RG, 18.12.1931 - II 514/30
Verstößt es gegen die Grundsätze des lauteren Wettbewerbs wenn ein Unternehmer, der auf gesunder kaufmännischer Grundlage wegen seiner geringeren Gestehungskosten billiger verkaufen kann, von einem finanziell übermächtigen Mitbewerber durch das Kampfmittel rücksichtslosen Preisunterbietens vor die Wahl gestellt wird, entweder seine niedrigeren Preise den höheren des Mitbewerbers anzupassen oder – falls er hierzu nicht bereit ist – wirtschaftlich zugrunde zu gehen?
Sachverhalt
Der Kläger, der seit vielen Jahren eine Tankstelle in Benrath besitzt bezog seinen Autotreibstoff bis zum Jahre 1926 von der Erstbeklagter, der Rh.-D. Mineralölwerte UG; diese brachte den Treibstoff unter ihrem Warenzeichen „Stellin“, später unter dem Zeichen „Shell“, in den Verkehr. Nach Beendigung seines festen Vertragsverhältnisses mit der Erstbeklagten bezog der Kläger zur Deckung seines Bedarfs Erzeugnisse von mehreren der verklagten fünf Firmen ohne Preisbindung. Die Beklagten ihrerseits hatten im Mai 1928 ganz Deutschland in Zonen eingeteilt nach der Höhe der Tankstellenpreise, die sie innerhalb derselben Zone immer einheitlich festsetzten. Dieser Vereinbarung trat alsbald eine Reihe anderer großer Unternehmen des gleichen Geschäftszweigs bei. Diese Firmen und die Beklagten schlossen sich zu einer Konvention zusammen, welche die „Bedingungen für den Verkauf von Autotreibstoffen“ vom 1. Oktober 1928 aufstellte. Die Mitglieder verpflichteten sich darin zur Einhaltung bestimmter Richtlinien für den Verkauf ihrer Waren, um auf diese Weise die abträglichen Folgen gegenseitigen Wettbewerbs tunlichst einzuschränken und die von ihnen ins Leben gerufene Verkaufsorganisation zu festigen. Zwar gingen die Mitglieder der Konvention in bezug auf die Tankstellen-Verkaufspreise keine ausdrückliche Bindung ein, sie vereinbarten aber, daß sie sich über diese Weist von Fall zu Fall verständigen wollten. Der Erfolg war, daß die Tankstellen-Verkaufspreise der Konventions-Mitglieder in den einzelnen Zonen tatsächlich übereinstimmten.
Für das Amt Benrath, das zur zweiten Zone (Rheinland) gehört, betrugen vor Abschluss der Konvention die Tankstellenpreise der späteren Konventionsmitglieder für Benzin 0,29 RM je Liter. Diesen Preis nahm auch der Kläger, der seit Februar 1929 seinen Bedarf von der Firma The T. Company in Br. bezog; mit ihr schloss er einen Lieferungsvertrag auf längere Zeit ab. Nach Abschluss der Konvention nahmen die zu ihr gehörigen Firmen eine allgemeine Preiserhöhung vor: für die zweite Zone wurde der Benzinpreis auf 0,33 RM hinaufgesetzt, die Preise der höherwertigen Treibstoffe Benzol und Benzin-Benzol-Gemisch, die stets über dem Benzinpreis liegen, wurden entsprechend höher festgesetzt. Schon am 24. Oktober 1928 setzten jedoch die Konventionsfirmen den Benzinpreis für die zweite Zone auf 0,32 RM herab. Der Kläger hielt dagegen nach wie vor an seinem Preise von 0,29 RM für Benzin fest. Infolgedessen stieg sein Absatz, während derjenige der Beklagten zurückging. Nach vergeblichen Versuchen, den Kläger zur Erhöhung seines Preises auf die Konventionspreise zu bewegen, setzten die Beklagten am 25. Februar 1929 einzig und allein für ihre Pumpen in Benrath den Benzinpreis auf 0,28 RM herab. Daraufhin ermäßigte der Kläger seinen Benzinpreis auf 0,26 RM, worauf die Beklagten den ihrigen für das Amt B. auf 0,25 RM heruntersetzten und die Inhaber ihrer Tankstellen allgemein anwiesen, auch in Zukunft den Kläger unter allen Umständen zu unterbieten, und zwar – wie der Kläger behauptet, die Beklagten aber bestreiten – stets um 0,01 RM. Im Mai 1930 gab eine Zollerhöhung der Konvention Anlass zur Erhöhung des Benzinpreises für die zweite Zone auf 0,37 RM; der Kläger erhöhte seinen Benzinpreis damals auf 0,32 RM. Später trat eine allgemeine Preissenkung ein. Dieser folgten die Konventionsfirmen durch die am 18. September 1930 bewirkte Herabsetzung ihres Benzinpreises für die zweite Zone auf 0,36 RM; am 29. September 1930 erfolgte eine weitere Herabsetzung auf 0,34 RM. Der Kläger forderte für Benzin nach dem Vorbringen der Beklagten: seit dem 20. September 1930 0,31 RM und seit dem 5. Oktober 1930 0,29 RM; nach seiner eigenen Behauptung: seit dem 29. September 1930 0,29 RM und seit dem 3. November 1930 0,28 RM. Als Zweck ihrer ständigen Preisunterbietungen geben die Beklagten an, Sie hätten den Kläger zwingen wollen, seine Preise in gleicher Höhe festzusetzen wie sie, weil sein Verhalten eine schwere Schädigung ihrer Verkaufsorganisation bedeute. Der Kläger behauptet dagegen, die Beklagten seien darüber hinaus auf seine wirtschaftliche Vernichtung ausgegangen, um so einen unbequemen Wettbewerber zu beseitigen.
