RG, 21.12.1880 - II 328/80
1. Begriff öffentlicher Wappen im Sinne des §. 3 Abs. 2 des Markenschutzgesetzes. .
2. Kann sich derjenige, der die Anmeldung versäumt hat, dem Anmeldenden gegenüber auf seinen früheren Besitzstand berufen?
3. Freizeichen als Bestandteil eines Warenzeichens.
Tatbestand
Die Firma O., in Amsterdam und Ahaus ansässig, führt schon seit langer Zeit (ihrer Behauptung nach seit 100 Jahren) für ihre Tabaksfabrikate ein Warenzeichen, bestehend aus dem Wappen der Stadt Amsterdam und verschiedenen beigefügten Inschriften und Zeichen, das sie im September 1875 zu Ahaus anmeldete.
Wegen Nachahmung dieses Warenzeichens erhob sie Klage gegen die Firma H., welche für begründet erachtet wurde, und zwar in der Revisionsinstanz aus folgenden Gründen:
Gründe
1.
Was zunächst den Einwand betrifft, es sei das Warenzeichen der Klägerin ein nach §. 3 Abs. 2 des Markenschutzgesetzes nicht erlaubtes, da es ein öffentliches Wappen enthalte, so ist allerdings der Ansicht des Appellationsrichters nicht beizupflichten, welcher meint, es sei auf diese Frage, nachdem einmal der Eintrag erfolgt sei, nicht einzugehen, sowie ferner, aus der Thatsache des Eintrages ergebe sich schon, daß das Warenzeichen bis zum Beginne des Jahres 1875 im Verkehre allgemein als Kennzeichen der Waren der Klägerin gegolten habe, denn das Recht auf Markenschutz knüpft sich an die Anmeldung, nicht an die Eintragung und letztere kann kein Recht gewähren, das nicht durch Anmeldung selbst schon begründet ist (Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 24 S. 79). - Die Prüfung besagter Frage ergiebt jedoch, daß der erhobene Einwand unbegründet ist.
Es kann dahingestellt bleiben, ob nicht nach Maßgabe der Parteibehauptungen die Thatsache, daß die Klägerin schon vor 1875 das in Frage stehende Warenzeichen im Sinne von §. 3 Abs. 1 des Markenschutzgesetzes besessen habe, als unbestritten zu gelten habe, und deshalb die Regel des §. 3 Abs. 2 nicht Platz greife; denn es kann von Anwendung letzterer Bestimmung überhaupt nicht die Rede sein, da sie nur öffentliche Wappen des Inlandes im Auge hat, also das in Frage stehende Wappen der Stadt Amsterdam nicht trifft. Es kann in dieser Beziehung auf die Rechtsprechung des Reichs-Oberhandelsgerichts (Entsch. Bd. 24 S. 292) verwiesen werden, welcher das Reichsgericht beipflichtet.
2.
Wenn sich Revidentin ferner darauf beruft, daß sie das beanstandete Warenzeichen schon seit 40 Jahren geführt habe, so ist sie hiermit schon deshalb nicht zu hören, weil sie dasselbe nicht angemeldet hat.
§. 8 giebt demjenigen, der ein Warenzeichen zuerst anmeldet, ein ausschließliches Recht auf dasselbe, d. h. sowohl das Recht, es selbst zu gebrauchen, als anderen dessen Gebrauch zu verwehren.
