danke-sagen-unterstützen

Unveröffentlichte Gerichtsentscheidung hinzufügen: Mehr erfahren...

BVerfG, 28.02.1961 - 2 BvG 1,2/60

Daten
Fall: 
1. Rundfunkentscheidung
Fundstellen: 
BVerfGE 12, 205; BayVBl 1961, 114; JuS 1961, 163; MDR 1961, 385; NJW 1961, 547
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
28.02.1961
Aktenzeichen: 
2 BvG 1,2/60
Entscheidungstyp: 
Urteil

Leitsätze

1. Auch "Vertragsgesetze" zu Staatsverträgen zwischen den Ländern unterliegen der verfassungsgerichtlichen Prüfung im Normenkontrollverfahren.
2. Ein Organ des Bundes hat Landesrecht auch dann im Sinne von § 76 Nr. 2 BVerfGG "nicht angewendet", wenn es dieses Recht "nicht beachtet" hat.
3. a) Das Post- und Fernmeldewesen im Sinne von Art. 73 Nr. 7 GG umfaßt - wenn man vom Empfang der Rundfunksendungen absieht - nur den sendetechnischen Bereich des Rundfunks unter Ausschluß der sogenannten Studiotechnik.
b) Art. 73 Nr. 7 GG gibt dem Bund nicht die Befugnis, die Organisation der Veranstaltung und die der Veranstalter von Rundfunksendungen zu regeln.
4. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Fernmeldewesen (Art. 73 Nr. 7 GG) läßt auch Regelungen zu, die dem Bund das ausschließliche Recht vorbehalten, Funkanlagen für Zwecke des Rundfunks zu errichten und zu betreiben.
5. Nach der Systematik des Grundgesetzes bezeichnet die Gesetzgebungskompetenz des Bundes die äußerste Grenze für seine Verwaltungsbefugnisse. "Bundespost" in Art. 87 Abs. 1 GG kann daher nicht mehr umfassen als "Post- und Fernmeldewesen" in Art. 73 Nr. 7 GG.
6. Die Bundespost ist gehalten, bei Verleihungen zur Errichtung oder zum Betrieb von Rundfunksendeanlagen (§ 2 FAG) und beim Abschluß von Verträgen über die Benutzung solcher Anlagen ausschließlich sendetechnische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. "Auflagen", die diesen Bereich verlassen, sind unzulässig.
7. a) Die Veranstaltung von Rundfunksendungen ist nach der deutschen Rechtsentwicklung eine öffentliche Aufgabe. Wenn sich der Staat mit dieser Aufgabe in irgendeiner Form befaßt (auch dann, wenn er sich privatrechtlicher Formen bedient), wird sie zu einer "staatlichen Aufgabe" im Sinne von Art. 30 GG.
b) Die Veranstaltung von Rundfunksendungen durch den Bund kann nach Art. 30 in Verbindung mit Art. 83 ff. GG nicht damit gerechtfertigt werden, daß die Veranstaltung von Rundfunksendungen eine "überregionale" Aufgabe sei, oder daß das Grundgesetz die Veranstaltung solcher Sendungen durch den Bund zugelassen habe, die der nationalen Repräsentation nach innen und der Pflege "kontinuitätsbewahrender Tradition" dienen sollen. Der Bund hat hierfür keine Kompetenz aus der Natur der Sache.
8. a) Art. 30 GG gilt sowohl für die gesetzesakzessorische wie für die "gesetzesfreie" Erfüllung öffentlicher Aufgaben.
b) Der VIII. Abschnitt des Grundgesetzes trifft sowohl für die gesetzesakzessorische wie für die "gesetzesfreie" Verwaltung "andere Regelungen" im Sinne von Art. 30 GG.
9. Auch das procedere und der Stil der Verhandlungen, die zwischen dem Bund und seinen Gliedern und zwischen den Ländern im Verfassungsleben erforderlich werden, stehen unter dem Gebot bundesfreundlichen Verhaltens.
10. Art. 5 GG fordert Gesetze, durch die die Veranstalter von Rundfunkdarbietungen so organisiert werden, daß alle in Betracht kommenden Kräfte in ihren Organen Einfluß haben und im Gesamtprogramm zu Wort kommen können, und die für den Inhalt des Gesamtprogramms Leitgrundsätze verbindlich machen, die ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten.

Urteil

des Zweiten Senats vom 28. Februar 1961 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28., 29. und 30. November 1960
– 2 BvG 1, 2/60 –
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des § 3 des Staatsvertrags über den Norddeutschen Rundfunk vom 16. Februar 1955, Antragsteller: der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, vertreten durch den Präsidenten, Bevollmächtigter ..., und in dem Verfassungsrechtsstreit über die Frage, ob die Bundesregierung durch die Gründung der Deutschland-Fernsehen-GmbH am 25. Juli 1960 und durch sonstige Maßnahmen auf dem Gebiete des Fernsehens gegen Artikel 5 und gegen Artikel 30 in Verbindung mit Artikel 87 Absatz 3 GG sowie gegen die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten verstoßen hat, Antragsgegner: für die Bundesrepublik Deutschland die Bundesregierung, vertreten durch den Bundesminister des Innern, Bevollmächtigte..., weitere Beteiligte: für das Land Niedersachsen die Landesregierung, vertreten durch den Ministerpräsidenten, Bevollmächtigte..., für die Freie Hansestadt Bremen der Senat, vertreten durch den Präsidenten, Bevollmächtigter...
Entscheidungsformel:

1. Das hamburgische Gesetz, betreffend den Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk, vom 10. Juni 1955 (GVBl. I S. 197) ist, soweit es sich auf § 3 Absatz 1 des Staatsvertrages bezieht, mit Artikel 73 Nr. 7 des Grundgesetzes insoweit unvereinbar und daher nichtig, als § 3 Absatz 1 des Staatsvertrags dem Norddeutschen Rundfunk das ausschließliche Recht vorbehält, sendetechnische Anlagen des Hörrundfunks und des Fernsehrundfunks zu errichten und zu betreiben.
Im übrigen ist das Gesetz, soweit es sich auf § 3 Absatz 1 des Staatsvertrags bezieht, mit dem Grundgesetz vereinbar.
2. Der Bund hat durch die Gründung der Deutschland-Fernsehen-GmbH gegen Artikel 30 in Verbindung mit dem VIII. Abschnitt des Grundgesetzes sowie gegen den Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens und gegen Artikel 5 des Grundgesetzes verstoßen.

