Geringwertige Wirtschaftsgüter in der steuerrechtlichen Praxis
Geringwertige Wirtschaftsgüter gehören zum Anlagevermögen. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für Gegenstände des abnutzbaren beweglichen Anlagevermögens dürfen grundsätzlich nicht sofort als Betriebsausgabe berücksichtigt werden; vielmehr sind die Anschaffungs- und Herstellungskosten auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des jeweiligen Wirtschaftsgutes zu verteilen, § 7 Abs. 1 S. 1 EStG, und insofern bei der Bewertung zu berücksichtigen, § 6 Abs. 1 EStG. Dies führt im Jahr der Anschaffung bzw. Herstellung dazu, dass tatsächlich mehr ausgegeben wurde, als steuerrechtlich berücksichtigt wird, mit der Folge eines höheren Gewinns und damit einer höheren Abgabenlast. Für geringwertige Wirtschaftsgüter wird dieser Grundsatz durchbrochen, d. h. die Anschaffungs- und Herstellungskosten geringwertiger Wirtschaftsgüter dürfen sofort als Betriebsausgabe in voller Höhe angesetzt werden. Zudem können sich Erleichterungen bei den Dokumentationspflichten ergeben. Wann ein geringwertiges Wirtschaftsgut vorliegt, ist damit eine zentrale Fragestellung, die im Folgenden beleuchtet werden soll.
1. Definition
Geringwertige Wirtschaftsgüter sind abnutzbare, bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die einer selbständigen Nutzung fähig sind und deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten 800,00 Euro (netto) nicht übersteigen, § 6 Abs. 2 EStG.
2. Anlagevermögen
Anlagevermögen im Sinne des Bilanzrechts sind die Gegenstände, die dazu bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen, § 247 Abs. 2 HGB. Aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes gilt dies auch für die Steuerbilanz, § 5 Abs. 1 S. 1 EStG.
Zum Umlaufvermögen gehören dagegen die Gegenstände, die nicht dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen bestimmt sind (Umkehr aus § 247 Abs. 2 HGB). Zum Umlaufvermögen zählen Vorräte, Forderungen, sonstige Vermögensgegenstände, Kassenbestände, usw. (§ 266 Abs. 2 HGB); also all jene Gegenstände, die sich bestimmungsgemäß nur kurzzeitig im Unternehmen befinden und verbraucht, verarbeitet, veräußert oder von Kunden bezahlt werden.
Der Bundesfinanzhof musste sich mit der Frage befassen, ob ein Gegenstand, welcher vor Ablauf der technischen Nutzungsdauer veräußert werden soll, zum Anlage- oder zum Umlaufvermögen zählt. Der BFH führt hierzu aus: „Die für die Zuordnung zum Anlagevermögen wesentliche Zeitkomponente "dauernd" darf nicht als reiner Zeitbegriff im Sinne von "immer" oder "für alle Zeiten" verstanden werden ... Dem Betrieb dient ein Wirtschaftsgut vielmehr bereits dann dauernd, wenn es längerfristig im Betrieb genutzt wird.“1
Die Beantwortung der Frage nach der Zugehörigkeit eines Gegenstandes zum Anlagevermögen „orientiert sich dabei maßgeblich an der Zweckbestimmung des Wirtschaftsguts in dem Betrieb, die einerseits subjektiv vom Willen des Steuerpflichtigen abhängt, sich andererseits aber an objektiven Merkmalen nachvollziehen lassen muss (wie z. B. der Art des Wirtschaftsguts, der Art und Dauer der Verwendung im Betrieb, der Art des Betriebs, ggf. auch der Art der Bilanzierung …)“.2
3. selbständig nutzungsfähiges Bewertungsobjekt
Streit entsteht häufig bei der Frage nach der selbständigen Nutzbarkeit des Wirtschaftsgutes.
§ 6 Abs. 2 S. 2 EStG legt dabei fest, dass ein Wirtschaftsgut nicht selbständig nutzbar ist, wenn es nach seiner betrieblichen Zweckbestimmung nur zusammen mit anderen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens genutzt werden kann und die in den Nutzungszusammenhang eingefügten Wirtschaftsgüter technisch aufeinander abgestimmt sind. Das gilt auch, wenn das Wirtschaftsgut aus dem betrieblichen Nutzungszusammenhang gelöst und in einen anderen betrieblichen Nutzungszusammenhang eingefügt werden kann, § 6 Abs. 2 S. 3 EStG.
