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Bundestag | Aktuelle Themen
Neue Pflegegesetze für mehr Fachkompetenz und eine einheitliche Ausbildung
Pflegekräfte sollen nach dem Willen der Koalition mehr Kompetenzen bekommen, um den Beruf attraktiver und effizienter zu gestalten. Über den Gesetzentwurf der Bundesregierung (21/1511) „zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege“ berieten die Abgeordneten am Donnerstag, 11. September 2025, in erster Lesung. Nach der Debatte überwiesen die Abgeordneten die Vorlage zur weiteren Beratung in den Gesundheitsausschuss. Mitberaten wurde ein zweiter Gesetzentwurf der Bundesregierung (21/1493) zur Pflegefachassistenzausbildung, der im Ausschuss für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend weiterberaten werden soll. Die Neuregelung zielt darauf ab, ein eigenständiges und bundesweit einheitliches Berufsbild zu schaffen. Auch diese Reform soll die Attraktivität des Berufs steigern. Die Opposition unterstützt die Vorhaben im Grundsatz, hält der Koalition aber Zögerlichkeit vor und plädiert für weitergehende Regelungen. Ministerin Warken: Von vermeidbarer Bürokratie befreien Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) wertete die Gesetzentwürfe als wichtige Grundlage für die künftige Versorgung. Die Praktiker in der Pflege erwarteten, dass Sie bei ihrer Arbeit nicht gehindert würden durch Bürokratie und überholte Regularien. Daher würden die Befugnisse von Pflegefachpersonen erweitert, "denn sie können oft so viel mehr, als sie dürfen". Wie Warken erklärte, sollen die Pflegefachkräfte künftig Aufgaben übernehmen, die bisher Ärzten vorbehalten waren und ihr Wissen konkret in den Bereichen Diabetes, Wundmanagement und Demenz weisungsfrei und eigenverantwortlich anwenden können. Die Ministerin verspricht sich davon eine Entlastung der Pflegeeinrichtungen, Arztpraxen und Krankenhausstationen. Zugleich werde damit der Pflegeberuf weiter aufgewertet. Mit dem Gesetzentwurf werde die Pflege auch von vermeidbarer Bürokratie befreit, versprach Warken. So solle die Pflegedokumentation auf das gesetzlich notwendige Maß beschränkt werden. Warken betonte: "Jede Minute, die sich eine Pflegekraft nicht mit Formularen beschäftigt, ist eine gewonnen Minute für die pflegebedürftigen Menschen." Mit der einheitlichen Pflegefachassistenzausbildung würden 27 unterschiedliche Ausbildungen in den Ländern ersetzt. Die neue Ausbildung biete einen guten Einstieg in die Pflege und auch Aufstiegsmöglichkeiten. Ministerin Prien: Einheitliche und attraktive Ausbildung Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU), die an der Erarbeitung des Entwurfs zur Pflegefachassistenzausbildung beteiligt war, erinnerte an die enorme gesellschaftliche Tragweite des Pflegeberufs. Es gehe nicht nur um Zahlen und Strukturen, sondern konkret um Menschen. Pflegekräfte gäben anderen Menschen Würde, Sicherheit und Zuwendung. Sie entschieden über die Lebensqualität in Momenten, in denen Menschen besonders verletzlich und auf Fürsorge angewiesen seien. "Am Ende entscheidet die Frage der Pflege auch, wie solidarisch unsere Gesellschaft tatsächlich ist." Daher müssten die Rahmenbedingungen für die stationäre, ambulante und häusliche Pflege gestärkt werden. Mit dem Gesetz zur Pflegefachassistenzausbildung werde eine einheitliche und attraktive Ausbildung geschaffen, die auch Quereinsteigern verlässliche Perspektiven eröffne. Damit werde ein starker Qualifikationsmix geschaffen, der Pflegefachkräfte entlaste und professionelle Hilfe im Alltag ermögliche. "Wir bauen ein Pflegebildungssystem mit Zukunft, vom Einstieg bis zum Pflegestudium." AfD: Gesetzentwurf ist unausgereift Von der Opposition kam teils scharfe inhaltliche Kritik an den Gesetzentwürfen sowie der Hinweis, dass beide Vorlagen schon zu Zeit der Ampel-Regierung fertig vorgelegen hätten und inzwischen wertvolle Zeit verstrichen sei. Nach Ansicht von Joachim Bloch (AfD) ist der Gesetzentwurf für mehr Pflegekompetenzen unausgereift. Zwar sei es richtig, dem Pflegefachpersonal mehr Verantwortung zu übertragen, es gebe im Entwurf auch gute Ansätze wie den Bürokratieabbau oder die Förderung innovativer Pflegekonzepte. Aber der Gesetzentwurf bietet lediglich einen Rahmen und regele viele Details gerade nicht. Es sei aber wichtig, die Kompetenzen und Aufgaben für Pflegekräfte exakt zu definieren. Auch müssten die Unterschiede zwischen Alten- und Krankenpflege besser herausgearbeitet werden. Nicht geregelt seien Fragen zum Kompetenzkonflikt zwischen Pflege- und Ärzteschaft. Die genaue Umsetzung und die Verantwortlichkeiten seien ebenso unklar wie die Haftungsfragen. Zudem bedeuteten weitere Aufgaben eine zusätzliche Belastung für Pflegekräfte, das werfe die Frage der angemessenen Vergütung auf. Dem Entwurf fehle eine klare Strukturierung der Aufgaben, um die Qualität und Patientensicherheit zu gewährleisten. Nötig sei eine sofortige Entlastung für Pflegekräfte sowie eine insgesamt "epochale Pflegereform". SPD: Qualifikationsmix auf allen Ebenen Sabine Dittmar (SPD) sprach hingegen von einem guten Tag für die Pflege und zwei wichtigen Bausteinen, um den Pflegeberuf attraktiver, kompetenzorientierter und flexibler zu gestalten. Eine qualitätsgesicherte, zugewandte und zukunftsfähige Pflege brauche einen Qualifikationsmix auf allen Ebenen, von der Fachassistenz über die Fachpflege bis zum Hochschulabschluss. Mit der reformierten Ausbildung zur Pflegefachassistenz werde endlich ein bundeseinheitliches Berufsbild geschaffen und der Ausbildungsflickenteppich mit 27 unterschiedlichen Landesregelungen beendet. Die neue Ausbildung sehe auch endlich eine angemessene Ausbildungsvergütung vor. Mit dem Kompetenzgesetz werde der Tatsache Rechnung getragen, dass Pflegefachkräfte sehr viel mehr könnten als das, was ihnen bisher rechtlich erlaubt sei. Sie dürften künftig eigenverantwortlich und weisungsfrei Leistungen erbringen, die bislang unter Arztvorbehalt standen. Das entlaste Ärzte und Pflegekräfte und werde den Arbeitsablauf effizienter gestalten. Grüne: Das ist kein Aufbruch Simone Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) beklagte, die Koalition lege Stückwerk vor. Die Entwürfe würden als Aufbruch verkauft, es sei aber kein großer Reformschritt, zumal schon die Ampel-Koalition gute Entwürfe vorgelegt habe mit mutigen Vorschlägen. "Das ist kein Aufbruch, das ist Stillstand, hübsch verpackt mit neuem Namen." Statt Vertrauen in die Pflege zu zeigen, bleibe es in der Pflegekompetenz bei der Abhängigkeit von ärztlicher Delegation. Sie forderte: "Für die Pflege brauchen wir einen großen Wurf, das ist die offensichtliche Schwäche dieser Bundesregierung." Auch beim Assistenzgesetz bleibe vieles offen. Der Ansatz sei zwar richtig, aber ohne verbindliche Standards in der Ausbildung entstehe Unsicherheit statt Verlässlichkeit. Berufserfahrung allein ersetze keine solide schulische Ausbildung. Fischer warnte: Wenn die Hürden zu stark abgesenkt würden, leide die Ausbildungsqualität und damit auch die Qualität der Pflege. Linke: Ausbildungszeit von mindestens 24 Monaten Auch Julia-Christina Stange (Die Linke) ging auf die Ausbildungsqualität ein und mahnte: "Wenn wir den Fachkräftemangel ernsthaft bekämpfen wollen, brauchen wir eine attraktive Pflegefachassistenzausbildung, keine Billiglösung für Profite." Es gehe um einen nachhaltigen Aufbau von Fachkräften mit guten Arbeitsbedingungen und Qualität statt Geschwindigkeit. Daher sei eine Ausbildungszeit von mindestens 24 Monaten sinnvoll. In 18 Monaten sei es nicht möglich, in allen Pflegesettings verantwortungsvoll ausgebildet zu werden. Eine verkürzte Ausbildung wäre nichts anderes als eine billige Arbeitskraft. Sie fügte hinzu, Pflege sei mehr als satt und sauber. "Investieren wir also in exzellente Ausbildung, in menschenorientierte Pflege und verlässliche Gesundheitsversorgung. Davon profitieren wir alle." CDU/CSU: Qualifiziertes Fachpersonal ist der Schlüssel Die CDU/CSU-Abgeordnete Astrid Timmermann-Fechter widersprach dem Eindruck, es werde an der Ausbildung gespart. Qualifiziertes Fachpersonal sei der Schlüssel für eine gute Pflege. Während die Zahl der Pflegebedürftigen wachse, schrumpfe die Zahl der Fachkräfte. Die neue Pflegefachassistenzausbildung könne dazu beitragen, die Versorgung zu verbessern. Die künftig einheitliche Ausbildung schaffe ein verbindliches Berufsprofil und gewährleiste, dass die Absolventen deutschlandweit und in den unterschiedlichsten Versorgungsbereichen eingesetzt werden könnten. Dabei sei der niedrigschwellige Einstieg bedeutsam. Damit werde auch jungen Menschen mit Hauptschulabschluss eine sichere Perspektive geboten. Außerdem werde Abbrechern bei der Ausbildung zur Pflegefachkraft eine Möglichkeit eröffnet, zur Pflegefachassistenz umzuschulen. Die Durchlässigkeit der Qualifikationswege sei wichtig, um Abbruchquoten zu senken und ein Ausscheiden von potenziellen Fachkräften aus dem Beruf zu verhindern. Erster Gesetzentwurf der Bundesregierung Der Gesetzentwurf "zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege" (21/1511) soll Pflegekräften zu mehr Kompetenzen verhelfen und sie von bürokratischen Aufgaben entlasten. Die Herausforderungen der Akut- und Langzeitpflege seien in den nächsten Dekaden im demografischen Wandel begründet, heißt es im Entwurf. Ende 2023 habe die Zahl der Menschen mit Pflegebedarf bei rund 5,6 Millionen gelegen. Nach der statistischen Pflegevorausberechnung sei zu erwarten, dass die Zahl der Pflegefälle bis 2055 auf bis zu 8,2 Millionen ansteigen werde. Dies führe perspektivisch zu einer steigenden Nachfrage nach Pflegeleistungen. Zugleich wachse der Bedarf an Pflegefachpersonen, an Pflegeassistenzpersonen und Pflegehilfskräften. Pflegeberuf soll noch attraktiver werden Bei den Pflegekräften gingen die Prognosen angesichts des demografischen Wandels von künftigen Engpässen aus, heißt es in der Vorlage weiter. So habe das Bundesinstitut für Berufsbildung 2024 einen Bedarf von 150.000 zusätzlichen Pflegekräften für das Jahr 2040 prognostiziert. Daher müsse die Attraktivität des Pflegeberufs weiter gestärkt werden. Die Stärkung der Pflegefachpersonen und ihrer Befugnisse sei ein wichtiges Ziel, um den Beruf noch attraktiver zu machen und damit gegen den in der Pflege festzustellenden Fachkräfteengpass anzugehen. Um die Rahmenbedingungen in der Pflege zu verbessern, sollen die vielfältigen Kompetenzen von Pflegefachpersonen in der Versorgung stärker genutzt werden. Demnach sollen Pflegefachpersonen künftig neben Ärzten eigenverantwortlich weitergehende Leistungen als bisher und, je nach Qualifikation, auch Leistungen erbringen können, die bisher Ärzten vorbehalten waren. Dies soll zu einer besseren Versorgung, etwa beim Management chronischer Erkrankungen sowie in der Prävention und Gesundheitsförderung, führen. Im Entwurf genannt werden Aufgaben in den Bereichen diabetische Stoffwechsellage, chronische