolgenden Wählergruppen (Rathausparteien oder Wählervereinigungen) das Wahlvorschlagsrecht und deren Kandidaten eine chancengleiche Teilnahme an den Kommunalwahlen gewährleistet sein muß.

BVerfG, 27.04.1959 - 2 BvF 2/58

1. Die Nichtigkeit landesrechtlicher Vorschriften wegen Verletzung der Prinzipien des Art. 28 Abs. 1 und 2 GG kann im Verfahren des Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG auch von einer Landesregierung geltend gemacht werden.
2. a) Die verfassungsmäßige Ordnung im demokratischen Rechtsstaat (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) setzt eine funktionsfähige und verantwortliche Regierung voraus.
b) Zu den Regierungsaufgaben, die wegen ihrer politischen Tragweite nicht generell der Regierungsverantwortung entzogen und auf von Regierung und Parlament unabhängige Stellen übertragen werden dürfen, gehört die Entscheidung über die personellen Angelegenheiten der Beamten.
3. Es entspricht hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG), daß über Personalangelegenheiten eines Beamten in der Regel allein die ihm vorgesetzten Dienstbehörden entscheiden.
Diese Entscheidung hat Gesetzeskraft.

BVerfG, 02.12.1958 - 1 BvL 27/55

1. In Art. 33 Abs. 5 GG handelt es sich nur um einen Kernbestand von Strukturprinzipien, die allgemein oder doch ganz überwiegend und während eines längeren, Tradition bildenden Zeitraums, mindestens unter der Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind.
2. Ein Recht am Amt, verstanden als Recht auf Ausübung der Amtsgeschäfte, gehört nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG.
3. Es gibt keinen hergebrachten Grundsatz des Beamtentums, der allgemein die Anwendung neuer Wartestandsbestimmungen auf bereits im Dienst befindliche Beamte verbietet.
4. Bestimmungen, die für die Wahl eines leitenden Kommunalbeamten, der zugleich Träger eines Staatsamtes ist, die Bestätigung durch die Landesregierung erfordern, gehören zu dem Normenkomplex, der den historisch gewordenen Begriff der Selbstverwaltung ausmacht.
5. Die Größe der von einer gesetzlichen Regelung betroffenen Gruppe spielt für die Zulässigkeit dieser Regelung unter dem Gesichtspunkt des Einzelfallgesetzes keine Rolle, solange die Gruppe sachgerecht abgegrenzt und in sich gleichartigen Regeln unterworfen ist.

BVerfG, 11.06.1958 - 1 BvR 1/52; 1 BvR 46/52

1. Es gibt keinen "hergebrachten Grundsatz" im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG, der dem Beamten den einmal erworbenen Anspruch auf eine summenmäßig bestimmte Besoldung gewährleistet.
2. Es ist ein "hergebrachter Grundsatz" im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG, daß den Beamten nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach Maßgabe der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards ein angemessener Lebensunterhalt zu gewähren ist. Diesen Grundsatz hat der Gesetzgeber zu beachten.
Art. 33 Abs. 5 GG gibt dem Beamten insoweit ein grundrechtsähnliches Individualrecht, dessen Verletzung nach § 90 Abs. 1 BVerfGG mit der Verfassungsbeschwerde gerügt werden kann.
3. Im Verfahren der Verfassungsbeschwerde darf das Bundesverfassungsgericht ein Besoldungsgesetz, das wegen einer Veränderung der Lebensverhältnisse den Erfordernissen eines angemessenen Unterhalts nicht mehr entspricht und deshalb mit Art. 33 Abs. 5 GG nicht mehr vereinbar ist, nicht für nichtig erklären. Es ist vielmehr auf die Feststellung beschränkt, daß der Gesetzgeber durch Unterlassen einer Besoldungsänderung das in Art. 33 Abs. 5 GG enthaltene Recht des Beamten verletzt habe.

BVerfG, 17.10.1957 - 1 BvL 1/57

1. Für den Typus des Beamten auf Zeit gibt es besondere hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG.
2. Die besondere Stellung der leitenden Kommunalbeamten (Bürgermeister) war von jeher vom Gemeindeverfassungsrecht mit geprägt.
3. Die vorzeitige Abwahl des hauptamtlichen Bürgermeisters erklärt sich aus einer Entwicklung des Gemeindeverfassungsrechts und seiner Einwirkung auf das Dienstrecht des Bürgermeisters. Sie ist in der Ausgestaltung, die sie in der Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein vom 24. Januar 1950 gefunden hat, mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar.

BVerfG, 14.05.1957 - 2 BvR 1/57

1. Die Anführung der Art. 38 und 33 GG in § 90 BVerfGG meint diese Artikel nicht in ihrem ganzen Umfang, sondern nur soweit sie in ähnlicher Weise wie die übrigen Artikel des Grundgesetzes, in die sie hier eingereiht sind, Individualrechte garantieren.
2. Die Frage, ob ein Abgeordneter infolge des Verbots seiner Partei sein Mandat verloren hat, betrifft seinen verfassungsrechtlichen Status; sie kann daher nicht Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein.

BVerfG, 17.12.1953 - 1 BvR 323/51, 195/51, 138/52, 283/52, 319/52

1. Mit einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz kann eine Verfassungsbeschwerde gegen eine Verordnung zur Durchführung dieses Gesetzes verbunden werden, wenn diese Verordnung das Ausmaß und den Umfang der angeblichen Grundrechtsverletzung im einzelnen klarstellt und den Beschwerdeführer unmittelbar betrifft.
2. Dem Deutschen Reich konnte es nach den Grundsätzen über die Tragung des Betriebsrisikos nicht zugemutet werden, Dienstverhältnisse mit Angestellten über den 8. Mai 1945 hinaus fortzusetzen, wenn die bisherigen Dienststellen und Arbeitsplätze endgültig weggefallen waren; einer besonderen Kündigungserklärung bedurfte es zur Beendigung dieser Angestelltenverhältnisse nicht.
3. Die Bundesrepublik ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt aus einem Angestelltenvertrag verpflichtet, der vor dem 8. Mai 1945 mit einer Gemeinde in den von Polen verwalteten Gebieten bestand.
4. Der Gleichheitsgrundsatz bietet dem Bundesverfassungsgericht nicht die Möglichkeit, ein Gesetz unter dem Gesichtspunkt "allgemeiner Gerechtigkeit" zu prüfen und damit seine Auslegung von Gerechtigkeit derjenigen des Gesetzgebers zu substituieren. Das Bundesverfassungsgericht kann nur prüfen, ob der Gesetzgeber die äußersten Grenzen seines Ermessensbereichs überschritten, nicht aber, ob er im einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat. Ist die vom Gesetzgeber gewählte Lösung mit dem Gleichheitssatz noch vereinbar, so kommt es nicht darauf an, ob eine andere gerechter oder vernünftiger gewesen wäre oder dem Gleichheitssatz noch besser entsprochen hätte.
5. Art. 33 Abs. 5 GG bezieht sich nicht auf Angestellte des öffentlichen Dienstes.