Alles • Bundesgerichte • Bundesgerichte PM • Bundesorgane • Neue Gesetze • Jur. Nachrichten • Menschenrechte • Wirtschaftskanzleien • Finanzen
Bundestag | Aktuelle Themen
Einbürgerung erst nach mindestens fünf Jahren Voraufenthaltszeit
Der Bundestag hat am Mittwoch, 8. Oktober 2025, den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes“ (21/537, 21/1373, 21/1628 Nr. 26) verabschiedet, mit dem die 2024 eingeführte Möglichkeit der sogenannten „Turboeinbürgerung“ nach einer Aufenthaltszeit von drei Jahren in Deutschland wieder gestrichen werden soll. Für den Regierungsentwurf in einer vom Innenausschuss geänderten Fassung (21/1634) votierten in namentlicher Abstimmung 450 Abgeordnete, 134 Parlamentarier stimmten gegen die Vorlage. Es gab zwei Enthaltungen. Änderung des Staatsangerhörigkeitsgesetzes Keine Mehrheit fand hingegen ein Antrag der Linksfraktion mit dem Titel „Einbürgerungen unabhängig vom Einkommen ermöglichen“ (21/587). Die Vorlage wurde auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Innenausschusses (21/1634) gegen das Votum der Antragsteller und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zurückgewiesen. Gesetzentwurf der Bundesregierung Für die Einbürgerung soll künftig generell eine Voraufenthaltszeit von mindestens fünf Jahren zugrunde gelegt werden. Mit der Streichung der Möglichkeit der „Turboeinbürgerung“ soll der „grundlegenden Bedeutung der im Inland zurückgelegten Voraufenthaltszeit als integrativer Einbürgerungsvoraussetzung Nachdruck verliehen“ werden, wie die Bundesregierung in der Vorlage ausführt. Danach wurde mit dem Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts vom 22. März 2024 unter anderem die für eine Anspruchseinbürgerung erforderliche Voraufenthaltszeit von acht auf fünf Jahre herabgesetzt. Zugleich wurde den Angaben zufolge die Möglichkeit zu einer weitergehenden Voraufenthaltszeitverkürzung auf bis zu drei Jahre statt zuvor bis zu sechs Jahre bei Nachweis besonderer Integrationsleistungen geschaffen, wenn Kenntnisse der deutschen Sprache der Stufe C 1 GER bestehen und der Lebensunterhalt nachhaltig gesichert ist. Eine hinreichend lange Voraufenthaltszeit im Inland sei jedoch eine „wesentliche Einbürgerungsvoraussetzung, durch die eine nachhaltige Integration in die Lebensverhältnisse in Deutschland sichergestellt werden soll“, heißt es in der Vorlage weiter. Dem werde die „Turboeinbürgerung“ nicht gerecht. Änderungen im Ausschuss Der Innenausschuss hatte zuvor mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der AfD einen Änderungsantrag von CDU/CSU und SPD zu dem Regierungsentwurf angenommen. Die damit vorgenommenen Ergänzungen beinhalten unter anderem eine Änderung des Durchführungsgesetzes zum europäischen Einreise-/Ausreisesystem (EES), das am 12. Oktober 2025 in Betrieb gehen soll. Im EES werden laut Vorlage der Zeitpunkt und der Ort der Einreise von Drittstaatsangehörigen sowie zu deren Identifikation alphanumerische und biometrische Daten hinterlegt. Mit der Änderung des EES-Durchführungsgesetzes soll den mit der Verhütung, Aufdeckung und Untersuchung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten betrauten Dienststellen der Landespolizeibehörden Zugriff auf die Daten von EES gewährt werden. Abgelehnter Antrag der Linken Die Fraktion Die Linke dringt darauf, Einbürgerungen grundsätzlich unabhängig vom Einkommen der Betroffenen zu ermöglichen. In ihrem Antrag forderte die Fraktion die Bundesregierung auf, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Zugleich sollte die Bundesregierung laut Antrag die Bundesländer bei der Gewährleistung zügiger Einbürgerungsverfahren unterstützen. Der Vorlage zufolge wurde mit dem Ende Juni 2024 in Kraft getretenen Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts eine Regelung gestrichen, wonach eine Einbürgerung auch dann erfolgen kann, wenn Betroffene den Bezug sozialer Leistungen „nicht zu vertreten“ haben. Diese Ausnahmeregelung gelte seit der Gesetzesänderung nur noch für die sogenannte „Gastarbeitergeneration“ und „DDR-Vertragsarbeitende“ sowie für in Vollzeit erwerbstätige Menschen, die ergänzende Sozialleistungen in Anspruch nehmen müssen. „Nicht erfasst werden damit zum Beispiel behinderte oder dauerhaft kranke Menschen, Pflegende, Menschen in der Altersgrundsicherung, wenn sie nicht als Gast- oder Vertragsarbeitende eingereist sind, sowie Eltern und Alleinerziehende, die wegen der Betreuung minderjähriger Kinder nicht in Vollzeit arbeiten (können oder wollen), und Auszubildende oder Studierende, wenn sie zum Beispiel wegen eines minderjährigen Kindes Sozialleistungen beziehen“, so die Fraktion. Das sei mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz und den Diskriminierungsverboten des Grundgesetzes unvereinbar. (sto/hau/08.10.2025)
Kategorien: Nachrichten der Bundesorgane
Aussprache zum Jahrestag des Hamas-Angriffs auf Israel
Aus Anlass des zweiten Jahrestages des Hamas-Terrors in Israel und dem Beginn des Krieges in Gaza haben sich die Abgeordneten des Deutschen Bundestages am Mittwoch, 8. Oktober 2025, mit der Situation im Nahen Osten befasst. In einer auf Verlangen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD anberaumten Aktuellen Stunde gedachten sie der Opfer und der noch in den Händen der Hamas befindlichen Geiseln und äußerten die Hoffnung, dass der Friedensplan für Gaza, über den derzeit in Ägypten verhandelt wird, tatsächlich zu einem Frieden führt. Außenminister: Inakzeptable Welle des Antisemitismus Die terroristische Hamas habe am 7. Oktober 2023 das Trauma der Shoah reaktiviert, sagte Bundesaußenminister Dr. Johann Wadephul (CDU) in der Debatte. Sie habe Israel in den längsten Krieg seiner Geschichte geführt, einen Krieg, der auch verheerendes Leid über die Menschen im Gazastreifen gebracht habe. Gleichzeitig habe die Bundesrepublik und hätten andere Länder seither „eine beschämende, eine inakzeptable Welle des Antisemitismus“ erlebt. „Kritik, Unverständnis und vielleicht sogar Entsetzen“ über die israelische Regierungspolitik sei legitim, betonte Wadephul. „Aber Kritik an der jeweiligen israelischen Regierung darf nicht automatisch Kritik am Staat Israel sein und erst recht nicht Kritik an allen Jüdinnen und Juden.“ Deutschland stehe fest und unerschütterlich an der Seite Israels und seiner Menschen, stellte er wie viele andere Abgeordnete klar. Den von US-Präsident Donald Trump vorgelegten Friedensplan bezeichnete Wadephul als kluge Kombination von Elementen, die zur Beendigung des Krieges seit Längerem auch mit deutscher Beteiligung diskutiert worden seien. Er beinhalte eine Perspektive für eine eigenständige palästinensische Staatlichkeit und eine Zweistaatenlösung, für die sich die Bundesregierung weiter einsetze. Nun sei es an der Hamas zuzustimmen. „Sollte es zu einer vorübergehenden internationalen Verwaltung des Gazastreifens kommen, werden wir unseren Beitrag leisten“, sicherte Wadephul zu. Entwicklungsministerin: Einmalige Chance auf Frieden Es bestehe jetzt eine einmalige Chance auf Frieden, sagte Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD). Diese dürfe nicht vertan werden. Sie erinnerte unter anderem an die 48 Geiseln, die sich nach 733 Tagen immer noch in den Händen der Hamas befänden, darunter auch deutsche Staatsangehörige, aber auch an die israelischen Familien, die um mehr als 1.200 von der Hamas getötete Familienmitglieder trauern. „Und es zerreißt mir das Herz, das über 20.000 palästinensische Kinder in diesem Krieg getötet wurden.“ Es gehe jetzt darum, den Wiederaufbau Gazas vorzubereiten. Dafür habe sie im September in New York gemeinsam mit Ägypten, den palästinensischen Behörden und den Vereinten Nationen zu ersten Gesprächen eingeladen. Weitere Gespräche zur Steuerung und Finanzierung des Wiederaufbaus stünden an. „Bereits im Moment der Waffenruhe stehen wir bereit zu helfen, damit die Menschen Wasser und Energie haben, Lebensmittel herstellen können, medizinisch versorgt werden und in vorübergehenden Unterkünften leben können.“ AfD wirft Regierung "schweres Versagen" vor Markus Frohnmaier (AfD) sagte, der Friedensplan verdiene volle Unterstützung. Der Bundesregierung warf er „schweres Versagen“ vor. Nicht Bundeskanzler Friedrich Merz oder Außenminister Wadephul (beide CDU) hätten einen Friedensplan vorgelegt, sondern Donald Trump. Der amerikanische Präsident tue damit derzeit mehr für die deutschen Interessen als Merz, indem er eine Massenmigration aus Gaza verhindere. Angesichts der deutschen Geiseln agiere die Bundesregierung ebenfalls „hilflos“. Sie führe „Debatten nicht etwa über die Befreiung unserer Landsleute, sondern über die Anerkennung von Palästina oder ein Waffenembargo gegen Israel“. Die Entscheidung des Kanzlers, keine Waffen mehr nach Israel zu liefern, beruht nach Ansicht von Frohnmaier auf der „Angst, eine wachsende islamische Bevölkerung in Deutschland zu verärgern“. Mit Kopfschütteln nehme er zur Kenntnis, dass die Bundesregierung neben der Ukraine nun auch noch Gaza beim Wiederaufbau unterstützen will, „obwohl viele Menschen hierzulande nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen sollen“, sagte Frohnmaier. Grüne: Es gilt, Brücken zu bauen Katharina Dröge (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete die aktuelle Politik der israelischen Regierung als falsch. Diese trage Verantwortung für einen Kriegseinsatz in Gaza, „der sich nicht an die Grenzen des Völkerrechts hält“. Die Hamas habe ihrerseits am 7. Oktober einen grausamen Terrorangriff begangen, gehe in skrupelloser Weise mit der Zivilbevölkerung in Gaza um und sei schuld daran, dass die Geiseln nicht frei sind. „Sie muss die Waffen niederlegen.“ Ein Waffenstillstand und ein Friedensprozess, der zu einer Zweistaatenlösung führt, „ist der einzige Weg für Sicherheit und Frieden für alle Menschen in der Region“, urteilte Dröge. Es gelte, Brücken zu bauen und mit aller Klarheit für das Existenzrecht und die Sicherheit Israels einzustehen, aber auch mit aller Eindeutigkeit den Terror der Hamas scharf zu verurteilen und für den Schutz der Zivilbevölkerung in Gaza einzustehen. Linke: Menschenrechte sind unteilbar Jan van Aken (Die Linke) betonte, für seine Fraktion gelte der einfache Grundsatz: „Niemals darf ein Menschenrechtsverbrechen ein anderes Menschenrechtsverbrechen rechtfertigen.“ So könne der Verweis auf das Unrecht der israelischen Besatzung den brutalen Terror des 7. Oktober nicht rechtfertigen, begründen oder relativieren. Auch dürfe die brutale Kriegsführung in Gaza nicht mit dem 7. Oktober begründet werden. „Menschenrechte sind unteilbar für alle in Israel und in Palästina. Jedes Leben zählt.“ Das wichtigste Ziel sei jetzt die sofortige Freilassung aller Geiseln und das Ende des Tötens in Gaza. Van Aken rief die Bundesregierung auf, Druck auf Israel auszuüben, um einen Frieden zu erreichen. Bisher seien die Rechtsextremen in der israelischen Regierung nicht bereit für einen Frieden, daher brauche es auch wirtschaftlichen Druck. (joh/08.10.25)
Kategorien: Nachrichten der Bundesorgane
Sexuelle Gewalt als Kriegswaffe: Juristinnen fordern wirksamere Strafverfolgung
Angesichts der Zunahme von Fällen sexueller Gewalt in Konflikten, auf die zuletzt auch ein Bericht der Vereinten Nationen im August hingewiesen hat, dringen Rechtsexpertinnen auf eine bessere Strafverfolgung. Vergewaltigung in bewaffneten Konflikten sei Folter und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, betonte die Juristin und Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR), Prof. Dr. Beate Rudolf, am Mittwoch, 8. Oktober 2025, im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hatte dies 2001 offiziell anerkannt. Sexualisierte Gewalt in bewaffneten Kriegen unterscheide sich durch Umfang, Motivation und extremer Brutalität von Sexualstraftaten außerhalb bewaffneter Konflikte, so Rudolf während des Gesprächs im Ausschuss. Trotz der juristischen Anerkennung von Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit gelinge es in den meisten Fällen jedoch noch immer nicht, sexuelle Gewalt als Kriegswaffe zu ahnden und die Täter zu strafrechtlich zu verfolgen. Sie blieben in aller Regel straflos, erklärte die israelische Rechtswissenschaftlerin Prof. Dr. Ruth Halperin-Kaddari auch gerade mit Blick auf die Hamas. Das müsse sich ändern. Sexuelle Gewalt als "taktische Kriegswaffe" Die Terrororganisation nutzte bei ihrem Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem etwa 1.200 Menschen ermordet und mehr als 250 verschleppt wurden, sexuelle Gewalt als „taktische Kriegswaffe“, wie ein im Juli bereits veröffentlichter Bericht des von Halperin-Kaddari mitgegründeten Dinah-Projekts zeigt. Gemeinsam mit fünf anderen Rechts- und Genderexpertinnen hat Halperin-Kaddari, die als Professorin an der israelischen Bar-Ilan-Universität lehrt, den Einsatz sexueller Gewalt durch die Hamas anhand von Aussagen Überlebender sowie anhand der Ergebnisse von Untersuchungen von Leichen untersucht. Anlässlich des zweiten Jahrestages der Hamas-Attacke berichteten Halperin-Kaddari und Rudolf, die im Beirat des Dinah-Projekts sitzt, im Gespräch mit Abgeordneten des Menschenrechtsausschusses über ihre Motivation, die Ergebnisse ihrer Arbeit sowie ihr Ziel, die Strafverfolgung sexueller Gewalt in bewaffneten Konflikten voranzutreiben. „Klare und überzeugende Informationen" Trotz frühen Berichten und Hinweisen auf den Einsatz von sexueller Gewalt durch die Hamas sei diese vor allem in sozialen Medien oftmals geleugnet und selbst von internationalen Menschenrechts- und Frauenrechtsorganisationen, darunter die Frauenrechtorganisatin der Vereinten Nationen „UN Women“ zunächst ignoriert worden, berichtete Halperin-Kaddari. Erst durch den im März 2024 vorgelegten Bericht der UN- Sonderberichterstatterin Pramila Patten habe sich UN Women gezwungen gesehen, zu reagieren und den Einsatz sexueller Gewalt anzuerkennen. Der Report, der die Erkenntnisse einer Kommission