BVerwG, 19.07.1984 - 3 C 81.82

Daten
Fall: 
Folgenbeseitigungsanspruch
Fundstellen: 
BVerwGE 69, 366; DVBl 1984, 1178; DVBL 1984, 1178; NJW 1985, 817
Gericht: 
Bundesverwaltungsgericht
Datum: 
19.07.1984
Aktenzeichen: 
3 C 81.82
Entscheidungstyp: 
Urteil
Richter: 
Dodenhoff, Messerschmidt, Fandré, Schäfer, Schmidt
Instanzen: 
  • VG Stuttgart, 17.11.1981 - VRS 8 K 135/80
  • VGH Baden-Württemberg, 06.10.1982 - 6 S 167/82

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. Oktober 1982 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs ... wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

Gründe

I.

Die Klägerin wurde aufgrund des § 6 a Abs. 1 Satz 1 des Außenwirtschaftsgesetzes - AWG - i.d.F. vom 23. Dezember 1971 i.V.m. § 69 a Absätze 1-3 der Außenwirtschaftsverordnung - AWV - i.d.F. vom 1. März 1972 (mit späteren Änderungen) von der Beklagten durch Bescheid vom 7. März 1974 für die Monate Juli 1972 bis September 1973 zu einem zinslosen Bardepot in Höhe von insgesamt 13.415.402,- DM und durch Bescheid vom 26. Juli 1976 für die Monate Oktober 1973 bis Juli 1974 zu einem zinslosen Bardepot in Höhe von insgesamt 6.358.665,- DM - jeweils sofort vollziehbar (§ 28 a Abs. 1 AWG) - verpflichtet. Sie leistete diesen Verpflichtungen in der Zeit vom 12. Oktober 1974 bis 5. November 1976 in Teilbeträgen von monatlich 150.000 DM Folge.

Aufgrund rechtskräftigen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. November 1979 - BVerwG 3 C 103.79 - steht einerseits fest, daß der Heranziehungsbescheid der Beklagten vom 7. März 1974 im Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig war. Andererseits hat das Bundesverwaltungsgericht durch dieses Urteil weiterhin festgestellt, daß ein Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin auf Depothaltung gemäß dem Bescheid vom 7. März 1974 seit der Aufhebung der Bardepotpflicht am 15. September 1974 nicht mehr bestand, weil § 3 Satz 2 der 32. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vom 12. September 1974 - 32. ÄndV/AWV -, der die nachträgliche Erfüllung der vor Aufhebung der Depotpflicht rechtmäßig begründeten Verbindlichkeiten vorsah, mangels ausreichender Ermächtigungsgrundlage unwirksam gewesen ist.

Mit Schreiben vom 22. Januar 1980 forderte die Klägerin von der Beklagten die Erstattung ihrer Aufwendungen an Zinsen in Höhe von insgesamt 92.856,30 DM, welche ihr durch eine als Folge der rechtswidrigen Vollziehung der Bardepotbescheide notwendig gewesene Kreditaufnahme entstanden seien. Dieses Begehren lehnte die Beklagte ab.

Hierauf hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, daß die Vollziehung der beiden Bardepotbescheide rechtswidrig gewesen sei, weil eine Verpflichtung zur Depothaltung aufgrund des Heranziehungsbescheides vom 7. März 1974 für die Zeit nach dem 15. September 1974 nicht mehr bestanden und aufgrund des Heranziehungsbescheides vom 26. Juli 1976 von Anfang an nicht bestanden habe. Die Zinsen für ihre infolge der ungerechtfertigten Heranziehung notwendig gewesene Kreditaufnahme seien von der Beklagten als Folgenbeseitigung zu erstatten. Die Beklagte sei verpflichtet, denjenigen Zustand herzustellen, der vor dem rechtswidrigen Verwaltungshandeln bestanden hatte.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, an sie 92.856,30 DM nebst 12 % Zinsen seit dem 22. Januar 1980 zu bezahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, daß die Klage unzulässig sei. Der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch könne nur auf die Beseitigung des unrechtmäßigen Zustandes, nicht aber auf den Ausgleich der dadurch entstandenen weiteren Schäden gerichtet werden. Die Erstattung der Zinsaufwendungen könne die Klägerin nur im Zivilrechtsweg verlangen. Die Klage sei aber auch unbegründet, da ihre Beamten bei Erlaß der Heranziehungsbescheide weder rechtswidrig noch schuldhaft gehandelt hätten. Außerdem habe die Klägerin nicht im Vollstreckungswege, sondern freiwillig geleistet.