Der Kläger verlangt nunmehr, den Beklagten solle untersagt werden, an den Tankstellen im Bezirk des Amtes Benrath ihre Benzine, ihr Ural und ihr Benzol zu einem niedrigeren Preise anzubieten als demjenigen, zu dem er selbst sie anbiete, solange dieser Preis unter den Konventionspreisen bleibe. Die Beklagten bestreiten, daß die die Absicht hätten, den Kläger wirtschaftlich zu vernichten, und bezeichnen diesen etwa eintretenden Erfolg nur als eine von ihnen nicht beabsichtigte Begleiterscheinung des eigenen Verhaltens des Klägers, die dieser ohne weiteres verhindern könne, wenn er sich ihren Preisen anpasse.
Nachdem die Beklagten vom Landgericht entsprechend dem damaligen Klageantrag zur Unterlassung verurteilt worden waren, wies das Oberlandesgericht ihre Berufungen mit der Maßgabe zurück, daß sie das in dem neuen Klageantrag gekennzeichnete Verhalten zu unterlassen hätten. Die Revisionen der Beklagten waren gleichfalls erfolglos.
Gründe
Nach der Feststellung des Berufungsgerichts haben die Beklagten den Kläger fortgesetzt, und zwar – wie sich aus ihrer unbestrittenen allgemeinen Anweisung an ihre Benrather Tankstellen-Inhaber, ihn stets zu unterbieten, ergebe – nach einem festen Plan in ihren Benzinpreisen unterboten. Der Zweck dieses Tuns war, seine Stellung als selbständiger Inhaber eines Tankstellen-Betriebs, der wesentlichen Grundlage seiner wirtschaftlichen Stellung, zu vernichten, falls er es nicht schließlich doch vorzöge, sich den Beklagten durch Gleichstellung seiner Preise mit den ihrigen zu unterwerfen. Das angefochtene Urteil stellt ausdrücklich fest, daß sich die Beklagten nach ihren vergeblichen Versuchen, den Kläger umzustimmen, von ihrem Verhalten nur dann hätten Erfolg versprechen können, wenn sie ohne Rücksicht auf eigene Verluste die Unterbietung gegenüber den Preisen des Klägers so lange fortzusetzen entschlossen gewesen seien, bis er mit seinem Tankgeschäft erliege, und daß sie mit seinem baldigen Erliegen nicht nur hätten rechnen können, sondern nach Lage der Sache auch gerechnet hätten, da dem Kläger, der in diesem Kampf von seiner Lieferfirma in Br. nicht unterstützt werde, sondern ganz auf sich selbst angewiesen sei, im Vergleich zu den Beklagten nur ganz geringe Geldmittel zur Verfügung ständen. Jener Erfolg wäre nach der weiteren Feststellung des Berufungsgerichts auch längst eingetreten wenn nicht eine – noch zu Recht bestehende – einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 4. April 1929 dem Vorgehen der Beklagten vorläufig ein Ziel gesetzt hätte. Zur Kennzeichnung der wirtschaftlichen Machtstellung der Beklagten weist das Urteil darauf hin, daß der seit dem 1. Oktober 1929 bestehenden Benzin-Konvention – sie wurde im Laufe des Rechtsstreits, anscheinend zum 1. Oktober 1930, gekündigt – mit den größten Geldmitteln ausgestattete und unter den Herstellern von Treibstoffen auch sonst in jeder Hinsicht überragende deutsche Firmen angehört hätten, u.a. die jetzigen Beklagten. Weiter wird festgestellt: Die Konvention, die im Laufe des Berufungsverfahrens rechtlich zu bestehen aufhörte, habe dazu gedient, den Verkauf von Treibstoffen, namentlich an den über das ganze Land verteilten Tankstellen der Mitglieder, in bestimmter Art zu regeln, um so zunächst den gegenseitigen Wettbewerb der Mitglieder selbst in möglichst milde Formen zu kleiden, die Mitglieder vor Schaden zu schützen und ihnen möglichst günstige Erträge zu verschaffen. Diesem Zweck diene auch die ohne vertragliche Bindung tatsächlich – und zwar selbst jetzt noch nach Aufhören der Konvention – unter den früheren Mitgliedern bestehende stete Übereinstimmung der Kleinverkaufspreise an den Tankstellen, da auch heute noch jedes der früheren Konventionsmitglieder verpflichtet sei, den anderen jede Veränderung seiner Tankstellen-Verkaufspreise spätestens 24 Stunden vor dem Inkrafttreten mitzuteilen. Aus alledem entnimmt das Berufungsgericht, daß es sich um einen Trust handelte, der seine Aufgabe durch die Regelung des Wettbewerbs unter den Mitgliedern keineswegs als erschöpft angesehen habe, sondern auch darauf ausgegangen sei, die Außenseiter, soweit sie nicht zum Anschluß an die Konvention zu bringen waren, doch wenigstens zur Anpassung an die von den Mitgliedern festgelegten Verkaufspreise zu zwingen und sie auf diese Weise aufzufangen oder unschädlich zu machen, um dann eine uneingeschränkte Preisdiktatur ausüben zu können. Außenseiter wie z. B. der Kläger waren aber nach der Feststellung des Vorderrichters wegen ihrer erheblich billiger arbeitenden Betriebe durchaus in der Lage, ihr Benzin mit gutem Gewinn, also ohne unrentable Preisdrückerei, billiger zu verkaufen. Wenn nun die Beklagten trotz dieser fachlich begründeten geringeren Preise der Außenseiter gegen den Kläger mit planmäßiger und in Vernichtungsabsicht ausgeübter Unterbietung vorgingen, so verfolgten sie damit, wie der Berufungsrichter annimmt, das klare Ziel, den gesamten Außenseiter-Handel zu zerschlagen, um dann eine uneingeschränkte Herrschaft über den gesamten Markt der Treibstoffe auszuüben. Der Kläger ist – so folgert das angefochtene Urteil – nur der zuerst herausgegriffene Außenseiter. Das gleiche Schicksal – Vernichtung ihres Handels mit Treibstoff – drohe allen übrigen, die auf den Druck der Beklagten nicht bereit seien, ohne innere fachliche Gründe unter Aufgabe ihres Selbstbestimmungsrechts die höheren Preise der Beklagten zu übernehmen.