Wunden und Demenz. Die konkreten Aufgaben von Pflegefachpersonen in der Versorgung sollen in einem sogenannten „Muster-Scope of Practice“ differenziert beschrieben werden. Diese Beschreibung soll Grundlage für weitere Entwicklungsschritte hinsichtlich der leistungsrechtlichen Befugnisse von Pflegefachpersonen werden. Kompetenzen in der Heilkunde Im Pflegeberufegesetz soll der Vorlage zufolge klargestellt werden, dass Pflegefachpersonen im Rahmen der erworbenen Kompetenzen Heilkunde ausüben dürfen. Zugleich wird für Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in einem neuen Paragrafen 15a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V, Krankenversicherung) und parallel in Paragraf 28 Absatz 5 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI, Pflegeversicherung) festgelegt, dass Pflegefachpersonen bestimmte Aufgaben der ärztlichen Behandlung eigenverantwortlich erbringen dürfen. Ergänzend wird für die beiden Sozialversicherungen (SGB V und SGB XI) grundsätzlich klargestellt, dass die berufsrechtlich geregelten Vorbehaltsaufgaben von Pflegefachpersonen nach dem Pflegeberufegesetz (Pflegeprozessverantwortung) bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Leistungen und der Leistungserbringung zu berücksichtigen sind. Eigenverantwortliche Leistungen In einem neuen Paragrafen 73d des SGB V können künftig Leistungen der ärztlichen Behandlung, die von Pflegefachpersonen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung oder der häuslichen Krankenpflege eigenverantwortlich erbracht werden dürfen, in einem Vertrag vereinbart werden. Zudem können Leistungen vereinbart werden, die in der häuslichen Krankenpflege von Pflegefachpersonen eigenverantwortlich als Folgeverordnung veranlasst werden können, einschließlich der benötigten Hilfsmittel. Die Regelung sehe abgestufte Umsetzungsmöglichkeiten sowohl für beruflich als auch hochschulisch qualifizierte Pflegefachpersonen vor, heißt es. Pflegefachpersonen sollen in der hochschulischen Pflegeausbildung oder über bundesweit einheitliche Weiterbildungen zusätzliche heilkundliche Kompetenzen erwerben können. Zweiter Gesetzentwurf der Bundesregierung Mit ihrem Gesetzentwurf zur Pflegefachassistenzausbildung (21/1493) will die Bundesregierung ein eigenständiges und bundesweit einheitliches Berufsbild schaffen. Die Neuregelung ersetzt die bisher 27 landesrechtlichen Pflegehilfe- und Pflegeassistenzausbildungen. Die Reform soll dazu beitragen, zusätzliche Fachkräfte für die Pflege zu gewinnen. Zudem soll künftig auch die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse erleichtert werden. In allen Versorgungsbereichen würden dringend mehr Pflegekräfte benötigt, heißt es in der Vorlage. Die Personalausstattung der Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser werde künftig aber nicht allein durch eine weitere Steigerung der Zahl der vorhandenen Pflegefachpersonen sichergestellt werden können. Vielmehr bedürfe es eines neuen Personalmixes mit einer kompetenzorientierten Aufgabenverteilung insbesondere zwischen Personen mit einer Pflegefachassistenzausbildung und Pflegefachpersonen. Künftig würden laut Modellrechnungen für die vollstationäre Langzeitpflege neben mehr Pflegefachpersonen bis zu 100.000 zusätzliche Personen mit einer Pflegehilfe- oder Pflegeassistenzausbildung benötigt. Regelausbildungszeit von 18 Monaten Die Ausbildung ist generalistisch angelegt und beinhaltet Pflichteinsätze in der stationären Langzeitpflege, der ambulanten Langzeitpflege und der stationären Akutpflege. Die Ausbildungszeit umfasst in der Regel 18 Monate, wobei eine Verkürzung bei einschlägiger Berufserfahrung möglich ist. Voraussetzung für die Ausbildung ist regelhaft ein Hauptschulabschluss, bei einer positiven Prognose der Pflegeschule können aber auch Bewerber ohne formalen Abschluss eine Ausbildung beginnen. Das Gesetz regelt auch die einheitliche Finanzierung der Ausbildung. Nach dem Modell des Pflegeberufegesetzes werde für die ausbildenden Einrichtungen wie auch die Pflegeschulen eine verlässliche und sektorenübergreifende Finanzierungsgrundlage geschaffen, heißt es im Entwurf. Die Auszubildenden erhalten eine Vergütung. Nach der Ausbildung ist eine Weiterbildung zur Pflegefachperson möglich. Für Pflegekräfte mit ausländischen Abschlüssen ist eine einheitliche Regelung mit Kenntnisprüfung oder Anpassungslehrgang statt umfassender Gleichwertigkeitsprüfung vorgesehen. Die neu strukturierte Pflegefachassistenzausbildung soll 2027 beginnen. Antrag der AfD Auf der Tagesordnung des Parlaments stand zudem ein Antrag der AfD-Fraktion, in dem diese fordert, die Unterstützung alter Menschen und die Pflege "zukunftssicher" zu machen (21/1549). Abgegrenzt wird dabei die Altenpflege von der gesundheits- und Krankenpflege, für die unterschiedliche Lösungsansätze gefunden werden müssten. Bei der Bewältigung der Pflegeproblematik sei im Übrigen nicht nur der Staat gefordert, sondern jeder Bürger, heißt es in dem Antrag. Die Akademisierung in der Pflege ist nach Ansicht der Abgeordneten genau wie die Einführung der generalisierten Pflegeausbildung eine Fehlentwicklung, die es zu korrigieren gelte. Gefordert wird, zu den getrennten Berufsausbildungen von Gesundheits- und Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und Altenpflege zurückzukehren, die sich bestens bewährt hätten. Statt der Akademisierung gelte es, das berufliche Bildungs- und Ausbildungssystem zu stärken. "Beitragssätze festschreiben" Die Abgeordneten fordern in dem Antrag sicherzustellen, dass die Beitragssätze der sozialen Pflege-Pflichtversicherung in der jetzigen Höhe festgeschrieben werden können. Zudem werden systematische Umstrukturierungen in der Kranken- und Pflegeversicherung gefordert, um Bürokratie abzubauen. So sollten etwa die beiden gesetzlichen Versicherungen organisatorisch zusammengeführt werden. Versicherungsfremde Leistungen der Pflege- und Krankenversicherung müssten vollständig aus dem Haushalt finanziert werden. Zudem gelte es, die häusliche Pflege durch Privatpersonen anstelle von Pflegediensten finanziell aufzuwerten. Die Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal müssten weiter verbessert werden. Außerdem sollten private Pflegezusatzversicherungen stärker gefördert werden. Die Vorlage wurde nach der Debatte im Plenum in den federführenden Gesundheitsausschuss überwiesen. (pk/hau/11.09.2025)
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Immunität von Maximilian Krah aufgehoben
Ohne Aussprache hat der Bundestag am Donnerstag, 11. September 2025, in der Debatte zu TOP 7 (Entbürokratisierung in der Pflege) eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (21/1590) zu Immunitätsangelegenheiten einstimmig angenommen. Damit genehmigte das Parlament den Vollzug gerichtlicher Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse gegen den AfD-Abgeordneten Dr. Maximilian Krah. (irs/11.09.2025)
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Forderung nach „sozial gerechtem Klimageld“ wird beraten
Die Abgeordneten des Bundestages haben sich am Mittwoch, 10. September 2025, mit der Forderung der Fraktion Die Linke nach einem „sozial gerechten Klimageld“ befasst. Ein entsprechender Antrag (21/789) wurde nach der Debatte im Plenum zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen. Die Federführung liegt beim Umweltausschuss. Antrag der Linken Die Linke bezieht sich in ihrem Antrag auf die seit 2021 geltende CO2-Bepreisung von Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel. 2023 folgte die Bepreisung von Kohleverbrennung. Die Einbeziehung der Abfallverbrennung in die CO2-Bepreisung sowie die nächste Erhöhung für Heizöl und Gas erfolgte im Januar 2024. Die Bepreisung entfalte insbesondere in den Sektoren Verkehr und Gebäudewärme nur eine begrenzte Klimawirkung und habe „problematische soziale Folgen“, weil Mieterinnen und Mieter auf die steigenden Preise nur passiv durch Senkung der Raumtemperatur reagieren könnten und Pendlerinnen und Pendler "nur unzureichende Alternativen“ im öffentlichen Verkehr fänden, heißt es in dem Antrag. Da die CO2-Abgabe erhoben werde und noch erhöht werden solle, müsse „dringend zumindest ein sozialer Ausgleich in Form eines sozial gerechten Klimageldes insbesondere für Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen erfolgen“. (nki/irs/10.09.2025)
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Bundeswehr-Mandat im Roten Meer soll verlängert werden
Die Bundeswehr soll sich weiterhin an der EU-geführten Operation Eunavfor Aspides zur Abwehr von Angriffen der Huthi-Milizien auf die Schifffahrt im Roten Meer beteiligen, ihren Personaleinsatz aber reduzieren. Statt wie bisher bis zu 700 sollen nunmehr nur noch bis zu 350 Soldatinnen und Soldaten eingesetzt werden können, wie aus dem Antrag der Bundesregierung (21/1372) hervorgeht. Der Bundestag hat den Antrag erstmals am Mittwoch, 10. September 2025, beraten und zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen. Die Federführung liegt beim Auswärtigen Ausschuss. Fortbestehende Angriffe der Huthi-Miliz Begründet wird der Einsatz mit den fortbestehenden Angriffen der radikalislamischen Huthi-Miliz aus von ihr kontrollierten Gebieten im Jemen seit Mitte November 2023, insbesondere im Roten Meer und der Meerenge Bab al-Mandab, die sich gegen die Freiheit der Seeschifffahrt, den internationalen Handel, die Sicherheit des Seeverkehrs und die Stabilität in einer ohnehin volatilen Region richten würden. Das durch die Angriffe betroffene Gebiet sei ein maritimer Raum von besonderer geostrategischer Bedeutung für die internationale Handelsschifffahrt, argumentiert die Bundesregierung. „Die Handelsroute durch das Rote Meer ist die kürzeste Handelsroute von Asien nach Europa mit einem globalen Handelsvolumen von 15 Prozent des weltweiten maritimen Handels vor Beginn der Angriffe.“ "EU-Präsenz bleibt wichtig" Die Folgen seien unter anderem Ausweichrouten und erhöhte Frachtraten, die durch Reedereien und Unternehmen letztlich an den Endverbraucher weitergegeben würden und so indirekte volkswirtschaftliche Auswirkungen hätten. Die Auswirkungen beträfen zudem die Bereitstellung von humanitärer Hilfe in der Region. Deutschland sei in enger Kooperation mit seinen EU-Partnern weiterhin bereit, einen wirksamen Beitrag zum Schutz deutscher und europäischer Sicherheitsinteressen zu leisten. Die EU-Präsenz in Form von Eunafvor Aspides bleibe gerade in einer weiterhin volatilen Sicherheitslage wichtig. Die EU zeige damit, dass sie willens und in der Lage ist, Verantwortung in der Region zu übernehmen: „Dies sendet auch ein positives Signal an unseren transatlantischen Alliierten hinsichtlich der internationalen Lastenteilung.“ Schutz von Schiffen gegen Angriffe Das Einsatzgebiet von Eunavfor Aspides umfasst den Angaben zufolge die Meerenge Bab al-Mandab und die Straße von Hormus sowie die internationalen Gewässer im Roten Meer, im Golf von Aden, im Arabischen Meer, im Golf von Oman und im Persischen Golf sowie den darüberliegenden Luftraum. Ein Einsatz in Hoheitsgewässern erfolge nur nach Zustimmung durch den jeweiligen Anrainerstaat. Zu den Aufgaben der Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten gehört der Schutz von Schiffen gegen multidimensionale Angriffe auf See und die Begleitung von Schiffen im gesamten Einsatzgebiet, außerdem die Sicherstellung der Er- und Bereitstellung eines Lagebildes inklusive luftgestützter Aufklärung, sowie Abstimmung, Kooperation, Informationsaustausch und logistische Unterstützung mit internationalen Verbündeten und Partnern. Mandat befristet bis Ende Oktober 2026 Als völkerrechtliche Grundlagen führt die Bundesregierung unter anderem eine Reihe von Resolutionen des Sicherheitsrates, zuletzt Resolution 2768 (2025), und das Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen an. Das Mandat ist befristet bis Ende Oktober 2026. Die einsatzbedingten Zusatzausgaben beziffert die Bundesregierung für diesen Zeitraum mit insgesamt rund 23,9 Millionen Euro. (ahe/10.09.2025)
