danke-sagen-unterstützen

Unveröffentlichte Gerichtsentscheidung hinzufügen: Mehr erfahren...

BVerfG, 17.10.1968 - 2 BvE 2/67

Daten
Fall: 
Frist- und Formerfordernisse
Fundstellen: 
BVerfGE 24, 252; DÖV 1969, 649
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
17.10.1968
Aktenzeichen: 
2 BvE 2/67
Entscheidungstyp: 
Urteil

1. Die Sechs-Monats-Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG ist eine gesetzliche Ausschlußfrist. Wird sie versäumt, so ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen.
2.a) § 23 Abs. 1 BVerfGG gilt als allgemeine Verfahrensvorschrift auch für das Organstreitverfahren. Er verlangt eine über die bloße Bezeichnung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 64 Abs. 1 und 2 BVerfGG hinausgehende nähere Substantiierung der Begründung. b) Die von § 23 Abs. 1 BVerfGG geforderte Begründung ist wesentlicher Bestandteil des Antrags und muß deshalb innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist eingehen.

Inhaltsverzeichnis 

Urteil

des Zweiten Senats vom 17. Oktober 1968 auf die mündliche Verhandlung vom 16. und 17. Juli 1968
-- 2 BvE 2/67 --
in dem Verfassungsrechtsstreit über die Frage, ob der Deutsche Bundestag und der Bundesrat durch den Erlaß der §§ 18, 20, 21, 34 und 35 des Gesetzes über die politischen Parteien (Parteiengesetz) vom 24. Juli 1967 (BGBl. I S. 773) gegen Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 21 Absatz 1 des Grundgesetzes verstoßen haben, Antragsteller: die Deutsche Friedens-Union (DFU), vertreten durch ihr Direktorium, dieses vertreten durch ... Bevollmächtigte:..., Antragsgegner: a) der Deutsche Bundestag, vertreten durch den Präsidenten, Bonn, Bevollmächtigter: ..., b) der Bundesrat, vertreten durch den Präsidenten, Bonn.

Entscheidungsformel:
Die Anträge werden als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

1.

Das Gesetz über die politischen Parteien (Parteiengesetz - PartG -) vom 24. Juli 1967 (BGBl. I S. 773) regelt unter anderem die Erstattung von Wahlkampfkosten der politischen Parteien für künftige Bundestagswahlkämpfe (§§ 18 ff.) und für den Bundestagswahlkampf 1965 (§ 39 Abs. 2), die Abschlagszahlungen auf die Erstattungsbeträge (§ 20) und die Rückzahlung überzahlter Beträge (§ 19 Abs. 2), die Pflicht der Parteien, über die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft zu geben, insbesondere die Namen der Spender zu benennen (§ 25), und die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden und Beiträgen an politische Parteien (§§ 34 und 35).

Das Parteiengesetz wurde am 27. Juli 1967 verkündet. Es ist am 28. Juli 1967 in Kraft getreten (§ 41 Satz 1 PartG) mit Ausnahme der §§ 6 bis 16, die Vorschriften über die innere Ordnung der Parteien enthalten und am 1. Januar 1969 in Kraft treten (§ 41 Satz 2 PartG). Die §§ 34 und 35 sind erstmals für den Veranlagungszeitraum 1967 (§ 36 PartG) und die §§ 23 bis 31 erstmals für das Rechnungsjahr 1968 anzuwenden (§ 41 Satz 2 zweiter Halbsatz PartG).

2.

a) Die Antragstellerin hat sich im Frühjahr 1961 als politische Partei konstituiert. Sie hat an den Bundestagswahlen vom 17. September 1961 und vom 19. September 1965 sowie an Landtagswahlen teilgenommen. Bei der Bundestagswahl 1965 gewann sie l ,3 v. H. der Zweitstimmen. Sie ist weder im Deutschen Bundestag noch in einem Landtag durch Abgeordnete vertreten.

b) Mit einem Schriftsatz vom 21. August 1967 hat die Antragstellerin beantragt,

festzustellen, daß folgende Bestimmungen des Gesetzes über die politischen Parteien (Parteiengesetz) vom 24. Juli 1967 (BGBl. I S. 773) verfassungswidrig und nichtig sind: §§ 18, 20, 21, 34, 35.