Das Berufungsgericht stellt danach, was das von den Beklagten verfolgte Ziel und die dazu angewandten Mittel betrifft, zusammenfassend fest, daß die Beklagten mit Hilfe ihrer überragenden Geldmittel, die ihnen ohne weiteres das Unterbieten in jedem Umfang und auf beliebig lange Zeit erlaubten, den bei weitem kapitalschwächeren und daher wehrlosen Kläger, der nur kurze Zeit hätte Widerstand leisten können, durch planmäßiges, zur Vernichtung seiner Stellung als selbständiger Treibstoff-Händler ausgeübtes Unterbieten niederzwingen wollten, um sich, auf dem eingeschlagenen Wege fortschreitend und einen Außenseiter nach dem anderen beseitigend, somit jeden Wettbewerb ausschaltend, allmählich eine völlige Monopolstellung im ganzen Lande zu verschaffen und dann den Markt schrankenlos zu beherrschen.
Nach Ansicht des Berufungsrichters fällt dieses Vorgehen der Beklagten völlig aus dem Rahmen des auf gesetzlichem Boden sich bewegenden eigentlichen Wettbewerbs heraus. Ziel und Kampfmittel und damit die ganze Handlungsweise der Beklagten verstießen gegen die guten Sitten und verletzen den § 1 UnlWG und den § 826 BGB. Denn für Ziel und Mittel sei der auf finanzielle Überlegenheit gestützte und demgemäß mit wirksamen Machtmitteln ausgestattete Vernichtungswille maßgebend. Deshalb komme es nicht mehr darauf an, daß das zur Verwirklichung dieser Absicht angewandte Unterbieten an sich ein lauteres Mittel des Wettbewerbskampfes bilde. „Der damit gepaarte brutale Vernichtungswille“ mache das Kampfmittel hier auf alle Fälle zu einem unsittlichen. Der demnach unsittliche Zweck beherrsche das an sich nur in dem angewandten Mittel zutage tretende Verhalten der Beklagten derart, daß dieses als ganzes gesehen sittenwidrig sei; „der unsittliche Zwecke entheilige das Mittel“. Der Berufungsrichter geht zwar selbst davon aus, daß das Ziel jeglichen Wettbewerbs die Schädigung des Gegners sei. Aber diese sei – so führt das Urteil aus – in den Fällen des normalen Wettbewerbs meist zu ertragen und zu überwinden und daher vom sittlichen Empfinden aus jedenfalls so lange nicht zu beanstanden, als sie nicht zum bloßen Selbstzweck werde oder sich für den Betroffenen zu einem Nachteil entwickle, der in keinem Verhältnis zu dem vom Schädiger erstrebten Nutzen stehe. Das Wettbewerbsgesetz erkenne allerdings die Berechtigung des Wettbewerbs mit seinen für den Gegner schädlichen Folgen an, wolle aber diesen doch vor solchen Schädigungen bewahren, die den guten Sitten zuwiderliefen. Es diene also dazu, den Wettbewerb aufrechtzuerhalten, ihn aber gleichzeitig in gesunde Bahnen zu lenken. Damit lehne es ein wirtschaftliches Kaufrecht ab, das den Gegner im Wettbewerbskampf mit überragenden Geldmitteln und ohne eigenes erhebliches Risiko vernichten wolle, um jeglichen Wettbewerb auszuschalten.