Der Bundesfinanzhof hat sich mehrfach mit der Frage der selbständigen Nutzungsfähigkeit auseinandersetzen müssen:
„Die Frage, ob ein Wirtschaftsgut nur zusammen mit anderen Wirtschaftsgütern nutzbar ist oder für sich allein, beurteilt sich nach der konkreten Zweckbestimmung im Betrieb des Steuerpflichtigen. Eine Einbindung des Wirtschaftsguts in einen betrieblichen Nutzungszusammenhang ist anzunehmen, wenn die in dem Nutzungszusammenhang stehenden Wirtschaftsgüter nach außen als einheitliches Ganzes in Erscheinung treten. Eine Verbindung, die die selbständige Nutzbarkeit ausschließt, ist im Allgemeinen anzunehmen, wenn Wirtschaftsgüter über die einheitliche Zweckbestimmung durch den Steuerpflichtigen in seinem Betrieb hinaus durch eine technische Verbindung oder ‚Verzahnung‘ in der Weise verflochten sind, dass durch die Abtrennung eines der Teile entweder für den zu beurteilenden einzelnen Gegenstand oder für das Wirtschaftsgut, aus dem er herausgetrennt wurde, die Nutzbarkeit für den Betrieb verloren geht ... In einen betrieblichen Nutzungszusammenhang eingefügte Wirtschaftsgüter sind demnach als technisch aufeinander abgestimmt anzusehen, wenn zusätzlich zu einem wirtschaftlichen (betrieblichen) Zusammenhang ihre naturwissenschaftlichen oder technischen Eigenschaften auf einen gemeinsamen Einsatz angelegt sind. Hiervon ist in der Regel auszugehen, wenn einem Gegenstand ohne einen anderen bzw. ohne andere Gegenstände schon aus rein technischen Gründen allein keine Nutzbarkeit zukommt ... Eine bloße Abgestimmtheit aufgrund bestimmter, branchentypischer Fertigungsnormen genügt für eine technische Abgestimmtheit nicht ... Ebenso wenig genügt für die Annahme eines einheitlichen Wirtschaftsgutes ..., dass mehrere Gegenstände einem einheitlichen Zweck dienen. Diese ‚Zweckeinheit‘ ist lediglich ein Indiz dafür, dass eine Zusammenfassung der betreffenden Gegenstände in Betracht kommen kann."3
Die Frage nach der selbständigen Nutzungsfähigkeit darf jedoch nicht damit verwechselt werden, ob ein selbständig bewertungsfähiges Wirtschaftsgut vorliegt. § 6 Abs. 2 EStG setzt ein selbständiges (bewertungsfähiges) Wirtschaftsgut voraus, verlangt jedoch zusätzlich, dass dieses selbständig nutzungsfähig ist.4 „Die Qualifizierung als selbständiges Wirtschaftsgut ... lässt noch keine Rückschlüsse auf die darüber hinaus zu beantwortende Frage nach der selbständigen Nutzungsfähigkeit zu.“5 Aus diesem Grund sind z. B. Peripheriegeräte einer PC-Anlage, wie u. a. eine PC-Maus oder ein reiner Drucker, nicht selbständig nutzungsfähig, wobei die PC-Maus jedoch zusammen mit dem PC eine Einheit / ein selbständiges Wirtschaftsgut bildet und bei Einhaltung der Betragsgrenzen als geringwertiges Wirtschaftsgut gilt, während der Drucker als selbständiges Wirtschaftsgut unabhängig von seinem Wert kein geringwertiges Wirtschaftsgut ist und der Bewertung nach § 6 Abs. 1 EStG unterliegt.
Eine Aufzählung selbständig nutzungsfähiger und nicht selbständig nutzungsfähiger Wirtschaftsgüter kann dem Amtlichen Einkommensteuer-Handbuch des BMF entnommen werden.
4. Anschaffungs- und Herstellungskosten (Umfang)
Anschaffungskosten sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, § 255 Abs. 1 S. 1 HGB. Zu den Anschaffungskosten gehören auch die Nebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten, § 255 Abs. 1 S. 2 HGB. Anschaffungspreisminderungen sind abzusetzen, § 255 Abs. 1 S. 3 HGB.
Herstellungskosten sind die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen, § 255 Abs.2 S. 1 HGB. Dazu gehören die Materialkosten, die Fertigungskosten und die Sonderkosten der Fertigung sowie angemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten und des Werteverzehrs des Anlagevermögens, soweit dieser durch die Fertigung veranlasst ist, § 255 Abs. 2 S. 2 HGB.