Durch Urteil vom 17. November 1981 hat das Werwaltungsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß ein Folgenbeseitigungsanspruch nur auf die Ausräumung der unmittelbaren Eingriffsfolgen gerichtet werden könne. Er umfasse dagegen nicht den Ausgleich von Schäden, die durch unrichtiges Verwaltungshandeln entstanden sind. Der geltend gemachte Zinsaufwand stelle keine unmittelbare Eingriffsfolge dar. Die unmittelbaren Folgen der Heranziehung habe die Beklagte bereits dadurch beseitigt, daß sie die hinterlegten Depotbeträge zugunsten der Klägerin freigegeben habe.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt und geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, daß der geltend gemachte Zinsaufwand keine unmittelbare Folge des Vollzugs des Heranziehungsbescheides sei. Der Eingriffsakt sei nicht nur darin zu sehen, daß vorhandenes Kapital hinterlegt werden mußte. Brachliegendes Kapital sei bei kaum einem der betroffenen Unternehmen vorhanden gewesen. Die Erfüllung der Bardepotpflicht habe deshalb nur durch Kreditaufnahme erfolgen können. Die entsprechenden Zinsaufwendungen seien also der Bardepotpflicht immanent. Sie seien als Einheit mit der Kapitalstillegung zu sehen und könnten von dieser nicht als "weitere Folge" losgelöst werden. Einen Anspruch aus Amtspflichtverletzung könne sie nicht geltend machen, da eine solche Rechtsverfolgung nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11. März 1982 - III ZR 173/80 - keine Aussicht auf Erfolg habe. Die Klägerin hat die Aufhebung des angefochtenen Urteils beantragt.

Die Beklagte hat Zurückweisung der Berufung beantragt und das angefochtene Urteil verteidigt.

Durch das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. Oktober 1982 ergangene Urteil hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Berufung der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Es hat dazu ausgeführt, das Verwaltungsgericht habe zu Recht angenommen, daß der Klägerin kein Folgenbeseitigungsanspruch auf Zahlung der zur Beschaffung der nachgehaltenen Depotbeträge entstandenen Zinsaufwendungen zusteht. Der Folgenbeseitigungsanspruch richte sich nur auf die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, der durch den hoheitlichen Eingriff verändert wurde. Diese Begrenzung finde ihre Rechtfertigung darin, daß die allgemeine Schadensregulierung nach rechtswidrigem Verwaltungshandeln an die besonderen Voraussetzungen einer schuldhaften Amtspflichtverletzung (Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB) geknüpft sei. Der Folgenbeseitigungsanspruch umfasse deshalb nicht generell den Ausgleich des durch rechtswidriges Verwaltungshandeln entstandenen Schadens.

Unter diesem Ausgangspunkt stellten die Zinsaufwendungen der Klägerin keine unmittelbare Folge ihrer Heranziehung zur Depotpflicht dar. Sie seien ein mittelbarer Schaden, der nicht durch die Depothaltung bei der Beklagten, sondern durch die Kreditaufnahme auf dem Kapitalmarkt entstanden sei. Diesen mittelbaren Schaden könne sie nicht mit einem Folgenbeseitigungsanspruch geltend machen.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der gesetzlichen Struktur der Bardepotpflicht. Es sei nicht der Zweck der Bardepotpflicht gewesen, den Depotpflichtigen in Höhe des Zinsaufwandes zu belasten, da dies keinen geld- und konjunkturpolitischen Effekt gehabt hätte. Die Regelungen über die Depotpflicht hätten deshalb folgerichtig nicht vorgesehen, daß der Depotpflichtige die Depothaltung durch eine Abgabe in Höhe des Zinsvorteils ablösen kann. Ein durch die Erfüllung der Depotpflicht entstehender Zinsaufwand sei deshalb nur ein mittelbarer Nachteil der Depothaltung.