zusammenfasste, hatte festgestellt, dass es „klare und überzeugende Informationen über sexuelle Gewalt, darunter Vergewaltigung, sexualisierte Folter, grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung“ gebe. "Historische Fakten richtigstellen" Doch diese Anerkennung habe lange gedauert, kritisierte Halperin-Kaddari. Anders als in ähnlich gelagerten Fällen – wie etwa in Butscha in der Ukraine, im Kongo oder in Nigeria, wo die Terrormiliz Boko Haram seit Jahren Frauen entführt, vergewaltigt und ermordet – habe es Wochen und Monate gebraucht, bis die Taten öffentlich anerkannt und verurteilt worden seien. Die Vergewaltigungen durch die Hamas am 7. Oktober seien ein umstrittenes Thema gewesen. Ziel des Dinah-Projektes sei es deshalb gewesen, die „historischen Fakten richtig zu stellen“, betonte Halperin-Kaddari im Ausschuss. "Paradigmenwechsel" in der Strafverfolgung Gleichzeitig sei es ihr und ihren Mitstreiterinnen ein Anliegen gewesen, einen Rahmen, eine Art „Blaupause“, zu entwickeln, um Täter künftig leichter zur Rechenschaft zu ziehen. Damit das gelinge, brauche es vor allem einen „Paradigmenwechsel“ in der Strafverfolgung, so die Rechtsexpertin. Bislang hielten Strafverfolger daran fest, einem spezifischen Täter eine spezifische Tat und ein spezifisches Opfer zuzuordnen. Gelinge das nicht, gebe es keinen Fall – und damit keine Strafverfolgung. Halperin-Kaddari forderte deshalb, die Beteiligung an einem Angriff zum Maßstab zu machen. Wenn Gruppen sexuelle Gewalt als Kriegswaffe nutzen, müssten sich ihre Mitglieder kollektiv verantworten, selbst wenn sie als Einzelne persönlich nicht an Vergewaltigungen oder anderen Akten sexueller Gewalt beteiligt gewesen seien. Verurteilung ohne konkreten Tatnachweis DIMR-Direktorin Rudolf verwies in diesem Zusammenhang auf das historische Urteil des Landgerichts München gegen den gebürtigen Ukrainer John Demjanjuk im Mai 2011. Damals war erstmalig ein nichtdeutscher Wachmann eines NS-Todeslagers von einem deutschen Gericht für schuldig befunden worden an der Ermordung von mindestens 28.060 Juden im deutschen Vernichtungslager Sobibor in Polen beteiligt gewesen zu sein – ohne konkreten Tatnachweis. Das zeige, wie Taten in der Menge, oder wie der Dinah-Bericht es formuliere, in der „Horde“, geahndet werden könnten, so Rudolf. Auf die Frage von Abgeordneten, was Staaten wie Deutschland konkret tun könnten, um die Strafverfolgung voranzutreiben, forderte Halperin-Kaddari die Staatengemeinschaft unter anderem dazu auf, Terrororganisationen wie die Hamas als solche einzustufen – das sei noch nicht überall der Fall. Zudem brauche es wirtschaftliche sowie persönliche Sanktionen gegen die Mitglieder der Organisation und ihre Verbündeten. Die Hamas-Terroristen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, auch international. (sas/09.10.2025)
Kategorien: Nachrichten der Bundesorgane
Experten sehen Befugniserweiterung in der Pflege grundsätzlich positiv
Gesundheitsexperten sehen die von der Bundesregierung geplante Befugniserweiterung und Entbürokratisierung für Pflegefachkräfte im Grundsatz positiv. Einige Sachverständige forderten zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (21/1511, 21/1935) allerdings perspektivisch noch weitergehende Regelungen zugunsten der Pflegefachkräfte sowie einen konsequenteren Abbau bürokratischer Vorschriften. Die Experten äußerten sich am Mittwoch, 8. Oktober 2025, in der Anhörung des Gesundheitsausschusses sowie in schriftlichen Stellungnahmen. "Integrierte Versorgungsmöglichkeiten fördern" Unterstützung kommt von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Die KBV begrüße die Intention des Gesetzgebers mit Blick auf den demografischen Wandel den Ausbau einer gestuften und aufeinander abgestimmten pflegerischen Versorgung und damit auch die Weiterentwicklung der Pflegekompetenzen anzugehen, erklärte der Verband. Es sei wichtig, keine neuen Schnittstellen zwischen den Professionen oder Doppelungen von Versorgungsangeboten zu schaffen, sondern integrierte Versorgungsmöglichkeiten zu fördern. Grundsätzlich begrüßt wird die Reform auch vom Verband der Ersatzkassen (vdek). Eine optimierte Aufgabenverteilung zwischen Pflegekräften und Ärzten sei hilfreich für den möglichst effizienten Einsatz des knappen Personals im Gesundheitswesen. Jedoch bleibe die geplante Regelung hinter dem Anspruch der eigenverantwortlichen Tätigkeit von Pflegefachpersonen zurück. Weiterhin würden Ärzte darüber entscheiden, ob Pflegefachpersonen bestimmte Leistungen übernehmen dürfen. Daher solle klar geregelt werden, dass Pflegefachpersonen im Rahmen ihrer Kompetenzen eigenständig und regelhaft tätig werden könnten. Ungeklärt bleibt zudem die Haftungsfrage. "Verantwortlichkeiten klarer definieren" Die Haftungsfrage wird auch von der Bundesärztekammer (BÄK) aufgeworfen, die außerdem mahnt, dass die Befugniserweiterung in der Pflege die Grenze der ärztlichen Kernkompetenz nicht überschreiten dürfe. Unterstützt werde ausdrücklich die Vorbereitung einer wissenschaftlich fundierten, systematischen Entwicklung, Begründung und Beschreibung pflegerischer Aufgaben (Muster-Scope of Practice) und die grundsätzliche Zuschreibung von entsprechenden Kompetenzen zu Qualifikationsgraden. Das sei ein wichtiger Schritt, um die Rolle und Verantwortlichkeiten von Pflegefachpersonen klarer zu definieren. Bei der interprofessionellen Zusammenarbeit müsse die ärztliche Perspektive systematisch einbezogen werden. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) sieht in der Reform wegweisende Schritte zur Stärkung der eigenständigen Ausübung von Heilkunde durch Pflegefachpersonen. Erstmals würden heilkundliche Aufgaben der Pflege im Leistungsrecht der Sozialgesetzbücher (SGB) XI und V verankert. Damit werde der Grundsatz anerkannt, dass Pflegefachpersonen per se heilkundliche Aufgaben ausübten. Es müsse aber dringend ergänzt werden, dass die Kompetenzen zur erweiterten Heilkundeausübung auch von Pflegefachpersonen während ihres Berufslebens durch Fort- und Weiterbildung erworben werden könnten. Nur so könne die erweiterte Heilkunde auch in die Fläche kommen. Zudem gelte es, die Anwendungsbereiche Diabetes, chronische Wunden und Demenz thematisch zu erweitern. "Unnötige Hürden und Unsicherheiten" Die Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB) sieht das Risiko eines nicht klar konturierten Kompetenzprofils, das eine Vielzahl interpretationsfähiger Regelungen induziere. Für die spätere praktische Realisierung des erweiterten pflegerischen Kompetenzprofils würden dadurch unnötige Hürden und Unsicherheiten geschaffen. Auch die Abkopplung der Regelungen für das Berufsprofil einer „Advanced Nursing Practice“ (ANP), um dies separat vorzunehmen, sei wenig sinnvoll. Ein weiterentwickeltes, professionelles Berufsbild der Pflege sollte vollumfänglich ausgeformt werden. Nach Ansicht des Deutschen Pflegerats (DPR) dürften die pflegefachlichen Leistungen nicht auf Anwendungen reduziert werden, die lediglich aus ärztlichen Diagnosen abgeleitet seien, vielmehr müssten sie umfassender verstanden werden. Die Erarbeitung von Leistungskatalogen könne daher nur als weiterer Schritt in Richtung der pflegerischen Heilkundeausübung verstanden werden. Für künftige Gesetzesinitiativen, die etwa den Einsatz von ANP oder Community Health Nursing (CHN) regeln, bedürfe es einer Weiterentwicklung hin zu eigenverantwortlicher heilkundlicher Ausübung durch Pflegefachpersonen. "Bürokratie-Entlastung im Versorgungsalltag dringlich" Mehrere Sachverständige machten in der Anhörung deutlich, dass eine weitere Entlastung von Bürokratie im Versorgungsalltag dringlich nötig ist. Eine Sprecherin der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) erklärte, die umfangreichen bürokratischen Anforderungen seien angesichts des Fachkräftemangels nicht mehr vertretbar. Ein Sprecher des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) sprach in der Anhörung mit Blick auf den Gesetzentwurf von einem Etikettenschwindel. Weniger Bürokratie sei nicht zu erwarten. Die Digitalisierung und der Abbau von Regulatorik seien jedoch wesentliche Bausteine bei Reformen im Gesundheitswesen. (pk/08.10.2025)
Kategorien: Nachrichten der Bundesorgane
Fragestunde am 8. Oktober
Im Anschluss an die Regierungsbefragung folgte am Mittwoch, 8. Oktober 2025, die Fragestunde. Getrennt nach Ressorts beantworteten Vertreter der Bundesregierung 45 Minuten lang Fragen (21/1949), die von den Abgeordneten vorab schriftlich eingereicht worden waren. Abgeordnete der Grünen mit den meisten Fragen 32 der insgesamt 73 Fragen wurden von Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestellt, gefolgt von Abgeordneten der AfD-Fraktion mit 20 Fragen und Abgeordneten der Fraktion Die Linke mit 18 Fragen. Der fraktionslose Abgeordnete Stefan Seidler (SSW) stellte zwei Fragen, der CDU-Abgeordnete Harald Orthey eine Frage. Von Abgeordneten der SPD-Fraktion wurden keine Fragen gestellt. 22 der 73 Fragen richteten sich an das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. 13 Fragen gingen an das Bundesministerium des Innern, acht Fragen an das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Sechs Fragen sollte das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt beantworten. Mit jeweils vier Fragen waren das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das Bundesministerium für Verkehr und das Auswärtige Amt gefordert. Je drei Fragen sollten das Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat und das Bundesministerium der Verteidigung beantworten. Zu je zwei Fragen wurde Auskunft vom Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend und vom Bundesministerium für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit verlangt. Das Bundesministerium für Gesundheit und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung waren mit je einer Frage vertreten. Was die Abgeordneten wissen wollten Beispielsweise fragte der nordrhein-westfälische Abgeordnete Lukas Benner (Bündnis 90/Die Grünen) das Bundesjustizministerium, ob die Bundesregierung bei Einführung einer Elementarschadenversicherung die Umlagefähigkeit auf die Mieterinnen und Mieter einschränken wird. Benner wollte wissen, was mit dem Satz im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD „Die Belange der Mieterinnen und Mieter haben wir dabei im Blick“ gemeint ist. Der thüringische AfD-Abgeordnete Stefan Schröder wollte vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erfahren, wie viele deutsche Firmen in welcher Auftragshöhe davon profitiert haben, „dass Deutschland im Jahr 2024 30 Milliarden Euro Entwicklungshilfe an das Ausland gezahlt hat“, und damit zur deutschen Wertschöpfung beigetragen haben. Die nordrhein-westfälische Abgeordnete Sonja Lemke (Die Linke) fragte das Bundesforschungsministerium, welche Maßnahmen die Bundesregierung plant, um den Schutz von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vor Angriffen, Anfeindungen und Bedrohungen zu verbessern. Der fraktionslose Abgeordnete Stefan Seidler (SSW) aus Schleswig-Holstein erkundigte sich beim Innenministerium, ob die Bundesregierung vor dem Hintergrund der gestiegenen sicherheitsrelevanten Gefährdungslage durch den illegalen Einsatz von Drohnen beabsichtigt, die bestehenden Regelungen zu Verbotszonen für unbemannte Luftfahrtsysteme (UAS) auszuweiten. Wenn ja, sollte die Regierung mitteilen, anhand welcher Kriterien Flugverbote über kritischen Infrastrukturen sowie weiteren für die nationale Sicherheit relevanten Standorten wie Unternehmen der Verteidigungsindustrie in eine solche Erweiterung einbezogen werden sollen. Der rheinland-pfälzische CDU-Abgeordnete Harald Orthey wollte vom Bundeswirtschaftsministerium wissen, welche Maßnahmen die Bundesregierung ergreift, um die Einspeisung von Photovoltaikstrom in ländlichen Regionen insbesondere im Hinblick auf Netzkapazitäten und Vergütungsmodelle so zu gestalten, dass sowohl private Haushalte als auch mittelständische Betriebe Planungssicherheit erhalten und der Ausbau vor Ort „verlässlich voranschreiten“ kann. Zusatzfragen sind möglich Jeder Abgeordnete kann für die Fragestunde vorab bis zu zwei Fragen an die Bundesregierung einreichen. Nach der regelmäßig durch einen Parlamentarischen Staatssekretär oder einen Bundesminister erfolgenden Beantwortung können der Fragesteller, aber auch andere Abgeordnete des Deutschen Bundestages Zusatzfragen stellen und so die Bundesregierung zu weiteren Stellungnahmen zwingen. Reicht die Zeit nicht aus, werden noch nicht aufgerufene Fragen von der Regierung schriftlich beantwortet. Ebenso kann vorab bereits um schriftliche Beantwortung gebeten werden. (vom/08.10.2025)
Kategorien: Nachrichten der Bundesorgane
8. Sitzung des Ausschusses für Digitales und Staatsmodernisierung
Der Ausschuss für Digitales und Staatsmodernisierung hat am Mittwoch, 8. Oktober 2025, zwei Tagesordnungspunkte seiner 8. Sitzung öffentlich beraten. Zum einen ging es um einen Bericht der Bundesregierung zur Modernisierungsagenda für Staat und Verwaltung im Bund, zum anderen um den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Vertrag über die Errichtung, den Betrieb und die Weiterentwicklung des Nationalen Once-Only-Technical-Systems (NOOTS, Vertrag zur Ausführung von Artikel 91c Absatz 1 Absatz 2 des Grundgesetzes, NOOTS-Staatsvertrag, 21/538). Dazu lag auch die Stellungnahme des Bundesrates vor (21/894). (08.10.2025)
Kategorien: Nachrichten der Bundesorgane
9. Sitzung des Ausschusses für Sport und Ehrenamt
Der Ausschuss für Sport und Ehrenamt hat sich am Mittwoch, 8. Oktober 2025, in öffentlicher Sitzung mit der aktuellen Situation des Ehrenamts in Deutschland und mit den Einzelplänen des Bundeskanzleramtes, des Bundesinnenministeriums und des Bundesministeriums für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend befasst. Die 14 Mitglieder des Ausschusses beschäftigen sich unter anderem mit Regelungen zur Bekämpfung von Doping und Manipulation im Sport sowie mit der gesellschaftlichen Bedeutung des Sports für andere Lebensbereiche wie Bildung, Gesundheit, Integration und Wirtschaft. Darüber hinaus befassen sie sich mit dem Ehrenamt in Deutschland. Bürgerinnen und Bürger hierzulande engagieren sich in großem Umfang freiwillig und unentgeltlich für gesellschaftliche Belange. (08.10.2025)