Dieser Auffassung ist im Ergebnis beizutreten, wenn auch die Begründung verschiedenen rechtlichen Bedenken unterliegt. Das Berufungsgericht hält das Kampfmittel des Beklagten, nämlich ihr planmäßiges fortgesetztes Unterbieten der Preise des Klägers, deshalb für sittenwidrig, weil es in Anbetracht der überragenden Geldmittel der einen Trust auf dem Benzinmarkt bildenden Beklagten, denen der Kläger als einzelner kleiner Unternehmer wehrlos gegenüberstehe, den Willen und die Macht zur Vernichtung des Klägers als selbständigen Tankstellen-Besitzers in sich trage. Nun ist aber zugunsten der Beklagten zu unterstellen, daß sie – was der Kläger übrigens auch nicht bestreitet – dessen wirtschaftliche Stellung dann nicht weiter antasten wollen, wenn er seine Verkaufspreise in gleicher Höhe festsetzt wie sie die ihrigen, und zwar nicht durch Herabsetzung, sondern durch Heraufsetzung. Daß er, wenn er dies täte, vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch stände oder ihm unabweisbar verfiele, ist nicht festgestellt. Die Beklagten behaupten – und das ist nicht widerlegt –, daß er dann vermöge der überaus günstigen örtlichen Lage seiner Tankstelle ihnen gegenüber immer noch einen nicht unwesentlichen Vorsprung im Wettbewerb hätte. Dazu kommt, daß der Kläger nach seiner eigenen Angabe mit erheblich geringeren Geschäftsunkosten zu rechnen hat als die Beklagten. Er hätte somit bei Anpassung seiner Preise an die der Beklagten auch in dem Vorteil des höheren Verkaufsnutzens einen gewissen Ausgleich für den Wegfall seiner bisherigen Freiheit in der Preisfestsetzung. Es läßt sich also von diesem Standpunkt aus nicht sagen, daß die Beklagten die völlige Vernichtung des Klägers, d. h. die Vernichtung seiner gewerblichen Stellung schlechthin erstrebten. Sie bestreiten auch eine solche Absicht aus naheliegenden Gründen mit Entschiedenheit. Der Fall liegt rechtlich ähnlich dem, wo ein Kartell mit Sperren und dergl. gegen einen lästigen Außenseiter vorgeht. In Fällen solcher Art berücksichtigt das Kartellgericht stets, ob dem Außenseiter der Beitritt zu annehmbaren Bedingungen offengelassen worden ist (Entscheidungen des Kartellgerichts vom 16. Januar 1929 und vom 13. Februar 1929 in KartRdsch. 1929 S. 99 und S. 220). Nun ist aber die Bindung eines Kaufmanns an bestimmte Preise, die ihm einen guten Gewinn ermöglichen, nicht nur keine Vernichtung seiner wirtschaftlichen Geltung überhaupt, sondern auch keine Vernichtung seiner Stellung als selbständiger Kaufmann. Preisbindungen sind Zustände, die in der jetzigen Zeit der Verbände, Tarifverträge und dergl. im deutschen Wirtschaftslegen im weitesten Umfang herrschen. Diese Verhältnisse haben naturgemäß auf dem hier in Betracht kommenden Gebiet eine Wandlung in den Anschauungen der Geschäftswelt mit sich gebracht. Die davon betroffenen Kreise mögen in solcher Gebundenheit verschiedener Art zunächst, als diese Dinge noch neu waren, eine Beschränkung ihrer kaufmännischen Selbständigkeit gesehen haben. Heute, wo diese Zustände jedem am Geschäftsleben – sei es als Unternehmer, als Angestellter oder als Arbeiter – Beteiligten und weiten anderen Kreisen durchaus geläufig sind, kommt niemand mehr auf den Gedanken, anzunehmen, daß die selbständige Stellung eines Kaufmanns vernichtet sei, weil er in der Festsetzung der Preise durch Bestimmungen eines Syndikats, dem er angehört, oder in der Gestaltung der Löhne für seine Angestellten und Arbeiter durch Tarifverträge gebunden ist.
Die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Sittenwidrigkeit des Kampfmittels der Beklagten bejaht, läßt sich somit nicht aufrechterhalten.
Das gleiche gilt von der Darlegung, daß auch das von den Beklagten erstrebte Ziel, nämlich die Schaffung einer Monopolstellung auf dem Benzinmarkt mit uneingeschränkter Preisdiktatur, wider die guten Sitten verstöße. Was der Berufungsrichter insoweit zur Begründung ausführt, ist nicht ganz klar. Anscheinend hält er dieses Ziel ohne weiteres deshalb für sittenwidrig, weil die Beklagten es unter Preiskampf zu Ausschaltung der Mitbewerber zu erreichen suchten und dadurch ein berechtigtes Interesse der Allgemeinheit verletzten, nämlich das Interesse an der für die Gewährleistung einer gesunden Preispolitik erforderlichen Erhaltung unabhängiger und daher selbständiger Mitbewerber an Stelle der Alleinherrschaft der Beklagten, die dann dieses Wirtschaftsgebiet unbeschränkt ausbeuten würden.Demgegenüber ist zu bemerken, daß durch diese Begründung der Rechtsbestand jeder Preiskonvention mit dem fast immer beabsichtigten Ziel der Erringung einer Monopolstellung in Frage gestellt würde, obgleich dem deutschen Recht die Anschauung fremd ist, daß eine Preiskonvention mit dem Ziel der Schaffung einer Monopolstellung durch Preiskampf ohne weiteres sittenwidrig sei. Auch diese Ausführung des Berufungsrichters vermag daher die Annahme der Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten nicht zu stützen. Im übrigen kommt es für die Frage, ob eine solche zu bejahen ist, nicht darauf an, welche Endziele (Monopolstellung, Preisdiktatur) die Beklagten verfolgt haben.