Aber selbst wenn angenommen würde, daß der Folgenbeseitigungsanspruch auch den Zinsschaden umfaßt, so müsse die Klage daran scheitern, daß die Klägerin für den erlittenen Nachteil überwiegend selbst verantwortlich sei. Zu ihrer nachträglichen Heranziehung sei es allein deshalb gekommen, weil sie sich der rechtzeitigen Erfüllung der ursprünglich rechtmäßig begründeten Bardepotpflicht rechtswidrig entzogen habe. Darüber hinaus müßte bei einer Erstreckung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf den Zinsschaden der im Schadensersatzrecht geltende Grundsatz der Vorteilsausgleichung entsprechend angewendet werden. Die Klägerin habe zwar durch die nachträgliche Erfüllung der Bardepotpflicht einen behaupteten Zinsschaden in Höhe von 92.856,30 DM erlitten. Nach ihren eigenen Angaben hätte sie aber bei rechtzeitiger Erfüllung der Bardepotpflicht wegen des damals höheren Zinsniveaus einen weit höheren Zinsnachteil gehabt.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die vom Verwaltungsgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung der Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts über den Folgenbeseitigungsanspruch sowie der §§ 86, 96, 173 VwGO und §§ 282, 284, 286 ZPO. Der Verwaltungsgerichtshof habe ihr Sachbegehren unzutreffend ausgelegt. Sie wolle lediglich so gestellt werden, wie sie gestanden hätte, wenn der Heranziehungsbescheid der Beklagten nach dem 15. September 1974 nicht mehr vollzogen worden wäre.

Zu Unrecht habe der Verwaltungsgerichtshof ihre Zinsaufwendungen als eine nicht entschädigungsfähige Folge des rechtswidrigen Vollzugs des Heranziehungsbescheids angesehen. Die Bardepotpflicht habe eine Erhöhung der Kreditkosten bezweckt. Deshalb seien die Zinsaufwendungen ein Bestandteil der Kapitalstillegung und könnten nicht von dieser losgelöst werden. Der Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung sei auf den Folgenbeseitigungsanspruch nicht anwendbar.

Es sei auch unrichtig, daß sie sich der rechtzeitigen Erfüllung der Bardepotpflicht rechtswidrig entzogen habe. Sie habe in der mündlichen Verhandlung am 6. Oktober 1982 unter Beweis gestellt, daß im Einvernehmen mit der Beklagten bis zum 15. September 1974 die Hinterlegung des Bardepotbetrages nicht zu erfolgen brauchte. Wenn es hierauf ankam, hätte die Vernehmung des als Zeugen benannten Rechtsanwalts Dr. Hicker nicht unterlassen werden dürfen.

Die Klägerin beantragt,

das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. Oktober 1982 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs ... und das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. November 1981 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts ... aufzuheben und nach ihrem Klageantrag zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof habe Inhalt, Ausmaß und Grenzen des Folgenbeseitigungsanspruchs zutreffend beurteilt. Der Anspruch gehe dahin, bestimmte rechtswidrige Folgen hoheitlichen Verhaltens in natura zu beseitigen. Dazu brauche der wenig griffigen Formel von der Unmittelbarkeit oder Mittelbarkeit des Schadens nicht nachgegangen zu werden. Die Beseitigungspflicht habe hier allein darin bestanden, die Deponierung der Depotbeträge aufzuheben. Dies sei geschehen.

Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht hat sich nicht am Verfahren beteiligt.

II.