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Geplanter "Bau-Turbo" wird unterschiedlich bewertet
Die Sachverständigen haben in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen am Mittwoch, 10. September 2025, die Wichtigkeit und Notwendigkeit des Baus neuer Wohnungen unterstrichen, den von der Bundesregierung geplanten „Bau-Turbo“ aber sehr unterschiedlich und zum Teil als nicht weitreichend genug beurteilt. So begrüßte die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände in ihrer Stellungnahme die mit dem Gesetzentwurf verfolgten Ziele. Gleichzeitig müssten aber die weiteren Ursachen für den Rückgang der Bautätigkeit im Wohnungsbau angegangen werden wie gestiegene Bau- und Finanzierungskosten, Fachkräftemangel und Materialknappheit. Mit dem „Bau-Turbo“ (21/781neu) sollen Gemeinden den Bau zusätzlicher Wohnungen unter bestimmten Bedingungen auch ohne Bebauungsplan zulassen können. Die Regelung ist bis zum 31. Dezember 2030 befristet. Zudem soll mehr Wohnbebauung als bisher in der Nähe von Gewerbebetrieben ermöglicht werden. In begründeten Fällen sollen daher Abweichungen von der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm zulässig sein. Wohnungsbau zum Leben erwecken In der von der Vorsitzenden Caren Lay (Die Linke) geleiteten Anhörung begrüßte Dr. Christian Lieberknecht vom Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) den Gesetzentwurf. Der könne aber nur ein Baustein von mehreren sein, um Baukosten zu begrenzen und Wohnen bezahlbar zu machen. Der von der CDU/CSU-Fraktion benannte Sachverständige nannte die Bereitstellung von zusätzlichem Wohnraum angesichts des weiteren Wachstums der Bevölkerung unabdingbar. Dirk Salewski vom Bundesverband der Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) erklärte, mit dem Entwurf werde das Bauplanungsrecht punktuell vereinfacht und es werde somit zu punktuellen Verbesserungen im Wohnungsbau kommen. Man brauche aber viele Instrumente, um den Wohnungsbau wieder zum Leben zu erwecken, sagte der von der CDU/CSU benannte Sachverständige. Die in dem Entwurf vorgesehene Verlängerung des Verbots der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Gebieten mit angespannter Wohnlage lehnte er ab: „Umwandlungsverbote sind Eingriffe in den freien Markt, die die Eigentumsbildung verhindern, ohne dass neue Wohnungen gebaut werden.“ Dagegen sprach sich Melanie Weber-Moritz vom Deutschen Mieterbund für die Verlängerung des Umwandlungsverbots aus. Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen würden in aller Regel zu einer Verdrängung von Mieterinnen und Mietern beziehungsweise zu erheblichen Mietsteigerungen führen, erklärte die von der SPD-Fraktion benannte Sachverständige. "Änderungen beim Lärmschutz sind revolutionär" Prof. Dr. Matthias Hellriegel von Hellriegel Rechtsanwälte begrüßte den Gesetzentwurf sehr. Die Änderungen beim Lärmschutz seien revolutionär. Die Regelungen könnten dazu beitragen, „den Wohnungsbau anzukurbeln“. Kritikern entgegnete er, die Kommunen könnten den Bau-Turbo anwenden, müssten das aber nicht, sagte der von der CDU/CSU benannte Sachverständige. Für Änderungen am Gesetzentwurf sprach sich Andrea Gebhard von der Bundesarchitektenkammer aus. Sie verlangte, den Paragrafen 246e, eine zentrale Bestimmung des Bau-Turbos, zu ändern. Mit der jetzigen Fassung werde der Bau von Einfamilienhäusern möglich. Es sei jedoch der Geschossbau und nicht das Einfamilienhaus, der mehr Wohnraum schaffe. Daher müsse die Vorschrift auf Neubauten mit mindestens sechs Wohnungen beschränkt werden, erklärte die von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen benannte Sachverständige. Auch Weber-Moritz vom Mieterbund plädierte dafür, den Bau von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen für Selbstnutzer prinzipiell auszuschließen. Für die von der SPD-Fraktion benannte Sachverständige Aygül Özkan vom Zentralen Immobilien Ausschuss reicht es für den Wohnungsbau nicht aus, den Turbo zu zünden. Sie sah „erheblichen Nachbesserungsbedarf“ und verlangte eine längere Geltungsdauer des bis Ende 2030 befristeten Turbos, etwa bis 2035. Komplexe Bauvorhaben in urbanen Räumen würden eine deutlich längere Planungssicherheit benötigen. Die Befristung bis Ende 2030 dürfe kaum zu wesentlichen Effekten führen, sagte auch der von der AfD-Fraktion benannte Unternehmensberater Peter Lutz. Wohnungsbau brauche eine Langfristperspektive, die hier nicht erkennbar sei. Befristung des Turbos bis 2030 Judith Nurmann von Architects for Future Deutschland befürwortete das Anliegen des Gesetzgebers, planerische Prozesse zu vereinfachen. Der „Wohnungsbau-Turbo“ sei jedoch ungeeignet, um die dringend notwendige Bauwende im Sinne des Klima- und Ressourcenschutzes voranzubringen. Die von der Linksfraktion benannte Sachverständige sprach sich für eine zweite große Novelle des Baugesetzbuches aus. Architekt Robert Scholz, ein von der AfD benannter Sachverständiger, sagte, es seien insbesondere Maßnahmen zur besseren Finanzierbarkeit durch steuerliche Entlastungen und staatliche Zinsstützungen sowie eine Rückführung energetischer Bauvorschriften notwendig. Der Bau-Turbo befinde sich im Leerlauf. Er mache Lärm, aber sei keine geeignete Antwort auf die bestehenden Herausforderungen im Wohnungsbau. Bernd Düsterdiek vom Deutschen Städte- und Gemeindetag betonte die Notwendigkeit, die Planungshoheit der Kommunen zu wahren. Es gebe weitgehende Befreiungs- und Abweichungsmöglichkeiten vom bisherigen Planungsrecht. Prof. Hilmar von Lojewski vom Deutschen Städtetag begrüßte den Gesetzentwurf, machte aber mehrere Änderungsvorschläge. Ähnlich äußerte sich auch Dr. Kay Ruge vom Deutschen Landkreistag, der die Befristung des Turbos bis 2030 als richtig bezeichnete. (hle/10.09.2025)
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Antrag dringt auf "sofortige Wirtschaftswende"
Der Bundestag hat am Mittwoch, 10. September 2025, erstmals über einen Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel "Anstieg der Arbeitslosenzahlen ernst nehmen – sofortige Wirtschaftswende für Deutschland einleiten" (21/1537) beraten. Der Antrag wurde nach halbstündiger Debatte in den federführenden Ausschuss für Wirtschaft und Energie überwiesen. Antrag der AfD Die AfD-Fraktion fordert die Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und die Aufhebung des Klima- und Transformationsfondsgesetzes (KTFG). Der Bundeshaushalt müsse „durch klare Priorisierung der Aufgaben und die Beendigung dauerhafter Subventionierung einzelner Unternehmen und Branchen“ konsolidiert werden. Außerdem sollten die Energiekosten samt Netzentgelten sowie die Unternehmensteuern „deutlich sinken“. Begründet wird der Antrag mit den negativen Wirtschaftszahlen der Jahre 2023 und 2024. Die deutsche Wirtschaft schrumpfe seit Jahren. Gemäß klassischer Definition einer Rezession habe sich Deutschland zwischen dem vierten Quartal 2022 und dem zweiten Quartal 2023 in einer Rezession befunden, genauso wie zwischen dem vierten Quartal 2023 und dem zweiten Quartal 2024, heißt es in dem Antrag. (mki/ste/10.09.2025)
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Bundeswehr soll ein Jahr länger im Südsudan bleiben
Die Bundeswehr soll sich weiterhin an der von den Vereinten Nationen geführten Friedensmission im Südsudan (Unmiss) beteiligen. Wie die Bundesregierung in einem Antrag (21/1371) schreibt, sollen unverändert bis zu 50 Soldatinnen und Soldaten eingesetzt werden können, die „Führungs-, Verbindungs-, Beratungs-, Beobachtungs- und Unterstützungsaufgaben“ übernehmen und bei der technischen Ausrüstung und Ausbildung truppenstellender Nationen helfen sollen. Der Bundestag hat am Mittwoch, 10. September 2025, erstmals über den Antrag beraten. Im Anschluss an die Aussprache wurde der Antrag zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen. Die Federführung übernimmt der Auswärtige Ausschuss. Schutz von Zivilpersonen Der Einsatz erfolge auf Grundlage der Resolution 1996 (2011) und folgender Resolutionen des UN-Sicherheitsrates. Aufgabe der UN-Mission im Südsudan ist laut Antrag der Schutz von Zivilpersonen, die Beobachtung der Menschenrechtslage, die Absicherung der Bereitstellung humanitärer Hilfe und die Unterstützung bei der Umsetzung des Friedensabkommens und des Friedensprozesses. Das Mandat ist bis Ende Oktober 2026 befristet. Die einsatzbedingten Zusatzausgaben beziffert die Bundesregierung für diesen Zeitraum auf rund eine Million Euro. (ahe/10.09.2025)
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Asylpolitik zehn Jahre nach "Wir schaffen das"-Äußerung