Aus alledem folgt aber nicht die Zulässigkeit des Verhaltens der Beklagten. Vielmehr ergibt sich aus dem Gesagten nur, daß das Berufungsgericht gewissen Umständen eine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen hat, denen eine solche nicht zukommt. Die Fragestellung zur Lösung des wichtigen Problems, wie das Verhalten der Beklagten zu beurteilen ist, muß eine andere sein, als der Vorderrichter annimmt. Und zwar kann es sich nur um die Frage handeln, ob ein Unternehmer, der wegen seiner viel geringeren Bestehungskosten auf gesunder kaufmännischer Grundlage billiger verkaufen kann, von seinem geldlich übermächtigen Wettbewerber durch das Kampfmittel des rücksichtslosen Preisunterbietens gezwungen werden darf, seine niedrigeren Verkaufspreise den höheren des Wettbewerbers anzupassen oder – falls er hierzu nicht bereit ist – sich wirtschaftlich zugrunde richten zu lassen.
Ein solches Verhalten kann nach den Grundsätzen der Lauterkeit und Billigkeit im Geschäftsverkehr nicht mehr als mit den sittlichen Anforderungen übereinstimmend angesehen werden.
Bei Prüfung der Frage der Sittenwidrigkeit einer Wettbewerbshandlung, d. h. eines Verstoßes gegen die Grundsätze des lauteren Wettbewerbs, ist mit dem Berufungsgericht schon grundsätzlich davon auszugehen, daß es rechtlich verfehlt wäre, den Zweck der Handlung ganz außer acht zu lassen. An dem Zweck eines Tuns geht das Gesetz auch sonst nicht achtlos vorüber. Das zeigt die Vorschrift des § 226 BGB, außerdem aber auch der § 138 Abs. 1 das., dessen Anwendbarkeit nach feststehender Rechtsprechung davon abhängt, ob das betreffende Rechtsgeschäft nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Zweck und Beweggrund zu entnehmenden Gesamtcharakter ein sittenwidriges Geschäft darstellt. Es ist nicht einzusehen, weshalb gerade für die guten Sitten im gewerblichen Wettbewerb der Zweck des Handelns überhaupt beiseite gelassen werden soll. Der Wettbewerb muß unlauter, nicht etwa nur unzulässig sein. Deshalb ist der Ansicht von Elster in LZ. 1927 Sp. 1076 zuzustimmen, daß der rechtsethische Gehalt des Wettbewerbsrechts nicht unberücksichtigt bleiben dürfe. Wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt ist es auch keineswegs richtig, daß als Sinn, Ziel und Zweck jedes gewerblichen Wettbewerbs die Vernichtung der Mitbewerber anzusehen sei (dies behaupten die Gegner der hier vertretenen Meinung, um daraus herzuleiten, daß sich die Frage der Unlauterkeit deshalb nur auf die zur Erreichung des Vernichtungszwecks denkbaren zahlreichen Mittel beziehen könne). Allerdings hat jeder Wettbewerb den Zweck, das eigene Unternehmen auf Kosten von Mitbewerbern durch Steigerung des eigenen Umsatzes zu fördern. Das ist aber noch lange nicht gleichbedeutend mit dem handeln zum Zwecke der Vernichtung der Mitbewerber. Hat der in den angewandten Mitteln an sich nicht unlautere Wettbewerb des einen Wettbewerbers die Vernichtung des wirtschaftlichen Fortbestehens des andern zur Folge (z. B. weil diesem als Inhaber eines Kleinbetriebs nicht die günstigen Einkaufsmöglichkeiten zur Verfügung stehen wie jenem und er deshalb gezwungen ist, zu höheren Preisen zu verkaufen als jener); so kann selbstverständlich nicht von sittenwidrigen Wettbewerbshandlungen des ersteren die Rede sein, auch wenn er mit dem Erliegen des anderen gerechnet oder es sogar beabsichtigt haben sollte. Denn das Unterbieten, dessen er sich – in diesem Beispielsfall – im Wettbewerbskampf bediente, ist an sich eine erlaubte Maßnahme und ist auch nicht durch den Hinzutritt besonderer Umstände unlauter geworden. Das wäre u. a. dann der Fall, wenn die niedrigeren Verkaufspreise wegen der eigenen hohen Geschäftsunkosten allmählich zu Verlustpreisen wurden, aber zur Niederringung des Mitbewerbers aufrechterhalten wurden „koste es was es wolle“. Mit Unrecht meinen die Revisionen, der hier zur Entscheidung stehende Fall liege rechtlich nicht anders als der in dem obigen Beispiel angeführte, wobei aber zugunsten der Beklagten noch berücksichtigt werden müsse, daß die wirtschaftliche Stellung des Klägers nicht vernichtet worden sei, nach ihrer Absicht auch nicht habe vernichtet werden sollen.