Gründe

A.

I.

1. Die Geschichte des Massenkommunikationsmittels "Rundfunk" beginnt in Deutschland mit der ersten Sendung der Berliner "Radio-Stunde AG" im Jahre 1923. Vorher war der Rundfunk nur Objekt technischer Experimente. Seine Entwicklung lag in den Händen der Deutschen Reichspost (DRP), die auch die Gründung regionaler Programmgesellschaften des privaten Rechts förderte. Aufgabe dieser Gesellschaften war die Herstellung von Rundfunkprogrammen, die mittels posteigener Anlagen aufgenommen und ausgestrahlt wurden.

2. a) Die rechtlichen Beziehungen zwischen Reichspost und Programmgesellschaften wurden erstmals im März 1926 einheitlich und umfassend geregelt, und zwar durch die den Programmgesellschaften von der Reichspost erteilten "Genehmigung(en) zur Benutzung von Funksendeanlagen der DRP für die Zwecke des Unterhaltungsrundfunks", die mit bestimmten "Bedingungen" verbunden waren (abgedruckt bei Schuster, Archiv für das Post- und Fernmeldewesen 1 (1949) S. 309 [315 f.]). Diese Regelung beruhte auf einem Kompromiß zwischen Reich und Ländern, das die Kompetenzfragen bewußt offenließ.

Nach diesen Bedingungen war die Beschaffung der Darbietungen Aufgabe der Programmgesellschaften. Bei der Gestaltung des Nachrichten- und Vortragsdienstes waren die Programmgesellschaften an besondere "Richtlinien" gebunden, die den Bedingungen beigefügt waren. Zur Überwachung der Sendungen in politischer Hinsicht wurde für jede Programmgesellschaft ein Überwachungsausschuß eingesetzt, dessen Mitglieder teils vom Reich, teils von den zuständigen Landesregierungen bestimmt wurden. Für kulturelle Fragen des Programms wurde ein Beirat bestellt, dessen Mitglieder von der zuständigen Landesregierung im Benehmen mit dem Reichsminister des Innern berufen wurden. Näheres über Tätigkeit und Befugnisse der Überwachungsausschüsse und der Beiräte ergab sich aus "Bestimmungen", die den Bedingungen ebenfalls beigefügt waren (vgl. RT III/1924 Drucks. Nr. 2776; Schuster a.a.O., S. 330 f.).

Die Errichtung der Sendeanlagen war Aufgabe der Reichspost. Über ihren Betrieb bestimmte § 4 Abs. 3 der Bedingungen, daß er "durch die DRP und die Sendegesellschaft in der Weise gemeinsam (erfolgt), daß die DRP den technischen Betrieb übernimmt, während die Sendegesellschaft für die Besprechung ... zu sorgen hat".

b) Die Programmgesellschaften waren - mit Ausnahme der bayerischen - in der Reichsrundfunkgesellschaft zusammengeschlossen, die eine Reihe wirtschaftlicher, organisatorischer und rechtlicher Aufgaben zentral erledigte. Im Februar 1926 wurden 51 vom Hundert der Geschäftsanteile der Reichsrundfunkgesellschaft auf die Reichspost übertragen. Damit beherrschte die Reichspost auch die einzelnen Programmgesellschaften, die sich vor Erteilung der "Genehmigung" verpflichtet hatten, 17 vom Hundert ihres Aktienkapitals auf die Reichsrundfunkgesellschaft zu übertragen. Diese Aktien gewährten mehrfaches Stimmrecht; die Reichspost verfügte damit über 53,3 vom Hundert aller Stimmen in den Programmgesellschaften. Die Interessen der Reichspost gegenüber der Reichsrundfunkgesellschaft und den Programmgesellschaften wurden ab Juni 1926 durch einen Rundfunkkommissar wahrgenommen (vgl. Bredow, Vier Jahre deutscher Rundfunk, 1927, S. 29 ff.; Pohle, Der Rundfunk als Instrument der Politik, 1955, S.42 ff.; Bausch, Der Rundfunk im politischen Kräftespiel der Weimarer Republik, 1956, S. 55 ff.).

3. Im Jahre 1932 wurde die Organisation des Rundfunks weitgehend umgestaltet und in Richtung auf einen "Staatsrundfunk" fortentwickelt. Die Grundsätze der Reform ergaben sich aus "Leitsätzen zur Neuregelung des Rundfunks" (vgl. Pohle a.a.O., S.124 f.), die wiederum das Ergebnis eines Kompromisses zwischen Reich und Ländern waren. Die noch in privater Hand befindlichen Anteile an der Reichsrundfunkgesellschaft und den Programmgesellschaften wurden auf Reich und Länder übertragen, der Aufgabenbereich der Reichsrundfunkgesellschaft erweitert und die Einwirkungsmöglichkeiten von Reich und Ländern auf die Programmgesellschaften verstärkt (zur Reform von 1932 vgl. Pohle a.a.O., S. 118 ff., und Bausch a.a.O. S. 85 ff.).

4. Im Jahre 1933 wurde der Rundfunk zu einem Instrument nationalsozialistischer Propaganda. Zuständig war der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda. Die technischen Angelegenheiten des Rundfunks verblieben der Reichspost.

II.

1. Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges wurde der Betrieb von Rundfunkanlagen durch deutsche Stellen zunächst verboten. Die beschlagnahmten Sender wurden von den Besatzungsmächten betrieben, die den Rundfunk nach und nach wieder in deutsche Hand gaben. Die westlichen Besatzungsmächte verfolgten das Ziel, jeglichen staatlichen Einfluß auf den Rundfunk auszuschalten. Durch Verordnungen der Militärregierungen oder durch Gesetze der Länder, auf deren Inhalt die Besatzungsmächte maßgeblich Einfluß nahmen, wurden in den drei westlichen Besatzungszonen Rundfunkanstalten des öffentlichen Rechts geschaffen. Sie erhielten das Recht der Selbstverwaltung und unterlagen zum Teil einer eng umrissenen Rechtsaufsicht. Die Grundsätze der Programmgestaltung sowie die Bestimmungen über ihre Aufgaben, Organisation und Wirtschaftsführung dienten dem Ziel, die Unabhängigkeit der Anstalten vom Staat und ihre politische Neutralität zu sichern. Gleiches gilt für die später ohne Einwirkung der Besatzungsmächte durch Gesetze oder Staatsverträge errichteten Rundfunkanstalten.

Um die Rundfunkanstalten von der Post völlig unabhängig zu machen, übereigneten die Besatzungsmächte den neugeschaffenen Rundfunkanstalten das gesamte Rundfunkvermögen der Reichspost und der Reichsrundfunkgesellschaft. Die Rundfunkanstalten wurden Eigentümer aller Studio- und Sendeeinrichtungen. Die Befugnisse der Post wurden erheblich eingeschränkt. Programmgestaltung sowie Studio- und Sendetechnik waren Sache der Rundfunkanstalten. Das ist auch heute noch der Fall.

2. Zur Zeit bestehen in der Bundesrepublik Deutschland neun Rundfunkanstalten des öffentlichen Rechts. Die Anstalten in der ehemaligen amerikanischen Besatzungszone (Bayerischer, Hessischer und Süddeutscher Rundfunk, Radio Bremen) sind durch Landesgesetze errichtet worden, die der ehemaligen französischen und britischen Besatzungszone (Südwestfunk, Nordwestdeutscher Rundfunk) durch Verordnungen der Militärregierung. Die besatzungsrechtliche Grundlage des Südwestfunks wurde im Jahre 1952 im wesentlichen durch einen von den Ländern Baden, Rheinland-Pfalz und Württemberg- Hohenzollern abgeschlossenen Staatsvertrag ersetzt. Der Nordwestdeutsche Rundfunk wurde im Jahre 1955 aufgelöst. An seine Stelle trat in Nordrhein-Westfalen auf Grund eines Landesgesetzes der Westdeutsche Rundfunk Köln, in den Ländern Freie und Hansestadt Hamburg, Niedersachsen und Schleswig- Holstein auf Grund eines Staatsvertrags vom 16. Februar 1955 der Norddeutsche Rundfunk. Die hamburgische Bürgerschaft hat der Ratifikation dieses Vertrags durch das Gesetz, betreffend den Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk, vom 10. Juni 1955 (GVBl. I S.197) zugestimmt.

§ 3 des Staatsvertrags lautet:

"(1) Aufgabe des NDR ist die für die Allgemeinheit bestimmte Verbreitung von Nachrichten und Darbietungen in Wort, Ton und Bild. Dem NDR sind das ausschließliche Recht und die Pflicht vorbehalten, in den Ländern Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Freie und Hansestadt Hamburg (Sendegebiet) die hierfür erforderlichen Anlagen des Hörrundfunks und des Fernsehfunks zu errichten und zu betreiben, sowie die Anlagen des Drahtfunks zu versorgen.
(2) Der NDR hat sicherzustellen, daß seine technischen Anlagen sein Sendegebiet gleichwertig versorgen."

§ 2 des Gesetzes über den Hessischen Rundfunk vom 2. Oktober 1948 (GVBl. S. 123) bestimmt:

"Aufgabe des Hessischen Rundfunks ist die Verbreitung von Nachrichten und Darbietungen bildender, unterrichtender und unterhaltender Art. Er erwirbt und betreibt zu diesem Zweck Rundfunksendeanlagen."

Der Saarländische Rundfunk und der Sender Freies Berlin sind durch Landesgesetze - ebenfalls als unabhängige Anstalten des öffentlichen Rechts - errichtet worden.

3. Die Rundfunkanstalten haben sich zur "Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)" zusammengeschlossen. Ihre Zusammenarbeit im Bereich des Fernsehens beruht auf dem am 27. März 1953 geschlossenen und zur Zeit i.d.F. vom 24. Mai 1956 gültigen "Fernsehvertrag". Das von den Ländern am 17. April 1959 abgeschlossene "Abkommen über die Koordinierung des Ersten Fernsehprogramms" soll dem Gemeinschaftsprogramm der Anstalten eine gesetzliche Grundlage geben.

III.

Nach Inkrafttreten des Grundgesetzes ist eine Neuordnung des Rundfunkwesens bald im Wege der Bundesgesetzgebung, bald im Wege von Vereinbarungen zwischen den Ländern oder zwischen den Ländern und dem Bund versucht worden.

1. Die Bemühungen um eine bundesgesetzliche Regelung von Fragen des Rundfunks blieben zunächst ohne Erfolg (vgl. den Entwurf eines Gesetzes über die Wahrnehmung gemeinsamer Aufgaben auf dem Gebiet des Rundfunks, BT I/1949 Drucks. Nr. 4198). Das schließlich zustande gekommene Gesetz über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts vom 29. November 1960 (BGBl. I S. 862) beschränkt sich auf die Errichtung und die Regelung der Rechtsverhältnisse zweier öffentlich-rechtlicher Anstalten mit dem Namen "Deutsche Welle" und "Deutschlandfunk", die Rundfunksendungen für das Ausland sowie für Deutschland und das europäische Ausland veranstalten sollen. Die "Allgemeinen Vorschriften für die Rundfunkanstalten des Bundesrechts" (§§ 23 bis 32) enthalten Bestimmungen über Gestaltung der Sendungen, Berichterstattung, Gegendarstellungen, Verlautbarungsrecht, Anspruch der politischen Parteien auf Sendezeit, Verantwortung für die Sendungen, Auskunftspflicht, Jugendschutz und Beweissicherung.