Kategorien: Nachrichten der Bundesorgane
Dorothee Bär: Fusionsforschung ein Flaggschiff der Hightech-Agenda
Die Bundesministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt Dorothee Bär (CSU) hat den Aktionsplan der Bundesregierung „Deutschland auf dem Weg zum Fusionskraftwerk“ als ein Kernanliegen ihres Ministeriums und ein „Flaggschiff“ der Hightech-Agenda Deutschland bezeichnet. In der Befragung der Bundesregierung sagte Bär am Mittwoch, 8. Oktober 2025, bis 2029 sollen zwei Milliarden Euro in die Fusionsforschung fließen, damit das erste Fusionskraftwerk der Welt in Deutschland gebaut werden könne. Sichere, klimafreundliche, bezahlbare Energie seien das A und O „für unsere Unternehmen“. „Wir wollen die Nase vorn haben, nicht nur beim Thema Fusion, sondern auch bei den Themen Künstlichen Intelligenz, Quantentechnologien, bei der Mikroelektronik, bei der Biotechnologie und bei klimaneutraler Mobilität“, betonte die Ministerin. Wenn man sich in der Welt umschaue, so Bär, so machten Forschung und Technologie den Unterschied. Sie wies auf die Gesundheitsforschung und die Raumfahrt hin, die nicht nur zivil genutzt werden solle, sondern auch „für unsere Sicherheit und Verteidigung“. Gebraucht würden kluge Köpfe, auch aus dem Ausland. Mit dem „1.000-Köpfe-Plus“-Programm für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich weltweit für den Standort Europa und besonders auch für den Standort Deutschland entscheiden, könne man schon erste Erfolge vermelden. Schneider setzt auf Kreislaufwirtschaft Neben der Forschungsministerin stellte sich auch der Bundesminister für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit Carsten Schneider (SPD) den Fragen der Abgeordneten. Hohe Energiepreise hätten dazu geführt, dass „unser Geschäftsmodell über Jahrzehnte, erfolgreich exportorientiert tätig zu sein“, an Grenzen kommt, sagte Schneider. Aus der Rohstoffarmut Deutschlands folge für ihn, sorgsam mit den eigenen Ressourcen umzugehen, bereits verarbeitete Stoffe im Recycling-Verfahren im Rahmen der Kreislaufwirtschaftsstrategie wiederzuverwenden. Das sei nicht nur arbeitsplatzintensiv, sondern auch sinnvoll, weil CO2 und Abfall gespart würden. Er werde die nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie umsetzen, kündigte der Minister an. Die Branche wachse und habe weltweit Exportchancen. Im Bereich der energieintensiven Grundstoffindustrie habe man es mit Attentismus zu tun, so Schneider. Erforderlich seien verlässliche Rahmenbedingungen, Technologieführern sollte die Planungs- und Entscheidungssicherheit gegeben werden. Für die Chemieindustrie seien bis 2039 keine kostenlosen Zertifikate mehr vorgesehen, sagte Schneider mit Blick auf den künftigen EU-Emissionshandel. BAföG und „1.000-Köpfe-Plus“-Programm Mehrere Fragen an die Forschungsministerin betrafen die Zukunft des BAföG. Ayse Asar (Bündnis 90/Die Grünen) wies darauf hin, dass sich viele Studierende kein WG-Zimmer mehr leisten könnten. Sie wollte wissen, was die Ministerin unternimmt, um die Wohnungsnot zu lindern. Bär kündigte eine große BAföG-Novelle zum Wintersemester 2026/27 an. Dabei solle die Digitalisierung beim BAföG vorangetrieben werden. Eine Informationskampagne werde sich anschließen. Im vergangenen Jahr hätten 600.000 Studierende vom BAföG profitiert. Nicole Gohlke (Die Linke) sagte, nur noch elf Prozent der Studierenden erhielten die BAföG-Förderung. Die Zinsbelastung werde für viele zur Schuldenfalle. Sie fragte die Ministerin, ob sie das Beste für die Studierenden wolle. Bär antwortete mit Verweis auf die geplante große Novelle, diese seien bei ihr „bestens aufgehoben“. Dem CDU-Abgeordneten Joachim Ebmeyer, der den BAföG-Antrag angesprochen hatte, entgegnete Bär, die langen Bearbeitungszeiten seien ein großes Ärgernis. Für den Vollzug seien allerdings die Länder zuständig. Der AfD-Abgeordnete Prof. Dr. Ingo Hahn thematisierte das „1.000-Köpfe-Plus“-Programm der Ministerin und wies darauf hin, dass 200.000 deutsche Akademiker auswanderten. Das Programm sei ein Signal für die Wissenschaftsfreiheit des Grundgesetzes, sagte Bär. Ziel sei es, jene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anzusprechen, die in ihren Ländern nicht frei forschen könnten. Von der Innovationsforschung in die Anwendung Den Transfer von der Forschung in die Anwendung sprach Dr. Lina Seitzl (SPD) an. Die Ministerin erwiderte, ihr Ministerium arbeite an einer Transferagenda mit dem Ziel, die Innovationsforschung einfacher und unbürokratischer zu machen. Dazu solle eine Deutsche Anwendungsforschungsgemeinschaft gegründet werden. Auch der CDU-Abgeordnete Florian Müller erkundigte sich danach, wie der Transfer und die Ausbildung stärker forciert werden können. Bär verwies darauf, dass es einige Universitäten gebe, bei denen es „hervorragend läuft“. „Verbrenner-Aus“ im Blick Mit Fragen nach dem sogenannten „Verbrenner-Aus“ in der EU 2035 sah sich der Umweltminister konfrontiert. So fragte Dr. Rainer Kraft (AfD) nach dem Verlust von Arbeitsplätzen. Am Automobilsektor hänge jeder siebte Arbeitsplatz. Der Minister wies darauf hin, dass die CO2-Regelungen noch zehn Jahre gelten. Er verwies zudem auf die Weltmarktsituation, die Trump-Zölle und den „extremen Druck“ aus China mit seinen wettbewerbsfähigen Autos zu Dumpingpreisen. Im Übrigen sei es freie, soziale Marktwirtschaft mit rechtlichen Rahmenbedingungen. Zukunft des EU-Emissionshandels Mark Helfrich (CDU/CSU) erkundigte sich nach der Position der Regierung bei der Reform des EU-Emissionshandels. Das Europäische Emissionshandelssystem 2 (EU-ETS 2) gelte ab 2027, sagte der Minister. Vorgesehen sei dann auch eine Bepreisung von Emissionen für Wärme und Verkehr. Schneider sprach sich dafür aus, „mit Augenmaß“ vorzugehen. Die eingenommenen Mittel sollten der Bevölkerung und der Industrie wieder zurückgegeben werden. Von Lisa Badum (Bündnis 90/Die Grünen) auf die kostenlose Zertifikatszuteilung für die Chemieindustrie angesprochen, erwiderte Schneider, der EU-Vorschlag für die freie Zuteilung von Zertifikaten ende 2039, was zu früh sei: „Wir brauchen einen Übergang.“ Klimaschutz und Castor-Transporte Dr. Julia Verlinden (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, der Kanzler mache sich gegen den Green Deal der Europäischen Kommission stark und spreche sich gegen wirksamen Klimaschutz im Verkehr aus, was schlecht für die Verbraucher sei und Arbeitsplätze gefährde. Schneider teilte diese Einschätzung und nicht und betonte, die Regierung sei sich hinsichtlich der Klimaziele einig. In der EU gebe es Diskussionen, aber noch keine Entscheidung. Jakob Blankenburg (SPD) fragte nach dem Fortschritt beim neuen Klimaschutzprogramm. Schneider sagte, die Vorschläge der Ressorts lägen ihm vor, er könne diese aber heute noch nicht bewerten. Sobald er sie substanziell bewerten könne, werde er dies tun. Mareike Hermeier (Die Linke) machte Castor-Transporte zum Zwischenlager Ahaus (Nordrhein-Westfalen) zum Thema. Schneider sagte, die Regierung sei sich darin einig, nicht mehr in die Atomenergie einzusteigen. Allerdings habe man es mit einem „strahlenden Erbe“ zu tun. Der Transport der Atomabfälle aus dem Zwischenlager Jülich ins Zwischenlager Ahaus fänden unter „größtmöglichen Sicherheitsvorkehrungen“ statt, so der Minister. (vom/08.10.2025)
Kategorien: Nachrichten der Bundesorgane
Elektrogesetz-Novelle von Sachverständigen unterschiedlich beurteilt
Die von der Bundesregierung geplante Novelle des Elektro- und Elektronikgesetzes (21/1506) wird von Experten unterschiedlich beurteilt. In einer öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses am Mittwoch, 8. Oktober 2025, begrüßten die Sachverständigen zwar das Ziel der Bundesregierung, die Sammlung und Entsorgung von alten Elektrogeräten zu verbessern. Allerdings zeigten sich insbesondere die von der Linksfraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen benannten Sachverständigen skeptisch, ob mit den konkret geplanten Änderungen tatsächlich die Sammelmengen erhöht und die Brandrisiken durch falsch entsorgte Elektrogeräte reduziert werden können. Zweifel äußerten auch die von der Unionsfraktion benannten Sachverständigen. Sie verwiesen dabei unter anderem auf die von der EU-Kommission im Rahmen des Circular Economy Acts geplante grundlegende Novellierung der Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte. Zugleich warnten sie vor wachsenden Belastungen etwa durch weitere Informationspflichten für den Handel. Positiv beurteilten wiederum die von der SPD benannten Vertreter die Novelle, aber auch sie sprachen sich für weitergehende Regelungen wie ein Verbot von Einweg-E-Zigaretten aus. Gesetzentwurf der Bundesregierung Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht unter anderem vor, dass Verbraucher ausgediente Elektrogeräte häufiger im Handel zurückgeben können. Damit vor allem Einweg-E-Zigaretten weniger im Restmüll oder in der Umwelt landen, sollen sie künftig überall dort unentgeltlich zurückgegeben werden können, wo sie verkauft werden. Für kommunale Wertstoffhöfe, die rund 80 Prozent der Altgeräte aus privaten Haushalten sammeln, sieht der Entwurf konkretere Vorgaben zur Einsortierung vor, damit die in vielen Altgeräten fest verbauten Batterien bei der Entnahme und Erfassung weniger beschädigt werden. Verbot von Einweg-E-Zigaretten befürwortet Dr. Hölger Thärichen vom Verband kommunaler Unternehmen sprach mit Blick auf die zunehmende Problematik von Bränden auf Wertstoffhöfen von einer „richtigen Weiterentwicklung“. Die Novelle sei ein wichtiger Baustein, um die Gefahren einzudämmen. Es brauche aber weitere Instrumente, so Thärichen und plädierte für ein Verbot von Einweg-E-Zigaretten. Die geplante Rückgabemöglichkeit im Handel für diese Produkte reiche nicht aus. Zudem forderte der Sachverständige, so wie auch die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, die nur eine schriftliche Stellungnahme vorgelegt hatte, Hersteller und Vertreiber und insbesondere den Online-Handel stärker an den Kosten der kommunalen Sammelleistungen zu beteiligen. „Der steigende Aufwand für die Entsorgung der massenhaften Elektro- und Elektronikaltgeräte“ dürfe nicht allein auf den Kommunen abgeladen werden, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände. Forderung nach Batteriepfandsystem Als „nicht zielführend“ in dieser Hinsicht bezeichnete Sascha Roth, der für den Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) sprach, die Rücknahmepflicht für E-Zigaretten im Handel. Auch die Umsetzung der Mehrwegverpackungspflicht in der Gastronomie funktioniere nicht, so Roth. Zu befürchten sei, dass letztlich noch mehr Einweg-E-Zigaretten im Restmüll landeten und zerdrückt in Müllwägen zu Bränden führten. Das Problem der Brände wachse, Brandschutzmaßnahmen, in die viele Unternehmen investiert hätten, reichten nicht aus. Und die Zahl der falsch entsorgten Geräte nehme zu. Der BDE plädiere deshalb für die Einführung eines Batteriepfandsystems. Das sei zwar kompliziert, aber angesichts der Herausforderungen gebe es „keine andere Lösung“. Mehr Kontrollen und „empfindliche Sanktionen“ Gegen ein Verbot von Einweg-E-Zigaretten und ein Pfandsystem sprach sich Oliver Pohland vom Verband des eZigarettenhandels aus. Beide Ansätze seien „rechtlich und praktisch problematisch“. Man begrüße zwar das Anliegen, die Umwelt vor der Belastung durch falsch entsorgte Einweg-E-Zigaretten zu schützen, doch solche Maßnahmen verfehlten ihr Ziel, wenn nicht der „immense Schwarzmarkt“ bei E-Zigaretten effektiv bekämpft werde. Neue Regulierungen träfen so nur den legalen Handel und stärkten den Schwarzmarkt. Pohland forderte daher mehr Kontrollen und „empfindliche Sanktionen“. Anpassung der Quotenberechnung auf EU-Ebene Stefanie Stadie vom Handelsverband Deutschland (HDE) verwies darauf, dass schon heute der Handel „umfangreiche Rücknahmepflichten“ unter oftmals schwierigen räumlichen Bedingungen erfülle. Besonders der Lebensmittelhandel sei durch die bestehenden Regelungen bereits stark belastet. Trotzdem bleibe die Rücknahmequote hinter den EU-Vorgaben zurück. „Diese Diskrepanz zeigt: Mehr Pflichten für den Handel allein führen nicht automatisch zu größeren Rücknahmemengen“, gab die Sachverständige zu bedenken. Sie forderte stattdessen eine Evaluierung und Anpassung der Quotenberechnung auf europäischer Ebene. Zusätzliche Belastungen wie Informationspflichten für die Unternehmen seien hingegen nicht geeignet, um die Sammelmengen signifikant zu steigern. Christian Eckert vom Zentralverband Elektrotechnik- und Elektroindustrie (ZVEI) riet in seiner schriftlichen Stellungnahme dazu, von einer Novellierung des ElektroG zum jetzigen Zeitpunkt abzusehen. Die EU-Kommission plane im Rahmen des Circular Economy Acts bereits eine grundlegende Novellierung der Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte. Anpassungsvorschläge sollten hier diskutiert und die Ergebnisse EU-weit umgesetzt werden. Rücknahmesysteme und Reparaturbonus Luisa Denter von Germanwatch und Viktor Schödwell von der Deutschen Umwelthilfe kritisierten die Maßnahmen im geplanten Gesetzentwurf der Bundesregierung als unzureichend. Damit ließen sich weder die Sammelleistung steigern noch die Brandrisiken durch Lithium-Batterien in Altgeräten reduzieren. Der Abfall von Elektro- und Elektronikaltgeräten steige, aber die Sammelmengen stagnierten. „Das Problem wird also wachsen, wenn wir nicht wirklich handeln“, mahnte Denter und forderte eine substanzielle Reform des ElektroG. Diese solle eine erweiterte Herstellerverantwortung enthalten und auch die Wiederverwendung von Geräten etwa durch einen Reparaturbonus stärken. Eine Abkehr von der geteilten Produktverantwortung verlangte auch Schödwell: Hersteller müssten in die Pflicht genommen werden, sich zu kollektiven Rücknahmesystemen zusammenzuschließen, denen verbindliche Sammel- und Verwertungsquoten vorgeschrieben werden. Zudem empfahl der Experte, die Rücknahmepflicht im Handel zu erweitern und vor allem zu vereinfachen. Alle Händler von Elektrogeräten sollten unabhängig von ihrer Verkaufsfläche zur Rücknahme von Elektroaltgeräten verpflichtet werden. (sas/08.10.2025)