Außer dem angegebenen Zweck der Förderung des eigenen Unternehmens auf Kosten der Mitbewerber wird eine Wettbewerbshandlung häufig noch mehrere andere Zwecke verfolgen, die nicht immer offen zutage zu liegen brauchen. Weshalb diese Zwecke oder wenigstens einer davon – unabhängig von dem angewandten Kampfmittel – nicht unlauter sein und deshalb die Wettbewerbshandlung selbst nicht sollte unlauter machen können, ist nicht einzusehen. Auch das Reichsgericht hat in zahlreichen Entscheidungen ausgesprochen, daß für die Frage der Sittenwidrigkeit einer Wettbewerbshandlung außer dem angewandten Kampfmittel auch der mit ihr verfolgte Zweck maßgebend sei; vgl. z. B. RGZ Bd. 60 S. 94 (104, 105), Bd. 64 S. 155 (158), Bd. 92 S. 132 (139), Bd. 93 S 302 (303, 304), Bd. 104 S 327 (330), Bd. 117 S. 21, Bd. 118 S. 84 (89), ferner JW 1913 S 134 Nr. 11, 1927 S. 112 Nr. 14 und 15, 1928 S. 1209 Nr. 9 und S. 2910 Nr. 5. Es handelt sich hierbei um Entscheidungen des I., II., IV. und VI. Zivilsenats. Mögen sich auch mehrere davon auf Tatbestände des sozialpolitischen Kampfes beziehen, worauf Nipperdey in seinem für die Beklagten erstatteten Privatgutachten hinweist, so trifft das doch nicht zu bei zahlreichen anderen, welche Fälle des gewerblichen Wettbewerbskampfes zum Gegenstand haben. Der Umstand, daß diesen zum großen Teil Tatbestände zugrunde liegen, welche Maßnahmen von Kartellen oder ähnlichen Unternehmer-Vereinigungen betreffen, rechtfertigtnicht, wie Callmann S. 36 Abs. 2 der Einl. und Note 25 zu § 1 UnlWG will, eine andere Betrachtungsweise, nämlich in dem Sinne, daß der Vernichtungszweck dann beachtlich sei, wenn der einzelne im Wirtschaftskampf einer „Kollektivmacht“ – einem Kartell, Trust, Verband oder dergl. – gegenüberstehe. Es läßt sich kein Grund dafür denken, weshalb der Vernichtungszweck, der nach Ansicht der Gegner der reichsgerichtlichen Rechtsprechung gerade deshalb, weil er stets das Ziel des kaufmännischen Wettbewerbs sei, bei Prüfung der Frage der Sittenwidrigkeit einer Wettbewerbshandlung außer Betracht zu bleiben hat, dann berücksichtigt werden soll, wenn die Maßnahmen von Kartellen usw. ausgehen. Mag es sich um den Vernichtungszweck bei einem einzelnen oder bei einem Kartell handeln, die Zielsetzung, die dem Handeln den Stempel des Sittenwidrigen aufdrückt, ist in beiden Fällen die gleiche; verschieden ist vielfach nur die Nachdrücklichkeit des Handelns, auf die es aber hier nicht ankommt. Im übrigen liegt, wie schon hervorgehoben, der gegenwärtige Fall nicht viel anders, als wenn ein Kartell mit einer Sperre oder einer ähnlichen Maßnahme gegen einen lästigen Außenseiter vorgeht. Auch nach der Meinung, welche Callmann in seinem Kommentar zum Wettbewerbsgesetz vertritt – in seinem für die Beklagten in diesem Rechtsstreit erstatteten Privatgutachten nimmt er im Ergebnis den gegenteiligen Standpunkt ein – ist somit bei Prüfung der Unlauterkeit des Verhaltens der Beklagten dessen Zweck zu berücksichtigen.
Aber auch Nipperdey a.a.O. lehnt die Heranziehung des Zwecks einer Handlung als Kennzeichen für ihre Sittenwidrigkeit keineswegs grundsätzlich ab, worauf schon das Berufungsgericht mit Recht hingewiesen hat. Er unterscheidet zwei Gruppen von Wettbewerbs-Tatbeständen, nämlich 1. solche, die in der Förderung der Absatztätigkeit des eigenen Geschäftsbetriebs mit den Mitteln der eigenen Leistung bestehen, 2. solche, die nur eine Behinderung des Mitbewerbers herbeiführen, um dadurch erst freie Bahn für den eigenen Absatz zu schaffen. In der ersten Gruppe zeigt sich nach seiner Darlegung die Schadenszufügung nur als Folge des Nebeneinanderbestehens mehrerer auf das gleiche Ziel – Vergrößerung des eigenen Absatzes – hinstrebender Gewerbebetriebe. Dagegen verfolgt der Behinderungs-Wettbewerber (zweite Gruppe) ohne Steigerung der eigenen gewerblichen Leistung nur den Zweck, den Mitbewerber in seiner Handlungsfreiheit zu beeinträchtigen, um sich dadurch freie Bahn für künftige eigene Absatztätigkeit zu schaffen; hier ist die Schädigung sowohl Mittel als auch Zweck. für den Leistungswettbewerb soll nach der Ansicht Nipperdeys stets das Recht zu freier Betätigung ohne jede Rücksicht auf schädliche oder vernichtende Wirkungen bestehen mit der Folge, daß auch nicht etwa die Absicht der Schädigung oder Vernichtung des wirtschaftlichen Fortbestehens diese Wettbewerbshandlungen sittenwidrig machen könne. Für den Behinderungswettbewerb dagegen, der dazu führe, daß die natürliche Folge des Wettbewerbs – das Werben um den freien Kunden unter Einsatz der Vorteile der eigenen Leistung – ausgeschaltet und damit eine der wesentlichen Voraussetzungen des freien Marktes beseitigt werde, könne die übermäßige Behinderung des Gegners ein sittenwidriges Mittel im Wettbewerbskampfe sein. Das gleiche gilt – wie hinzuzufügen ist – von dem hier ausschließlich auf Schädigung, vielfach auf gänzliche Vernichtung der wirtschaftlichen Stellung des Gegners gerichteten Zweck der Handlung.