Die Revision der Klägerin erweist sich als unbegründet. Das von der Klägerin angefochtene Berufungsurteil beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, daß der Klägerin der mit ihrer Klage verfolgte Zahlungsanspruch gegen die Beklagte nicht zusteht.

Die Klägerin macht ihren Zahlungsanspruch im Wege eines Anspruchs auf Folgenbeseitigung geltend. Der sogenannte Folgenbeseitigungsanspruch, dessen vom Bundesgesetzgeber beabsichtigt gewesene "einfachgesetzliche" Normierung in einem Staatshaftungsgesetz vom 26. Juni 1981 (siehe BGBl. 1981 I, 553) aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1982 - 2 BvF 1/81 - (BVerfGE 61, 149) wegen Unvereinbarkeit mit Art. 70 GG nicht Bestandteil des geschriebenen Rechts geworden ist, erfaßt nicht alle rechtswidrigen Folgen, die durch ein Tun oder ein Unterlassen der vollziehenden Gewalt eingetreten sind. Nicht zweifelhaft ist, daß er diejenigen Folgen erfaßt, auf welche die verursachende Amtshandlung unmittelbar gerichtet war. Dagegen können von den aufgrund der Amtshandlung eingetretenen weiteren Folgen solche Folgen der Behörde nicht zugerechnet werden, die auf ein Verhalten zurückzuführen sind, das auf der eigenen Entschließung des Betroffenen beruht. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

1.

Das Rechtsinstitut des öffentlich-rechtlichen allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruchs hat in der juristischen Literatur und in der Rechtsprechung einhellige Anerkennung gefunden. Die Entwicklung eines solchen Anspruchs geht auf Bachof zurück, der in seiner Schrift "Die verwaltungsgerichtliche Klage auf Vornahme einer Amtshandlung" (Tübingen 1951) im Anschluß an seine dortigen Darlegungen zum Wesen der Anfechtungsklage die Auffassung vertreten hat, dem von einem rechtswidrigen Verwaltungsakt Betroffenen stehe auf der rechtlichen Grundlage des Art. 20 Abs. 3 GG nicht nur ein Anspruch auf Aufhebung des Verwaltungsakts, sondern im Falle des erfolgten Vollzugs des Verwaltungsakts auch ein Vollzugsfolgenentschädigungsanspruch zu, der auf die Beseitigung jedenfalls des unmittelbaren Schadens und evtl. auch der mit der Maßnahme gewollten mittelbaren Schäden gerichtet sei. In die gleiche Richtung ist Menger mit der in seiner Abhandlung "Über die Identität des Rechtsgrundes der Staatshaftungsklagen und einiger Verwaltungsstreitsachen" (in Gedächtnisschrift für Walter Jellinek, München 1955) dargelegten Ansicht über das Bestehen eines allgemeinen öffentlich-rechtlichen Wiedergutmachungsanspruchs gegangen. Nach einer materiellen "Grundnorm" des ungeschriebenen Rechts habe die öffentliche Gewalt, wenn sie durch ihre Organe jemanden in seiner Rechtsstellung widerrechtlich beeinträchtigt hat, den Zustand herzustellen, der ohne die Beeinträchtigung bestehen würde. Damit würde dieser Anspruch im wesentlichen demjenigen aus § 249 Satz 1 BGB entsprechen.

Gegen diesen von Bachof und Menger als Vollzugsfolgenentschädigungsanspruch konzipierten Folgenbeseitigungsanspruch hat sich dann insbesondere Bettermann (DÖV 1955, 528 ff.) gewandt und ihn in Richtung auf einen Beeinträchtigungsbeseitigungsanspruch teilweise verengt und teilweise erweitert. Nach dessen Auffassung ist die öffentliche Gewalt, wenn sie jemanden in seiner Rechtsstellung widerrechtlich beeinträchtigt, verpflichtet, diese Beeinträchtigung wieder zu beseitigen. Dazu gehöre insbesondere die Wiederherstellung des vor der Beeinträchtigung bestehenden Zustandes. Anders als Bachof und Menger hat er einen Entschädigungscharakter des Anspruchs verneint und ihn als Wiederherstellungsanspruch mit der Folge klassifiziert, daß im Falle der Unmöglichkeit der Wiederherstellung anders aJs nach § 251 Abs. 1 BGB kein Anspruch auf Geldersatz bestehe.