§. 9 macht von dem Principe, daß die Priorität der Anmeldung entscheide, eine Ausnahme zu Gunsten zweier Kategorien von Warenzeichen, nämlich 1) solcher, welche landesgesetzlich geschützt sind und 2) solcher, welche bis zum Beginne des Jahres 1875 im Verkehre allgemein als Kennzeichen der Waren eines bestimmten Gewerbetreibenden gegolten haben. Er bestimmt, daß auf solche Warenzeichen durch die Anmeldung außer den gesetzlich geschützten oder im Verkehre allgemein anerkannten Inhabern niemand ein Recht erwerben könne, sofern diese vor dem 1. Oktober 1875 die Anmeldung bewirken. Tritt letztere Bedingung nicht ein, so fällt selbstverständlich die Ausnahme hinweg, d. h. der Dritte, welcher das Warenzeichen angemeldet hat, erwirbt durch diese Anmeldung ein Recht, und dieses Recht ist dasjenige, welches der §. 8 kennzeichnet, nämlich ein ausschließliches. Die Behauptung, es sei zu unterscheiden zwischen dem Rechte auf Selbstgebrauch und dem Rechte auf Ausschließung Anderer und anzunehmen, daß das erstere auch ohne Anmeldung bestehen könne, hat im Gesetze keinen Halt, steht vielmehr mit den Principien desselben im Widerspruche. Das Gesetz erkennt überhaupt kein Recht auf Markenschutz an ohne Anmeldung, also auch nicht das teilweise Recht, welches Revidentin beansprucht, namentlich aber läßt sich nicht annehmen, daß dasselbe in §. 9 die Absicht gehabt habe, das Recht des Markenschutzes in besagter Weise zu spalten. Das Gegenteil ergiebt sich aus den Motiven zu §. 9 des Gesetzentwurfes (Drucks. Bd. I. Nr. 20), wo gesagt ist:
"In zweiter Linie hat die Bestimmung aus Billigkeitsgründen auch dem einfachen, gesetzlich nicht geschützten Besitze bestimmter Zeichen eine gewisse Bevorrechtung gewährt.
Der Grundsatz, daß der Erwerb eines Zeichens von der Priorität der Anmeldung abhängt, würde, ohne einen Vorbehalt dieser Art, den seitherigen Inhaber in die Gefahr bringen, daß dritte Personen durch frühere Anmeldung den ferneren Gebrauch des Zeichens ihm entziehen und die Anerkennung ausnützen könnten, welche das Zeichen genießt."
Diesen Motiven pflichtete der Reichstag bei, indem er die §§. 8 und 9 des Entwurfes ohne jede Diskussion annahm.
Ganz im Einklange hiermit steht auch die Bestimmung in §. 21 Abs. 1. 3. Wenn sich Revidentin darauf bezieht, daß das, einen Bestandteil des klägerischen Warenzeichens bildende Löwenwappen ein Freizeichen im Sinne von §. 10 Abs. 2 a. a. O. sei, so ist richtig, daß der Appellationsrichter von dieser Unterstellung ausgeht und dieselbe auch für den Revisionsrichter maßgebend bleiben muß, allein die Folgerung, es sei deshalb das Warenzeichen auf Grund der Bestimmungen der §§. 10 und 11 a. a. O. als ungesetzlich zu erachten, erscheint unrichtig.
Wenn das Gesetz in §. 10 Abs. 2 erklärt, auf Freizeichen könne durch Anmeldung niemand ein Recht erwerben und in §. 11, ein solches Zeichen sei auf Verlangen eines Beteiligten zu löschen, so hat es nur den Fall im Auge, wo das Freizeichen für sich oder mit unwesentlichen Zusätzen als Warenzeichen dienen soll, nicht aber den Fall, wo dasselbe nur als Bestandteil eines Warenzeichens benutzt wird. Offenbar kann es nicht die Absicht des Gesetzes sein, einem Fabrikanten, der von jeher ein im Verkehre als Kennzeichen seiner Fabrikate geltendes Warenzeichen benützte, bloß deshalb den Markenschutz für dieses Warenzeichen zu versagen, weil dasselbe unter anderem auch ein Zeichen enthält, welches im freien Gebrauche aller oder gewisser Klassen von Gewerbetreibenden sich befindet, und zu verlangen, daß er jenes Warenzeichen nur in veränderter oder verstümmelter Form, welche dem Publikum fremd ist, zur Anmeldung bringe. Es stünde dies mit dem Willen des Gesetzes, den berechtigten Besitzstand zu schützen, entschieden im Widerspruche. Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 24 S. 292.