Nipperdey verneint aber trotz dieser Grundsätze für den vorliegenden Fall die Rechtswidrigkeit der handlungsweise der Beklagten, weil der den Fall als Leistungswettbewerb angesehen wissen will. Dieser Standpunkt ist verfehlt. Es handelt sich hier vielmehr, wenn man sich die Einteilung der Wettbewerbs-Tatbestände in die von Nipperdey vorgeschlagenen zwei Gruppen zu eigen macht (wie es auch schon das Reichsgericht, erstmals in RGZ Bd. 28 S. 247, getan hat), um einen typischen Fall des sog. Behinderungswettbewerbs, wie auch der Vorderrichter annimmt. Denn nach seiner bedenkenfreien Feststellung beabsichtigten die Beklagten nicht etwa, durch die Billigkeit ihrer Preise mit dem Kläger in einen echten Wettbewerb zu treten, indem sie dem Publikum ernstgemeinte Vorteile boten und es auf diese Weise durch die Preiswürdigkeit ihrer Leistung als Kunden gewinnen wollten. Hätten sie das gewollt, dann hätten sie, wie das Urteil mit Recht betont, ihre Ware überall zu dem billigeren Preis anbieten müssen, nicht nur in dem kleinen Amt Benrath und nicht nur (wie aus ihrer Anweisung an die dortigen Tankstellen-Verwalter, den Kläger stets zu unterbieten, ersichtlich war) zu dem Zweck, den Betrieb des letzteren, der sich ihnen nicht fügen wollte, lahmzulegen. Ihr Bestreben ging aber, wie der Vorderrichter feststellt, nur dahin, durch ein künstliches und möglichst rasch durchgeführtes Manöver dem zu ihnen im echten Leistungswettbewerb stehenden Kläger die Beteiligung am Wettbewerb unter allen Umständen unmöglich zu machen, indem sie das Publikum durch Unterbieten „koste es, was es wolle“ von ihm abzogen, um hinterher nach Beseitigung des Klägers, sofort zu ihren alten oder zu noch höheren Preisen zurückzukehren. Danach stellt sich nach der Meinung des Berufungsgerichts die dem Publikum für billigen Preis gebotene Leistung der Beklagten nur als ein Scheinvorteil heraus, der nach der Besiegung des bekämpften Gegners alsbald in einen Nachteil umschlagen mußte, weil das Publikum nun nicht mehr zu dem niedrigeren Preise des Klägers, sondern nur noch zu dem höheren der Beklagten kaufen konnte. Die Schädigung des Gegners aber war bei diesem Kampfe keineswegs nur dessen Folge, sondern sie war das Kampfmittel der Beklagten und zugleich – dem Kläger gegenüber – der ausschließliche Zweck ihres Handelns. Die gegenteilige Ansicht der Revisionen richtet sich gegen die ohne Rechtsverstoß und auf Grund der dargelegten Tatsachen getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsrichters.
Da es sich hiernach nicht um ein Unterbieten im Rahmen des Leistungswettbewerbs, sondern, wie das angefochtene Urteil selbst annimmt, von vornherein um einen Fall des sog. Behinderungswettbewerbs handelt, so liegt nicht einer der an sich denkbaren, von Nipperdey auch als möglich erwähnten Fälle vor, wo das Unterbieten ursprünglich im Rahmen des Leistungswettbewerbs geschehen ist, diesen Charakter aber infolge Hinzutretens besonderer Merkmale verloren hat und dann unzulässig geworden ist. Das Berufungsgericht übersieht das anscheinend. Doch ist dieser Punkt für die Entscheidung ohne Bedeutung.
Danach sieht der Berufungsrichter auf Grund seiner Ausführungen und Feststellungen über das Vorliegen eines Falles des sog. Behinderungswettbewerb – bei dem die Beklagten zunächst nur die Vernichtung des ihnen nicht gefügigen Klägers anstrebten, um dann für ihre höher Preisfestsetzung freie Bahn zu haben – in dem Verhalten der Beklagten nach Zweck und Kampfmittel einen Verstoß gegen die guten Sitten und eine Verletzung der § 1 UnlWG, § 826 BGB, deren übrige Voraussetzungen er gleichfalls als vorhanden erachtet. Diese Auffassung, die sich als weitere selbstständige Begründung der angefochtenen Entscheidung darstellt, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das fortgesetzte planmäßige Preisunterbieten gegenüber dem Kläger geschah nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht um Rahmen eines Leistungswettbewerbs. Es handelte sich also bei dem Vorgehen der Beklagten nicht um eine Beeinträchtigung des Klägers als ihres Mitbewerbers durch Führung eines Konkurrenzbetriebs, sondern um ein Verfahren, das dem Zwecke diente, seinen Gewerbebetrieb zu vernichten, weil er sich ihrem Verlangen nicht unterwarf, seine Preise, die keineswegs Schleuderpreise waren, sondern ihm bei seinen geringeren Geschäftsunkosten einen guten Gewinn ließen, ihren höheren Preisen anzugleichen. Danach liegt ein Fall schwersten Behinderungswettbewerbs vor. Ein solches Verhalten der Beklagten, die zunächst jedenfalls ganz offenkundig den Zweck verfolgten, den Gegner zu vernichten, weil er sich ihrer Forderung auf Anpassung an ihre höheren Preise nicht unterwarf, und die sich bei ihrer starken wirtschaftlichen Überlegenheit des den Erfolg binnen kurzen Zeit verbürgenden Kampfmittels rücksichtslosen Preisunterbietens bedienten, ist sittenwidrig, und zwar nicht nur wegen des die Vernichtung des Gegners mit Sicherheit herbeiführenden Kampfmittels, sondern ganz besonders auch wegen des klar zutage liegenden Vernichtungszwecks.