Zehn Jahre nach der Aussage "Wir schaffen das" der damaligen Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) vom 31. August 2015 zur deutschen Flüchtlingspolitik haben die Bundestagsfraktionen am Mittwoch, 10. September 2025, im Parlament eine gegenteilige Bilanz der seitherigen Migrationspolitik der Bundesrepublik gezogen. Während die AfD-Fraktion in der von ihr beantragten Aktuellen Stunde den zurückliegenden und aktuellen Regierungskurs massiv kritisierte, verwiesen Vertreter der anderen Fraktionen auf Erfolge bei der Bewältigung der mit den hohen Flüchtlingszahlen verbundenen Herausforderungen. AfD: Deutschland hat gar nichts geschafft Dr. Gottfried Curio (AfD) hielt der Union vor, vor zehn Jahren die Grenzen für inzwischen Millionen illegale Migranten geöffnet und "das Land de facto zur Sozialplünderung" freigegeben zu haben. Die Kriminalitätsstatistik weise Ausländer weit überproportional als Täter aus, die Haushalte bersteten unter der Last der Migration und die Unterbringung sei längst nicht mehr gut möglich. Deutschland habe "gar nichts geschafft", als dass das Land ärmer und unsicherer geworden sei und hunderttausende deutsche Leistungsträger pro Jahr auswanderten. Gebraucht würden Abschiebungen und Rückführungen, doch komme da nichts, fügte Curio mit Blick auf die aktuelle Regierungspolitik hinzu. Stattdessen würden etwa "Grenzkontrollen, die 98 Prozent der Asylbewerber nicht erfassen", als hochwirksam bezeichnet. Union: Setzen Migrationswende um Dr. Cornell-Anette Babendererde (CDU/CSU) sagte, Deutschland habe 2015 "ein freundliches Gesicht gezeigt", wie es Merkel einst formuliert habe, "und ich bin auch heute noch überzeugt, dass das in diesem Moment und in dieser Situation die richtige Entscheidung war". Später jedoch hätten sich die Bürgerkriegsflüchtlinge etwa aus Syrien vermischt mit solchen, die aus wirtschaftlicher Not gekommen seien. Hier habe auch die Union zu lange gezögert, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Heute setze sie indes die von den Menschen gewollte Migrationswende um. Wer wegen Verfolgung oder Krieg aus seinem Land fliehe, solle in der EU ein neues Zuhause finden. Wer sich jedoch ohne Fluchtgrund aufgrund der bisher von Deutschland ausgegebenen Pull-Faktoren auf den Weg hierher mache, dem solle diese Motivation endlich wieder genommen werden. Grüne heben "Erfolgsgeschichten" hervor Lamya Kaddor (Bündnis 90/Die Grünen) verwies auf "Erfolgsgeschichten" von Menschen, die 2015 nach Deutschland kamen. Diese hielten das Land "aktiv mit am Laufen", arbeiteten überdurchschnittlich oft in systemrelevanten und Engpassberufen wie im Pflege- und Gesundheitswesen, im Verkehr, der Logistik, im Lebensmittelbereich und im Gastgewerbe. Sie zahlten Steuern und stützten die überlasteten Renten- und Sozialsysteme. Die Beschäftigungsquote liege neun Jahre nach ihrer Ankunft bei 64 Prozent im Vergleich zu 70 Prozent in der Gesamtbevölkerung. Auch seien viele der ehemals Schutzsuchenden heute eingebürgert "und damit längst Teil unserer Gesellschaft", viele engagierten sich zudem ehrenamtlich, gerade auch in der Flüchtlingshilfe. SPD: "Wir schaffen das" hat heute neue Bedeutung Auch Rasha Nasr (SPD) betonte, dass zwei Drittel der 2015 nach Deutschland gekommenen Menschen heute in Arbeit seien, Steuern zahlten und die Sozialsysteme stützten. Für sie habe der Satz "Wir schaffen das" auch eine persönliche Ebene, fügte Nasr hinzu. So sei ihr Cousin 2025 aus Syrien in die Bundesrepublik gekommen, heute deutscher Staatsbürger und Architekt, der sich ein eigenes Leben aufgebaut habe. Das sei Integration: "einfach nur ein Mensch, der dazugehört". 2015 habe "Wir schaffen das" bedeutet: "Wir schaffen Integration". Heute bedeute der Satz, die Demokratie "gegen Hetze, gegen Extremisten und vor allem gegen die AfD" zu verteidigen. Linke: Größte Gefahr geht von Rechtsextremisten aus Clara Bünger (Die Linke) hielt der AfD vor, "von Hetze und Lügen" zu leben. Sie rede von Ausländerkriminalität, während rechte Straftaten seit Jahren ein Rekordhoch nach dem anderen erreichten. Die Wahrheit sei, dass die größte Gefahr für Menschen in Deutschland nicht von Geflüchteten ausgehe, sondern von Rechtsextremisten. Auch seien seit 2015 viele Erfolge erzielt worden. So habe man in einem Jahr 1,1 Millionen Menschen in Deutschland aufgenommen und ihnen damit das Leben gerettet. 64 Prozent der Flüchtlinge der damaligen Jahre arbeiteten. Bei Männern seien es 76 Prozent und damit mehr als im Bundesdurchschnitt. Auch seien fast 300.000 Menschen allein im vergangenen Jahr eingebürgert worden, und die Kriminalität sei heute niedriger als 2015. Über solche Erfolge werde indes viel zu wenig gesprochen. (sto/10.09.2025)
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Fragestunde am 10. September
Im Anschluss an die Regierungsbefragung folgte am Mittwoch, 10. September 2025, die Fragestunde. Getrennt nach Ressorts beantworteten Vertreter der Bundesregierung 45 Minuten lang Fragen (21/1483), die von den Abgeordneten vorab schriftlich eingereicht worden waren. Abgeordnete der Grünen mit den meisten Fragen 22 der insgesamt 59 Fragen wurden von Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestellt, gefolgt von Abgeordneten der Fraktion Die Linke mit 19 Fragen. Abgeordnete der AfD-Fraktion stellten 16 Fragen, der fraktionslose Abgeordnete Stefan Seidler vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW), der Partei der dänischen und friesischen Minderheit in Deutschland, zwei Fragen. Von Abgeordneten der Unionsfraktion und der SPD-Fraktion sowie von fraktionslosen Abgeordneten wurden keine Fragen gestellt. 20 der 59 Fragen richteten sich an das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Elf Fragen gingen an das Bundesministerium des Innern, sieben Fragen an das Auswärtige Amt. Die Bundesministerien für Forschung, Technologie und Raumfahrt sowie für Verkehr waren mit jeweils sechs Fragen gefordert. Je drei Fragen sollten das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und das Bundesministerium der Verteidigung beantworten. Je eine Frage ging an das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend, an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und an das Bundesministerium der Finanzen. Was die Abgeordneten wissen wollten Beispielsweise fragte der baden-württembergische Abgeordnete Matthias Gastel (Bündnis 90/Die Grünen) das Bundesverkehrsministerium, wie batterieelektrisch betriebene Lastkraftwagen (Lkw) ab dem Jahr 2026 bezüglich der Lkw-Maut im Vergleich zu heute behandelt werden. Er wollte zudem erfahren, wie emissionsfreie Lkw ab dem kommenden Jahr gefördert werden, etwa in Bezug auf Kaufprämie, Zuschuss für Ladeinfrastruktur, Industriestrompreis für Ladestrom oder Ähnliches. Die hessische Abgeordnete Violetta Bock (Die Linke) erkundigte sich beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, welche Veränderungen und Überarbeitungen der erneuerbaren Heizungsvorgaben und der Heizungsförderung die Bundesregierung unter Berücksichtigung der klimapolitischen Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 plant. Der bayerische AfD-Abgeordnete Dr. Rainer Kraft wollte vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt wissen, ob nach Kenntnis der Bundesregierung auch deutsche Wissenschaftler vom „Rundum-sorglos-Paket“ für ausländische Forschende profitieren und welche Maßnahmen im Einzelnen geplant sind. Der fraktionslose Abgeordnete Stefan Seidler (SSW) aus Schleswig-Holstein erkundigte sich beim Bundesinnenministerium, ob Einsatzorganisationen des Bundes beziehungsweise private Hilfsorganisationen des Zivil- und Katastrophenschutzes mit Mitteln des Bundes mobile Deiche beschafft haben. Falls nicht, will Seidler wissen, ob eine Beschaffung geplant ist. Zusatzfragen sind möglich Jeder Abgeordnete kann für die Fragestunde vorab bis zu zwei Fragen an die Bundesregierung einreichen. Nach der regelmäßig durch einen Parlamentarischen Staatssekretär oder einen Bundesminister erfolgenden Beantwortung können der Fragesteller, aber auch andere Abgeordnete des Deutschen Bundestages Zusatzfragen stellen und so die Bundesregierung zu weiteren Stellungnahmen zwingen. Reicht die Zeit nicht aus, werden noch nicht aufgerufene Fragen von der Regierung schriftlich beantwortet. Ebenso kann vorab bereits um schriftliche Beantwortung gebeten werden. (vom/10.09.2025)
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7. Sitzung des Ausschusses für Sport und Ehrenamt
Der Ausschuss für Sport und Ehrenamt ist am Mittwoch, 10. September 2025, zu einer öffentlichen Sitzung zusammengekommen. Thema war die Vorstellung der Konzepte für die deutsche Bewerbung um Olympische/Paralympische Spiele. Auskunft darüber gaben unter anderem Präsident Hans-Jörg Michels und Vizepräsident Dr. Karl Quade vom Deutschen Behindertensportverband (DBS) sowie Vorstandsvorsitzender Otto Fricke und der Leiter der Stabsstelle Olympiabewerbung Stephan Brause vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Zu den Kernaufgaben des Sportausschusses gehört die Förderung und Finanzierung effektiver und nachhaltiger Rahmenbedingungen für den Spitzensport, auch im Bereich des Sports für Menschen mit Behinderungen. Seine 14 Mitglieder erarbeiten außerdem Regelungen zur Bekämpfung von Doping und Manipulation im Sport, sie beschäftigen sich mit der gesellschaftlichen Bedeutung des Sports für andere Lebensbereiche, halten Kontakt zu Sportverbänden und lassen von unterschiedlichen Organisationen informieren. (10.09.2025)
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Experten begrüßen Pläne für EU-Haushalt ab 2028 im Grundsatz
Expertinnen und Experten haben am Mittwochnachmittag, 10. September 2025, in einer Anhörung des Europaausschusses die Pläne der Europäischen Kommission für ein höheres EU-Budget in den Jahren 2028 bis 2034 im Grundsatz begrüßt. Insbesondere Vereinfachungen der Struktur, eine größere Flexibilität, geplante Kürzungen bei den Agrar- und Kohäsionsmitteln und die stärkere Konzentration auf Bereiche mit besonderem europäischen Mehrwert wie Forschung und Verteidigung fanden breite Zustimmung. Kritik gab es unter anderem an den Vorschlägen für neue Einnahmequellen (Eigenmittel) sowie an den Plänen für einen Krisenmechanismus, der zusätzliche Darlehen an Mitgliedstaaten ermöglichen soll. Die EU-Kommission hatte am 16. Juli 2025 und am 3. September 2025 ihre Vorschläge für den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2028-2034 vorgestellt. Einig waren sich die Experten, dass der vorgesehene Aufwuchs von voraussichtlich 1,12 Prozent des Bruttonationalprodukts im aktuellen MFR auf 1,26 Prozent eher gering ausfällt, zumal darin 0,11 Prozent für die Rückzahlung von Schulden aus dem Aufbauplan Next Generation EU enthalten sind. Fragen zum Krisenreaktionsmechanismus Prof. Dr. Friedrich Heinemann vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZWE) bezeichnete insbesondere die Kürzungen im Bereich der Agrar- und Kohäsionspolitik als nicht weitreichend genug. Neue Eigenmittel wie eine EU-Tabaksteuer oder eine neue Abgabe auf Elektroschrott würden die Mitgliedstaaten außerdem nicht entlasten, sondern ihre Fähigkeit zur eigenen Einnahmeerzielung verringern. Der vorgesehene Krisenreaktionsmechanismus, mit dem neue Kredite in einer Krise jederzeit durch eine qualifizierte Mehrheit im Rat „und damit auch gegen die Stimme Deutschlands“ aktiviert werden könnten, werfe verfassungsrechtliche Fragen auf. Zentrale Ideen der Kommission gingen aber in die richtige Richtung. Kontrolle der Mittelverwendung Klaus-Heiner Lehne vom Europäischen Rechnungshof (EuRH) nannte die dem MFR zugrunde liegende Analyse der Kommission und dessen Zielsetzung „im Wesentlichen überzeugend“. Der EuRH habe schon mehrfach eine Vereinfachung von Haushaltsinstrumenten und Verfahren sowie eine erhöhte Flexibilität angemahnt. Die Verwendung von Mitteln müssen aber dennoch, auch in Bezug auf ihre Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit, angemessen kontrolliert werden. Prof. Dr. Dirk Meyer vom Institut für Volkswirtschaftslehre an der Helmut-Schmidt-Universität betonte, der MFR sollte ausgabenseitig auf europäische