Diesen Antrag hat sie wie folgt begründet:

"Die angefochtenen Bestimmungen des Parteiengesetzes beeinträchtigen die verfassungsmäßigen Rechte der Antragstellerin unter Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 GG). Diese Bestimmungen benachteiligen die Antragstellerin bei der Zuteilung von Geldern aus Steuermitteln und hinsichtlich der Bestimmungen über die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden. Die Antragsgegner haben sich bei der Verabschiedung dieses Gesetzes über die Rechtsgrundsätze hinweggesetzt, die das Bundesverfassungsgericht bereits früher entwickelt hat (Urteile vom 24. Juni 1958 - 2 BvF 1/57 - und vom 19. Juli 1966 - 2 BvF 1/65 -). - Eine ausführliche Begründung bleibt vorbehalten."

Mit einem am 30. Januar 1968 beim Bundesverfassungsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 29. Januar 1968 hat die Antragstellerin ein Rechtsgutachten des Professors Dr. Z., ..., vorgelegt und den Inhalt desselben zum Gegenstand ihres eigenen Vortrages gemacht. In dem Gutachten wird dargelegt, daß die Vorschriften des Parteiengesetzes über die Verteilung der Wahlkampfkostenerstattungsbeträge (§ 18 Abs. 3 PartG), über die Abschlagszahlungen und die Verpflichtung, Abschlagszahlungen zurückzuzahlen (§§ 20 und 19 Abs. 2 Satz 2 PartG), und über die steuerliche Abzugsfähigkeit von Beiträgen und Spenden an Parteien (§ 34, 35 PartG) mit dem Grundgesetz nicht vereinbar seien. Außerdem hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 25. April 1968 ein Rechtsgutachten des Professors Dr. Dr. F., ..., vorgelegt, nach dem die Beschränkung der Wahlkampfkostenerstattung auf Parteien, die mindestens 2,5 v.H. der im Wahlgebiet abgegebenen Zweitstimmen erreicht haben (§ 18 Abs. 2 Nr. 1 PartG), der Verteilungsschlüssel des § 18 Abs. 3 PartG, die Abschlagszahlungen (§ 20 Abs. 1 PartG), die Pflicht, überzahlte Abschlagszahlungen zurückzuzahlen (§ 19 Abs. 2 Satz 2 PartG), die Differenzierung bei der Benennung der Spender (§ 25 PartG) und die steuerliche Abzugsfähigkeit von Parteispenden (§§ 34, 35 PartG) verfassungswidrig sind.

Mit einem Schriftsatz vom 9. Juli 1968 beantragt die Antragstellerin außerdem,

gemäß § 32 BVerfGG im Wege der einstweiligen Anordnung dem Präsidenten des Deutschen Bundestages zu verbieten, Zahlungen an die im Bundestag vertretenen Parteien gemäß §§ 19 und 20 des Parteiengesetzes zu leisten.

Dieser Antrag war nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 16. und 17. Juli 1968.

c) In der mündlichen Verhandlung am 16. Juli 1968 hat die Antragstellerin den Antrag gestellt:

Das Bundesverfassungsgericht möge feststellen, daß folgende Bestimmungen des Parteiengesetzes gegen die Artikel 3, 20, 21, 38 des Grundgesetzes verstoßen, indem sie die DFU in der Ausübung ihrer Rechte auf Teilhabe am Verfassungsleben behindern: §§ 18 ff. (Ausschluß der DFU von einer Erstattung von Kosten des Wahlkampfes), § 20 (Ausschluß der DFU von Abschlagszahlungen), § 19 (Verpflichtung zur Rückzahlung von Abschlagszahlungen), § 25 (Befreiung von der Pflicht zur Rechenschaftsauslegung bei Spenden natürlicher Personen bis zu 20000.-, bei juristischen Personen bis zu DM 200 000), §§ 34, 35 (steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden bis zur Höhe von DM 600.- und im Falle der Zusammenveranlagung von Eheleuten bis zur Höhe von insgesamt DM 1200.- im Kalenderjahr), § 39 (Nichtbeteiligung der DFU an der Erstattung von Wahlkampfkosten für die Bundestagswahl vom 19. September 1965).