Der Regierungsentwurf zu diesem Gesetz (BT III/1957 Drucks. 1434) sah die Errichtung einer weiteren öffentlich-rechtlichen Anstalt mit dem Namen "Deutschland-Fernsehen" vor, deren Sendungen als zweites Programm "den Fernsehteilnehmern in ganz Deutschland und im europäischen Ausland ein umfassendes Bild Deutschlands" vermitteln sollten.

Die Durchführung der Sendungen sollte die Anstalt in erster Linie Gesellschaften des privaten Rechts übertragen (§ 22 des Entwurfs). Das Programm sollte von Sendern ausgestrahlt werden, die die Bundespost auf Grund eines Beschlusses der Bundesregierung - und zwar auch in den Ländern Hamburg und Hessen - errichtet hat; diese posteigenen Sender sollen von der Bundespost auch betrieben werden (siehe die Begründung zu § 60 des Entwurfs sowie Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 145 vom 12. August 1959, S. 1473, und Nr. 151 vom 16. August 1960, S. 1498).

Der Entwurf enthielt ferner Bestimmungen über Rundfunkgebühren und wollte besatzungsrechtliche und vorkonstitutionelle landesrechtliche Vorschriften aufheben. Die Rechtsverhältnisse der bestehenden Rundfunkanstalten sollten sich, von Ausnahmen abgesehen, nach Landesrecht bestimmen (§ 49 des Entwurfs). Zu den für alle Rundfunkanstalten verbindlichen Vorschriften sollten auch die "Allgemeinen Vorschriften" (§§ 1 bis 11 des Entwurfs) gehören. Sie entsprechen im wesentlichen den jetzt nur für die Rundfunkanstalten des Bundesrechts geltenden "Allgemeinen Vorschriften" (§§ 23 bis 32 des Gesetzes).

2. Bund und Länder haben sich auch bemüht, das Rundfunkwesen vertraglich zu ordnen. Im Jahre 1955 stellte eine aus Vertretern von Bund und Ländern gebildete Kommission Entwürfe für einen Allgemeinen Rundfunkvertrag und für drei Zusatzverträge (Kurzwellen-, Langwellen- und Fernsehvertrag) fertig. Die Entwürfe fanden jedoch nicht die Billigung der Bundesregierung. Es kam nicht zum Abschluß der Verträge.

Als die Bundesregierung im Februar 1958 eine bundesgesetzliche Regelung in Aussicht nahm, wurde deren Inhalt mehrfach mit Vertretern der Länder erörtert. Im Januar 1960 setzten die Regierungschefs der Länder eine Kommission ein, die die Verhandlungen mit der Bundesregierung fortführen sollte. Ihr gehörten die Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein, Altmeier und von Hassel (beide Christlich- Demokratische Union), der hessische Ministerpräsident Zinn und der Berliner Senator Klein (beide Sozialdemokratische Partei Deutschlands) an. Es kam aber nicht zu Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und dieser Kommission. Ab Juni 1959 fanden jedoch Besprechungen zwischen den der Christlich-Demokratischen und der Christlich-Sozialen Union angehörenden Ministerpräsidenten und Mitgliedern der Bundesregierung statt, zu denen zeitweise auch Bundestagsabgeordnete dieser Parteien zugezogen wurden. Gegenstand der Verhandlungen war insbesondere die Frage, ob die Veranstaltung eines zweiten Fernsehprogramms durch Gesetz, Staatsvertrag oder Verwaltungsabkommen geregelt werden sollte.

Der Plan, zur Veranstaltung des zweiten Fernsehprogramms durch Bund und Länder eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu gründen, wurde erstmals am 8. Juli 1960 in einer Besprechung des Bundeskanzlers mit einigen zur Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union gehörenden Ministerpräsidenten erörtert. Der Inhalt des Gesellschaftsvertrags war Gegenstand einer weiteren Besprechung am 15. Juli 1960, an der neben Mitgliedern der Bundesregierung wiederum nur Ministerpräsidenten, Minister und Bundestagsabgeordnete der genannten Parteien teilnahmen. Als Tag der Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrags wurde der 25. Juli 1960 in Aussicht genommen.

Die der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands angehörenden Regierungschefs der Länder wurden von der in Aussicht genommenen Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch Ministerpräsident Altmeier unterrichtet, und zwar durch ein Schreiben vom 16. Juli 1960, in dem zu einer Besprechung am 22. Juli 1960 eingeladen wurde, um das Ergebnis der Verhandlungen vom 8. und 15. Juli 1960 zu erörtern.

Die Regierungschefs der Länder stimmten dem Vorschlag nicht vorbehaltlos zu, sondern machten Gegenvorschläge, die Ministerpräsident Altmeier dem Bundeskanzler noch am 22. Juli 1960 brieflich mitteilte. Mit Schreiben vom Sonnabend, dem 23. Juli 1960, antwortete der Bundeskanzler, eine weitere Verschiebung des in Aussicht genommenen Termins zur Gründung der Gesellschaft sei nicht zu verantworten; der Gesellschaftsvertrag werde aber so abgefaßt werden, daß ein Beitritt der Länder jederzeit möglich sei.
3. a) Am 25. Juli 1960 wurde von der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundeskanzler, und von Bundesminister Schäffer die Deutschland-Fernsehen-GmbH (Gesellschaft) mit dem Sitz in Köln gegründet. 12000 DM des insgesamt 23000 DM betragenden Stammkapitals übernahm die Bundesrepublik Deutschland, 11000 DM Bundesminister Schäffer, der "die Interessen der Länder der Bundesrepublik bis zu ihrem Eintritt in die Gesellschaft wahren" sollte (§ 6 der Satzung der Gesellschaft). Bundesminister Schäffer war "verpflichtet, jedem Land, das mit der Bundesrepublik Deutschland ein Verwaltungsabkommen über die Beteiligung an der Gesellschaft abschließt, einen Teilgeschäftsanteil im Nennbetrag von DM 1000.- ... abzutreten" (§ 7 der Satzung).