öffentliche Güter beschränkt bleiben. Dies ergäbe ein Einsparpotenzial in Höhe von mehr als 500 Milliarden Euro. Neue Eigenmittel wären damit verzichtbar. Darüber hinaus verwies er auf Ausfallrisiken bei der geplanten Kreditfaszilität im Rahmen des Krisenmechanismus. Er würde den Kreditzugang hochverschuldeter Staaten marktfremd aufrecht erhalten und sollte daher entfallen. Repriorisierung von EU-Gelder Die stärkere Flexibilisierung der Haushaltsmittel hob Dr. Nils Redeker vom Jacques Delors Centre (Hertie School) positiv hervor. Die aktuelle Weltlage mache es erforderlich, „dass die EU in der Lage ist, ihre Prioritäten anzupassen und auf Krisen zu reagieren“. Das gehe nicht mit einem Haushalt, in dem bis zu 90 Prozent der Mittel a priori für sieben Jahre festgeschrieben seien. Gelänge es tatsächlich, die Mittel auf gemeinsame europäische Investitionen umzuorientieren, würde das die „größte Reform des EU-Haushalts seit Ende der 1980er Jahre bedeuten“. Es sei immens wichtig, dass sich Bundesregierung und Bundestag offensiv dafür einsetzten. Lucas Resende Carvalho vom Programm Europas Zukunft der Bertelsmann Stiftung und Katharina Wiese, Policy Managerin für wirtschaftlichen Wandel und Geschlechtergleichstellung beim European Environmental Bureau, hoben ebenfalls die Bedeutung einer Repriorisierung der EU-Gelder hervor. Der tatsächliche Aufwuchs im Kommissionsvorschlag bleibt ihrer Ansicht nach weit hinter dem tatsächlichen Bedarf zurück. Wiese forderte eine deutliche Erhöhung des MFR-Etats, die Schaffung ausreichender Eigenmittel und verbindliche Investitionen in Höhe von 50 Prozent in Klima-, Biodiversitäts- und Sozialprojekte. Carvalho sprach sich für Umschichtungen in Zukunftsbereiche wie den Ausbau von Stromnetzen, die CO2-Reduktion oder die digitale Infrastruktur aus. (joh/10.09.2025) Der Vorschlag der Europäischen Kommission über den Mehrjährigen Finanzrahmen nach 2027 war am Mittwoch, 10. September 2025, Gegenstand einer Anhörung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union. Dazu waren sechs Sachverständige geladen. Prioritäten der Zukunft Konkret geht es um die Mitteilung der Kommission mit dem Titel "Ein dynamischer EU-Haushalt für die Prioritäten der Zukunft – der Mehrjährige Finanzrahmen 2028-2034" (Ratsdokument 11690/25) und den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union und zur Aufhebung des Beschlusses (EU, Euratom) 2020/2053 (Ratsdokument 11705 / 25). Der Europaausschuss gehört zu den vier im Grundgesetz verankerten Ausschüssen. Er ist der zentrale Ort der europapolitischen Mitwirkung im Deutschen Bundestag und unter anderem für sämtliche Grundsatzfragen der europäischen Integration, institutionelle Themen, Strategiedokumente, die Finanzplanung der EU und Fragen der Erweiterung zuständig. Mit 34 ordentlichen und 34 stellvertretenden Mitgliedern zählt er zu den großen Ausschüssen. (10.09.2024)
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Franziska Hoppermann leitet neue Enquete-Kommission „Corona“
Unter der Leitung von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hat sich am Montag, 8. September 2025, die Enquete-Kommission „Aufarbeitung der Corona-Pandemie und Lehren für zukünftige pandemische Ereignisse“ konstituiert. Der am 10. Juli vom Bundestag eingesetzten Kommission (21/562, 21/805) gehören 14 Bundestagsabgeordnete und 14 Sachverständige an. Die Unionsfraktion stellt fünf Mitglieder, AfD und SPD je drei, Bündnis 90/Die Grünen stellen zwei Mitglieder und Die Linke ein Mitglied. Zur Vorsitzenden wurde in geheimer Wahl einstimmig die Hamburger CDU-Abgeordnete Franziska Hoppermann gewählt. Im Anschluss an die konstituierende Sitzung stimmte die Kommission ebenfalls in geheimer Wahl über den Vorschlag der AfD-Fraktion zur Besetzung des stellvertretenden Kommissionsvorsitzes ab. Die AfD-Abgeordnete Claudia Weiss erhielt sieben von 25 abgegebenen Stimmen bei 17 Gegenstimmen und einer Enthaltung. Sie wurde somit nicht zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt, die Position bleibt vorerst vakant. Obleute und Auftrag Als Obleute haben die Fraktionen benannt: CDU/CSU: Mechthilde Wittmann; AfD: Kay-Uwe Ziegler: SPD: Dr. Lina Seitzl; Bündnis 90/Die Grünen: Dr. med. Paula Piechotta; Die Linke: Ates Gürpinar. Die Kommission hat laut Bundestagsbeschluss den Auftrag, die Corona-Pandemie umfassend aufzuarbeiten und Lehren für zukünftige pandemische Ereignisse zu ziehen. Dabei soll sie ein Gesamtbild der Ursachen, Verläufe, Folgen sowie der staatlichen Maßnahmen erstellen und die Perspektiven der Bürgerinnen und Bürger einbeziehen. Ziel ist es, Transparenz zu schaffen und wissenschaftlich fundierte Handlungsempfehlungen für den Umgang mit künftigen Pandemien zu formulieren. Den Abschlussbericht soll die Kommission bis zum 30. Juni 2027 vorlegen. Klöckner: Lehren aus Corona nutzbar machen Bundestagspräsidentin Julia Klöckner sagte eingangs vor der Presse: „Die Corona-Pandemie war ein beispielloser Einschnitt für unser Land – für das Gesundheitssystem, den Bildungsbereich, die Wirtschaft, vor allem aber für das tägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger. Viele von ihnen haben Angehörige und Freunde verloren oder kämpfen bis heute mit den gesundheitlichen und sozialen Folgen. Besonders auf die psychischen Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche haben wir zu wenig geschaut. Es stimmt, dass Deutschland vergleichsweise gut durch diese Zeit gekommen ist, viele der Einschränkungen waren notwendig. Doch die Pandemie hat Wunden hinterlassen – sichtbar und unsichtbar, sie hat Menschen auch von der Politik entfremdet." Umso größer sei die Verantwortung, die damaligen politischen Entscheidungen und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen in der Kommission gründlich, konstruktiv und selbstkritisch aufzuarbeiten, sagte die Bundestagspräsidentin. Es gehe darum zuzuhören, zu verstehen, zu lernen und das Wissen zur Bekämpfung eventuell kommender Pandemien zu dokumentieren und nutzbar zu machen: "Für die Chance auf Versöhnung, aber auch eine bestmögliche Vorbereitung für kommende Krisen, ist eine umfassende und transparente Aufarbeitung unerlässlich. Mehr: Sie ist eine Chance für unsere Demokratie, Vertrauen zurückzugewinnen“, betonte Klöckner. Die Kommission beschloss einstimmig, in der Regel einmal monatlich zu tagen, von September bis Dezember jeweils montags und von Januar bis Juni 2026 jeweils donnerstags. Die nächste Sitzung findet am Montag, 22. September 2025, statt. In einer öffentlichen Anhörung sollen Vertreterinnen und Vertreter der Landtage zum Thema „Corona“ befragt werden. Abgeordnete in der Kommission Der Kommission gehören an: CDU/CSU: Ordentliche Mitglieder: Franziska Hoppermann, Michael Hose, Axel Müller, Lars Rohwer, Mechthilde Wittmann; stellvertretende Mitglieder: Hansjörg Durz, Lars Ehm, Adrian Grasse, Carsten Müller, Dr. Katja Strauss-Köster. AfD: Ordentliche Mitglieder: Dr. Christina Baum, Claudia Weiss, Kay-Uwe Ziegler; stellvertretende Mitglieder: Birgit Bessin, Thomas Dietz, Pierre Lamely. SPD: Ordentliche Mitglieder: Jens Peick, Daniel Rinkert, Dr. Lina Seitzl; stellvertretende Mitglieder: Dr. Johannes Fechner, Dr. Tanja Machalet, Truels Reichardt. Bündnis 90/Die Grünen: Ordentliche Mitglieder: Dr. Lena Gumnior, Dr. med. Paula Piechotta; stellvertretende Mitglieder: Linda Heitmann, Denise Loop. Die Linke: Ordentliches Mitglied: Ates Gürpinar; stellvertretendes Mitglied: Donata Vogtschmidt. Sachverständige in der Kommission Benannt von der CDU/CSU-Fraktion: Prof. Dr. med. Stefan Kluge (Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf), Carolin Kubbe (Leiterin der Carl-von-Weinberg-Schule in Frankfurt am Main), Janet Steinbach-Putz (1. Beigeordnete Dezernat Soziales des Landkreises Meißen/Sachsen), Prof. Dr. Dr. h. c. Christoph M. Schmidt (Präsident des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen und Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftspolitik und Angewandte Ökonometrie an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum), Prof. Dr. Dipl. phys. Christian Weidner (Präsident des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit). Benannt von der AfD-Fraktion: Prof. Dr. Stefan Homburg (emeritierter Professor für Öffentliche Finanzen an der Leibniz-Universität Hannover), Tom Lausen (Programmierer, Datenanalyst und Publizist), Dr. med. Michael Nehls (Privatdozent, Medizinwissenschaftler). Benannt von der SPD-Fraktion: Prof. Dr. Andrea Kießling (Professorin für Öffentliches Recht, Sozial- und Gesundheitsrecht und Migrationsrecht an der Goethe-Universität Frankfurt am Main), Isabel Rothe (Präsidentin der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund), Michael Müller (ehemaliger SPD-Bundestagsabgeordneter, ehemaliger Regierender Bürgermeister von Berlin). Benannt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Prof. Dr. Armin Nassehi (Inhaber des Lehrstuhls I für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München) ; das zweite sachverständige Mitglied soll zu einem späteren Zeitpunkt benannt werden. Benannt von der Fraktion Die Linke: Prof. Dr. Rolf Rosenbrock (ehemaliger Leiter der Forschungsgruppe Public Health am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, ehemaliger Vorsitzender des Paritätischen Wohlfahrt-Gesamtverbandes). (vom/08.09.2025)
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Ausgaben von 502,55 Milliarden Euro im Bundeshaushalt 2025
Der Haushaltsausschuss hat den Etat 2025 im Rahmen der sogenannten Bereinigungssitzung am Donnerstag, 4. September 2025, leicht gekürzt. Veranschlagt sind dem finalen Beschluss zufolge nun 502,55 Milliarden Euro an Ausgaben. Das sind 460 Millionen Euro weniger, als im Haushaltsentwurf der Bundesregierung standen. Im Vergleich zum Soll-Ansatz 2024 ist es aber immer noch ein Plus von 5,4 Prozent. Ein Plus im Vergleich zum Entwurf gibt es bei den Investitionen. Diese steigen leicht um vier Millionen auf 62,73 Milliarden Euro. Keine Veränderungen sind bei den Steuereinnahmen vorgesehen. Diese sind weiterhin mit 386,84 Milliarden Euro angesetzt. Bei den sonstigen Einnahmen findet sich ein Minus von 460 Millionen Euro auf 33,92 Milliarden Euro. Die Nettokreditaufnahme beträgt unverändert im Vergleich zum Entwurf 81,87 Milliarden Euro. (bal/05.09.2025)
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Julia Klöckner in Kanada: Demokraten widersetzen sich der Polarisierung
Familienfoto der Parlamentspräsidentinnen und -präsidenten der G7-Staaten in Kanada: von links Roberta Metsola, Präsidentin des Europaparlaments, Mike Johnson (USA), Lorenzo Fontana (Italien), Yael Braun-Pivet (Frankreich), Francis Scarpaleggia (Kanada), Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, Sir Lindsay Hoyle (Großbritannien) und Gast Ruslan Stefantschuk (Ukraine). Klöckner hob in ihrer Rede in Ottawa hervor, dass sich Demokraten der Polarisierung in der Gesellschaft widersetzen.
