Abschlagszahlungen und die Frage nach dem Zeitpunkt der Gewinnrealisierung
2014 hatte ein Urteil des Bundesfinanzhofes für Aufregung gesorgt. Grund hierfür war die Auffassung des BFH, dass der Gebührenanspruch des Leistungserbringers (eines Ingenieurs bzw. Architekten) aufgrund des Bestehens einer Gebührenordnung, und zwar des § 8 Abs. 2 HOAI i. d. F. vom 21.09.1995, ohne Übergabe an den und ohne Abnahme durch den Besteller entstanden ist, wenn die Leistung auftragsgemäß erbracht ist, mit der daraus folgenden Pflicht, diesen Gebührenanspruch ab diesem Zeitpunkt in der Bilanz auf der Aktivseite auszuweisen. Aufgrund (mittlerweile mehrfacher) Änderung der HOAI und der revidierten Auffassung der Finanzverwaltung ist dieses Urteil heute unter Geltung der neu gefassten HOAI nicht mehr anwendbar. Gleichwohl bietet es Gelegenheit, über grundsätzliche Fragestellungen nachzudenken.
1. Die Definition von Gewinnrealisierung durch den BFH
„... Der Zeitpunkt der Aktivierung von Forderungen bestimmt sich auch bei der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 1 EStG nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung - GoB - … . Zu diesen GoB gehört das in § 252 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbsatz des Handelsgesetzbuchs geregelte Realisationsprinzip, demzufolge Gewinne nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind … . Bei Lieferungen und anderen Leistungen wird Gewinn realisiert, wenn der Leistungsverpflichtete die von ihm geschuldeten Erfüllungshandlungen "wirtschaftlich erfüllt" hat und ihm die Forderung auf die Gegenleistung (die Zahlung) - von den mit jeder Forderung verbundenen Risiken abgesehen - so gut wie sicher ist … . In diesem Fall reduziert sich das Zahlungsrisiko des Leistenden darauf, dass der Empfänger Gewährleistungsansprüche geltend macht oder sich als zahlungsunfähig erweist. Ohne Bedeutung ist hingegen, ob am Bilanzstichtag die Rechnung bereits erteilt ist, ob die geltend gemachten Ansprüche noch abgerechnet werden müssen oder ob die Forderung erst nach dem Bilanzstichtag fällig wird … .“ 1
„ … Eine Dienst- oder Werkleistung ist "wirtschaftlich erfüllt", wenn sie - abgesehen von unwesentlichen Nebenleistungen - erbracht worden ist … . Zwar bedarf es bei Werkverträgen i.S. des § 631 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) grundsätzlich der Übergabe und der Abnahme des Werks durch den Besteller (§ 640 BGB), um die handels- und steuerrechtliche Gewinnrealisierung herbeizuführen … . Dies kann uneingeschränkt jedoch nur dann gelten, wenn die Wirkungen der Abnahme für das Entstehen des Entgeltanspruchs des Unternehmers nicht durch Sonderregelungen, wie etwa eine Gebührenordnung, modifiziert werden … .“ 2
2. Der Grundsatz
Bei Werkverträgen (§ 631 BGB) bedarf es grundsätzlich der Übergabe des Werkes an den und die Abnahme des Werkes durch den Besteller (§ 640 BGB). Mit der Abnahme des Werkes geht die Gefahr des zufälligen Untergangs des Werkes auf den Besteller über (§ 644 BGB, „Preisgefahr“); die Forderung des Unternehmers auf die Gegenleistung (die Zahlung) ist ab diesem Zeitpunkt „so gut wie sicher“, der Gegenleistungsanspruch ist entstanden. Damit bildet die Abnahme die Zäsur. Der Gewinn des Unternehmers ist realisiert und auf der Aktivseite auszuweisen.
Ist Gegenstand des Werkvertrages eine langfristige Fertigung, kann dies dazu führen, dass der Unternehmer für längere Zeit weder eine Gegenleistung erhält noch einen Gewinn in der Bilanz ausweisen darf. Das Interesse des Unternehmers geht daher aufgrund seiner Vorleistungsverpflichtung dahin, bereits vor endgültiger Fertigstellung seines Werkes Zahlungen vom Besteller zu erhalten. Die Frage ist, ob und wie diese Zahlungen zu buchen sind.
3. Die Teilleistung
In diesem Zusammenhang tauchen immer wieder Begriffe wie Teilleistung, Abschlagszahlung, Vorschuss auf. Wie sind diese einzuordnen?
Die Entscheidung des BFH vom 13.12.1979, Az: IV R 69/74 kann hier zur Aufklärung beitragen.