Nachdem sich herausgestellt hatte, daß kein Land bereit war, sich an der Gesellschaft zu beteiligen, übertrug Bundesminister Schäffer am 25. August 1960 seinen Geschäftsanteil an die Bundesrepublik Deutschland, die jetzt Inhaber aller Geschäftsanteile ist. Gleichzeitig wurde die Satzung geändert. § 7 der Satzung sieht weiterhin die Abtretung von Teilgeschäftsanteilen an Länder vor, die mit der Bundesrepublik Deutschland ein Verwaltungsabkommen über die Beteiligung an der Gesellschaft abschließen. Solche Abkommen sind bisher nicht zustande gekommen.

b) Aufgabe der Gesellschaft ist "die Veranstaltung von Fernseh- Rundfunksendungen, die den Rundfunkteilnehmern in ganz Deutschland und im Ausland ein umfassendes Bild Deutschlands vermitteln sollen" (§ 2 der Satzung). Die Gesellschaft trägt die alleinige Verantwortung für das gesamte Programm; sie soll es entweder selbst herstellen oder in ihrem Auftrag und unter ihrer Verantwortung von Dritten herstellen lassen (§ 4 der Satzung). Die Satzung enthält "Grundsätze der Programmgestaltung"; die Vorschriften für die Anstalten "Deutsche Welle" und "Deutschland-Funk" sind "sinngemäß anzuwenden". Werbesendungen dürfen keinen höheren Anteil als 10 vom Hundert am Gesamtprogramm haben (§ 3 der Satzung).

c) Organe der Gesellschaft sind die Gesellschafterversammlung, der Aufsichtsrat und der Geschäftsführer (§ 8 der Satzung). Nach § 10 der geänderten Satzung besteht der Aufsichtsrat aus mindestens 10, höchstens 15 von der Gesellschafterversammlung zu wählenden Mitgliedern. Bis zu 10 Mitglieder benennt die Bundesregierung, je 1 weiteres Mitglied benennen die Evangelische Kirche, die Katholische Kirche, der Zentralrat der Juden in Deutschland, die Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften. "Die Gesellschafter sind verpflichtet, die benannten Personen zu wählen" (§ 10 der Satzung). Der Aufsichtsrat bestellt den Geschäftsführer und überwacht seine Geschäftsführung. Er berät ihn in Fragen der Programmgestaltung, gibt ihm hierfür Richtlinien und überwacht deren Beachtung. Zu bestimmten Geschäften ist die Zustimmung des Aufsichtsrats notwendig (§ 11 der Satzung).

Der Geschäftsführer, der den Titel Intendant trägt, vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Er "führt die Geschäfte der Gesellschaft einschließlich der Programmgestaltung" (§, 15 der Satzung).

B.

I.

Die Freie und Hansestadt Hamburg und das Land Hessen sind der Ansicht, der Bund habe ihre verfassungsmäßigen Rechte verletzt. Die Freie und Hansestadt Hamburg hat gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, §§ 13 Nr. 7, 68 ff. BVerfGG beantragt zu erkennen:

"Die Bundesregierung verletzt die der Freien und Hansestadt Hamburg nach Art. 30 GG zustehenden Rechte, indem sie
a) am 25. 7.1960 eine 'Deutschland-Fernsehen-GmbH' zur Beschaffung und Herstellung eines Fernsehprogramms gegründet hat und
b) sich anschickt, auf für den Fernsehrundfunk zur Verfügung stehenden Frequenzen selbst Rundfunksendungen auszustrahlen oder das Recht zur Benutzung solcher Frequenzen anderen Programmträgern als den Rundfunkanstalten der Länder zu verleihen."

Das Land Hessen hat beantragt, festzustellen:

"Die Bundesregierung verstößt gegen die Art. 5 und 30 GG i.V.m. Art. 87 Abs. 3 GG sowie gegen die sich aus dem bundesstaatlichen Aufbau des Grundgesetzes ergebenden Pflicht zu länderfreundlichem Verhalten, indem sie am 25. 7. 1960 eine Gesellschaft unter der Firma ,Deutschland-Fernsehen- Gesellschaft mit beschränkter Haftung- gegründet hat und Maßnahmen dafür ergreift, daß diese Gesellschaft Fernsehsendungen veranstaltet."

Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat ferner gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG folgende Feststellung begehrt:

"§ 3 des Staatsvertrages über den Norddeutschen Rundfunk vom 16. Februar 1955 ist mit Artikel 73 Nr. 7 GG vereinbar."

Zur Begründung ihrer Anträge führen die Antragsteller aus:
1. § 3 des Staatsvertrags sei mit Art. 73 Nr. 7 GG vereinbar, denn zum "Post- und Fernmeldewesen" gehöre lediglich die Technik der Programmübermittlung, nicht aber die Organisation der Sendeträger und die Gestaltung der Programme. Weder Art. 73 Nr. 7 GG noch Art. 5 GG stehe dem Monopol des Norddeutschen Rundfunks zur Veranstaltung von Rundfunksendungen entgegen. Auch das in § 3 des Staatsvertrags vorgesehene - durch Art. 5 GG geforderte - ausschließliche Recht des Norddeutschen Rundfunks, Sender zur Ausstrahlung des Programms zu errichten und zu betreiben, sei mit Art. 73 Nr. 7 GG vereinbar. Zur Ordnung des Fernmeldewesens gehöre nicht, daß die Bundespost die Sender selbst betreibe.

2. Durch die Gründung der Gesellschaft habe der Bund gegen den Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens verstoßen, überdies Kompetenzen der Länder (Art. 30 i.V. m. Art. 87 Abs. 3 GG) und geltendes Landesrecht (Gesetz über den Hessischen Rundfunk vom 2. Oktober 1948, GVBl. S. 123) verletzt. Auch die Art und Weise, in der der Bund vorgegangen sei, sei mit jenem Grundsatz nicht vereinbar.