Diesen Antrag hat die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung am 16. und 17. Juli 1968 eingehend begründet.

Daneben beantragt sie für den Fall, daß das Bundesverfassungsgericht den von ihr in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag als verspätet ansehen sollte, ihr wegen dieses Antrages Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Hilfsweise stellt die Antragstellerin den Antrag aus dem Schriftsatz vom 21. August 1967.

3.

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat als Antragsgegnern sowie den in § 65 Abs. 2 BVerfGG genannten weiteren Verfassungsorganen, den Landesregierungen und den politischen Parteien, die sich an der Bundestagswahl vom 19. September 1965 beteiligt haben, Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Bundesrat hat sich nicht geäußert.

a) Der Deutsche Bundestag beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Er trägt vor, daß der Antrag vom 16. Juli 1968 verspätet, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen sei und daß mit dem Antrag vom 21. August 1967 nicht die Verletzung eigener Rechte der Antragstellerin geltend gemacht werde.

b) Die Bundesregierung, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, die Christlich Demokratische Union Deutschlands, die Christlich-Soziale Union und die Freie Demokratische Partei halten die Anträge gleichfalls für unzulässig und für unbegründet.

Die Unabhängige Arbeiter-Partei hat sich den Anträgen und dem Vortrag der Antragstellerin angeschlossen.

II.

Die Anträge sind unzulässig.

1.

Der Hauptantrag ist verspätet.

a) Der Hauptantrag vom 16. Juli 1968 ist ein neuer Antrag. Er ist keine nähere Erläuterung des Antrages vom 21. August 1967. Mit dem neuen Antrag beanstandet die Antragstellerin vielmehr Maßnahmen, die sie vorher nicht beanstandet hat, und bezeichnet Bestimmungen des Grundgesetzes als verletzt (§ 64 Abs. 1 und 2 BVerfGG), die sie vorher nicht als verletzt bezeichnet hat.

b) Ein Antrag im Organstreitverfahren muß binnen sechs Monaten, nachdem die beanstandete Maßnahme dem Antragsteller bekannt geworden ist, gestellt werden (§ 64 Abs. 3 BVerfGG). Diese Frist ist eine Ausschlußfrist. Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung daran festgehalten, daß die Frist für Verfassungsbeschwerden gegen Gesetze wegen der Tragweite eines solchen Angriffes aus Gründen der Rechtssicherheit eng auszulegen ist. Es hat deshalb die Geltendmachung von Rechtsverletzungen nach Ablauf der Frist nicht zugelassen (BVerfGE 11, 255 [260]; 18, 1 [9]; 23, 153 [164]; vgl. auch BVerfGE 18, 85 [89]). Gleiches gilt auch für das Organstreitverfahren, jedenfalls soweit die Anträge in einem solchen Verfahren sich gegen Maßnahmen des Gesetzgebers richten. Durch § 64 Abs. 3 BVerfGG soll der Antragsberechtigte gezwungen werden, Maßnahmen von Verfassungsorganen innerhalb der vom Gesetzgeber vorgesehenen Frist von sechs Monaten zu beanstanden. § 64 Abs. 3 BVerfGG gestattet daher der Antragstellerin nicht, nach Ablauf dieser Frist ihren Antrag auf Bestimmungen des Parteiengesetzes zu erstrecken, die mit dem ursprünglichen Antrag in keinem inneren Zusammenhang stehen.