Es ist nicht ausgeschlossen, daß ein solches Verhalten in weiter zurückliegenden Zeiten milder beurteilt worden wäre, etwa von dem Standpunkt aus, daß der Kläger die Folgen seiner Widerstands gegen die Annahme der höheren Preise, die ihm möglicherweise keinen erheblichen Schaden gebracht hätte, tragen müsse und daß das Vorgehen der Beklagten daher nicht als Verstoß gegen die Grundsätze des lauteren Geschäftsverkehrs angesehen werden könne. Aber der Rechtsbegriff des Verstoßes gegen die guten Sitten ist, wie der erkennende Senat schon wiederholt (z. B. in JW 1929 S. 249 Nr. 6 und in M. u. W. XXXI S. 154) ausgesprochen hat, nicht starr und unabänderlich. Mit der Entwicklung des wirtschaftlichen, sittlichen und geistigen Lebens des Volkes hat sich das Bewußtsein von der Notwendigkeit gesteigerter Anfroderungen an die Lauterkeit des Verhaltens aller am Wirtschaftsleben Beteiligten allgemein durchgesetzt. Das Gefühl für das, was Anstand und Sitte im Geschäftsverkehr erfordern, ist feiner geworden. Die Rechtsprechung folgt pflichtgemäß dieser Entwicklung. Diese ist auch nicht unbeeinflußt geblieben von der Schaffung starker wirtschaftlicher Machtkörper durch Zusammenfassung vieler Einzelunternehmungen zu Kartellen, Syndikaten, Trusts und dergl. und von dem starken wirtschaftlichen Druck, den diese Zusammenballungen auf den – wirtschaftlich gesehen – fast wehrlosen einzelnen ausüben. Eine solche Vereinigung bestand auch auf seiten der Beklagten und besteht nach der Feststellung des Vorderrichters, jedenfalls tatsächlich, auch heute noch unter ihnen. Von allergrößter Bedeutung für die – übrigens schon bejahte – Frage, ob den Beklagten eine Sittenwidrigkeit zur Last fällt, ist aber auch die zur Zeit in unserem ganzen Volk herrschende ungeheure wirtschaftliche Not. Schwerste Opfer werden von jedem einzelnen im Interesse des Volksganzen gefordert. Es gilt ein Notrecht mit weitreichender Außerkraftsetzung sogar verfassungsmäßiger Grundrechte, insbesondere des Art. 153 Abs. 1 RVerf. über die Gewährleistung des Eigentums. Aufs Schärfste greift dieses Notrecht in bestehende Verträge, Rechte und Rechtsverhältnisse ein zum Zweck der Senkung der allgemeinen Lebenshaltungskosten und der sonstigen privaten sowie der öffentlichen Ausgaben. Im Rahmen dieser Verhältnisse könnte es unmöglich als mit der Anschauung aller billig und gerecht Denkenden vereinbar bezeichnet werden, daß ein auf gesunder wirtschaftlicher Grundlage aufgebauter kaufmännischer Betrieb von einer kapitalistisch übermächtigen Gruppe vor die Wahl gestellt wird, entweder vernichtet zu werden oder seine Preise auf den Stand derjenigen der Gruppe zu erhöhen, weil dieses sonst ihrer Bestehungskosten wegen nicht konkurrieren könnte. Dabei handelt es sich um einen Treibstoff für Kraftmaschinen und Fahrzeuge, also um einen lebenswichtigen Bedarfsgegenstand. Es wäre ein Unding und ein unerträglicher Widerspruch, wenn die Rechtsordnung einerseits durch Erlassung zahlreicher Notverordnungen schärfste Mittel zur Lockerung der starren Preise anwenden, anderseits aber es zulassen würde, daß auf dem Wege des stärksten wirtschaftlichen Druckes Preiserhöhungen durchgesetzt werden.
Hiernach ist der Unterlassungsanspruch aus § UnlWG und § 826 BGB gerechtfertigt, und es braucht daher nicht geprüft zu werden, ob das auch nach § 1 Nr. 1a und 3 KartNotVo vom 26. Juli 1930 und nach § 1 Nr. 1a sowie nach § 2 der Ausführungsverordnung hierzu vom 30. August 1930 der Fall wäre. ...
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