3. Der Bund habe durch die Gründung der Gesellschaft ferner Rechte der Antragsteller aus Art. 5 GG verletzt. Art. 5 GG verbiete dem Staat, den Rundfunk zu lenken oder zu beeinflussen. Die Gründung der Gesellschaft verletze Rechte der Antragsteller auch deshalb, weil der Vorbehalt des Gesetzes für die Organisierung der Sendeträger außer acht gelassen worden sei. Art. 5 GG fordere eine gesetzliche Ordnung der Beschränkungen der Rundfunkfreiheit, die politisch neutrale und unabhängige Rundfunkträger garantiere. Die Rundfunkträger müßten öffentlich-rechtlich organisiert sein und über die zur Ausstrahlung ihrer Programme erforderlichen technischen Anlagen verfügen. Die Bundespost sei daher verpflichtet, die verfügbaren Rundfunkfrequenzen den Rundfunkanstalten der Länder zuzuteilen.

Zur Stützung seiner Auffassung hat der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg Gutachten der Professoren Krüger, Mallmann, Maunz und Ridder vorgelegt.

II.

Die Bundesregierung hat beantragt, die Anträge abzuweisen.

1. Nach Art. 73 Nr. 7 GG sei der Bund befugt, den Rundfunk als Ganzes zu regeln. Der Bund sei insbesondere auch zuständig zu einer Regelung, die der Sicherung der aus Art. 5 GG folgenden Grundsätze diene. § 3 des Staatsvertrags verletze Art. 5 GG, der Monopole auf dem Gebiet des Rundfunks verbiete. Die Bestimmung sei auch deswegen nichtig, weil sie in die Verwaltungskompetenz der Bundespost eingreife (Art. 87 Abs. 1 GG).

2. Rechte der Länder seien nicht verletzt worden. Die Veranstaltung von Rundfunksendungen sei keine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung. Die Gründung der Gesellschaft falle daher nicht unter Art. 30 GG, da diese Vorschrift allenfalls die schlichte, nicht aber die fiskalische Verwaltung erfasse. Überdies sei der Bund zur Gründung der Gesellschaft kraft der "Natur der Sache" befugt. Die Errichtung von Sendeanlagen gehöre zum Aufgabenbereich der Bundespost (Art. 87 Abs. 1 GG).

Hessisches Landesrecht sei nicht verletzt worden, da das Gesetz über den Hessischen Rundfunk ausschließliche Rechte nicht vorsehe, solche Rechte im übrigen gegen Art. 5 GG verstoßen würden und die entsprechenden Regelungen - falls man sie für gültig halte - Bundesrecht geworden wären.

Der Bund habe nicht gegen den Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens verstoßen; er sei bereit gewesen, die Gesellschaft gemeinsam mit den Ländern zu gründen, denen der Beitritt offenstehe.

Art. 5 GG wäre nur dann verletzt, wenn der Bund den Prozeß freier öffentlicher Meinungsbildung innerhalb der Gesellschaft beeinträchtige. Dafür fehle jeder Anhalt.

Die Bundesregierung hat Gutachten der Professoren Scheuner, Hans Schneider und Spanner vorgelegt.

III.

Die Regierung des Landes Niedersachsen und der Senat der Freien Hansestadt Bremen sind der Freien und Hansestadt Hamburg im Bund/Länder-Streit beigetreten.

Das Bundesverfassungsgericht hat die anhängigen Verfahren durch Beschlüsse vom 5. Oktober und 7. Dezember 1960 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. In der mündlichen Verhandlung wurde auf Grund eines Beweisantrags der Antragsteller der Geschäftsführer der Gesellschaft, Ministerialdirektor im Bundeskanzleramt Dr. Mercker, zu folgenden Fragen als Zeuge vernommen:

"1. Aus welchen Erwägungen hat man sich im Bundeskanzleramt zur Errichtung einer GmbH für die Veranstaltung von Fernsehsendungen entschlossen?3. Welchen Sinn hat die Formulierung des Gründungsprotokolls, daß der Gesellschafter Schäffer im eigenen Namen, aber für die Länder, die Einlagen übernommen hat?
4. Ist die Hälfte der Stammeinlagen in bar erlegt worden.
5. Ist die Einlage des Gesellschafters Schäffer aus Haushaltsmitteln, und zwar aus Titel 300 des Einzelplans des Bundeskanzleramts entnommen worden? Wenn nein, aus welchem Titel?"

C.

I.

Die Anträge fallen in die Zuständigkeit des Zweiten Senats; sie sind zulässig.

1. Für die Anträge, die von der Freien und Hansestadt Hamburg und vom Land Hessen im Bund/Länder-Streit gestellt worden sind, sind die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, § 13 Nr. 7; §§ 68 und 69 i.V.m. § 64 BVerfGG erfüllt. Das gilt auch, soweit Art. 5 GG als verletzt gerügt wird (siehe unten E III).

2. Auch der Antrag des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG) ist zulässig.

a) Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, daß auch Zustimmungsgesetze zu Verträgen mit auswärtigen Staaten (Art. 59 Abs. 2 GG), sogenannte Vertragsgesetze, der verfassungsgerichtlichen Prüfung im Normenkontrollverfahren unterliegen (BVerfGE 1, 396 (410); 4, 157 (162); vgl. auch BVerfGE 6, 290 [294 f.]). Entsprechendes muß für Staatsverträge zwischen den Ländern gelten.

Die hamburgische Bürgerschaft hat der Ratifikation des Staatsvertrags durch den Senat gemäß Art. 43 Satz 3 der hamburgischen Verfassung zugestimmt; der Vertrag ist nach Art. II Abs. 1 des Vertragsgesetzes "mit Gesetzeskraft veröffentlicht" worden. Das Vertragsgesetz ist Landesrecht im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG. Sein materiell-rechtlicher Inhalt ergibt sich aus dem ihm beigefügten Staatsvertrag (vgl. BVerfGE 4, 157 [163]). Formell ist aber dieses Gesetz, nicht dagegen der Staatsvertrag selbst, Gegenstand der verfassungsrechtlichen Prüfung. Der Antrag des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg war deshalb entsprechend umzudeuten.

b) Es besteht eine Meinungsverschiedenheit über die Vereinbarkeit des Vertragsgesetzes, soweit es § 3 des Staatsvertrags betrifft, mit Art. 73 Nr. 7 GG. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hält die Bestimmung für gültig. Demgegenüber hat der Bundesminister des Innern bereits im Schreiben an den Senat vom 22. März 1955 die Ansicht vertreten, die Bestimmung widerspreche dem Grundgesetz und fortgeltendem Bundesrecht. Diese Meinungsverschiedenheit ist nicht nur theoretischer, sondern konkreter Art. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Antrags nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG sind also gegeben.