Kategorien: Nachrichten der Bundesorgane
Ausstellung zeigt Werke israelischer Künstler
Zum zweiten Jahrestag des Terrorangriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 zeigt der Bundestag eine Reihe von Werken israelischer Künstler. Die Sonderausstellung "Kunst aus Israel" geht auf eine Initiative von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner zurück – nicht zuletzt, wie Klöckner angibt, aufgrund der zunehmenden Ausgrenzung israelischer Künstlerinnen und Künstler aus dem europäischen Kunstbetrieb. Die meisten der ausgestellten Werke wurden vom Deutschen Bundestag im Jahr 2015 anlässlich des 50. Jahrestages der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und der Bundesrepublik Deutschland erworben. Zu sehen sind unter anderem drei Werke der US-amerikanischen Künstlerin Susan Hiller vom „The J. Street Project“ sowie Micha Ullmans „Im Sand lesen“. Klöckner: Der 7. Oktober markiert eine tiefe Wunde Der 7. Oktober 2023 markiere eine historische Zäsur und eine tiefe Wunde – für Israel und die jüdische Gemeinschaft weltweit, so die Bundestagspräsidentin anlässlich des Jahrestags. "Wir gedenken der Opfer und trauern mit den Angehörigen. Und wir machen laut auf das Schicksal der Geiseln aufmerksam, die sich, trotz aller aktuellen Hoffnung, weiterhin unter unmenschlichen Bedingungen in Gefangenschaft der Hamas befinden – darunter auch deutsche Staatsbürger." Die Geiseln müssten so schnell wie möglich freigelassen werden, fordert Klöckner, die im Vorfeld der Ausstellungseröffnung am Dienstag, 7. Oktober 2025, mit Angehörigen der Verschleppten zusammenkam und das deutsche Versprechen des "Nie wieder!" erneuerte. Subtiler und offener Antisemitismus in der Gesellschaft sei kein Randproblem, so Klöckner. Er werde im Internet, auf der Straße, in Klassenzimmern und in Hörsälen deutlich. Neben das Erinnern müsse deshalb "entschlossenes Handeln" treten – "bei der konsequenten Verfolgung antisemitischer Straftaten, bei der Bildungsarbeit und der Stärkung jüdischer Institutionen“. (ste/08.10.2025)
Kategorien: Nachrichten der Bundesorgane
"Sichere Herkunftsländer" als Streitpunkt
Deutlich gegensätzliche Experten-Bewertungen hat ein Gesetzentwurf der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion zur Migrationspolitik bei einer Anhörung im Innenausschuss am Montag, 6. Oktober 2025, gefunden. Es ging um die „Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten durch Rechtsverordnung und Abschaffung des anwaltlichen Vertreters bei Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam“ (21/780). Die Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten soll sich künftig nur bei Asylanträgen nach der EU-Richtlinie 2013 / 32 / EU ändern, nicht wenn es um eine Asylberechtigung im Sinne des Artikels 16a des Grundgesetzes geht. "Vollzugsdefizite bei der Durchsetzung von Ausreisepflichten" Dr. Falk Fritzsch vom Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg befand, die Ausgangslage sei durch Vollzugsdefizite bei der Durchsetzung von Ausreisepflichten geprägt. EU-weit reise nur jeder fünfte Ausreisepflichtige aus. Er kritisierte, dass mit der Einführung des Paragrafen 62d in das Aufenthaltsgesetz durch die vorigen Koalitionsfraktionen 2024 neue Vollzugshindernisse geschaffen worden seien. Durch die Pflichtanwaltsbestellung sei ein Frühwarnsystem geschaffen worden, das es ermögliche, sich dem Zugriff der Behörden zu entziehen. Fritzsch sprach sich für eine Aufhebung der Regelung aus, wie dies der Gesetzentwurf vorsehe. "Umgehung des Bundesrates verfassungswidrig" Wiebke Judith von der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl verwies darauf, dass die Asylantragszahlen seit 2024 stark zurückgegangen, die Zahlen der Abschiebungen und freiwilligen Ausreisen dagegen gestiegen seien. Die Grundthese des Gesetzentwurfs, dass Deutschland aufgrund von zu hohen Asylantragszahlen auf Abschreckung setzen müsse, sei offensichtlich falsch. Das Europarecht erlaube nationale Listen sicherer Herkunftsstaaten, sagte Judith. Das Grundgesetz sehe dafür ein Gesetzgebungsverfahren mit Zustimmung des Bundesrates vor. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Umgehung der Zustimmungspflichtigkeit sei verfassungswidrig. Dass Anwaltspflicht vorgeschrieben worden sei, ist für Judith eine folgerichtige Reaktion auf eine hohe Quote unrechtmäßiger Haftanordnungen. "Notlage der Betroffenen würde sich verschlimmern" Stefan Keßler vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland sagte, er halte die vorgesehene Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates für verfassungswidrig. Der Kreis der unter erheblichen Einschränkungen leidenden Schutzsuchenden würde unangemessen erweitert. Die Regelung würde nach seiner Ansicht zu erheblichen Problemen in der Praxis führen und nicht zur Beschleunigung der Asylverfahren beitragen. Die Streichung der Regelung über die Pflichtbeiordnung anwaltlichen Beistands würde die Notlage der betroffenen Menschen erneut verschlimmern. "Verfassungsrechtlichen Risiken ausgesetzt" Dr. Holger Kolb vom Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) rief in Erinnerung, dass im Februar 2019 die Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsländer um einige Staaten des Maghreb von der Bundestagsmehrheit beschlossen worden, aber im Bundesrat gescheitert sei. Wegen der Abstimmungsregelungen dort könnten Vorhaben keine Mehrheit finden, die lediglich von Juniorpartnern in Koalitionen abgelehnt würden, aber ansonsten eine breite Mehrheit fänden. Der in dem Gesetzentwurf gewählte Weg, die Erweiterung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten über eine nicht zustimmungspflichtige Rechtsverordnung umzusetzen, sei verfassungsrechtlichen Risiken ausgesetzt, sagte Kolb. "Erhebliche Entlastung für Behörden und Gerichte" Dr. Robert Seegmüller, Richter am Bundesverwaltungsgericht, legte dar, die Bearbeitung asylrechtlicher Verfahren binde etwa die Hälfte der Arbeitskraft der Verwaltungsrichter in Deutschland. Er halte den Gesetzentwurf für geeignet, das mit ihm verfolgte Beschleunigungsziel zu erreichen. Die Einstufung eines Herkunftsstaates als sicherer Herkunftsstaat entlaste Behörden und Gerichte in erheblichem Umfang. Im Schnitt könne ein Sachbearbeiter in der Behörde oder ein Verwaltungsrichter in derselben Zeit mehr Entscheidungen über Schutzgesuche von Staatsangehörigen aus einem Staat treffen, der als sicherer Herkunftsstaat ausgewiesen ist, als ohne eine solche Einstufung. Die Regelungen des Gesetzentwurfs seien EU-rechtlich und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. "Aus Sicht der Vollzugspraxis sehr zu begrüßen" Veronika Vaith, Leiterin der Zentralen Ausländerbehörde Niederbayern, erklärte, aus Sicht der Vollzugspraxis sei das Vorhaben der neuen Bundesregierung sehr zu begrüßen. In den vergangenen Jahren habe sich gezeigt, dass ein erheblicher Teil der Asylanträge von Antragstellern aus Herkunftsstaaten mit geringer Anerkennungsquote stamme. Die Möglichkeit, solche Herkunftsstaaten durch Rechtsverordnung als sicher einzustufen, trage unmittelbar dazu bei, die Verfahren auf das Wesentliche zu konzentrieren, nämlich den Schutz für tatsächlich verfolgte Personen, sagte Vaith. Die Einführung der Pflichtanwaltsbestellung habe sich in der Praxis nicht bewährt. Die Abschaffung dieses Paragrafen stelle eine sachgerechte und praxisorientierte Korrektur dar. "Mit EU-Recht im Wesentlichen vereinbar" Dr. Philipp Wittmann, Richter am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, erklärte, eine separate Einstufung von sicheren Herkunftsländern im Sinne des Grundgesetzes und des EU-Rechts in verschiedenen Verfahren sei möglich, weil zwei unterscheidbare Rechtskreise betroffen seien. Mit den Vorgaben des EU-Rechts sei die Neuregelung inhaltlich im Wesentlichen vereinbar, weise jedoch einzelne Defizite auf, die nur in Form einer EU-rechtskonformen Auslegung oder der unmittelbaren Anwendung des EU-Rechts kompensiert werden könnten. Hier bestehe ergänzender Regelungsbedarf. (fla/06.10.2025)
Kategorien: Nachrichten der Bundesorgane
Zustimmung zur bundeseinheitlichen Pflegefachassistenzausbildung
Die von der Bundesregierung geplante Einführung einer bundeseinheitlichen Pflegefachassistenzausbildung trifft bei der Pflegebranche wie auch bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und den kommunalen Spitzenverbänden auf Zustimmung. Das wurde bei einer öffentlichen Sachverständigenanhörung des Ausschusses für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend am Montag, 6. Oktober 2025, deutlich. Unterschiedliche Auffassungen gab es zur Ausbildungsdauer, die laut dem Gesetzentwurf (21/1493) 18 Monate dauern soll und bei einschlägiger Berufsausbildung auch verkürzt werden kann. Gesetzentwurf der Bundesregierung Die Neuregelung ersetzt die bisher 27 landesrechtlichen Pflegehilfe- und Pflegeassistenzausbildungen. Die Reform soll laut Bundesregierung dazu beitragen, zusätzliche Fachkräfte für die Pflege zu gewinnen. Zudem soll künftig auch die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse erleichtert werden. Nach der Ausbildung sei eine Weiterbildung zur Pflegefachperson möglich, heißt es in dem Entwurf. Für Pflegekräfte mit ausländischen Abschlüssen sei eine einheitliche Regelung mit Kenntnisprüfung oder Anpassungslehrgang statt umfassender Gleichwertigkeitsprüfung vorgesehen. Die neu strukturierte Pflegefachassistenzausbildung soll 2027 beginnen. Pflegerat für zweijährige Ausbildungsdauer Für eine Ausbildungsdauer von zwei Jahren plädierte Kathrina Edenharter vom Deutschen Pflegerat. Nur eine Ausbildungsdauer von 24 Monaten auf DQR-Niveau 3 gewährleiste die Vermittlung der benötigten Kompetenzen und erlaube auch eine „Übertragung zur Pflegefachperson“, befand sie. Mit Blick auf Interessenten an einer Ausbildung aus dem Ausland sagte sie, bei weniger als 24 Monaten Ausbildung erhielten diese keine Ausbildungsduldung oder Aufenthaltserlaubnis. Zudem würde ihrer Aussage nach die Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit entfallen. Mehr Bildungschancen und Aufstiegsmöglichkeiten Die Pflegefachassistenzausbildung könne nicht nur zu mehr Versorgungssicherheit beitragen, sondern führe auch „zu mehr Bildungschancen und Aufstiegsmöglichkeiten“, sagte Christian Hener vom Deutschen Roten Kreuz. Trotz eines hohen Bedarfes an qualifiziertem Personal unterhalb der Pflegefachkraft sprach er sich für eine 18-monatige Ausbildung aus. Da das Berufsprofil deutlich über die reine Pflegehilfe hinausgehe und als Heilberuf geregelt werden solle, „kommt eine einjährige Ausbildung nicht infrage“. Gleichzeitig sei aber auch die Ausbildungsdauer von 24 Monaten zu lang, um den dringend benötigten Personalkörper effizient ausbauen zu können, sagte Hener. Sprachförderung und schulsozialarbeiterische Begleitung Isabel Kalberlah vom Referat Schulen bei der Hans-Weinberger-Akademie der Arbeiterwohlfahrt (AWO) sprach sich für die 18-monatige Ausbildung aus, „obgleich aus pädagogisch-didaktischer Sicht eine längere Ausbildungszeit wünschenswert wäre“. Die Auszubildenden müssten dabei durch gezielte Sprachförderung und „schulsozialarbeiterische Begleitung“ wirksam unterstützt werden, um Ausbildungsabbrüche zu vermeiden. Die Ausbildungskosten dürften jedoch nicht zu einer weiteren Kostensteigerung für die Pflegebedürftigen führen, betonte Kalberlah. Die Ausbildung müsse als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gelten und über Steuermittel finanziert werden. Für "solidarische Finanzierung aus Steuermitteln" Katharina Owczarek von der Diakonie Deutschland forderte ebenfalls, die Beteiligung der Pflegebedürftigen an den Ausbildungskosten abzuschaffen und durch eine „solidarische Finanzierung aus Steuermitteln zu ersetzen“. Durch den Kompetenzzuwachs und die Durchlässigkeit zur Fachkraftausbildung schaffe der Gesetzentwurf eine erstrebenswerte Erleichterung für die Praxis, befand sie. So werde der Qualifikationsmix in der Pflege gestärkt. Was die Ausbildungsdauer angeht, so verwies Owczarek darauf, dass sich durch die Abweichung von den bisher etablierten ein- oder zweijährigen Dauer die Übergänge schwierig gestalten könnten. Insbesondere für kleine Pflegeschulen könne dies zu „nicht refinanzierten Vorhaltekosten“ führen. "Gesetzgebungsverfahren zeitnah abschließen" Anna Traub vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge bewertete die 18-monatige Ausbildungsdauer als sachgerecht. Anzumerken sei aber, dass der Entwurf und seine Implikationen erst abschließend beurteilt werden könnten, „sobald die entsprechenden Ausbildungs- und Prüfverordnungen veröffentlicht sind“. Wolle man zum Jahresbeginn 2027 ein stabiles Ausbildungssystem gewährleisten, so Traub, „drängt zunehmend die Zeit“. Daher müsse das Gesetzgebungsverfahren zeitnah abgeschlossen werden. "Zusätzliche Ausbildungsträger einbinden" Antonia Walch vom Bundesverband Deutscher Privatkliniken hält es für dringend geboten, medizinische Rehabilitationseinrichtungen als Träger der praktischen Ausbildung sowohl für die Pflegefachausbildung als auch für die Pflegefachassistenzausbildung zuzulassen. Durch die Einbindung zusätzlicher Ausbildungsträger könne nicht nur die Zahl der dringend benötigten Pflegekräfte erhöht, sondern auch die Attraktivität des Pflegeberufs insgesamt gesteigert werden, befand sie. Darüber hinaus werde durch die verstärkte Einbindung von medizinischen Rehabilitationseinrichtungen, die häufig im ländlichen Raum angesiedelt seien, insbesondere Menschen auf dem Land vermehrt die Möglichkeit einer Ausbildung eröffnet. Verdi fordert mindestens 24-monatige Ausbildung Verdi-Vertreterin Melanie Wehrheim forderte eine mindestens 24-monatige Ausbildungsdauer. Wer dabei unterstützt, Menschen zu pflegen, übernehme eine verantwortungsvolle und fordernde Aufgabe, für die eine 18-monatige Ausbildung nicht ausreichend sei. Wehrheim betonte außerdem, dass die Weiterqualifikation zur Pflegefachperson systematisch gefördert werden müsse. Eine hohe Durchlässigkeit zwischen den Pflegeberufen sei unbedingt zu gewährleisten. Eine abgeschlossene Pflegefachassistenzausbildung müsse im vollen Umfang ihrer Dauer auf die Fachausbildung angerechnet werden, verlangte die Gewerkschaftsvertreterin. Benötigter Hauptschulabschluss „zielgruppengerecht“ Dominik Feldmeier vom Deutschen Landkreistag wiederum hält die 18 Monate für richtig, weist aber zugleich darauf hin, dass es eine gute Durchlässigkeit in die generalistische Pflegeausbildung brauche. Eine solche Ausbildung sei aber häufig nur zum vollen Ausbildungsjahr möglich, gab er zu bedenken. Den laut Gesetzentwurf für die Ausbildung benötigten Hauptschulabschluss nannte der Kommunalvertreter „zielgruppengerecht“. Zu kritisieren sei, das derzeit noch wichtige Parameter für die Ausbildung fehlten, die erst in einer noch ausstehenden Ausbildungs- und Prüfungsverordnung definiert werden sollen. So fehlten bisher noch Angaben über die Zahl der Ausbildungsstunden und der Pflichteinsätze. (hau/06.10.2025)