Entstehen nachträgliche Anschaffungskosten sind diese ebenso wie die ursprünglichen Kosten zu beurteilen, das bedeutet:
„Wurden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts gem. § 6 Abs. 2 oder Abs. 2a Satz 4 EStG im Jahr der Anschaffung oder Herstellung in voller Höhe als Betriebsausgaben abgesetzt, sind in späteren Wirtschaftsjahren nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Jahr ihrer Entstehung ebenfalls in voller Höhe als Betriebsausgaben zu behandeln. Dies gilt unabhängig davon, ob sie zusammen mit den ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten den Betrag von 800,00 Euro bzw. im Falle der Bildung des Sammelpostens gem. § 6 Abs. 2a EStG den Betrag von 250,00 Euro übersteigen.“6
Für nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Fall der Bildung eines Sammelpostens gilt Folgendes:
- Nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die nicht im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung angefallen sind, erhöhen den Sammelposten des Wirtschaftsjahres, in dem die nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten anfallen. Macht der Stpfl. in diesem Wirtschaftsjahr vom Wahlrecht nach § 6 Abs. 2a EStG keinen Gebrauch, beschränkt sich der Sammelposten auf die nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten der betroffenen Wirtschaftsgüter. Dies gilt unabhängig davon, ob die nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten zusammen mit den ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten den Betrag von 1.000,00 Euro übersteigen.7
- Fallen die nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten bereits im Wirtschaftsjahr der Investition an und übersteigt die Summe der Gesamtkosten in diesem Wirtschaftsjahr die Betragsgrenze von 1.000,00 Euro, kann § 6 Absatz 2a EStG nicht angewendet werden; das Wirtschaftsgut ist nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 EStG einzeln zu bewerten. Scheidet ein Wirtschaftsgut im Jahr der Anschaffung, Herstellung oder Einlage aus dem Betriebsvermögen aus, liegen die Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Wirtschaftsgutes im Sammelposten zum Schluss dieses Wirtschaftsjahres nicht vor.8
5. Dokumentationspflichten
Für Wirtschaftsgüter, deren Wert 250,00 Euro nicht übersteigt, besteht keine Dokumentationspflicht, Umkehr aus § 6 Abs. 2 S. 4 EStG.
Wirtschaftsgüter, deren Wert zwischen 250,01 Euro und 800,00 Euro liegt, sind nach § 6 Absatz 2 Satz 4 und 5 EStG unter Angabe des Tages der Anschaffung, Herstellung oder Einlage sowie der Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder des Einlagewertes in ein besonderes, laufend zu führendes Verzeichnis aufzunehmen; das Verzeichnis braucht nicht geführt zu werden, wenn diese Angaben aus der Buchführung ersichtlich sind.9
Für Wirtschaftsgüter mit einem Wert zwischen 250,01 Euro und 1.000,00 Euro kann ein Sammelposten gebildet werden, § 6 Abs. 2a S. 1 EStG.
Abgesehen von der buchmäßigen Erfassung des Zugangs der Wirtschaftsgüter in den Sammelposten bestehen keine weiteren Aufzeichnungspflichten; die Wirtschaftsgüter des Sammelpostens müssen aus steuerlichen Gründen nicht in ein Inventar im Sinne des § 240 HGB aufgenommen werden.10
6. Handelsbilanz
Das HGB kennt grundsätzlich keine geringwertigen Wirtschaftsgüter. Allgemein anerkannt ist jedoch, dass die steuerlichen Regelungen des § 6 Abs. 2 und 2a EStG in die Handelsbilanz übernommen werden können. Allerdings ist stets eine Überprüfung dahingehend erforderlich, ob die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und die Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung eingehalten werden. Dies gilt vor allem für den Grundsatz der Bilanzwahrheit, den Grundsatz der Vollständigkeit, den Grundsatz der Einzelbewertung sowie das Vorsichtsprinzip. Diese Prinzipien sind mit den weiteren Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und der Wesentlichkeit in Ausgleich zu bringen, d. h. gegeneinander abzuwägen. Dies kann dazu führen, dass z. B. in der Handelsbilanz – im Gegensatz zur Steuerbilanz – ein Sammelposten nicht gebildet bzw. ein Wirtschaftsgut nicht in den Sammelposten aufgenommen werden darf, wenn es dadurch zu einer relevanten Über- oder Unterbewertung kommt.
- 1. BFH vom 16.09.2024, III R 35/22.
- 2. BFH vom 25.07.2019, III R 22/16.
- 3. BFH vom 09.08.2001, III R 30/00.
- 4. BFH vom 19.02.2004, VI R 135/01.
- 5. BFH vom 19.02.2004, VI R 135/01.
- 6. Einkommenssteuer-Richtlinie R 6.13 Abs. 4 des BMF.
- 7. Einkommenssteuer-Richtlinie R 6.13 Abs. 5 des BMF.
- 8. BMF-Schreiben vom 30.09.2010 (BStBl I S. 755), IV C 6 – S 2180/09/10001 – 2010/0750885, Rn. 10.
- 9. BMF-Schreiben vom 30.09.2010 (BStBl I S. 755), IV C 6 – S 2180/09/10001 – 2010/0750885, Rn. 5.
- 10. BMF-Schreiben vom 30.09.2010 (BStBl I S. 755), IV C 6 – S 2180/09/10001 – 2010/0750885, Rn. 9.