2.

Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung und insbesondere diejenige des Bundesverwaltungsgerichts ist diesen von der Rechtslehre entwickelten Rechtsgedanken - wenn auch zunächst sehr vorsichtig - in den wesentlichen Punkten gefolgt und hat - im Anschluß an Bettermann - das Bestehen eines öffentlich-rechtlichen allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruchs anerkannt (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 1959 - BVerwG 5 C 216.55 - in DVBl. 1959, 580; Urteil vom 6. November 1959 - BVerwG 1 C 189.57 - in DVBl. 1960, 255; Urteil vom 12. November 1959 - BVerwG 2 C 100.59 - in ZBR 1960, 92; Urteil vom 15. Juni 1960 - BVerwG 8 C 3.60 - in Buchholz 310 § 41 Nr. 2 = DVBl. 1960, 854; Urteil vom 11. Januar 1962 - BVerwG 2 C 30.60 - in NDBZ 1962, 177; Urteil vom 20. März 1963 - BVerwG 6 C 169.60 - in Buchholz 232 § 79 Nr. 6). Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht den Folgenbeseitigungsanspruch zunächst als Bestandteil der Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts angesehen und ihn unter Hinweis auf § 113 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO als einen Anspruch auf Rückgängigmachung der Folgen eines vollzogenen und danach auf eine Anfechtungsklage hin aufgehobenen Verwaltungsakts aufgefaßt (so noch Urteil vom 26. Oktober 1967 - BVerwG 2 C 22.65 - in BVerwGE 28, 155 [BVerwG 25.10.1967 - IV C 19/67] = Buchholz 232 § 32 Nr. 15).

Diese Rechtsprechung ist dann vom Bundesverwaltungsgericht dahin weiterentwickelt worden, daß der Folgenbeseitigungsanspruch seine Grundlage im Bundesverfassungsrecht hat und daß er nicht nur bei vollzogenen Verwaltungsakten, sondern bei allen Amtshandlungen besteht, die rechtswidrige Folgen nach sich gezogen haben (so insbesondere Urteil vom 25. August 1971 - BVerwG 4 C 23.69 - in Buchholz 310 § 113 Nr. 58 = DVBl. 1971, 858; ferner Urteil vom 12. Oktober 1971 - BVerwG 6 C 99.67 - in BVerwGE 38, 336 = Buchholz 232 § 90 Nr. 13; Urteil vom 18. Mai 1973 - BVerwG 7 C 21.72 - in Buchholz 451.80 Nr. 19 = NJW 1973, 1854;Urteil vom 2. Juni 1978 - BVerwG 7 C 55.75 -;Urteil vom 17. Januar 1980 - BVerwG 7 C 42.78 - in BVerwGE 59, 319 = Buchholz 310 § 42 Nr. 78). Dementsprechend ist der Folgenbeseitigungsanspruch in der Folgezeit als ein Anspruch auf Beseitigung der rechtswidrigen Folgen einer Amtshandlung angesehen worden.

3.

Der erkennende Senat schließt sich diesem jetzigen Stand der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowohl hinsichtlich der Grundlage wie auch hinsichtlich des Inhalts des Anspruchs auf Folgenbeseitigung an. Was zunächst die Grundlage und damit die rechtliche Ableitung des Folgenbeseitigungsanspruchs angeht, so stimmt der Senat dem Urteil des 4. Senats vom 25. August 1971 - BVerwG 4 C 23.69 - (a.a.O.) darin zu, daß der Folgenbeseitigungsanspruch aus dem Bundesverfassungsrecht herzuleiten ist. Diese Entscheidung hat allgemein Zustimmung gefunden (siehe Anmerkung von Bachof, DÖV 1971, 859). Der erkennende Senat sieht die rechtliche Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs in Art. 20 Abs. 3 GG, durch dessen Regelungen die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden wird. Daraus läßt sich die Verpflichtung der vollziehenden Gewalt ableiten, die rechtswidrigen Folgen ihrer Amtshandlungen wieder zu beseitigen. Dies bedeutet zugleich, daß die Grundsätze des Folgenbeseitigungsanspruchs revisibles Recht darstellen.