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Johannes Schraps: Sabotage in der Ostsee konsequent ahnden
Kooperation in möglichst vielen Bereichen – ob bei der Energiesicherheit, dem Naturschutz, der Schifffahrt oder Fischerei – soll die Ostseeregion als internationalen Lebensraum mit gemeinsamen Werten stärken, sagt Johannes Schraps (SPD), kommissarischer Leiter der deutschen Delegation zur Konferenz der Ostseeparlamentarier (Baltic Sea Parliamentary Conference, BSPC). In diesem Geist arbeiteten die Parlamentarier der Ostseeanrainer zusammen, die sich vom 24. bis 26. August 2025 in Mariehamn auf den Åland-Inseln zu ihrer 34. Jahrestagung trafen. Das mache die Region zu einer Art Modellraum, so der SPD-Politiker. „Wir zeigen, wie Staaten über Grenzen hinweg kooperieren können, um Sicherheit, Wohlstand und ökologische Verantwortung zusammenzudenken.“ So wappne man sich gegen Aggressionen, wie sie von dem russischen Machthaber Putin ausgingen oder sich in den Anschlägen auf Leitungen und Pipelines zeigten. Im Interview berichtet Schraps von der aktuellen Tagung, unterstreicht die Chancen, die in der Kooperation liegen und erzählt von einer bewegenden persönlichen Begegnung. Das Interview im Wortlaut: Herr Schraps, auf der globalen, weltpolitischen Bühne ist es gerade stürmisch. Was hat die Ostseeparlamentarier bei ihrer diesjährigen Tagung bewegt? Die Ostseeregion ist unmittelbar von globalen Entwicklungen betroffen. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, hybride Bedrohungen wie Cyberattacken und Sabotage an kritischer Infrastruktur sowie der Klimawandel prägen unsere Diskussionen. Wir haben deutlich gemacht, dass Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte nicht verhandelbar sind. Gleichzeitig ging es darum, wie wir durch Zusammenarbeit Sicherheit, Nachhaltigkeit und Resilienz stärken können – auch im Bewusstsein, dass die Ostsee ein gemeinsamer Lebensraum ist, den wir schützen müssen. Ging es um diese Themen auch in der Generaldebatte, unter dem Titel „Die Zukunft der Ostseeregion – Chancen und Herausforderungen“? Ja, in der Generaldebatte standen genau diese Fragen im Mittelpunkt. Die Abschlusserklärung unterstreicht die Notwendigkeit, Demokratie und Rechtsstaat zu verteidigen, die kritische Infrastruktur im Ostseeraum besser zu schützen und gleichzeitig die ökologischen Herausforderungen anzugehen. Besonders betont haben wir die gemeinsame Verantwortung für die Ukraine, die Stärkung der zivilgesellschaftlichen Resilienz sowie die Umsetzung nachhaltiger Energie- und Klimapolitik. Chancen ergeben sich aus enger Kooperation und Innovation, die wir in der Ostseeregion voranbringen wollen. Welche Vorschläge machen die Parlamentarier, um Infrastruktur im Ostseeraum besser gegen Anschläge abzusichern? Die Resolution fordert eine ganze Reihe von Maßnahmen: den Ausbau gemeinsamer Überwachungs- und Reaktionsmechanismen, die Einrichtung eines Baltic Sea Rapid Response Mechanism, realzeitfähige Datenaustauschszenarien und den verstärkten Einsatz neuer Technologien wie Unterwasserdrohnen. Ebenso wichtig sind einheitliche rechtliche Standards, um Sabotage konsequent ahnden zu können, sowie eine engere Verzahnung von zivilen und militärischen Akteuren. Nur mit abgestimmten Protokollen und gemeinsamen Übungen können wir unsere Pipelines, Strom- und Datenkabel sowie Windparks zuverlässig schützen. Wie lassen sich Bürgerinnen und Bürger besser für Gefahren durch Hass und Unwahrheiten im digitalen Raum sensibilisieren? Wir brauchen Aufklärung, digitale Bildung und starke freie Medien. Die BSPC unterstützt daher Initiativen wie den geplanten „European Democracy Shield“ und fordert eine engere Zusammenarbeit zwischen Parlamenten, Medienakteuren und Zivilgesellschaft. Wichtig ist, dass Menschen Desinformation früh erkennen können und Vertrauen in demokratische Institutionen behalten. Dazu gehört auch, NGOs und Bürgerinitiativen stärker einzubinden, etwa in Frühwarnsysteme oder Aufklärungskampagnen. So erhöhen wir die Widerstandsfähigkeit unserer Gesellschaft gegenüber Hetze, Manipulation und Fake News. Gibt es einen gemeinsamen Ostsee-Spirit, der die Anrainer-Länder verbindet? Ja, den gibt es ganz eindeutig. Die Ostseeländer sind trotz unterschiedlicher Strukturen durch gemeinsame Werte und Erfahrungen verbunden. Demokratie, Nachhaltigkeit und Zusammenhalt prägen unseren Austausch. Gerade in Krisenzeiten stärkt uns der Stolz auf das bereits Erreichte, wie etwa die gemeinsame Umweltpolitik oder die Jugendforen. Das macht die Region zu einer Art Modellraum: Wir zeigen, wie Staaten über Grenzen hinweg kooperieren können, um Sicherheit, Wohlstand und ökologische Verantwortung zusammenzudenken. Dieser Geist ist unsere Stärke. Welche Empfehlungen hat die von der Konferenz eingesetzte Arbeitsgruppe zur Energiesicherheit und -unabhängigkeit vorgelegt? Die Arbeitsgruppe hat unterstrichen, wie entscheidend Resilienz, Vernetzung und Modernisierung sind. Dazu gehören der zügige Ausbau erneuerbarer Energien, grenzüberschreitende Strom- und Datenleitungen sowie gemeinsame Strategien gegen Cyberangriffe. Besonders wichtig ist, dass wir Energiearmut bekämpfen, soziale Gerechtigkeit in der Transformation sichern und die Abhängigkeit von fossilen Importen, vor allem aus Russland, konsequent reduzieren. Die Empfehlungen setzen klar auf Nachhaltigkeit, Innovation und europäische Zusammenarbeit, damit unsere Region energiepolitisch sicher und zukunftsfest bleibt. Wurde besprochen, wie sich Offshore-Windparks mit dem Ökosystem Ostsee in Einklang bringen lassen? Ja, dieser Aspekt spielte eine zentrale Rolle. Die Nutzung von Offshore-Windkraft ist ein Schlüssel für unsere Energiewende, darf aber nicht auf Kosten des empfindlichen Ökosystems Ostsee gehen. Deshalb haben wir über maritime Raumplanung, Umweltverträglichkeitsprüfungen und die Integration von Klimaschutz- und Biodiversitätszielen gesprochen. Der Bericht von Philipp da Cunha (Landtagsabgeordneter aus Mecklenburg-Vorpommern, Anm.d. Red.) betont, dass erneuerbare Energien und Naturschutz Hand in Hand gehen müssen. Ziel ist eine Balance, bei der sowohl Energieversorgung als auch Artenvielfalt langfristig gesichert sind. Gibt es eine gemeinsame Planung, welche Seegebiete für Windparks ausgewiesen werden? Eine vollständig gemeinsame Planung existiert noch nicht, aber es gibt deutliche Fortschritte. Mit der VASAB-Ministererklärung (VASAB steht für „Vision and Strategies Around the Baltic Sea“, Anm. d. Red.) zur räumlichen Resilienz haben wir eine Grundlage geschaffen, maritime Raumplanung besser aufeinander abzustimmen. Künftig soll es stärker um Transparenz, frühzeitige Koordination und den Ausgleich von Interessen gehen – zwischen Energie, Naturschutz, Schifffahrt und Fischerei. Ziel ist, dass die Ostseeländer ihre nationalen Planungen so verknüpfen, dass die gesamte Region profitiert und Konflikte frühzeitig vermieden werden. Was sind die wichtigsten Punkte im Bericht von Philipp da Cunha? Der Bericht hebt vor allem drei Punkte hervor: Erstens die dringende Wiederherstellung der Fischbestände, weil deren Rückgang Ökosysteme und Ernährungssicherheit bedroht. Zweitens die Notwendigkeit, Schutzgebiete auszubauen und biodiversitätsfreundliche Raumplanung umzusetzen. Drittens die Bedeutung von Bildung und Forschung, etwa durch Simulationen mithilfe von „digitalen Zwillingen“ für Ökosysteme, um faktenbasierte Entscheidungen zu ermöglichen. Insgesamt geht es darum, Klima- und Umweltschutz systematisch in alle politischen und wirtschaftlichen Planungen einzubeziehen – für eine widerstandsfähige Ostsee. Finden die Vorschläge der Parlamentarier genug Gehör bei den Regierungen? Wir erleben, dass die Arbeit der BSPC sehr aufmerksam verfolgt wird. Viele Empfehlungen fließen in die Beschlüsse des Ostseerates oder der EU ein. Natürlich liegt die Umsetzung letztlich bei den Regierungen, aber unsere parlamentarische Stimme schafft Öffentlichkeit, Transparenz und politischen Druck. Dass die Abschlusserklärungen im Konsens aller Delegationen verabschiedet werden, erhöht ihr Gewicht. Besonders bei Themen wie kritische Infrastruktur, Energiesicherheit oder Meeresumweltschutz stoßen unsere Anregungen auf breite Resonanz in der Exekutive. Welche Rolle spielen das Baltic Sea Parliamentary Youth Forum und die Ideen der jungen Menschen? Das Jugendforum ist ein echtes Highlight der Konferenz. Es zeigt, wie engagiert und kreativ junge Menschen die Zukunft der Ostseeregion mitgestalten wollen. Sie fordern konsequenteren Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit in der Energiewende und mehr Beteiligung. Wir nehmen diese Impulse sehr ernst. Die Vorschläge sind nicht nur inspirierend, sondern fließen konkret in unsere Arbeit ein. Für mich ist es beeindruckend zu sehen, wie ernsthaft und lösungsorientiert die jungen Leute diskutieren – oft mit einer Klarheit und Dringlichkeit, die uns als Parlamentarier anspornt. Das macht das Forum zu einer unverzichtbaren Säule der BSPC. Die Konferenz hat betont, dass wir junge Stimmen strukturell einbinden müssen, etwa durch Jugendbeiräte bei den Energieministerien. Ihre Ideen bereichern unsere Arbeit, weil sie langfristig denken und mutige Vorschläge machen, die unsere Politik zukunftsfest machen. Herr Schraps, bei der Jahrestagung haben Sie auch Julija Nawalnaja, die Ehefrau des vor einem Jahr verstorbenen russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny, getroffen. Welche Bedeutung hatte das für Sie? Das Gespräch mit Julija Nawalnaja war sehr bewegend. Sie steht nach dem Mord an ihrem Mann symbolisch für den Mut der russischen Opposition. Ihre Botschaft hat uns noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig es ist, dass wir in Europa geschlossen an der Seite derjenigen stehen, die in Russland für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte kämpfen. Für uns in der BSPC ist klar: Wir dürfen uns von Putins Aggression nicht einschüchtern lassen und müssen unsere Unterstützung für die Ukraine und die russische Zivilgesellschaft fortsetzen. (ll/02.09.2025)
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5. Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien
Der Ausschuss für Kultur und Medien ist am Mittwoch, 10. September 2025, zu einer öffentlichen Sitzung zusammengekommen. Auf der Tagesordnung standen unter anderem ein Antrag von CDU/CSU und SPD mit dem Titel "Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge – Arbeit für Frieden und Versöhnung sicherstellen – Generationen verbinden" (21/569) und ein Gespräch mit dem Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates Olaf Zimmermann. Der Ausschuss für Kultur und Medien mit seinen 18 Mitgliedern ist auf der Bundesebene für den gesamten Themenkomplex zuständig. So kontrolliert er beispielsweise die kulturpolitische Förderpolitik der Bundesregierung, berät über die Zukunft der Deutschen Welle und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, entscheidet über die nationale Filmförderung mit oder diskutiert die Förderung geschichtlicher Lernorte von nationaler Bedeutung. (10.09.2025)
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Geplante Anpassung des Batterierechts stößt auf geteiltes Echo