Kategorien: Nachrichten der Bundesorgane
Experten fordern Klarheit beim Deutschlandticket bis 2030
Bei einer öffentlichen Anhörung des Verkehrsausschusses am Montag, 6. Oktober 2025, haben die geladenen Sachverständigen die mit der Novellierung des Regionalisierungsgesetzes (21/1495) geplante Sicherstellung des Deutschlandtickets für das Jahr 2026 begrüßt. Sie sprachen sich zugleich dafür aus, die Frage der Finanzierung bis in das Jahr 2030 auch jetzt schon zu regeln und die Übertragbarkeit nicht verbrauchter Bundesmittel festzuschreiben. Zudem wurde eine gesetzliche Regelung gefordert, die alle Bundesländer verpflichtet, auch in den kommenden Jahren ein Deutschlandticket anzubieten. Indexbasierte Preisfortschreibung ab 2027 Thomas Kiel d'Aragon verwies als Vertreter der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände auf den Beschluss der Sonder-Verkehrsministerkonferenz (VMK) vom 18. September 2025, eine indexbasierte Preisfortschreibung ab 2027 zu schaffen. Aus seiner Sicht muss aber nicht nur der Ticketpreis, sondern auch der von Bund und Ländern gewährte Ausgleichsbetrag „entsprechend der Kostenentwicklung im ÖPNV dynamisiert werden“. Mit Blick auf das kommende Jahr sagte der Kommunalvertreter, durch die von der VMK beschlossene Anhebung des monatlichen Ticketpreises auf 63 Euro werde die Finanzierungslücke von bis zu 920 Millionen Euro nicht verlässlich geschlossen. Damit würden Finanzierungslasten für die kommunale Ebene „nicht sicher ausgeschlossen“, kritisierte er. Alexander Möller vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen sah das ähnlich. Der Preis des Tickets und die darüber hinaus notwendigen Ausgleichsmittel von Bund und Ländern müssten gemäß einer indexbasierten Fortschreibung gleichermaßen dynamisiert werden, verlangte er. Zudem sollte der Bund von den Ländern einen „Anwendungsbefehl“ einfordern. Außerdem müsse das Deutschlandticket-Job im Interesse der Planungssicherheit auch bis 2030 garantiert werden. "Branche geht es mit dem Ticket besser als ohne" Den von der VMK jüngst geforderten „Branchenbeitrag“ zur Fortsetzung des Deutschlandtickets in Höhe von rund 200 Millionen Euro bewertete Kai Neumann vom Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen „höchst kritisch“. Die privaten Bus-Unternehmen stünden in einem knallharten Wettbewerb im ÖPNV-Markt. Bei ihnen seien schwerlich Mittel einzusparen, um den geforderten Branchenbeitrag zu leisten. Neumann begrüßte die geplante Entpolitisierung des Preises durch einen „Deutschlandticket-Index“. Dieser Index sei der Dreh- und Angelpunkt für alle Erlösverantwortlichen. Daher gelte bei seiner Festlegung „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“. Prof. Dr. Andreas Krämer von der exeo Strategic Consulting AG verwies auf die positiven Auswirkungen des Deutschlandtickets – sowohl für die Nahverkehrsbranche, als auch für die Verbraucher und das Klima. Der Branche gehe es mit dem Ticket besser als ohne das Ticket, sagte er. Laut Krämer hat jeder zweite Deutschlandticket-Besitzer vor Mai 2023 kein Abo im Nahverkehr besessen. Diese Personengruppe trage nun zu Umsatzsteigerungen bei. Zudem führe das Ticket zu einer signifikanten Einsparung von CO2-Emissionen. Vor der Finanzierungsfrage, so Krämer, müsse im Grunde noch die Frage geklärt werden, was man als Gesellschaft mit dem Deutschlandticket erreichen will. Aus einer so gefundenen Definition leiteten sich andere Themen – auch die der Finanzierung – ab. „Es braucht echte Neukunden im System“ Dr. Markus Raupp von der Stuttgarter Straßenbahnen AG schätzt den zusätzlichen Umsatzerlös aus der Preisanhebung um fünf Euro ab dem 1. Januar 2026 als „bundesweit insgesamt zu knapp“ ein. Die im kommunalen ÖPNV mittlerweile eingetretenen und weiter zu erwartenden Kostensteigerungen, etwa im Zuge hoher Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst, fänden in der Gesamtfinanzierung noch keine angemessene Berücksichtigung, sagte er. Der pauschalierte Ausgleich ab 2026 muss aus seiner Sicht zudem durch einen Nivellierungs-Mechanismus ergänzt werden, der allen Regionen faire Kompensationen ermöglicht, um kommunale Mehrbelastungen zu vermeiden. Ralf Damde, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates DB Regio AG, machte deutlich, dass entsprechend der Planungen die fehlende Kostendeckung über zusätzliche Einnahmen durch die Kunden generiert werden soll. Dies werde zu einem überdurchschnittlichen Preisanstieg führen, prognostizierte er. Gleichzeitig brauche es aber zur gewünschten und nun noch dringenderen Stützung der Finanzierung „echte Neukunden im System“. Expertin fordert, am Preis von 58 Euro festzuhalten Hanna Rhein von der Deutschen Umwelthilfe forderte, die Beschlüsse der VMK zur Fortführung des Tickets bis 2030 in den aktuellen Gesetzentwurf aufzunehmen. Rhein kritisierte außerdem die geplante Preissteigerung auf 63 Euro und verlangte, am heutigen Preis von 58 Euro festzuhalten. Schon dieser Preis liege laut Studien über dem „was sich Bürgerinnen und Bürger leisten wollen“, sagte sie. Frank Zerban von der D-TIX GmbH & Co. KG, der Clearing-Stelle für die Einnahmeverteilung des Deutschlandtickets, bewertete es als zentral, einen Mechanismus zur indexbezogenen Preisfortschreibung zu entwickeln, dem die spezifischen Kostenindices des ÖPNV zugrunde gelegt werden. Nur so könne eine jährliche politische Diskussion und die Unruhe im Kreis der Unternehmen und Verkehrsverbünde vermieden werden. Darüber hinaus ist es aus seiner Sicht erforderlich, die Gesamthöhe der Mittel, die von Bund und Ländern zur ergänzenden Finanzierung des Deutschlandtickets bereitgestellt werden, ebenfalls dieser Indizierung zu unterwerfen. (hau/06.10.2025)
Kategorien: Nachrichten der Bundesorgane
Haushaltspolitikerin Inge Gräßle: EU braucht Freihandel und Bürokratieabbau
Die Wettbewerbsfähigkeit Europas war zentrales Thema bei der Herbstausgabe der Interparlamentarischen Konferenz über Stabilität, wirtschaftspolitische Koordinierung und Steuerung in der Europäischen Union (SWKS) am 29. und 30. September 2025 in Billund (Dänemark), berichtet Dr. Inge Gräßle (CDU/CSU), Leiterin der deutschen SWKS-Delegation. Angesichts globaler Herausforderungen gelte es, den EU-Binnenmarkt zu stärken und neue Freihandelsabkommen abzuschließen. „Gerade jetzt, wo das Denken in Blöcken wieder massiv zurückkommt, sind solche Abkommen von unschätzbarem Wert“, erklärt die CDU-Haushaltspolitikerin. Zusätzlich bestehe die Notwendigkeit, Mehrausgaben für Verteidigung zu stemmen: „Ohne Sicherheit ist alles nichts.“ Im Interview spricht Gräßle über den neuen Willen der Parlamentarier „zu einer wirklich gemeinsamen Bedrohungsabwehr“, ihre Hoffnung auf „eine deutlich höhere Effizienz“ des Rüstungsmarktes und mahnt eine strikte Überwachung des neuen Verteidigungsfonds an, damit alle Mitgliedstaaten den Stabilitäts- und Wachstumspakts einhalten. Das Interview im Wortlaut: Frau Dr. Gräßle, die Europäische Kommission hat die Stärkung der EU-Wettbewerbsfähigkeit im globalen Kontext zu einer ihrer wichtigsten politischen Prioritäten erklärt – ein Thema, das auch Sie als Parlamentarierinnen und Parlamentarier beim SWKS-Herbsttreffen beschäftigt hat. Wodurch wird Europas Wettbewerbsfähigkeit jetzt vor allem herausgefordert? Dieser Punkt war sicher der Drängendste auf der Tagesordnung: Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs leidet die EU unter den hohen Energiepreisen. Diese lähmen gerade das energieintensive, produzierende Gewerbe und hemmen Wachstum – dazu kommen die Kosten der Transformation. Zusätzlich befinden wir uns in einem Systemwettbewerb mit China, wo subventionierte Industrien unsere Unternehmen unter Druck setzen. Gleichzeitig kämpfen wir mit den Folgen einer protektionistischen, erratischen Handelspolitik unseres wichtigsten Verbündeten, der USA. Jedenfalls war bei der SWKS erstmals wirklich deutlich spürbar, dass auch die nationalen Parlamente in der EU und um die EU zusammenrücken wollen, nicht nur beim Thema Verteidigung. Wie kann die EU ihre Position in der Weltwirtschaft stärken? Zentral sind drei Ziele: Erstens der Abschluss von wichtigen Freihandelsabkommen, die Absatzmärkte öffnen und Lieferketten absichern. In diesem Rahmen muss Mercosur möglichst schnell ratifiziert werden und an weiteren Freihandelsabkommen gearbeitet werden. Zum Beispiel mit Indien oder den USA – dass die TTIP-Initiative von Präsident Obama in Deutschland einer Angstkampagne links-grüner NGOs zum Opfer fiel, ist ein wirkliches Drama. Politik verzeiht keine Fehler! Zweitens: den Bürokratiedschungel lichten. Überflüssige bürokratische Vorschriften, die unsere Unternehmen belasten und Fortschritt und Innovation hemmen, müssen beseitigt werden. Macht endlich Ernst! Drittens: Kurzfristig müssen aber vor allem die strukturellen Nachteile des Europäischen Strommarkts beseitigt werden, um unseren Standort wettbewerbsfähig zu halten. Europa besteht aus starken Volkswirtschaften mit innovativen und wettbewerbsfähigen Unternehmen. Braucht es kreditfinanzierte staatliche Investitionen, um wirtschaftliche Dynamik zu entfachen? Auf keinen Fall! Deshalb gibt es den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt; die jüngste Reform nimmt auf die veränderte weltpolitische Lage und die erforderlichen Mehrausgaben für Verteidigung Rücksicht. Das war auch ein klarer Punkt bei der SWKS: Papier ist geduldig, jetzt kommt es auf die Umsetzung durch die EU-Kommission an. Sendet sie weiter glaubwürdige Signale an die Mitgliedstaaten und die Finanzmärkte? Deutschland hat eine Schulden- und Haftungsunion immer ausgeschlossen, genauso Verschuldungsmöglichkeiten der EU. Die Verhandlungen zum nächsten EU-Finanzrahmen werden sicher eine Neuauflage dieser Debatte bringen. Im Übrigen zeigen viele EU-Mitgliedstaaten mit mehr Wachstum als in Deutschland, dass es dazu eigentlich keiner höheren Verschuldung bedarf. Steigende Schulden sind kein Zeichen der Stärke und führen zu höheren Refinanzierungskosten. Worauf kommt es bei kreditfinanzierten Investitionen an? Solche Investitionen müssen Strukturreformen unterstützen, dürfen sie also nicht verhindern. Nur so wird unsere volkswirtschaftliche Leistung erhöht. Investitionen in Infrastruktur sind immer richtig, andererseits stellt sich sofort die Frage nach einer höheren Inflation. Dies haben wir im Lauf der Diskussion um das Sondervermögen ständig besprochen und Vorkehrungen getroffen. Wir haben den Verwendungszweck der Sondervermögen absichtsvoll beschränkt. Ich bin mir sicher, dass wir damit Wachstum schaffen und damit auch mit steigenden Refinanzierungskosten umgehen können. Wie wird sichergestellt, dass nur nachhaltige, wachstumsfördernde Investitionen über eine höhere Staatsverschuldung finanziert werden? In Deutschland haben wir das Kriterium der Zusätzlichkeit in der Gesetzesgrundlage zum Sondervermögen verankert. Wichtig ist, dass wir die Zusätzlichkeit auch beim Wort nehmen und uns an die Regeln halten, die wir uns selbst gegeben haben. Setzt die Kommission mit ihrer Strategie „Der Kompass für Wettbewerbsfähigkeit und der Deal für eine saubere Industrie“ die richtigen Schwerpunkte? Jede Strategie „on top“ auf das, was wir schon haben, hilft nicht. Wir haben etwa den Green Deal, der nur sehr eingeschränkt unserer Wettbewerbsfähigkeit hilft. Die EU-Kommission müsste endlich ihre eigenen gesetzgeberischen Widersprüche beseitigen. Das tut sie aber nicht – und das ist das Problem: Dass bestimmte Produktionsweisen vorgeschrieben, andere verboten werden. Im Übrigen hat die EU das weltweit am weitesten entwickelte Umweltrecht gesetzt – mit der Industrie. Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem EU-Gesetzgebung den Standort Europa gefährdet. Der gemeinsame Binnenmarkt gilt seit Jahrzehnten als Kern des Erfolges der EU und ist auf der Welt ihr Alleinstellungsmerkmal. Nun hat die Kommission die Stärkung des Binnenmarktes als zentral bezeichnet, um die EU-Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Was fehlt dem gemeinsamen Markt noch? Stimmt alles, also macht es endlich! Der Abbau der internen, nicht tarifären Handelshemmnisse, etwa bei nationalen Produktvorschriften ist wichtig und entspricht einem Zoll von 44 Prozent bei Waren und 110 Prozent bei Dienstleistungen. Gerade hier sind nationale Sozialvorschriften, etwa bei der Entsendung von Arbeitnehmern, das Problem. Ich erinnere mich an mindestens fünf Initiativen der EU-Kommission zum Ausbau des gemeinsamen Markts, die stets an nationalen Politiken scheiterten. Solche fragmentierten Vorschriften und die fehlende Umsetzung von EU-Recht haben einen hohen Preis. Diese Baustellen sollten wir umgehend angehen. Welchen Beitrag zur globalen Wettbewerbsfähigkeit leisten die Handelsbeziehungen? Muss die EU ihre Handelsbeziehungen stärker diversifizieren? Freihandelsabkommen sind eine gute Sache, weil sie Rechtssicherheit bieten, Vorschriften transparent machen und damit Willkür in den Handelskontakten verringern, also den Handel insgesamt vereinfachen. Es ist wirklich erstaunlich, welche Potenziale solche Abkommen entfesseln. So spielt der der größte gemeinsame Markt der Welt seine Stärken aus. Wir können Freunde einbinden und solche, die es werden könnten. Wir können auch Schwellen- und Entwicklungsländern Marktzugang bieten. Über 70 Freihandels- und Präferenzabkommen gibt es, und natürlich müssen und sollen das mehr werden. Gerade jetzt, wo das „Denken in Blöcken“ wieder massiv zurückkommt, sind solche Abkommen von unschätzbarem Wert. Präsident Trump hat den internationalen Handelsregeln einen schweren Schlag zugefügt – auch deshalb ist Rechtssicherheit durch eigene Handelsabkommen noch wichtiger geworden. Muss Deutschland sich daran gewöhnen, dass immer häufiger wirtschaftliche Fragen und Geopolitik miteinander verknüpft werden? Wir sind in einem neuen Zeitalter angekommen. Wenn der Bundeskanzler davon spricht, dass wir Außen- und Innenpolitik nicht mehr trennen können, ist auch gemeint, dass keine Trennung mehr zwischen Wirtschafts- und Handelspolitik einerseits und Außenpolitik andererseits stattfinden kann. Internationale Akteure setzten die Handelspolitik und wirtschaftliche Subventionen gezielt als Werkzeug ein, um ihre internationale Verhandlungsposition zu stärken. Putin nutzte wirtschaftliche Abhängigkeiten für seinen Angriffskrieg auf die Ukraine. Wer glaubt, wir könnten heute reine Wirtschaftspolitik ohne Berücksichtigung der internationalen Lage machen, ist auf beiden Augen blind. Ein weiterer Themenblock der Herbsttagung befasste sich mit der Frage, wie die EU beziehungsweise ihre Mitgliedstaaten die steigenden Verteidigungsausgaben finanzieren können. Wie stehen die Parlamentarier, vor allem als Haushälter, zu den beträchtlichen neuen Ausgaben für Verteidigung? Wir haben bei dieser SWKS eine 180-Grad-Wende bei den nationalen Parlamenten gesehen. Nach jahrzehntelangen Blockaden von EU-Initiativen für eine gemeinsame Verteidigungspolitik gab es jetzt den starken Ruf nach mehr Gemeinsamkeit, Effizienz und einer wirklich gemeinsamen Bedrohungsabwehr. Es war wirklich erstaunlich. Als Haushälterin wäre ich glücklich, wenn Standardisierung und damit Effizienz endlich auch in den Rüstungsmarkt einziehen würden. Das muss und könnte jetzt anders werden. Die Erwartung ist, dass die Produktion billiger und besser wird, dass wir beim Thema Forschung in neue Systeme mithalten können und zu einer wirklichen Verteidigungsfähigkeit kommen. So wie bisher kann es nicht weiter gehen. Müssen wegen der anschwellenden Verteidigungsetats Ausgaben in anderen Bereichen gekürzt werden? Ohne Sicherheit ist alles nichts. Mir geht es vorrangig um mehr Effizienz. Der «Elefant im Raum» sind die 44 Prozent Sozialausgaben. Auch hier geht es um mehr Effizienz, um Lohnabstand des Bürgergelds, um zukunftsfeste Sozialsysteme. Also, es geht nicht um ein „Entweder-oder“, sondern um Strukturreformen und das Erreichen von Politikzielen. Haushaltskonsolidierung ist eine Chance, keine Bedrohung. Ich würde mir wünschen, dass unsere Sicherheit Priorität hat – und natürlich fehlten die Rufe aus nationalen Parlamenten nicht, dass keinesfalls die Strukturfonds gekürzt werden dürften. Priorisierung ist überall angezeigt. Sind Kommission und Mitgliedstaaten mit den verschiedenen Finanzinstrumenten auf dem richtigen Weg? Die Ausnahme von der Schuldenregel für nationale Verteidigung ist unbedingt richtig, aber eine strikte Überwachung auf europäischer Ebene auch. Jetzt wird gestritten, wie der neue Verteidigungsfonds verwaltet werden soll. Ich wäre für eine nationale Verwaltung unter EU-Überwachung. Außerdem muss ein Verfahren her für Mitgliedstaaten wie etwa Frankreich, wo gar keine Haushaltskonsolidierung politisch durchsetzbar scheint. Welche Aktion sollen die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank ergreifen? Wir sind an einem entscheidenden Punkt in der Eurozone angelangt, und unsere Verteidigungsfähigkeit hat damit direkt zu tun. Deutschland muss jedenfalls den Stabilitäts- und Wachstumspakts einhalten und darauf beharren, dass dies alle tun. Ist es nicht wenig nachhaltig, die neuen Verteidigungsausgaben über Kredite zu finanzieren? Konterkariert ein solches Vorgehen nicht die Fiskalregeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes? Kriegszeiten sind die Zeit der Prioritäten. Unsere Verteidigungsfähigkeit muss an erster Stelle stehen mit der klaren Erwartung einer deutlich höheren Effizienz als bisher. Das ist kein Freibrief für den gesamten Staatshaushalt und darf auch keiner sein. Auch im nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) werden Verteidigungsausgaben eine größere Rolle spielen. Sollten EU und Mitgliedstaaten nach einer Überführung der zusätzlichen finanziellen Verteidigungslasten in reguläre Haushalte, also den MFR, den Bundeshaushalt, schnell wieder auf den finanzpolitischen Pfad der Tugend zurückkehren? Unbedingt. Ja. Auf jeden Fall. Übrigens ist das kein «finanzpolitischer Pfad der Tugend», so ein „nice to have“, sondern eine Überlebensfrage für unser Land und die Eurozone, ein Akt der Fairness für die junge Generation und ein Zeichen der Leistungsfähigkeit unserer Demokratie. (ll/06.10.2025)
Kategorien: Nachrichten der Bundesorgane
Parlament berät über neues Wehrdienstmodell
Die Bundesregierung will die gesetzlichen Grundlagen für einen „neuen attraktiven Wehrdienst“ schaffen. Ihr dazu vorgelegter Gesetzentwurf „zur Modernisierung des Wehrdienstes“ (Wehrdienst-Modernisierungsgesetz, 21/1853) steht am Donnerstag, 9. Oktober 2025, auf der Tagesordnung des Bundestages. Eine Stunde ist für die erste Lesung eingeplant. Im Anschluss soll der Gesetzentwurf an die Ausschüsse überwiesen werden. Bei den weiteren Beratungen soll der Verteidigungsausschuss die Federführung übernehmen. Gesetzentwurf der Bundesregierung Da sich die sicherheitspolitische Bedrohungslage in den letzten Jahren signifikant verschärft hat, ist es aus Sicht der Bundesregierung wichtig, die Streitkräfte der Bundeswehr auf die Nato-Fähigkeitsziele strukturell, materiell aber auch personell anzupassen. Mit dem Koalitionsvertrag habe sich die Bundesregierung auf die Einführung eines neuen attraktiven Wehrdienstes geeinigt, der sich am schwedischen Wehrdienstmodell orientiert und zunächst auf Freiwilligkeit setzt. Ziel des neuen Wehrdienstes sei es, einen Beitrag zur Stärkung der Reserve der Bundeswehr und der aktiven Truppe zu leisten. Neuer Wehrdienst bleibt vorerst freiwillig Bei dem Neuen Wehrdienst soll „so lange wie möglich“ auf Freiwilligkeit gesetzt werden. Sollte sich die sicherheitspolitische Lage verschärfen oder die Möglichkeiten zur freiwilligen Bedarfsdeckung erschöpft sein, soll die Bundesregierung „durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundestages“ die verpflichtende Einberufung zum Wehrdienst beschließen können. Die Wehrerfassung und die Wehrüberwachung sollen reaktiviert und gleichzeitig modernisiert sowie digitalisiert werden, damit die Bundeswehr erfassen kann, wer in einem Spannungs- und Verteidigungsfall mit welchen Qualifikationen zur Verfügung steht und wo und wie zu erreichen ist. Musterungen ab 1. Juli 2027 Mit einem verpflichtenden Online-Fragebogen sollen nach den Vorstellungen der Bundesregierung alle 18-jährigen männlichen Deutschen mit Inkrafttreten des Gesetzes aufgefordert werden, zu erklären, ob sie sich freiwillig für einen Wehrdienst zur Verfügung stellen. Außerdem seien persönliche Daten und Qualifikationen mitzuteilen. Ab dem 1. Juli 2027 sollen alle Männer vom Geburtsjahrgang 2008 an verpflichtend gemustert werden. Durch den Neuen Wehrdienst sollen vermehrt Personen im Rahmen eines einheitlichen Dienstrechts als Soldatinnen auf Zeit oder Soldaten auf Zeit (SaZ) nach dem Soldatengesetz gewonnen werden. Die Attraktivität des neuen Wehrdienstes werde durch zusätzliche Leistungen in den Bereichen der Fahrerlaubnis, der Berufsförderung und der Dienstzeitversorgung gesteigert, heißt es. (hau/30.09.2025)
Kategorien: Nachrichten der Bundesorgane
Lisa Paus: Deutschland wird jetzt mehr Schulden aufnehmen
„Diese Bundesregierung wird die größten Schulden aufnehmen, die wir in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gesehen haben“, sagt Lisa Paus (Video), amtierende Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestages, am Freitag, 26. September, im Interview. Zuvor hatte der Finanzminister den Haushalt 2026 dem Parlament vorgelegt. Paus erläutert, wie es nach der ersten Beratung im Haushaltsausschuss weitergeht und wie es um die Wirtschaftskraft im Verhältnis zum Schuldenstand bestellt ist.
Kategorien: Nachrichten der Bundesorgane
Haushaltsentwurf 2026 an den Haushaltsausschuss überwiesen
Den Abschluss der Beratungen des Haushaltsentwurfs der Bundesregierung bildete die sogenannte Schlussrunde zum Haushaltsgesetz 2026 (21/600) am Freitag, 26. September 2025, die einen Rückblick auf die in der Haushaltswoche stattgefundenen Beratungen bot. Nach der 90-minütigen Debatte wurde der Gesetzentwurf mit sämtlichen Einzelplänen und dem Finanzplan 2025 bis 2029 (21/601) zur weiteren Beratung an den Haushaltsausschuss überwiesen. Minister: Der Status quo ist unser Gegner Eröffnet wurde die Debatte von Finanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD). Er ging dabei auf die geplanten Rekordinvestitionen ein, die nun „transparent und schnell ins Land“ zu bringen seien. Dafür kündigte er ein baldiges Infrastrukturbeschleunigungsgesetz an, mit dem Investitionsprojekte als überragendes öffentliches Interesse definiert werden sollen. Dass Deutschland das könne, beweise beispielsweise, dass es gelungen sei, innerhalb von zwölf Monaten eine Munitionsfabrik zu bauen. „Wir müssen mehr wollen“, forderte Klingbeil angesichts „geoökonomischer Umbrüche“. Der Finanzminister sagte: „Der Status quo ist unser Gegner.“ Er sprach von Reformen, Bürokratieabbau und davon, den Sozialstaat effizienter zu machen. Außerdem wies er abermals auf die anstehende „Mammutaufgabe“ mit Blick auf den Haushalt 2027 hin, in dem sich schon jetzt eine Finanzlücke von rund 30 Milliarden Euro abzeichnet. Nötig seien weitere Reformen, forderte Klingbeil und sagte: „Ich weiß gar nicht, wann Politik den Mut verloren hat, den Menschen etwas zuzumuten.“ AfD: Der Staat muss restrukturiert werden Die bestehende Wirtschaftskrise thematisierte auch Dr. Michael Espendiller, der für die AfD-Fraktion sprach. Er wies auf den Stellenabbau beim Automobilzulieferer Bosch hin. Dieser plant, 13.000 Stellen in Deutschland zu streichen. „Die Krise in der Auto- und Zulieferindustrie spitzt sich weiter zu“, warnte Espendiller. Es handele sich um eine Standortkrise des Wirtschaftsstandorts Deutschland, mahnte er. „Sie haben alle den Gong einfach noch nicht gehört“, warf Espendiller den anderen Fraktionen vor. „Wir sind mit Deutschland in der genau gleichen Situation wie Bosch.“ Der Staat müsse regelrecht restrukturiert werden. Espendiller kritisierte, dass der angekündigte Herbst der Reformen „einfach abgesagt“ worden sei. CDU/CSU: Finanzhilfen wieder zurückführen Dr. Yannick Bury verwies für die CDU/CSU-Fraktion darauf, dass der Haushaltsentwurf 2026 eine Stärkung der inneren und äußeren Sicherheit beinhalte. Das Innenministerium erhalte 800 Millionen Euro mehr, die Bundeswehr 20 Milliarden Euro mehr. Zusätzlich werde es Entlastungen geben, etwa für Arbeitnehmer mit einer höheren Pendlerpauschale oder für arbeitende Rentner mit der Aktivrente. „All das braucht dieses Land jetzt“, sagte Bury. Deutschland erlebe nicht nur eine konjunkturelle, sondern eine strukturelle Wachstumsschwäche. Die Lage am Arbeitsmarkt sei angespannt. Deshalb forderte er, den Standort „wieder wettbewerbsfähig“ zu machen. Das betreffe die Kosten. „Richtig ist, dass der Status quo in den sozialen Systemen unser Gegner ist.“ Es sei ferner an der Zeit, die in den vergangenen Jahren „rasant“ gestiegenen Finanzhilfen wieder zurückzuführen. Schließlich hätten die Verschuldungsmöglichkeiten Deutschlands „ökonomische Grenzen“. Grüne fordern "Stromsteuersenkung für alle" Für Jamila Schäfer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen steckt aber noch „zu viel Status quo in diesem Haushalt“. Sie plädierte unter anderem für Investitionsprämien in erneuerbare Energien und mehr Investitionen in Bildung. Außerdem könne ein größerer Ansatz für humanitäre Hilfe als im Haushaltsentwurf der Bundesregierung veranschlagt zu mehr Stabilität in der Welt beitragen, befand sie. Ferner verlangte sie mehr Mittel für den Klimaschutz. „Wir fordern das nicht, weil es unser privates Hobby ist, sondern weil es notwendig ist.“ Die Erderwärmung sei wissenschaftlich belegt. „In diesem Jahrzehnt entscheidet sich, ob wir ökologische Kipppunkte erreichen“, warnte Schäfer. Drei Grad an Erderwärmung bis 2050 seien denkbar. Schäfer forderte ein bezahlbares Deutschlandticket, einen Zukunftsplan für die Bahn und günstigere Strompreise, etwa über „eine Stromsteuersenkung für alle“, damit sich jeder saubere Energie leisten könne. Im Haushaltsentwurf der Regierung seien Wärmenetze, die Schiene und die Klimaanpassung der Kommunen dagegen unterfinanziert. Linke für eine höhere Erbschaftsteuer Für die Fraktion Die Linke kritisierte Dr. Dietmar Bartsch den Zustand der Koalition: „Sie scheitern an den irdischen Dingen, und der Verteidigungsminister kündigt an, 35 Milliarden Euro ins All zu schießen. Ihre Politik ist nicht von dieser Welt. Ihr Wachstum ist ein Phantasiegebilde.