Hinsichtlich des Anspruchsinhalts hat der 4. Senat im vorgenannten Urteil den Folgenbeseitigungsanspruch ähnlich wie Bettermann als einen Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch charakterisiert. Den Umfang dieses Anspruchs hat er offen lassen können, weil es darauf nicht ankam. Zu dieser Frage hat der 7. Senat in seinem Urteil vom 18. Mai 1973 - BVerwG 7 C 21.72 - (a.a.O.) unter Hinweis auf Weyreuther (Verhandlungen des 47. Deutschen Juristentages, Band I S. B 15. u. 106) ausgeführt, daß der Folgenbeseitigungsanspruch darauf gerichtet sei, bestimmte rechtswidrige Folgen eines hoheitlichen Verhaltens in natura zu beseitigen. Eine genaue Inhaltsbestimmung dieses Anspruchs sowie seine Abgrenzung zu einem Schadensersatzanspruch aus § 839 BGB und Art. 34 GG brauchte der Senat in jenem Verfahren nicht vorzunehmen. Auch die späteren Urteile des 7. Senatsvom 2. Juni 1978 - BVerwG 7 C 55.75 - undvom 17. Januar 1980 - BVerwG 7 C 42.78 - (a.a.O.) sagen dazu nichts Entscheidendes.

Im Schrifttum haben sich verschiedene Autoren für eine Ausweitung des Folgenbeseitigungsanspruchs ausgesprochen. So hat Franke in seiner Dissertation "Der Folgenentschädigungsanspruch" (Münster 1965) den Folgenbeseitigungsanspruch als einen Anspruch mit Doppelcharakter dargestellt. Er sei einerseits als ein Beeinträchtigungsbeseitigungsanspruch, aber andererseits auch als ein Folgenentschädigungsanspruch anzusehen (vgl. auch Franke in VerwArch. 1966, 357; ferner Schleeh in AöR 92/1967, 58). Hervorzuheben sind auch die Überlegungen, die Luhmann in seiner Schrift "Öffentlich-rechtliche Entschädigung rechtspolitisch betrachtet" (Berlin 1965) zur Rechtsnatur des Folgenbeseitigungsanspruchs angestellt hat. Er hat darauf hingewiesen, daß der heute allgemein anerkannte Folgenbeseitigungsanspruch sowohl in seinen Voraussetzungen wie auch in seinen Rechtsfolgen unklar geblieben sei. Bezüglich der Rechtsfolgen sei er auf Expansion angelegt. Denn wenn man sich schon auf den Gedanken der Rechtswiederherstellung einlasse, seien Beschränkungen nur noch mehr oder weniger künstlich einzuführen. Die herrschende Meinung wolle den Anspruch auf "unmittelbare" Schäden begrenzt wissen. Im wesentlichen scheine diese Formel auf den Ausschluß von entgangenem Gewinn hinauszulaufen. Eine überzeugende Begründung dafür sei nicht gegeben worden.

4.