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (21/1150) zur Anpassung des Batterierechts an die EU-Verordnung 2023/1542 (Batterierecht-EU-Anpassungsgesetz) sowie der wortgleiche Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU/CSU und SPD (21/570) sind bei Sachverständigen auf ein geteiltes Echo gestoßen. In einer öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses am Montag, 1. September 2026, signalisierten insbesondere die von der Unionsfraktion benannten Experten Zweifel gegenüber dem Gesetzentwurf und kritisierten vor allem, dass er weit über die Vorgaben der EU-Batterieverordnung hinausgehe. Die jeweils von den Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke benannten Sachverständigen wiederum begrüßten den Gesetzentwurf grundsätzlich. Allerdings sprachen sie sich ihrerseits für weitergehende oder zusätzliche Regelungen aus. So löse der vorliegende Entwurf zum Beispiel die Problematik der Brände, die durch Lithium-Akkus und -Batterien verursacht werden, weiterhin nicht. Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Batterieverordnung Der Gesetzentwurf soll laut Vorlage die EU-Vorgaben zu Produktion, Kennzeichnung, Entsorgung und Recycling von Batterien in nationales Recht überführen. Die Verordnung regelt unter anderem Beschränkungen für gefährliche Stoffe, Design- und Kennzeichnungsvorgaben, Konformität, Sorgfaltspflichten in der Lieferkette sowie die Sammlung und Behandlung von Altbatterien. Außerdem ist in der EU-Batterieverordnung eine Anhebung der Sammelziele für Gerätebatterien auf 63 Prozent bis Ende 2027 und auf 73 Prozent bis Ende 2030 vorgesehen; bis dahin bleibt es bei der in Deutschland geltenden Quote von 50 Prozent. Das bisherige Batteriegesetz (BattG) soll aufgehoben und durch ein neues Batterierecht-Durchführungsgesetz (BattDG) ersetzt werden. Dieses enthält unter anderem Pflichten zur Einrichtung kollektiver Sammelsysteme für alle Batteriekategorien, zur Hinterlegung von Sicherheitsleistungen sowie zur Rückgabe ausgedienter Batterien von E-Bikes oder E-Scootern an kommunalen Sammelstellen. Kommunale Spitzenverbände kritisieren Bindungsfrist Tim Bagner vom Deutschen Städtetag, unterstützte als Vertreter der kommunalen Spitzenverbände, dass mit dem Gesetz nun auch Hersteller von Starter-, Industrie- und Elektrofahrzeugbatterien zu einer Beteiligung an einer Organisation für Herstellerverantwortung verpflichtet werden sollen. Kritisch sehe die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände aber die geplante Bindungsfrist der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger von mindestens zwölf Monaten an eine Organisation der Herstellerverantwortung. Um eine gesicherte Abnahme von Altbatterien zu erreichen, müsse es möglich sein, die Herstellerorganisation kurzfristig zu wechseln, so Bagner. Nur so könne eine Zwischenlagerung von Geräte- und LV-Batterien, die bereits in der Vergangenheit zu Problemen geführt habe, vermieden werden. Kommunale Unternehmen für Rücknahmepflicht Dr. Holger Thärichen vom Verband kommunaler Unternehmen unterstützte das Vorhaben, dass künftig mehr Batterietypen an kommunalen Sammelstellen entgegengenommen werden sollen. Für die Unternehmen sei das zwar eine Herausforderung, aber private Haushalte brauchten eine Möglichkeit zur Entsorgung etwa von ausgedienten E-Bike-Batterien. Damit an den Sammelstellen ausreichend Spezialbehälter zur Verfügung stünden, um die „durchaus gefahrenrelevante“ Batterien anzunehmen, plädierte Thärichen allerdings dafür, die Rücknahmepflicht der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger für mit Low-Voltage-Batterien (LV-Batterien), wie sie auch in E-Bikes verwendet werden, erst zum 1. Januar 2026 in Kraft zu setzen. Problem von Bränden „blinder Fleck“ im Gesetzentwurf Auf das Problem von Bränden, die durch falsch entsorgte Lithium-Ionen-Akkus verursacht werden, machte Anja Siegesmund vom Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) aufmerksam. Die Brände gefährdeten zunehmend die Funktionsfähigkeit der deutschen Recycling- und Entsorgungsinfrastruktur. In dem aktuellen Gesetzgebungsvorhaben sei das Thema aber ein „blinder Fleck“. Siegesmund sprach sich dafür aus, Batterierecht und Elektrogerätegesetzgebung „zusammen neu zu denken“. Es brauche einen integrierten Ansatz aus vorbeugenden Maßnahmen, verbindlichen Rücknahmeregeln und finanziellen Absicherungen. „Die Lage ist wirklich akut“, drängte die Expertin. Der BDE gehe von 30 Bränden pro Tag aus, die Branche schätze „die jährlichen Gesamtschäden durch Batterien in einer hohen dreistelligen Millionenhöhe“, heißt es dazu in der schriftlichen Stellungnahme der Sachverständigen. Kaum ein Versicherer sei mehr zur Absicherung der Risiken bereit. Der BDE fordere deshalb die Einführung eines „wirksamen Pfandsystems“ für lose Lithium-Akkus und -Batterien sowie Geräte mit eingebauten Lithium-Batterien, so Siegesmund. „Einmalige Zusatzpflichten ohne Mehrwert“ Keinen dringenden Handlungsdruck sah wiederum Georgios Chryssos von der Stiftung Gemeinsames Rücknahmesystem Batterien (GRS). Die europäische Batterie-Verordnung gelte bereits seit dem 18. August und sei aufgrund „sehr klarer Vorgaben auch direkt und ohne Durchführungsgesetz vollziehbar“. Es gebe keine „akute Vollzugslücke, die durch eine überhastete Verabschiedung“ geschlossen werden müsse. Im Gegenteil: Chryssos warnte davor, den Gesetzentwurf wie vorgelegt zu beschließen. Er gehe weit über EU-Vorgaben hinaus und schaffe europaweit einmalige Zusatzpflichten ohne erkennbaren Mehrwert für Umwelt oder höhere Sammlungsquoten. Besonders in der Kritik des Sachverständigen: die fehlende Einbindung der Hersteller. Anders als Elektrogesetz und Verpackungsgesetz sehe der Entwurf keine Gemeinsame Herstellerstelle (GHS) vor, die mit „Branchen- und Sachkompetenz“ etwa bei Brandrisiken durch Lithium-Batterien praxisgerechte Lösungen gemeinsam mit Marktakteuren und Behörden erarbeiten könne. „Völlig an den Marktrealitäten vorbei“ gehe die zudem geplante Einführung einer zentralen, behördlich gesteuerten Abholung für Industrie-, Starter- und Fahrzeugbatterien. Mehr als 100.000 Sammelstellen müssten mit zwölf verschiedenen Gefahrgutbehältern ausgestattet werden – das sei in keinem anderen EU-Mitgliedstaat so geplant, unterstrich der Experte. Deutschland drohe zu einem bürokratischen Negativbeispiel in der EU zu werden. „Deutsche Hersteller werden benachteiligt“ Ähnlich äußerte sich Gunther Kellermann vom Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI): Das „Goldplating“ benachteilige zwar vom Prinzip her keinen Batteriehersteller in Deutschland per se, aber es werde die Bewirtschaftung von Altbatterien komplizierter, aufwändiger und teurer machen als es die europäische Batterie-Verordnung eigentlich vorsehe, argumentierte der Sachverständige. Die Verordnung fordere zum Beispiel bei der Beitragsmessung lediglich zwei Kriterien. Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung geplanten acht Kriterien machten die Beitragsmessung dagegen intransparent. Hersteller könnten die Beiträge nicht mehr vergleichen. Auch das Kriterium des CO2-Fußabdrucks werde deutsche Hersteller gegenüber anderen benachteiligen, so Kellermanns Einschätzung. Warnung vor „Bürokratie-Moloch“ Grundsätzliche Kritik an dem Gesetzentwurf übte auch der von der AfD benannte Sachverständige Prof. Dr. Ing. Reinhard Müller-Syhre von der Gesellschaft für Fortschritt in Freiheit. In seiner schriftlichen Stellungnahme listet Müller-Syhre unter anderem die Kosten einer Vielzahl aufgrund des geplanten Gesetzes ausgelöster „bürokratischer Aktionen“ auf, die seines Erachtens zum „Gegenteil“ dessen führten, was das Gesetz „propagiert oder beabsichtigt.“ Auf Staat und Hersteller komme ein „gigantischer Moloch“ zu. Das sei „innovationsfeindlich“, warnte Müller-Syhre in der Anhörung. Ausnahmeregelung für Rücknahme beschädigter Batterien Antje Gerstein vom Handelsverband Deutschland (HDE) betonte, die Batterierücknahme im Handel sei bereits seit Jahren gelebte Praxis und habe sich bewährt. Die geplante Rücknahmepflicht von LV-Batterien und insbesondere ihre sach- und brandschutzgerechte Lagerung stelle aber die Unternehmen vor Herausforderungen. Zwar sei es begrüßenswert, dass nur jene Batteriekategorien zurückgenommen werden müssten, die die Unternehmen auch verkauften. Auch die Gewichtsgrenze von 45 Kilogramm sei praktikabel - zumindest für unbeschädigte LV-Batterien. Für die Rücknahme von sichtbar beschädigten Batterien, forderte Gerstein jedoch Ausnahmeregelungen. Diese sollen durch Wertstoffhöfe zurückgenommen werden, wo geschultes Fachpersonal Brandrisiken erkennen und minimieren könne. Dem pflichtete der als Einzelsachverständiger von der Linksfraktion benannte Uwe Feige vom Kommunalservice Jena bei: Es sei tatsächlich fraglich, ob „Sicherheit und Hygiene“ in einem Handel, der für Lebensmittel organisiert sei, ausreiche. Wenn zudem ein Pfandsystem für Batterien gefordert werde, müsse gleichzeitig über den Vollzug gesprochen werden, „insbesondere beim Onlinehandel“. Schlupflöcher für Hersteller durch Systembeteiligungspflicht Auf eine andere „Schwachstelle“ des Gesetzentwurfs wies Dr. Marieke Hoffmann von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hin. Ihr zufolge sehe die Umweltorganisation die Gefahr, dass Hersteller mit besonders umweltschädlichen Batterien höhere Gebühren umgehen, indem sie ihre Herstellerverantwortung individuell wahrnehmen. Aus diesem Grund brauche es eine Systembeteiligungspflicht für Hersteller, so Hoffmann, denn nur durch kollektive Rücknahmesysteme könnten wichtige Regelungen der EU-Batterieverordnung wirksam umgesetzt werden. Nach Auffassung der DUH setzt der Gesetzentwurf so Mechanismen der sogenannten Ökomodulation in Paragraf 10 „völlig unzureichend um“. Positive Umwelteffekte drohten zu verpuffen, so die Sachverständige. Skeptisch sieht der Umweltverband auch, ob mit der „aktuellen Systematik“ des Gesetzes, die von der EU vorgegebenen Sammelziele erreicht werden können. Das deutsche System belohne aktuell Organisationen für Herstellerverantwortung, die Sammelquoten „immer nur gerade so“ einhalten, kritisierte die Sachverständige. Die DUH spreche sich daher für verbindliche nationale Zwischenziele aus. Besser wären aber Anreize, damit „immer so viel wie möglich“ gesammelt werde. Stellungnahme des Bundesrates Der Bundesrat hat zu dem Gesetzentwurf am 11. Juli 2025 Stellung genommen. Er schlägt unter anderem vor, die Registrierungspflicht für Batteriemarken an EU-Mindestvorgaben anzupassen, die Pflicht zu „digitalen Bildtafeln“ im Onlinehandel zu streichen und eine zentrale Bundesbehörde für bestimmte Aufgaben einzurichten. Zudem äußert er Besorgnis über Brandgefahren durch unsachgemäße Entsorgung von Lithium-Ionen-Batterien und regt eine Prüfung zusätzlicher Maßnahmen, auch einer Pfandlösung, an. Die Bundesregierung lehnt alle drei Gesetzesänderungsvorschläge ab. Sie verweist unter anderem auf die Notwendigkeit, stationären und Onlinehandel bei Informationspflichten gleichzubehandeln, und auf die grundgesetzlich verankerte Zuständigkeit der Länder für den Vollzug. Die Brandgefahr bei Lithium-Ionen-Batterien wolle sie durch geplante Änderungen im Elektro- und Elektronikgerätegesetz sowie durch EU-Vorgaben zur Austauschbarkeit von Batterien reduzieren. (sas/01.09.2025)
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Roderich Kiesewetter: Europas Zukunft wird sich in der Ukraine entscheiden
„Die Zukunft Europas wird sich in der Ukraine entscheiden“, sagt Roderich Kiesewetter (CDU/CSU), Mitglied der deutschen Delegation zur Interparlamentarischen Konferenz für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik, kurz: IPK GASP/GSVP, die vom 26. bis 28. August 2025 zu ihrer Herbsttagung in Kopenhagen zusammenkam. Oberste Priorität für die gemeinsame europäische Sicherheitspolitik müsse daher die „glaubwürdige und substanzielle militärische Unterstützung der Ukraine“ sein, „denn sie ist der Schutzschild Europas“. Europa brauche eine Gesamtstrategie gegen die zunehmende Bedrohung durch hybride Angriffe Russlands und seiner Verbündeten China, Iran und Nordkorea. Deutschland müsse dabei eine Führungsrolle übernehmen, fordert Kiesewetter. Im Interview spricht der CDU-Sicherheitspolitiker über die Themen der IPK-Herbsttagung, die Aufgabenteilung zwischen Amerika, der Nato und Europa in der Sicherheit und Verteidigung und darüber, warum eine Mitgliedschaft der Ukraine ein enormer Gewinn für die EU wäre. Das Interview im Wortlaut: Herr Kiesewetter, die Herbsttagung umfasste eine anspruchsvolle Agenda. Beschleunigt der Druck vieler Krisenherde und Herausforderungen die Dinge in der GASP/GSVP? Leider nein, weil die Grundsatzentscheidungen weiter national getroffen werden müssen. Qualifizierte Mehrheitsentscheide gibt es nicht. Das heißt weiterhin, dass einzelne Länder notwendige Veränderungen blockieren oder so verzögern, dass eine Lösung immer schwieriger wird. Die EU hat keine „Smart Power“, sie ist noch kein glaubwürdiger geostrategischer und geoökonomischer Akteur. Die europäische Außen- und Sicherheitspolitik leidet an einer uneinheitlichen Bedrohungswahrnehmung und einem fehlenden entschlossenen Handlungsrahmen. Doch es gibt durchaus positive Entwicklungen, die Hoffnung machen, dass zumindest in einem Teil der Mitgliedstaaten die Dringlichkeit zu handeln erkannt wurde. Welche meinen Sie? Mit der Verteidigungsinitiative „Readiness 2030“ sollen kurzfristig 800 Milliarden Euro für den Aufbau europäischer Verteidigungskapazitäten mobilisiert werden. Das wäre bis vor kurzem noch unvorstellbar