“ 600 Milliarden Euro wolle die Koalition bis 2029 in die Bundeswehr investieren. Das prognostizierte Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent sei deshalb lediglich ein „Wachstum der Rüstungskonzerne“. Bartsch sprach von einer „schweren Wirtschaftskrise“, deren Ursachen die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) benannt habe: Handelskonflikte, hohe Energiepreise, geostrategische Probleme. „Der Sozialstaat ist kein Grund“, erklärte Bartsch. Er warnte davor, das Renteneintrittsalter zu erhöhen: „Aus dem Herbst der Reformen würde ein Winter der Rentenkürzung.“ Stattdessen plädierte er dafür, die Erbschaftsteuer zu erhöhen. SPD rügt AfD-Pläne zur Kürzung von Fördermitteln Dr. Thorsten Rudolph knöpfte sich für die SPD-Fraktion die Einsparvorschläge der AfD-Fraktion vor. Diese wolle bei den Medien sparen, etwa der Deutschen Welle. „Man kann der AfD nicht vorwerfen, dass das Ziel ihrer Angriffe nicht klar ist.“ Auch bei Projekten der Kirchen oder der Deutsch-Israelischen Gesellschaft sowie Geldern für Feuerwehrverbände oder Jugendorganisationen wolle die AfD streichen. „Wer so kürzt, greift mitten ins Herz unseres gesellschaftlichen Miteinanders“, befand Rudolph und stellte die Frage: „Wen mag die AfD noch weniger als die Kirchen und die Zivilgesellschaft? Antwort: das Handwerk und den Mittelstand.“ Der Sozialdemokrat zählte daraufhin AfD-Kürzungspläne von Fördermitteln in diesem Bereich auf. Die AfD ziele so auf die Unternehmen, die Deutschland am Laufen hielten. Auch beim Zukunftsprogramm für die Automobilindustrie wolle die AfD sparen. „Die AfD nimmt das Ende einer Schlüsselindustrie in Deutschland billigend in Kauf“, erklärte Rudolph. Er verwies ferner auf AfD-Kürzungsvorschläge bei den Bezügen von Soldaten und beim Bundesnachrichtendienst sowie auf die Abwicklung des Klimaschutzes. Die Haushaltspolitik der AfD bedeute folglich „wirtschaftliche Lähmung, gesellschaftliche Verarmung und internationale Isolierung“. Ausgaben in Höhe von 520,5 Milliarden Euro geplant Der Entwurf der Bundesregierung sieht für 2026 Ausgaben in Höhe von 520,5 Milliarden Euro vor. Im Jahr 2025 stehen 502,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Als Investitionen sind 56,1 Milliarden Euro ausgewiesen (2025: 62,7 Milliarden Euro). Als Verpflichtungsermächtigungen für die kommenden Haushaltsjahre sind Mittel in Höhe von insgesamt 430,0 Milliarden Euro eingeplant. 48,0 Milliarden Euro davon sollen 2027 fällig werden. Den Gesamtausgaben stehen Einnahmen in gleicher Höhe gegenüber. Davon entfallen laut Planung 384,0 Milliarden Euro auf Steuereinnahmen (2025: 386,0 Milliarden Euro) und 23,0 Milliarden Euro auf Verwaltungseinnahmen (2025: 27,0 Milliarden Euro). Die Nettokreditaufnahme liegt mit 89,9 Milliarden Euro über dem Vorjahresniveau von 81,8 Milliarden Euro. Die zulässige Kreditaufnahme nach dem Grundgesetz beträgt laut Entwurf 35,6 Milliarden Euro und wird annähernd vollständig in Anspruch genommen. Weitere 97,4 Milliarden Euro Neuverschuldung werden mit der Bereichsausnahme in Artikel 115 Absatz 2 Satz 4 Grundgesetz begründet. Demnach werden bestimmte Ausgaben im Sicherheits- und vor allem im Verteidigungsbereich, die ein Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts des vorangegangenen Jahres überschreiten, von der Schuldenregel des Grundgesetzes ausgenommen. (bal/hau/26.09.2025)
Kategorien: Nachrichten der Bundesorgane
Ministerin Reiche fordert mehr Tempo bei Wirtschaftsreformen
Der Bundestag hat sich am Freitag, 26. September 2025, in erster Lesung gut eineinhalb Stunden lang mit dem Etatentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE) beschäftigt. Der Einzelplan 09 des Bundeshaushalts 2026 (21/600) umfasst Ausgaben von 7,97 Milliarden Euro – eine Milliarde Euro weniger als 2025 (8,99 Milliarden Euro). Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) kann von Einnahmen in Höhe von 894 Millionen Euro ausgehen – nach 1,56 Milliarden Euro im laufenden Jahr. Der Regierungsentwurf spiegelt noch nicht vollständig die neuen Zuschnitte und Zuständigkeiten innerhalb der Bundesregierung wider. Der Einzelplan 09 soll nach den bis Freitag, 26. September 2025, andauernden Beratungen sämtlicher Einzelpläne des Bundes an den Haushaltsausschuss überwiesen werden. Ministerin: Wir haben keine Zeit zu verlieren In der Debatte erneuerte Katherina Reiche ihre Forderungen nach mehr Tempo bei der Umsetzung von Wirtschaftsreformen. „Wir haben keine Zeit zu verlieren, Deutschland voranzubringen“, sagte sie. Am Vortag hatten die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute ähnliche Töne angeschlagen: Die deutsche Wirtschaft stehe auf "wackeligen Beinen", lautete das einhellige Urteil bei der Vorstellung ihrer Konjunkturprognose für das laufende Jahr, die Experten forderten grundlegende Strukturreformen und Tempo bei der Umsetzung. "Bausteine für eine resiliente Volkswirtschaft" Die Ministerin schloss sich der Kritik der Wirtschaftsverbände an und nannte die Senkung der Energiepreise, den Ausbau einer zukunftsfähigen Energieinfrastruktur sowie die gezielte Förderung von Innovationen im Mittelstand "zentrale Bausteine für eine moderne, resiliente Volkswirtschaft". Sie verwies auf Ausgaben von rund 65 Milliarden Euro, die für das BMWE im Haushalt 2026 vorgesehen seien. Dabei entfielen acht Milliarden Euro auf den Einzelplan 09 des Ministeriums, etwa 29 Milliarden Euro auf den Klima- und Transformationsfonds (KTF) und sieben Milliarden Euro auf das Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität (SVIK). Weitere 20,5 Milliarden Euro stammten aus dem Einzelplan 60 (Allgemeine Finanzverwaltung), unter anderem zur Strompreisentlastung durch Finanzierung der Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). AfD: Wirtschaftsstandort wurde zugrunde gerichtet Leif-Erik Holm (AfD) kritisierte die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung. Der Bundeskanzler habe Änderungen versprochen, doch „es wurde Sommer, und auch im Herbst ist zu wenig passiert“. Seit Monaten gingen Arbeitsplätze in der Industrie und im Mittelstand verloren. Der Wirtschaftsstandort Deutschland sei „zugrunde gerichtet worden“. Linke: Das deutsche Wirtschaftsmodell funktioniert nicht mehr Für Janine Wissler (Die Linke) „funktioniert das deutsche Wirtschaftsmodell nicht mehr“, doch die Bundesregierung halte weiter an einer exportorientierten Wirtschaft fest. Zudem hätten sich CDU und SPD über Jahrzehnte „auf die Lieferungen billigen Gases aus Russland verlassen“. Wissler forderte eine „Wirtschaftswende, aber nicht die Fortsetzung dessen, was seit Jahrzehnten betrieben wird“. CDU/CSU warnt vor Voodoo-Ökonomie und Sozialismus Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU) warnte vor „Voodoo-Ökonomie und sozialistischen Ideen“, das habe immer in „Katastrophen“ geendet. Er verwies auf die Forderungen der Wirtschaftsinstitute, die Strukturreformen angemahnt hätten. „Wir setzen das nun um“, sagte Lenz und hob die Abschaffung der Gasspeicherumlage und die geplante Einführung eines Industriestrompreises hervor. SPD: Schwerpunkt auf Förderung von Industrie und Mittelstand Auch Frank Junge (SPD) verwies auf die ersten Maßnahmen, die von der Bundesregierung auf den Weg gebracht worden seien. Außerdem liege der Schwerpunkt des Wirtschaftsetats auf Förderungen von Unternehmen aus der Industrie und dem Mittelstand. Grüne: Es passiert zu wenig Dagegen sagte Katrin Uhlig (Bündnis 90/Die Grünen): „Es wird viel angekündigt, doch passiert zu wenig“. Für Vorhaben wie den Industriepreis und den Bau neuer Gaskraftwerke fehlten im Haushalt die Gelder. Die Schwerpunkte des Einzelplans 09 Schwerpunkt der Ausgaben des Einzelplans 09 sind Fördermittel. Im Jahr 2026 sollen in den vier Förderkapiteln des Einzelplans 09 (Kapitel 0901 bis 0904) insgesamt 6,1 Milliarden Euro für diese Zwecke veranschlagt werden. Dies entspricht rund 77 Prozent der geplanten Ausgaben des Etats von Bundesministerin Katherina Reiche. Der Großteil der Gesamtausgaben entfällt mit vier Milliarden Euro (2025: 4,4 Milliarden Euro) auf den Bereich "Innovation, Technologie und Neue Mobilität", davon enthält die Förderung der Luft- und Raumfahrt 2,1 Milliarden Euro (2025: 2,3 Milliarden Euro). Zentrales Innovationsprogramm Das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) für Geschäftsmodelle ist mit 558 Millionen Euro (2025: 519, 3 Millionen Euro) aufgeführt. Die Entwicklung von IPCEI Cloud und Datenverarbeitung soll mit 263,3 Millionen Euro gefördert werden (2025: 189,1 Millionen Euro). Für die Industrieforschung für Unternehmen sollen 246 Millionen Euro (2025: 253,1 Millionen Euro) ausgegeben werden. Das Zukunftsinvestitionsprogramm für Fahrzeughersteller und Zulieferindustrie soll 162,9 Millionen Euro (2025: 227,5 Millionen Euro) erhalten, und für den Zukunftsfonds Automobilindustrie sind 101,9 Millionen Euro (2025: 70,8 Millionen Euro) vorgesehen. Im maritimen Bereich liegen die Schwerpunkte der Förderung auf maritimen Technologien, wofür 52,8 Millionen Euro (2025: 62,3 Millionen Euro) vorgesehen sind, sowie auf innovativem Schiffbau mit 23,6 Millionen Euro (2025: 32 Millionen Euro). Mittelstandsförderung und Energie Die Förderung "Mittelstand: Gründen, Wachsen, Investieren" umfasst Ausgaben von 1,1 Milliarden Euro und bleibt damit nahezu auf dem Vorjahresniveau. Den größten Anteil macht mit 640,0 Millionen Euro (2025: 649,3 Millionen Euro) die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW) aus. Für Unternehmensgründungen sind 175 Millionen Euro (2025: 176 Millionen Euro) eingeplant, und die Fachkräfteausbildung und -sicherung soll 145 Millionen Euro (2025: 133 Millionen Euro) erhalten. Die Ausgaben für "Energie und Nachhaltigkeit" sind mit 537,1 Millionen Euro fast um die Hälfte gekürzt worden (2025: 1,1 Milliarden Euro). Der größte Posten umfasst mit 224,8 Millionen Euro (2025: 180 Millionen Euro) das Anpassungsgeld für Arbeitnehmer des Braunkohletagebaus und der Steinkohleanlagen sowie Zuwendungen von 152,2 Millionen (2025: 158,1 Millionen Euro) für die Wismut GmbH zur Sanierung und Rekultivierung der Hinterlassenschaften des Uranbergbaus. Außenwirtschafts- und Tourismusförderung Für die Außenwirtschaftsförderung und die internationale Zusammenarbeit stehen 442,4 Millionen Euro (2025: 439,6 Millionen Euro) bereit. Das Netzwerk deutscher Auslandshandelskammern und die German Trade and Invest (GTAI) sollen 108,5 Millionen Euro (2025: 104 Millionen Euro) erhalten. Für die Deutsche Zentrale für Tourismus sind wie im Vorjahr 40,6 Millionen Euro eingeplant. (nki/scr/hau/26.09.2025)
Kategorien: Nachrichten der Bundesorgane
Diskussion über Reformen bei Debatte zum Arbeits- und Sozialetat
Erst am Ende der Haushaltswoche, am Freitag, 26. September 2025, hat sich der Bundestag eingehend mit jenem Einzelplan im Haushaltsgesetzes 2026 (21/600) beschäftigt, der auch jenseits des Kreises der zuständigen Fachpolitiker für heftige Debatten sorgte: jenem des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Wie wichtig dieser Etat und die Debatte darum ist, zeigte sich auch daran, dass Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) seiner Ministerin demonstrativ von der Regierungsbank aus den Rücken stärkte und Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) ihn demonstrativ begrüßte, um ein Zeichen der Einigkeit zu setzen und „Legendenbildung“ vorzubeugen, so Bas. Ausgabenstärkster Einzeletat des Bundeshaushalts Der Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) bleibt auch 2026 der ausgabenstärkste Einzeletat des Bundeshaushalts und steigt kräftig im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Laut Haushaltsentwurf 2026 soll Bundesarbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) im kommenden Jahr 197,4 Milliarden Euro ausgeben können. Damit würde der Etat deutlich gegenüber 2025 (190,30 Milliarden Euro) steigen, nämlich um 7,1 Milliarden Euro. Diese Summe resultiert fast komplett aus steigenden Rentenzuschüssen. Die Diskussion über die Ausgaben des Bundes für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik hatte sich in den vergangenen Monaten im Wesentlichen auf mögliche oder unmögliche Einsparungen beim Bürgergeld und die Kostenexplosionen im Rentensystem konzentriert. Das war auch in dieser Debatte nicht anders. Der Einzelplan 11 soll nach den bis Freitag, 26. September 2025, andauernden Beratungen sämtlicher Einzelpläne des Bundes an den Haushaltsausschuss überwiesen werden. Regierung: Die Legendenbildung kann aufhören Bärbel Bas war es wichtig, die Einigkeit innerhalb der Bundesregierung bei der Reform des Sozialstaats zu betonen. Es gebe überhaupt keinen Dissens in der Frage, dass es eine Mitwirkung in der Grundsicherung geben müsse. „Die, die nicht mitmachen, müssen das auch merken“, sagte sie. Das Bürgergeld sei mittlerweile zu einem „Symbol dafür geworden, ob dieser Staat noch funktioniert“, und das sei auch „merkwürdig“, denn es werde in der Debatte so getan, als gäbe es „kein anderes Problem auf der Welt als die Grundsicherung. Und es ist auch kein Almosen, wenn wir das Rentenniveau bei 48 Prozent stabilisieren.“ Bas weiter: „Die Legendenbildungen können nun aufhören, wir machen das zusammen.