Hinsichtlich des Inhalts und des Umfangs des Folgenbeseitigungsanspruchs vertritt der erkennende Senat unter Berücksichtigung und Abwägung der verschiedenen Darstellungen und Meinungen in Übereinstimmung mit den vorgenannten Entscheidungen des 7. Senats die Auffassung, daß der Folgenbeseitigungsanspruch allein auf die Beseitigung der rechtswidrigen Folgen eines Tuns oder Unterlassens der vollziehenden Gewalt gerichtet ist und nur einen Ausgleich in natura gewährt. Der Grundsatz der Naturalherstellung, der in § 249 Satz 1 BGB einen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat, verpflichtet die vollziehende Gewalt zur Herstellung des Zustandes, der bestünde, wenn sie die rechtswidrigen Folgen nicht herbeigeführt hätte. Dies bedeutet regelmäßig, daß (nur) der vor der Vornahme der Amtshandlung bestanden habende Zustand wiederherzustellen ist. Zutreffend hat Bettermann darauf hingewiesen, daß in bestimmten Fällen diese Restitution durch Geldzahlung zu erfolgen hat. Eine solche Geldrestitution kommt dann in Betracht, wenn die rechtswidrigen Folgen in einem Geldverlust bestehen.

Damit stellt sich die hier entscheidende weitere Frage, ob aufgrund des Folgenbeseitigungsanspruchs die vollziehende Gewalt entweder alle oder - mit Bettermann - nur bestimmte rechtswidrige Folgen zu beseitigen hat. Die engere Auffassung definiert den Beseitigungsanspruch dahin, daß der alte Zustand nur insoweit wiederherzustellen ist, wie seine Veränderung durch die Amtshandlung unmittelbar hervorgerufen worden ist. Damit soll ein Anspruch auf Beseitigung mittelbar verursachter und mittelbar eingetretener Folgen ("mittelbarer Schäden") ausgeschlossen werden.

Nach der Auffassung des Senats stellt dies eine Rechtsfrage dar, die auf der Stufe der Zurechenbarkeit der eingetretenen Folgen angesiedelt ist. Sie ist im Grundsatz dahin zu beantworten, daß die rechtswidrigen Folgen einer Amtshandlung der handelnden Behörde dann zuzurechnen sind, wenn zwischen der Amtshandlung und den Folgen Kausalität besteht und keine Haftungsbeschränkung eingreift. Solche Haftungsbeschränkungen können hinsichtlich der Haftungsbegründung und hinsichtlich des Haftungsumfangs bestehen. Dementsprechend wird heute im allgemeinen zwischen den Erfordernissen der haftungsbegründenden Kausalität und der haftungsausfüllenden Kausalität differenziert (vgl. Grunsky im Münchener Kommentar zum BGB, Vorbemerkungen vor § 249, Randnrn. 36-46).

In entsprechender Anwendung dieser Grundsätze ist zunächst erforderlich, daß zwischen der Amtshandlung der Behörde und den eingetretenen rechtswidrigen Folgen eine haftungsbegründende Kausalität besteht. Dieser haftungsrechtlich relevante Zusammenhang ist jedenfalls bei allen Folgen einer Amtshandlung gegeben, auf deren Eintritt sie - unmittelbar - gerichtet war. Darüber hinaus dürfte er auch bei allen weiteren Folgen vorhanden sein, die aufgrund der Amtshandlung unmittelbar eingetreten sind, sofern sie im Hinblick auf die Amtshandlung adäquat sind. Ob ein solcher Zusammenhang auch noch hinsichtlich nur mittelbar eingetretener adäquater Folgen (vgl. Erman, Komm. z. BGB, 7. Aufl., § 249 Randnr. 10; Palandt, Komm. z. BGB, 43. Aufl., Vorbem. v. § 249 Anm. 2 f und 5 d aa) zu bejahen ist, kann hier offenbleiben.

Außerdem muß noch eine haftungsausfüllende Kausalität gegeben sein. Bei ihr geht es um den Umfang der zuzurechnenden Folgen. Für diesen Haftungsumfang kommt es in erster Linie auf den Schutzzweck der haftungsbegründenden Norm an. Dieser Schutzzweck ist bei dem Folgenbeseitigungsanspruch dem Art. 20 Abs. 3 GG zu entnehmen. Er geht dahin, daß durch die Amtshandlung eingetretene Folgen, die mit Gesetz und Recht nicht im Einklang stehen, keinen Bestand haben sollen und folglich wieder zu beseitigen sind. Dies gilt uneingeschränkt hinsichtlich aller Folgen, auf die die Amtshandlung unmittelbar gerichtet war. Dagegen gebietet der Schutzzweck des Art. 20 Abs. 3 GG die Beseitigung sonstiger Folgen, auf deren Eintritt die Amtshandlung nicht unmittelbar gerichtet war, jedenfalls dann nicht, wenn sie erst durch ein Verhalten des Betroffenen - oder eines Dritten - verursacht oder mitverursacht worden sind, das auf dessen eigener Entschließung beruht.