gewesen. Auch die Vorgaben des „Niinistö-Reports für zivile und militärische Resilienz und Bereitschaft“ (der EU-Kommission, des früheren finnischen Präsidenten Niinistö, Anm. d. Red.) zeigt schonungslos Defizite auf und gibt konkrete Handlungsempfehlungen. Das muss nun noch von einigen nationalen Regierungen verinnerlicht werden. Was hat die Parlamentarier während der Konferenz am meisten bewegt? Es wurde unter den Parlamentariern nochmal klar, dass Europa sich endlich selbst entschlossen um die eigene Sicherheit kümmern muss. Die USA unter Präsident Trump sind kein verlässlicher Sicherheitspartner mehr, sondern im „Team Multipolarität“, also bei denjenigen Staaten zu verorten, die die regelbasierte Ordnung unterminieren wollen. Sie sind nicht auf der Seite der Ukraine oder eines freien Europas. Ganz besonders Dänemark als Gastgeber hat hier mit der Drohung der USA, Grönland einzunehmen, seine Erfahrungen gemacht. Schade ist deshalb die Wirkungslosigkeit solcher Konferenzen und, dass keine Beteiligung der EU-Kommission erfolgte. Es wäre ein starkes Signal an Dänemark mit Grönland gewesen, hier Flagge zu zeigen! Was noch? Mehrere Ministerinnen und Minister des Gastgeberlandes Dänemark haben die Konferenz die ganze Zeit beeindruckend begleitet. Bewegend war der hervorragende und konstruktive Beitrag der ukrainischen Ministerpräsidentin Julija Swyrydenko, der ich eine Frage zu Sicherheitsgarantien stellen konnte. Es ist davon auszugehen, dass die USA sich schrittweise aus europäischer Sicherheitsübernahme zurückziehen werden. Zu hoffen bleibt, dass das halbwegs geordnet passiert. Doch es ist nun eine alleinige europäische Verantwortung, die Ukraine zu unterstützen und die russische Aggression einzudämmen. Die zunehmende Bedrohung durch hybride Angriffe Russlands und seiner Verbündeten China, Iran und Nordkorea und die unmittelbare Gefährdung der baltischen Staaten hängt mit unterlassener Hilfeleistung der Europäer für die Ukraine zusammen. Die Herbstkonferenz stand unter dem Titel „Prioritäten und Strategien. Die Zukunft der Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik“. Wo sehen die Parlamentarier, gerade jetzt, unter dem Eindruck von Krisen und Kriegen, die Prioritäten für die GASP? Mit einer früheren und substanzielleren Unterstützung wäre die Ukraine, aber auch Europa, heute in einer ganz anderen Position. Deutschland hat hier eine unrühmliche Rolle gespielt. Oberste Priorität für eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik muss deshalb die Unterstützung der Ukraine sein, denn sie ist der Schutzschild Europas. Anstatt also den Druck auf den ukrainischen Präsidenten Selenskyj zu erhöhen, einem Diktat zuzustimmen oder ein Einfrieren des Krieges anzustreben, der Russland nur ermutigt und Zeit verschafft, den Krieg auf EU- und Nato-Staaten auszuweiten, braucht es eine glaubwürdige und substanzielle militärische Unterstützung. Zweitens benötigt die EU eine Strategie, um Abhängigkeiten von den USA bei Schlüsselfähigkeiten wie dem strategischen Lufttransport, der satellitengestützten Aufklärung und der Flugabwehr zu reduzieren. Der Fokus muss für die EU auch auf weitreichenden Präzisionswaffen liegen. Die EU-Kommission hat Anfang des Jahres den bereits erwähnten Verteidigungsfonds vorgestellt, der mit Milliardeninvestitionen die Entwicklung von Verteidigungstechnologien in den Mitgliedsländern fördern soll. Das hört sich nach einem soliden Plan an, aber eben auch nach einem jahrelangen Prozess. Hat Europa diese Zeit? Nein, denn ein weiterer Angriff Russlands ist eher in ein bis zwei Jahren zu erwarten, zumindest wenn es bei der zu geringen Unterstützung für die Ukraine bleibt. Doch die EU-Kommission will mit dem sogenannten „Omnibus-Paket“ (Gesetzgebungsverfahren, bei dem mehrere Gesetze gebündelt aktualisiert werden, Anm. d. Red.) für die Verteidigungsbereitschaft eine Beschleunigung erreichen und das Vorziehen von Investitionen in Verteidigungsfähigkeiten erreichen. Doch es bleibt in der EU immer auch die Entscheidung der einzelnen Staaten. Ist die Zeit reif für einen neuen Integrationsschritt, das heißt eine Vergemeinschaftung der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik als neuen Politikbereich, für den dann die Europäische Kommission zuständig wäre? Oder reicht wie bisher die zwischenstaatlich geregelte Zusammenarbeit als Rahmen? Das Problem ist, dass die EU weder bei Zielen, Prioritäten noch bei der Strategie im Bereich der Sicherheitspolitik einheitlich auftritt. Ein neuer Integrationsschritt wäre wünschenswert, wenn wir einen geschlossenen politischen Willen in der EU hätten. Da wir diesen nicht haben und die Entscheidung in der Sicherheitspolitik bei den einzelnen Mitgliedstaaten verbleibt, ist es effizienter, wenn sich gerade im Bereich der Sicherheitspolitik eine Koalition der Willigen bildet, um die Blockade innerhalb der EU zu überwinden. Doch deren Effizienz und Erfolg hängt von der Geschlossenheit des Willens und der Einigung über Ziele und Strategien ab. Die IPK kann mithelfen, diese Geschlossenheit parlamentarisch zu forcieren, aber am Ende bleibt der Erfolg angesichts der Verfasstheit der EU fraglich. Wäre es eine Lösung, wenn willige Länder als eine Art Kerneuropa in der Sicherheit und Verteidigung voranschreiten? Das müssen sie unbedingt, ansonsten werden die sinnvollen Ansätze der EU-Kommission scheitern oder verzögert. Es ist auch immer Aufgabe der größeren, wirtschaftsstarken Länder, Führungsverantwortung zu übernehmen. Deutschland kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu. Wir sind Logistik-Drehscheibe und haben die nötige Wirtschaftskraft. Unsere europäischen Nachbarn erwarten diese Verantwortungsübernahme zu Recht. Wir sollten sie nicht enttäuschen, sondern aktiv an Verteidigungsbereitschaft und Abschreckung mitwirken. Auf die Avancen Frankreichs eines stärkeren europäischen Zusammengehens in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik hat Deutschland oft geantwortet: Wir haben doch die Nato, Nato first. Ein Fehler? Nein, denn die Nato ist die einzige glaubwürdige Sicherheitsgarantie. Doch Sicherheit muss immer unterfüttert sein, damit sie glaubwürdig ist: mit personellen und materiellen Ressourcen, Fähigkeiten und mit Handlungswillen. Hier haben wir die Nato hängen lassen, weil wir nicht zur Lastenübernahme bereit waren und unsere Sicherheit einseitig den Amerikanern aufgebürdet haben. Doch schon der frühere US-Präsident John F. Kennedy forderte von den Europäern eine glaubwürdige Lastenteilung. Zu den transatlantischen Beziehungen gab es nun eine Dringlichkeitsdebatte. Nato oder Europa: Das eine muss das andere doch nicht ausschließen, oder? Eine „erneuerte“ Nato mit stärkerem, europäischem Beitrag oder Pfeiler: Funktioniert das, und worauf müsste eine neu justierte Aufgabenteilung hinauslaufen? Ich sehe das so: Europa sollte weiter alles tun, dass die USA zumindest mit dem nuklearen Schutzschirm in Europa bleiben. Doch ansonsten braucht die Nato, um glaubwürdig zu bleiben, einen starken europäischen Pfeiler, der in Europa konventionelle Sicherheit selbst leistet. Denn die USA werden sich weiter verstärkt auf die Bedrohung durch China ausrichten: im Pazifik, in der Arktis, weltweit – auch das passiert nicht von heute auf morgen, sondern begann schon mit dem von Präsident Obama ausgerufenen „Pivot to Asia“ (Fokussierung der Sicherheitspolitik auf den asiatisch-pazifischen Raum, Anm. d. Red.). Insofern hätte es uns nicht überraschen dürfen. Ist die sicherheitspolitische Community eigentlich immer noch vorrangig damit beschäftigt, US-Präsident Donald Trump mit hohen Zusagen bei Laune zu halten, oder lässt es sich mittlerweile wieder freier und klarer in Strukturen und Notwendigkeiten denken, die darüber hinaus reichen? Wenn ich mir die Bilder von dem Washington-Besuch der europäischen Staats- und Regierungschefs anschaue, scheint es so, dass die großen europäischen Staaten sich selbst verzwergen und sich an Donald Trump festklammern – statt notwendige Handlungen ohne ihn vorzunehmen. Die Gruppe der „NB8“ (englische Abkürzung für Nordic-Baltic Eight, Anm. d. Red.), also der nordischen und baltischen Staaten, haben längst verstanden, was auf dem Spiel steht und mit welcher Dringlichkeit eigene Anstrengungen erbracht werden müssen. Sollten Deutschland und Europa versuchen, sich in der Verteidigung und Abschreckung komplett auf eigene Füße zu stellen, falls Amerika als Schutzmacht ausfällt? Oder ist das ein Irrweg? Die USA sind als Schutzmacht ausgefallen, da sich Donald Trump auf die Seite des Aggressors gestellt hat, der Europa bedroht. Er wird Fähigkeiten nur dann für Europa stellen, wenn er einen wirtschaftlichen Mehrwert erkennt. Das sieht man daran, dass er zwar der Ukraine Waffen liefern wird, aber die Europäer diese bezahlen. Es wäre deshalb verantwortungslos und fahrlässig, wenn Europa seine Verteidigung und Abschreckung nicht so rasch wie möglich, besser umgehend, auf eigene Füße stellt. Sie haben sich während der Konferenz zu dem Aspekt „Verteidigung und Abschreckung“ zu Wort gemeldet. Was ist dabei Ihr wichtigster Punkt? Mein wichtigster Punkt ist, dass die EU begreift, dass nicht nur Russland einen Krieg gegen Europa führt, sondern es dabei durch eine Allianz, zu der Länder wie China, Iran und Nordkorea gehören, unterstützt wird. Deshalb braucht Europa eine Gesamtstrategie, um die sogenannten CRINK-Staaten (China, Russland, Iran, Nordkorea; Anm. d. Red.) militärisch, politisch und geoökonomisch abzuschrecken. Mein Punkt war deshalb, dass die E3-Länder (Vereinigtes Königreich, Frankreich und Deutschland, Anm. d. Red.) endlich den „Snapback-Mechanismus“ gegen das terroristische Mullah-Regime im Iran auslösen, das auch uns in Europa bedroht und angreift, unter anderem auf dem kognitiven Gefechtsfeld (der Snapback-Mechanismus sieht Sanktionen gegen den Iran vor, sollte dieser sich nicht an die internationalen Vereinbarungen über sein Nuklearprogramm halten, Anm. d. Red.). Die Parlamentarier haben sich auch darüber ausgetauscht, was die Ukraine an Unterstützung braucht. Andere EU- und Nato-Mitglieder, beispielsweise die baltischen und nordischen Länder, engagieren sich, bezogen auf ihre Leistungsfähigkeit als kleine Volkswirtschaften, stärker als Deutschland. Kann man sagen: Das ist okay so, die haben schließlich als unmittelbare Anrainer oder nächste Nachbarn Russlands eine andere Bedrohungswahrnehmung? Die Zukunft Europas wird sich in der Ukraine entscheiden. Die Glaubwürdigkeit der EU hängt deshalb auch davon ab, wie stark wir die Ukraine unterstützen. Deshalb sollten wir uns ein Beispiel an den nordischen und baltischen Staaten, insbesondere auch am Gastgeberland Dänemark nehmen. Es ist nicht okay, wenn wirtschaftsstarke Länder wie Deutschland gemessen am Bruttoinlandsprodukt viel weniger leisten. Wir haben immer wieder einen Führungsanspruch formuliert, bislang aber keine Bereitschaft erkennen lassen, Führungsverantwortung zu übernehmen. Denn diese zeigt sich auch beim Umfang der militärischen Unterstützung. Deutschland wirkt wie ein Bekenntnis-Riese und ein Taten-Zwerg. Die Erweiterungspolitik der EU ist seit jeher ein eigenständiges Handlungsfeld, neue Mitglieder werden da aufgenommen, aus „außen“ wird „innen“, es geht um ganz viele Politikbereiche. Bei den kommenden Anwärtern handelt es sich mit dem Balkan und der Ukraine um Länder in geopolitisch umkämpften Regionen. Aufgenommen werden dürfen aber, in die EU wie auch in die Nato, nur befriedete Staaten. Sollte die Aufnahme neuer Mitglieder zu einer sicherheitspolitischen Frage aufgeladen werden, wie es der Tagesordnungspunkt „Jenseits der Grenzen: Erweiterung als strategisches Investment in Europas Sicherheit“ suggeriert? Die Aufnahme in die EU und in die Nato war schon immer eine politische Frage, denn auch beispielsweise Griechenland und Zypern wurden trotz Grenzkonflikten aufgenommen. Die EU muss sich als geostrategischer Akteur begreifen. Dazu gehört, dass auch die Aufnahmepolitik eine strategische Entscheidung ist. Die Ukraine wäre mit ihrem Know-how, ihren Verteidigungsfähigkeiten, vor allem aber mit ihren willensstarken Bürgern, die für unsere europäischen Werte kämpfen und große Opfer auf sich nehmen, ein enormer Gewinn für die EU. Deshalb sollte die EU die Voraussetzungen schaffen, um eine schnelle Aufnahme zu ermöglichen. (ll/29.08.2025)
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