„... Nach der grundlegenden Entscheidung des Senats vom 28. Januar 1960 IV 226/58 S (BFHE 71, 111, BStBl III 1960, 291, unter II der Entscheidungsgründe) hat ein freiberuflich Tätiger einen Anspruch auf Vergütung einer bewirkten Teilleistung dann zu aktivieren, wenn es sich um eine selbständig abrechenbare und vergütungsfähige Teilleistung handelt, auf deren Vergütung ein selbständiger Honoraranspruch nach einer Gebührenordnung oder aufgrund von Sonderabmachungen besteht. Wann eine Teilleistung diese Voraussetzungen erfüllt, hängt von den Umständen des Einzelfalles und insbesondere davon ab, welche Vereinbarungen die Vertragsparteien getroffen haben. Dabei wird eine Teilleistung die vorbezeichneten Voraussetzungen dann erfüllen, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart worden ist (vgl. auch § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 des Umsatzsteuergesetzes - UStG -) und es sich nicht lediglich um einen Anspruch auf Zahlung eines Abschlages oder eines Vorschusses handelt. Ist die Geltung einer Gebührenordnung vereinbart, so kann eine teilweise erbrachte Leistung als Teilleistung angesehen werden, wenn sie auch in der Gebührenordnung als eine Teilleistung mit entsprechendem Anspruch auf Vergütung umschrieben ist. ...“ 3
„... Mit dem FG ist allerdings davon auszugehen, daß ein Zahlungsanspruch des Architekten für noch nicht vollabgeschlossene Teilleistungen (vgl. BGH-Urteil vom 31. Januar 1974 VII ZR 99/73, NJW 1974, 697) noch nicht zu aktivieren ist, da es sich insoweit lediglich um Abschlagszahlungen auf den künftigen Anspruch auf Vergütung der abgeschlossenen Teilleistung handelt. ...“ 4
Der Bundesfinanzhof hatte sich in dem genannten Urteil vom 13.12.1979, Az: IV R 69/74 auf den Bundesgerichtshof berufen, welcher in seiner Entscheidung vom 31.01.1974, Az: VII ZR 99/73 ausgeführt hat:
„... Die Bestimmung des § 21 Satz 1 GOA 5 ist dahin zu verstehen, daß ein Teilbetrag frühestens fällig wird, wenn der Architekt Teilleistungen erbracht hat und wenn er deren Bezahlung verlangt.“ 6
„Nach § 641 Abs. 1 Satz 2 BGB ist dann, wenn das Werk in Teilen abzunehmen und die Vergütung für die einzelnen Teile bestimmt ist, die Vergütung für jeden Teil bei dessen Abnahme zu entrichten. Diese Vorschrift kann auch für das Architektenwerk in Betracht kommen. Der Wille, daß das Architektenwerk in Teilen abzunehmen ist, darf aber nicht unterstellt werden. ...
Die Bestimmung des § 21 Satz 1 GOA setzt dagegen eine Teilabnahme - und damit auch deren Vereinbarung - gerade nicht voraus. Das hat auch seinen guten Sinn. Eine Teilabnahme ist in den Fällen, in denen der Architekt die in § 19 GOA aufgeführten Einzelleistungen noch nicht vollständig erbracht hat, zumeist nicht durchführbar. Die Vereinbarung einer Teilabnahme würde deshalb nicht helfen. Der Architekt wäre vielmehr genötigt, seine Leistungen zunächst auf einen abnahmefähigen Stand zu bringen. Gerade das würde aber die in § 21 Satz 1 GOA getroffene Regelung außer Kraft setzen, weil der Architekt dann nicht mehr diejenigen Gebühren verlangen könnte, die dem .jeweiligen Stande seiner Leistungen entsprechen. ...“ 7
Auch § 13 Abs. 1 Nr. 1 a S. 3 UStG, welcher Teilleistungen definiert („Sie liegen vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird.“), kann zur Auslegung herangezogen werden.
4. Schlussfolgerungen
Daraus können für die Praxis nachfolgende Schlussfolgerungen gezogen werden:
- Eine Teilleistung liegt vor, wenn es sich um eine selbstständig abrechenbare und vergütungsfähige Leistung handelt und ein selbstständiger Honoraranspruch besteht. Dies ist anhand der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien zu beurteilen. Kann dies bejaht werden, ist der Gewinn insofern realisiert und der Vergütungsanspruch in der Bilanz auf der Aktivseite auszuweisen.
- Eine Abschlagszahlung liegt dagegen vor, wenn Teilleistungen, die noch nicht vollständig erbracht sind, in Rechnung gestellt werden. Eine Teilabnahme ist für einen Abschlag nicht erforderlich. Abgerechnet werden die Gebühren, die dem jeweiligen Stand der Arbeiten entsprechen. Derartige Abschlagszahlungen stellen noch keinen realisierten Gewinn dar und sind daher nicht zu aktivieren. Dabei handelt es sich vielmehr um Anzahlungen, die zu passivieren sind.
- Ein Vorschuss liegt schließlich vor, wenn künftige, noch zu erbringende Leistungen in Rechnung gestellt werden. Vorschüsse sind ebenfalls als Anzahlungen zu qualifizieren und ihre Einnahme unterliegt einer Passivierungspflicht.
- Für die Abgrenzung kommt es maßgeblich auf die vertraglichen Vereinbarungen der beteiligten Parteien an.
- Zahlungen auf einen künftigen Vergütungsanspruch vor Abschluss der (Teil-)Leistung sind nicht zu aktivieren; der Gewinn ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht realisiert.
- 1. BFH vom 14.05.2014, Az: VIII R 25/11, Rn. 10.
- 2. BFH vom 14.05.2014, Az: VIII R 25/11, Rn. 11.
- 3. BFH vom 13.12.1979, Az: IV R 69/74.
- 4. BFH vom 13.12.1979, Az: IV R 69/74.
- 5. Vorgänger-Vorschrift der HOAI.
- 6. BGH vom 31.01.1974, Az: VII ZR 99/73.
- 7. BGH vom 31.01.1974, Az: VII ZR 99/73.