Nach § 76 Nr. 2 BVerfGG ist ein Antrag auf abstrakte Normenkontrolle für den Fall, daß der Antragsteller die Feststellung der Vereinbarkeit einer Norm mit dem Grundgesetz begehrt, nur zulässig, "nachdem ein ... Organ des Bundes ... das Recht als unvereinbar mit dem Grundgesetz ... nicht angewendet hat". Auch diesen Anforderungen ist hier Genüge getan.

Die Bundesregierung meint zwar, ein Antragsrecht sei nur dann gegeben, wenn die nachzuprüfende Norm von einer für ihren hoheitlichen Vollzug zuständigen Stelle nicht angewendet worden sei. Da aber die Bundesregierung den Staatsvertrag nicht zu vollziehen habe, sei ausgeschlossen, daß sie ihn "nicht angewendet" habe. Wäre diese Auslegung des § 76 Nr. 2 BVerfGG richtig, so wäre die Vorschrift mit Art. 93 Abs. l Nr. 2 GG unvereinbar und deshalb nicht zu beachten. Die Ansicht der Bundesregierung ist aber unzutreffend. Organe des Bundes werden niemals zum hoheitlichen Vollzug von Landesrecht zuständig sein (vgl. Zeidler, DVBl. 1960, 573). Sie können solche Normen nur übertreten oder "nicht beachten". Auch darin kommt eindeutig zum Ausdruck, daß sie diese Normen für "unvereinbar mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht" halten. Diese Art der "NichtAnwendung" genügt als Voraussetzung für die Zulässigkeit des Antrags nach § 76 Nr. 2 BVerfGG.

Die Bundesregierung hat § 3 Abs. 1 des Staatsvertrags nicht beachtet, indem sie im Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg Sendeanlagen durch die Bundespost errichten ließ, die für die Ausstrahlung von Sendungen der Deutschland-Fernsehen-GmbH bestimmt sind. Dem lag, wie das Schreiben des Bundesministers des Innern vom 22. März 1955 erweist, die Auffassung zugrunde, § 3 Abs. 1 des Staatsvertrags sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar und deshalb nichtig. Ein Organ des Bundes hat also Landesrecht "nicht beachtet" und damit im Sinne des § 76 Nr. 2 BVerfGG "nicht angewendet".

c) Obwohl der hamburgische Senat § 3 Abs. 1 und Abs. 2 des Staatsvertrags zur Nachprüfung gestellt hat, war die verfassungsrechtliche Prüfung auf das Vertragsgesetz zu beschränken, soweit es sich auf § 3 Abs. 1 des Vertrags bezieht. Nach § 3 Abs. 2 hat der Norddeutsche Rundfunk sicherzustellen, daß seine technischen Anlagen sein Sendegebiet gleichwertig versorgen. Diese Vorschrift hat keine selbständige verfassungsrechtliche Bedeutung.

d) Entgegen dem Antrag des Senats war aber nicht nur zu prüfen, ob § 3 Abs. 1 des Staatsvertrags mit Art. 73 Nr. 7 GG vereinbar ist. Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Vereinbarkeit von Landesrecht mit dem Grundgesetz. Die verfassungsrechtliche Nachprüfung war entsprechend zu erstrecken.

II.

Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat sowohl einen Antrag auf abstrakte Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 13 Nr. 6 BVerfGG) als auch einen Antrag im Bund/Länder-Streit (Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, § 13 Nr. 7 BVerfGG) gestellt und meint, über beide Anträge könne in einem Verfahren entschieden werden. Die Bundesregierung hat hiergegen Bedenken geäußert.

Es handelt sich zwar um verschiedene Verfahrensarten, für die verschiedene Verfahrensgrundsätze gelten. Trotz dieser Verschiedenheiten kann aber ein Verfahren der abstrakten Normenkontrolle mit einem Bund/Länder-Streit zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden werden. § 66 und § 69 BVerfGG bestimmen nicht abschließend, wann Verfahren verbunden werden können. In diesen Vorschriften kommt vielmehr ein allgemeiner Grundsatz zum Ausdruck, der es dem Gericht gestattet, auch in anderen Fällen Verfahren miteinander zu verbinden, wenn dies zweckmäßig erscheint. Eine Verbindung von Verfahren ist dann geboten, wenn im wesentlichen dieselben oder voneinander abhängige Fragen streitig sind. Das ist hier der Fall. Das Gericht hat im übrigen über die §§ 66, 69 BVerfGG hinausgehend schon bisher Verfahren verschiedener Art miteinander verbunden (vgl. BVerfGE 10, 185).

Voraussetzung für eine Verbindung solcher Verfahren ist allerdings, daß den Verfahrensvorschriften für jede Verfahrensart Genüge getan wird. Das ist hier geschehen, und zwar über das hinaus, was gesetzlich für jede der beiden Verfahrensarten vorgeschrieben ist.

D.

§ 3 Abs. 1 des Staatsvertrags behält dem Norddeutschen Rundfunk das ausschließliche Recht vor, in den Ländern Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg (Sendegebiet) Nachrichten und Darbietungen in Wort, Ton und Bild für die Allgemeinheit zu verbreiten, also Rundfunksendungen zu veranstalten (Monopol zur Veranstaltung von Rundfunksendungen). Die Bestimmung gibt dem Norddeutschen Rundfunk weiterhin das ausschließliche Recht, in seinem Sendegebiet die für die Veranstaltung von Rundfunksendungen erforderlichen Anlagen des Hörrundfunks und des Fernsehfunks zu errichten und zu betreiben (Monopol zur Errichtung und zum Betrieb von Sendeanlagen).