“ In Zeiten, in denen der Autozulieferer Bosch ankündigt, 13.000 Stellen abbauen zu wollen, sei es wichtig, Menschen in Arbeit zu halten und zu bringen. Das gehe nicht ohne einen starken Sozialstaat und moderne Arbeitsmarktpolitik, bekräftigte Bas. AfD: Sie verschleiern, statt zu sparen Das große Motto des Haushalts des BMAS sei „Verschleierung“ entgegnete Ulrike Schielke-Ziesing (AfD) der Ministerin. So würden auf dem Papier zwar 1,5 Milliarden Euro beim Bürgergeld eingespart, mit Verweisen auf den Jobturbo oder den Rechtskreiswechsel von neu ankommenden ukrainischen Flüchtlingen in den Bereich des Asylbewerberleistungsgesetzes. „Aber diese Einsparungen sind ein Nullsummenspiel, denn die Kosten ploppen bei den Kommunen wieder auf“, die dafür wiederum vom Bund Mittel erhalten sollten. Sie warf der Bundesregierung ferner vor, die Nachhaltigkeitsrücklage der Rentenkasse zu plündern, „um sich Zeit zu kaufen. Und dann? Wieso sind Sie angesichts dieser Lage so ruhig?“, fragte sie in Richtung Regierungsbank. CDU/CSU: Niemand will die Soziale Marktwirtschaft demontieren Für die Unionsfraktion trat Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU) ans Rednerpult, einer derjenigen Unionspolitiker, die sich in der Sozialstaatsdebatte am lautesten profilieren. Aber auch ihm ging es vordergründig darum, die Einigkeit der Bundesregierung zu betonen. Dazu bediente er sich eines Satzes von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD), der in dieser Haushaltswoche den „bedeutungsvollen Satz“ gesagt habe: „Der Status quo ist unser Gegner.“ Linnemann griff das auf, um zu erklären: „Wir brauchen spürbare Veränderungen, die am Ende zum Guten führen.“ Dazu gehöre mitnichten eine Demontage der Sozialen Marktwirtschaft, denn „nur sie wird uns aus der Krise rausholen“. Missbrauch und Schwarzarbeit müssten mehr als bisher sanktioniert werden, so Linnemann, aber das habe die Arbeitsministerin ja „bereits auf den Punkt“ gebracht. Grüne: Geld für die Boomer aber nicht für die Jungen Leon Eckert (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte einen Überbietungswettbewerb bei möglichen Einsparungen im Bürgergeld und fragte, „wozu führt das?“ Der Rechtskreiswechsel für ukrainische Flüchtlinge lese sich zwar wie eine Einsparung, sei es aber tatsächlich nicht. Deutlich kritisierte er auch die geplante Aktivrente, eine Steuerbefreiung auf Einkommen bis 2.000 Euro, das neben der Rente erzielt wird. „Das ist ein Steuergeschenk für Menschen in gut bezahlten Bürojobs, die jetzt in Rente gehen. Für junge Menschen werden dagegen nur Krümel organisiert, in Form eines 10-Euro-Zuschusses für die Frühstart-Rente“, ärgerte sich Eckert. Linke: Arme Menschen sind der Regierung egal Tamara Mazzi (Die Linke) erklärte, der Haushalt 2026 lasse sich auf einen Satz reduzieren: „Dieser Regierung sind arme Menschen egal.“ Um diese Botschaft zu verstärken, hielt sie ein Blatt Papier ins Plenum, auf dem nur dieser eine Satz stand. Mazzi kritisierte die Sozialstaatsdebatte als unsäglich, denn: „Wir stehen bei den prozentualen Ausgaben genau dort, wo wir 2015 schon waren. Wir können uns den Sozialstaat leisten. Diese Regierung will es aber nicht!“ Das Geld fehle, „weil Sie die Kassen von Rheinmetall füllen“, so Mazzi, die unter anderem eine Vermögensteuer und einen bundesweiten Mietendeckel forderte. SPD: Die beste Reform ist Arbeitsvermittlung Kathrin Michel (SPD) betonte, daran anschließend: „Wir brauchen ein Gesamtkonzept. Wir müssen nicht nur an die Ausgaben ran, sondern auch die Einnahmen weiterentwickeln.“ 197 Milliarden Euro für den Sozialetat sei sehr viel Geld, „aber entscheidend ist, werden die Mittel so ausgegeben, dass sie den Schwachen helfen und gleichzeitig Strukturen modernisieren? Wir brauchen den Mut für neue Konzepte“, forderte Michel. Die beste Reform der Grundsicherung sei es jedoch, Menschen in Arbeit zu bringen. Rentenversicherung und Grundsicherung im Alter Der Löwenanteil im Einzelplan 11 entfällt dabei wie immer auf die Rentenversicherung und die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Dafür sieht der Entwurf insgesamt 140,23 Milliarden Euro vor (2025: 134,39 Milliarden Euro). Darin enthalten sind die Leistungen an die Rentenversicherung mit 127,84 Milliarden Euro (2025: 122,5 Milliarden Euro). 64,36 Milliarden Euro (2025: 48,21 Milliarden Euro) gehen als Zuschuss an die allgemeine Rentenversicherung. Der zusätzliche Zuschuss des Bundes an die allgemeine Rentenversicherung beläuft sich auf 33,67 Milliarden Euro (2025: 32,1 Milliarden Euro). Die Beitragszahlungen für Kindererziehungszeiten steigen ebenfalls und summieren sich auf 19,67 Milliarden Euro (2025: 19,2 Milliarden Euro). Die Erstattungen des Bundes für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung schlagen mit 12,25 Milliarden Euro zu Buche (2025: 11,75 Milliarden Euro). Für die Grundsicherung für Arbeitsuchende will der Bund im kommenden Jahr 51,02 Milliarden Euro ausgeben (2025: 51,96 Milliarden Euro). Die Beteiligung des Bundes an den Kosten für Unterkunft liegt wie im Vorjahr bei 13 Milliarden Euro 2025. Kosten für das Bürgergeld sollen leicht sinken Leicht sinkende Ausgaben sind bei den Kosten für das Bürgergeld geplant: Im Entwurf vorgesehen sind 28,05 Milliarden Euro (2025: 29,6 Milliarden Euro). Die Leistungen für Eingliederung in Arbeit steigen und sollen 4,7 Milliarden Euro kosten (2025: 4,1 Milliarden Euro). Steigen werden auch die Darlehen und sonstigen Leistungen an die Bundesagentur für Arbeit – auf 3,8 Milliarden Euro (2025: 2,35 Milliarden Euro). Deutlich sinken sollen die Ausgaben für das Bundesteilhabegesetz zur Förderung der Inklusion von Menschen mit Behinderungen: Statt 135,45 Millionen Euro wie 2025 sind für 2026 nun 69,96 Millionen Euro eingeplant, was die Regierung mit der planmäßigen Absenkung des Ansatzes für Modellvorhaben zur Stärkung der Rehabilitation erklärt. (che/hau/26.09.2025)
Kategorien: Nachrichten der Bundesorgane
Forschungsetat wird um gut eine Milliarde Euro gekürzt
Dem Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt sollen im Jahr 2026 21,3 Milliarden Euro zur Verfügung stehen – mehr als eine Milliarde Euro weniger als in diesem Jahr (2025: 22,4 Milliarden Euro). Über das Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität und den Klima- und Transformationsfonds (KTF) sollen zusätzlich zum Einzelplan 30 Investitionen in Forschung, Technologie und Raumfahrt in Höhe von ebenfalls rund einer Milliarde Euro möglich sei. Das sieht der Haushaltsentwurf 2026 (21/600) vor, über den der Bundestag am Freitag, 26. September 2025, 90 Minuten lang in erster Lesung beraten hat. Bundesministerin Dorothee Bär (CSU) plant mit Einnahmen in Höhe von 51,2 Millionen Euro – ebenso wie auch im Vorjahr. Der Einzelplan 30 soll – wie sämtliche Einzelpläne des Bundes – an den Haushaltsausschuss überwiesen werden. Bär: "Made in Germany“ braucht alten Glanz Ministerin Bär (CSU) nutzte die Rede zur Einbringung des Einzelplans ihres Hauses, um die Bedeutung der Hightech-Agenda zu unterstreichen: „Eine noch klarere Handschrift als die Hightech-Agenda kann es nicht geben“, sagte sie. Damit habe die Bundesregierung definiert, in welche Schlüsseltechnologien sie investieren werde. Neben der Künstlichen Intelligenz sind dies Quantentechnologien, Mikroelektronik, Biotechnologie, Fusion und klimaneutrale Energieerzeugung sowie Technologien für die klimaneutrale Mobilität. Das Ziel sei, dass „Made in Germany“ seinen alten Glanz zurückbekomme. Ein besonderes Anliegen der Ministerin ist der Fokus auf die Gesundheits- und insbesondere die Frauengesundheitsforschung. Dies werde auch Schwerpunkt des Wissenschaftsjahrs 2026. Ob bei der Menopause, Endometriose oder dem Gender Health Gap: weltweit befinde sich die Forschung bei der Frauengesundheit „in vielen Bereich noch in der Steinzeit“, so die Ministerin. AfD: Haushaltsentwurf ist teure PR-Maschine Für AfD-Abgeordnete Sergej Minich ist der Haushaltsentwurf „kein Zukunftsprogramm, sondern eine teure PR-Maschine“. Die Regierung mache Schulden auf Pump und gebe sie als Zukunftsinvestitionen aus. Es fehle an Fokus, Effizienz und Prioritäten. Das Ministerium verteile Steuergelder mit der Gießkanne und hoffe, dass irgendwo eine Blume wachse. Minich betonte außerdem, dass die AfD sich für eine freie Wissenschaft einsetze – auch auf europäischer Ebene. Allerdings könne diese nur „ohne Quote, ohne Dogma und ohne Gängelung“ wirken. Es sei nicht die Aufgabe des Staates, sich überall einzumischen. SPD: Bafög ist keine Schuldenfalle, sondern Chance Mit dem Einzelplan 30 investiere Deutschland in Chancen und die eigene Zukunftsfähigkeit, sagte Svenja Schulze (SPD). Das Land sei angewiesen auf Ideen und Talente. Um keine jungen Talente zu verlieren, gebe es Unterstützungen wie Bafög, so Schulze. Doch beste Reformen nützten nichts, wenn die Betroffenen nichts davon wüssten. Junge Menschen müssten schnell erfahren, ob und wie viel Förderung sie erhalten. Schulze führte weiter aus, dass gerade beim Bafög viele Missverständnisse herrschen würden. Eines davon sei, dass nur Kinder aus den ärmsten Familien Anspruch hätten. Dies sei jedoch falsch, daher appellierte sie an die jungen Menschen: „Nutzt diese Chance, um ein Studium aufzunehmen“. Auch an dem Gerücht, dass Bafög in die Schuldenfalle führe, sei nichts dran. Grüne: Zuständigkeiten endlich klären Obwohl nun bereits der Haushalt für 2026 beraten werde, gebe es immer noch kein Organigramm des neuen Ministeriums. Außerdem herrsche weiterhin Unklarheit bei den Zuständigkeiten und Ansprechpartnern, kritisierte die Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen Dr. Paula Piechotta. Der Streit mit Wirtschaftsministerin Katherina Reiche um Aufgabenbereiche hemme die Arbeit des Ministeriums. Es sei dringend an der Zeit, dass das BMFTR „mit Substanz gefüllt wird“. Auch Piechotta thematisierte das Bafög. In vielen Städten liege die Wohnpauschale mittlerweile unter dem Durchschnittspreis eines WG-Zimmers. Eine Reform sei daher dringend geboten. Sie sei gespannt, ob die Koalition bei der angekündigten Bafög-Novelle ihr Wort halte. Im Haushaltsentwurf 2026 sehe sie jedenfalls keine neuen Anreize und Steigerungen bei dem Thema. Linke: Dauerstellen für Daueraufgaben Der derzeitige „Feldzug gegen die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit“ in den USA sei eine Mahnung für Deutschland, sagte Nicole Gohlke (Die Linke). Es sei jetzt geboten, das deutsche Wissenschaftssystem resilienter zu machen „gegen autoritäre und antidemokratische Übernahmeversuche von rechts“. Angriffe auf die Wissenschaftsfreiheit sind laut Gohlke „fatal, weil sie auf ein System treffen, bei dem bewusst über Jahrzehnte hinweg prekäre Beschäftigung forciert wurde“. In der Wissenschaft seien befristete Verträge immer noch die Regel. Ein solches System, das „auf Unsicherheit und Abhängigkeit“ beruhe, mache sich erpressbar. Daher forderte Gohlke bessere Arbeitsbedingungen und „Dauerstellen für Daueraufgaben“. Union: Deutliche Impulse für Wachstum und Souveränität Ronja Kemmer (CDU/CSU) betonte, dass Deutschland und Europa nun beweisen müssten, dass sie nicht den Anschluss an Länder wie China, die USA und Indien verlieren, die alle massiv investierten. Wer heute bei den Schlüsseltechnologien führend sei, der könne „morgen die Regeln für den globalen Markt mitbestimmen“, so Kemmer. Daher sei eine schnelle Umsetzung der Hightech-Agenda wichtig. Für eine stärkere Souveränität ist laut Kemmer auch der Fokus auf die Raumfahrt wichtig, denn sie gehöre zur kritischen Infrastruktur. Ohne Satelliten gebe es beispielsweise keine Navigation in Autos und kein verlässliches Netz im Krisenfall. Deutschland habe viele starke Player bei der Raumfahrtforschung, es sei nun an der Bundesregierung, verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen. 50 Millionen Euro für das „1.000-Köpfe-Programm“ Der Ausgabenschwerpunkt des Einzelplans liegt im Programmbereich „Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschafts- und Innovationssystems“ (Kapitel 3003). Mit 8,3 Milliarden Euro ist der Etat etwas höher als im Entwurf für das Jahr 2025 (8,1 Milliarden Euro). Davon entfallen beispielsweise 2,1 Milliarden Euro auf den Titel „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“ und 515 Millionen Euro auf die „Exzellenzstrategie zur Förderung von Spitzenforschung an Universitäten“. Für das im Koalitionsvertrag erwähnte „1.000-Köpfe-Programm“ sind 50 Millionen Euro veranschlagt. 8,2 Milliarden Euro für die Hightech-Agenda Deutschland Wie bereits im Vorjahr sind rund 8,2 Milliarden Euro für die Forschung für Innovationen und die Hightech-Agenda Deutschland vorgesehen. In diesem Bereich sind etwa die Zuschüsse an die Zentren der Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft (HGF-Zentren) in Höhe von 3,1 Milliarden Euro sowie an die Fraunhofer-Gesellschaft mit insgesamt 838 Millionen Euro veranschlagt. BAföG ist größter Ausgabeposten Für den Programmbereich „Leistungsfähigkeit des Bildungswesens, Nachwuchsförderung“ sind 4,5 Milliarden Euro etatisiert – rund 1,5 Milliarden Euro weniger als für 2025. Der größte Ausgabenposten ist hier mit 1,1 Milliarden Euro das Bafög für Studierende, hinzu kommen 507 Millionen Euro für das Bafög für Schülerinnen und Schüler. Weniger Geld ist für die Begabtenförderung eingeplant. Während sie 2025 bei rund 496 Millionen Euro liegt, sind für 2026 rund 342 Millionen Euro veranschlagt. Wegen des auslaufenden Digitalpaktes Schule ist deutlich weniger Geld (80 Millionen Euro) für die „Zuweisungen an die Länder zur Förderung von Investitionen in die digitale Infrastruktur für Schulen“ eingeplant. 2025 sind hierfür rund 1,6 Milliarden verbucht. Zusätzliche Investitionen über Sondervermögen Zusätzlich zu den Ausgaben des Einzelplans sind auch im Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität und im Klima- und Transformationsfonds (KTF) Investitionen im Bereich Forschung, Raumfahrt und Technologie geplant. Mit Blick auf die Hightech-Agenda sind für den strategischen Ausbau der Forschungs-Ökosysteme und den Aufbau von Infrastruktur rund 698 Millionen Euro im Sondervermögen etatisiert. 50 Millionen Euro sollen in die nationale Raumfahrtinfrastruktur investiert werden. Aus dem KTF sollen 227 Millionen für Batterieforschung fließen. (des/hau/25.09.2025)
Kategorien: Nachrichten der Bundesorgane