Liegt die beanstandete Maßnahme im Erlaß gesetzlicher Vorschriften, so beginnt die Sechsmonatsfrist mit der Verkündung des Gesetzes. Mit ihr gilt das Gesetz als allgemein bekannt geworden (BVerfGE 13, 1 [10]; 16, 6 [18]). Das Parteiengesetz wurde am 27. Juli 1967 im Bundesgesetzblatt verkündet. Die Sechsmonatsfrist des § 64 Abs. 3 BVerfGG lief deshalb am 29. Januar 1968 ab (§§ 188 Nr. 2, 193 BGB). Die Antragstellerin hat den Hauptantrag jedoch erst am 16. Juli 1968 gestellt.

c) Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Antragsfrist, die eine gesetzliche Ausschlußfrist ist, ist im Organstreitverfahren so wenig zulässig wie im Verfahren über Verfassungsbeschwerden (BVerfGE 4, 309 [313]).

2.

In der mündlichen Verhandlung am 16. und 17. Juli 1968 hat die Antragstellerin ihren ursprünglichen Antrag vom 21. August 1967 als Hilfsantrag aufrechterhalten. Dieser Antrag entspricht jedoch nicht der in § 23 Abs. 1 BVerfGG zwingend vorgeschriebenen Form.

a) Nach § 23 Abs. 1 BVerfGG sind Anträge, die ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht einleiten, zu begründen; die erforderlichen Beweismittel sind anzugeben. § 23 Abs. 1 BVerfGG gilt als allgemeine Verfahrensvorschrift nicht nur für Verfahren über Verfassungsbeschwerden und Wahlprüfungsbeschwerden (BVerfGE 21, 359 [361] mit weiteren Nachweisen), sondern für alle Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, also auch für das Organstreitverfahren. Was zur Begründung eines Antrages erforderlich ist, richtet sich zunächst nach den Spezialvorschriften der einzelnen Verfahrensarten, für Organstreitverfahren mithin nach § 64 Abs. 1 und 2 BVerfGG. § 23 Abs. 1 BVerfGG verlangt jedoch eine über die bloße Bezeichnung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 64 Abs. 1 und 2 BVerfGG hinausgehende nähere Substantiierung der Begründung.

Die mit Schriftsatz vom 21. August 1967 vorgelegte Begründung des Antrages wiederholt aber nur formelhaft den § 64 Abs. 1 und 2 BVerfGG. Sie enthält keine Ausführungen darüber, inwiefern die Antragstellerin durch die beanstandeten Maßnahmen in ihren Rechten beeinträchtigt ist. Die summarische Behauptung, die Antragstellerin werde durch die Verteilung der Erstattungsbeträge und die steuerliche Abzugsfähigkeit von Parteispenden benachteiligt, läßt eine sachgerechte Auseinandersetzung mit ihrem Begehren nicht zu. Innerhalb der Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG ist eine dem § 23 Abs. 1 BVerfGG entsprechende Begründung von der Antragstellerin nicht gegeben worden.

b) Allerdings hat sich die Antragstellerin zur näheren Begründung ihres Antrages auf zwei Rechtsgutachten berufen, die sie dem Gericht eingereicht hat. Ist aber die nach § 23 Abs. 1 BVerfGG erforderliche Begründung ein wesentlicher Bestandteil des Antrages selbst, so muß diese mit dem Antrag innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist erfolgen (vgl. BVerfGE 21, 359 [361]). Das Gutachten des Professors Dr. Z. ist jedoch erst am 30. Januar 1968 und das des Professors Dr. Dr. F. erst am 26. April 1968 beim Bundesverfassungsgericht eingegangen, also nicht innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 64 Abs. 3 BVerfGG, die mit dem 29. Januar 1968 endete.

3.

Da die Anträge unzulässig sind, erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf eine einstweilige Anordnung nicht ergehen, wenn die in der Hauptsache begehrte Feststellung unzulässig ist (BVerfGE 7, 367 [371]; 11, 339 [342]; 16, 236 [238]).

4.

Diese Entscheidung ist, soweit es sich um die Ablehnung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Erledigung des Antrages auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung handelt, einstimmig, im übrigen mit einem Stimmenverhältnis von 6 zu 2 gefaßt worden.

(gez.) Seuffert Henneka Dr. Leibholz Geller Dr. von Schlabrendorff Dr. Rupp Dr. Geiger Dr. Kutscher