Aus dem Umstande, daß einem Warenzeichen ein Freizeichen als Bestandteil einverleibt ist, folgt daher zunächst nur, daß für die Frage, ob eine unbefugte Nachahmung stattgefunden, dieses freie Zeichen als maßgebend nicht in Betracht kommen darf. Es kann noch weiter gefolgert werden, daß auch unbedeutende Zusätze, welche dem Freizeichen gegenüber für die Wahrnehmung verschwinden, außer Berücksichtigung bleiben müssen, insofern Zusätze solcher Art nicht geeignet sind, die Bildung eines neuen, von dem Freizeichen sich merkbar unterscheidenden Warenzeichens herbeizuführen. Sind aber die Zusätze der Art, daß sie für sich ins Auge fallen und neben dem Freizeichen Bedeutung beanspruchen können, so ist gerade auf sie das entscheidende Gewicht zu legen, da nur in ihnen die Merkmale zu finden sind, durch welche sich das Warenzeichen eines bestimmten Gewerbetreibenden von den Warenzeichen anderer Gewerbetreibenden, die gleichfalls das Freizeichen führen, unterscheidet. Im vorliegenden Falle sind die Zusätze, welche die Klägerin in ihrem Warenzeichen dem Löwenwappen beigefügt hat, zweifellos der Art, daß sie für sich ins Auge fallen und geeignet sind, in Vereinigung mit diesem Freizeichen ein Gesamtbild zu geben, welches sich von dem Bilde, welches das Freizeichen für sich allein bietet, wesentlich unterscheidet. Es ist daher zu prüfen, ob das klägerische Warenzeichen in denjenigen Bestandteilen, welche ihm, abgesehen vom Löwenwappen, seine charakteristische Eigentümlichkeit geben, im Sinne von §.18 des Markenschutzgesetzes unbefugt nachgeahmt worden sei.
Bei dieser Prüfung ist von der in mehrfachen Entscheidungen des Reichs-Oberhandelsgerichts ausgesprochenen Ansicht auszugehen, daß es nicht darauf ankomme, ob zwei Warenzeichen, wenn sie neben einander liegend verglichen werden, Unterscheidungsmerkmale zeigen, auch nicht, ob eine Täuschung geschäftskundiger Kaufleute möglich sei, sondern nur, ob die Konsumenten, für welche ja die Warenzeichen vorzugsweise bestimmt sind, irregeführt d. h. veranlaßt werden können, indem sie mit Rücksicht auf ein ihnen bekanntes Warenzeichen eine ihnen zusagende Ware suchen, statt der Ware des einen Gewerbetreibenden die Ware eines Anderen zu kaufen.
Diese Ansicht erscheint vollkommen der Tendenz des Gesetzes entsprechend, welches jedem Versuche, durch Nachahmung von Warenzeichen das Publikum zu täuschen oder den Absatz eines Konkurrenten zu schmälern und das Vertrauen, das derselbe genießt, für sich auszunützen, wirksam entgegentreten will.
Daß bei einer derartigen strengeren Auffassung des Gesetzes berechtigte Interessen gefährdet würden, ist nicht zu fürchten, denn der Gewerbetreibende, welchem es darum zu thun ist, sein Warenzeichen von anderen zu unterscheiden (wie dies ja der Zweck jedes Warenzeichens sein soll), wird nie um die Mittel verlegen sein, dies zu bewirken.
Stellt man sich auf diesen Standpunkt, so ist klar, daß es, soweit ein Warenzeichen in Worten besteht, nicht bloß auf den Sinn der Worte ankommen kann, sondern hauptsächlich auch auf das Bild, welches diese Worte ihrer äußeren Erscheinung nach (durch Schrift, Anordnung etc.) bieten, und daß in Fällen, wie der vorliegende, wo es sich um Worte in einer fremden, den Konsumenten unbekannten Sprache handelt, dieser letztere Gesichtspunkt von weit überwiegender, ja nahezu ausschließlicher Bedeutung ist.
Faßt man nun den vorliegenden Fall ins Auge, so kann nicht bezweifelt werden, daß eine unbefugte Nachahmung des klägerischen Warenzeichens gegeben ist.
Beklagte hat alles, was im klägerischen Warenzeichen dem Löwenwappen beigefügt ist, in einer Weise nachgeahmt, daß das Gesamtbild ganz das nämliche ist, wie in jenem.
Die Zahl 5 seitwärts vom Wappen, die fünfzeilige Unterschrift in holländischer Sprache mit dem großgedruckten und in die Augen fallenden Worte: "Zoorten", die beiden seitwärts angebrachten Inschriften, die zweite mit elliptischen Linien eingefaßt - alles findet sich in derselben Anordnung, derselben Größe, derselben Sprache und derselben Farbe auf beiden Warenzeichen.
Wenn Beklagte geltend macht, es sei trotzdem eine Verwechslung nicht möglich, weil die Firmabezeichnung ganz verschieden sei, so ist darauf hinzuweisen, daß gerade deshalb ein besonderer Schutz der Warenzeichen nötig erschien, weil das Publikum mehr auf diese, als auf die Firmen sein Augenmerk zu richten pflegt.