Daraus ergibt sich, daß der Folgenbeseitigungsanspruch nicht diejenigen weiteren rechtswidrigen Folgen einer Amtshandlung erfaßt, die erst infolge eines Verhaltens des Betroffenen eingetreten sind, das auf seiner eigenen Entschließung beruht. Der Senat hält diese Einschränkung der Zurechenbarkeit der rechtswidrigen Folgen einer Amtshandlung für geboten, um dem Charakter des aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Folgenbeseitigungsanspruchs gerecht zu werden. Eine Ausdehnung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf die vorgenannten Sachverhalte läßt sich schwerlich aus dieser Verfassungsnorm herleiten. Im übrigen wird durch diese Begrenzung such eine sonst nicht mehr eindämmbare Ausuferung des Folgenbeseitigungsanspruchs vermieden, die zugleich zu einer Verwischung der Abgrenzung zwischen diesem Anspruch und dem Schadensersatzanspruch aus § 839 BGB und Art. 34 GG führen würde. Aus allen diesen Gründen muß eine etwaige weitere Ausdehnung des Folgenbeseitigungsanspruchs dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben.

5.

Im vorliegenden Falle war die Amtshandlung der Beklagten, durch welche der von der Klägerin geltend gemachte Schaden eingetreten ist, unmittelbar allein auf ein zinsloses Bardepot in Höhe von ca. 20.000.000 DM gerichtet. Diese Folge ihrer Bardepotbescheide hat die Beklagte zwischenzeitlich wieder beseitigt.

Dagegen waren die Bardepotbescheide der Beklagten nicht unmittelbar auf die Aufnahme eines Kredits gerichtet, auch wenn diese Aufnahme im Falle der Klägerin erforderlich gewesen sein mag, um den Bescheiden nachkommen zu können. Die Beklagte hatte es der eigenen Entschließung der Klägerin überlassen, auf welche Weise diese sich die Mittel beschafft, um den Bardepotbescheiden nachkommen zu können. Daraus folgt, daß die Kreditaufnahme sowie die dadurch eingetretenen Zinsschäden erst durch das auf ihrer eigenen Entschließung beruhende Verhalten der Klägerin herbeigeführt worden sind. Aus diesem Grunde können diese weiteren Folgen der Bardepotbescheide der Beklagten nicht zugerechnet werden.

Dies bedeutet zugleich, daß es mangels Zurechenbarkeit dieser Folgen für die zu treffende Entscheidung nicht mehr darauf ankommt, ob es sich im Falle der Zurechenbarkeit um unmittelbare Folgen oder mittelbare Folgen ("mittelbare Schäden") handeln würde und ob hinsichtlich mittelbarer Folgen eine Beseitigungspflicht bestünde.

Des weiteren folgt aus der mangelnden Zurechenbarkeit der Kreditaufnahme, daß es auch nicht mehr darauf ankommt, ob die Klägerin an dem Eintritt des geltend gemachten Zinsschadens ein Mitverschulden trifft, so daß ihre Rüge der Nichtvernehmung des Rechtsanwalts Dr. ..., die sie gegenüber den betreffenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs erhoben hat, aus diesem Grunde keinen Erfolg haben kann.

Zusammenfassend ergibt sich also, daß die Revision der Klägerin gegen das angefochtene Berufungsurteil als unbegründet zurückzuweisen ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwertbeschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 92.856,30 DM festgesetzt.