Das den Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk betreffende hamburgische Gesetz ist, soweit es sich auf § 3 Abs. 1 des Vertrags bezieht, mit dem Grundgesetz insoweit unvereinbar und daher nichtig, als diese Bestimmung dem Norddeutschen Rundfunk ein Monopol zur Errichtung und zum Betrieb von Sendeanlagen einräumt. Im übrigen ist die Bestimmung mit dem Grundgesetz vereinbar.

I.

1. Nach Ansicht der Bundesregierung ist § 3 Abs. 1 des Staatsvertrags in vollem Umfang nichtig. Die Bestimmung sei mit der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Regelung des Fernmeldewesens (Art. 73 Nr. 7 GG) unvereinbar.

Der Begriff "Post- und Fernmeldewesen" sei historisch geprägt. Er entspreche dem des "Post- und Telegraphenwesens" in Art. 6 Nr. 7 und Art. 88 Abs. 1 WRV, der inhaltlich den Funk und - seit dessen Entstehung - auch den Rundfunk umfaßt habe. Die Reichspost habe seinerzeit die den Programmgesellschaften erteilten "Genehmigungen" zur Benutzung der Funksendeanlagen der Reichspost für Zwecke des Unterhaltungsrundfunks mit "weitgehenden Auflagen im Interesse einer Sicherung der politischen Unparteilichkeit des Sendeprogramms und der organisatorischen Neutralität der Sendegesellschaften"" verbunden. Aus dem Wortlaut der Genehmigungen ergebe sich eindeutig, "daß die Reichspost sowohl über die technische wie die organisatorische Seite" verfügt und die "Gesamtheit der Fragen des Rundfunkbereiches kraft ihrer Hoheit auf dem Gebiet des Telegraphenwesens (Funkhoheit) in Anspruch" genommen habe (Scheuner, Gutachten, S. 45 f.). Das Gesetz über Fernmeldeanlagen von 1928 habe diese Rechtslage bestätigt und die Einflußnahme des Reiches auf den Rundfunk in die gesetzliche Regelung einbezogen (Scheuner, Gutachten, S. 46).

Der Begriff Fernmeldewesen lasse sich auch, soweit er den Rundfunk umfasse, praktisch nicht in eine technische, eine organisatorische und eine Programmseite aufspalten, da der Rundfunk sich, vom Gesetzgeber her gesehen, als ein einheitliches Ganzes darstelle. Eine sinnvolle Regelung der Lizenzerteilung sei ohne Auflagen für die Organisation und das Programm des Rundfunks nicht durchführbar.

Die Gesetzgebungsbefugnis nach Art. 73 Nr. 7 GG umfasse also den Rundfunk als Ganzes. Dem Bund stehe deshalb auch die gesetzliche Normierung der Leitgrundsätze zu, die Art. 5 GG zur Sicherung der Rundfunkfreiheit enthalte. Die Einräumung des Monopols zur Veranstaltung von Rundfunksendungen an den Norddeutschen Rundfunk widerspreche Art. 5 GG.

2. Die durch § 3 Abs. 1 des Staatsvertrags zugunsten des Norddeutschen Rundfunks getroffene Regelung wäre in vollem Umfang mit Art. 73 Nr. 7 GG unvereinbar, wenn der Ausdruck "Fernmeldewesen" so umfassend zu verstehen wäre, wie die Bundesregierung meint. Nicht nur das in § 3 Abs. 1 des Staatsvertrags dem Norddeutschen Rundfunk vorbehaltene ausschließliche Recht zur Errichtung und zum Betrieb von Sendeanlagen, sondern auch sein Monopol zur Veranstaltung von Rundfunksendungen fällt in den Bereich, dessen gesetzliche Regelung nach Ansicht der Bundesregierung gemäß Art. 73 Nr. 7 GG ausschließlich dem Bund zusteht.

II.

1. Die Auslegung, die die Bundesregierung Art. 73 Nr. 7 GG gibt, ist unrichtig. Das "Post- und Fernmeldewesen" umfaßt nur den sendetechnischen Bereich des Rundfunks unter Ausschluß der sogenannten Studiotechnik, nicht aber den Rundfunk als Ganzes. Art. 73 Nr. 7 GG gibt dem Bund insbesondere nicht die Befugnis, die Organisation der Veranstaltung und die innere Organisation der Veranstalter von Rundfunksendungen zu regeln oder Vorschriften in bezug auf die Sendungen zu erlassen. Die von Art. 5 GG geforderte gesetzliche Normierung der in ihm zur Sicherung der Rundfunkfreiheit enthaltenen Leitgrundsätze, und zwar sowohl in materiellrechtlicher als auch in organisatorischer Hinsicht (siehe unten E III) fällt in die Gesetzgebungskompetenz der Länder, in die des Bundes allenfalls, soweit er ausnahmsweise die Befugnis zur Veranstaltung von Rundfunksendungen besonderer Art haben sollte (siehe unten III 2 und E I 5).

2. a) Nach Art. 73 Nr. 7 GG hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für das "Post- und Fernmeldewesen". Der Rundfunk könnte nur dem Fernmeldewesen im Sinne dieser Vorschrift zugerechnet werden. Die Fassung des Art. 73 Nr. 7 GG geht auf ältere Formulierungen zurück, die der Post zusätzlich zu ihren überkommenen Aufgaben das Telegraphenwesen zuwiesen (vgl. §§ 41 ff. der Reichsverfassung von 1849; Art. 4 Nr. 10 der Verfassung des Norddeutschen Bundes von 1867 und der Reichsverfassung von 1871; Art. 6 Nr. 7 WRV). Mit "Postwesen" sind also in Art. 73 Nr. 7 GG die "herkömmlichen" Dienstzweige der Post im Gegensatz zum "neuen" Aufgabenbereich "Fernmeldewesen" gemeint. Beide gehören zur "Bundespost" im Sinne von Art. 87 Abs. 1 GG.

b) Der Rundfunk (hier und im folgenden: Hörrundfunk und Fernsehrundfunk) bedient sich zur drahtlosen Übermittlung des Programms elektrischer Wellen, die durch Sender ausgestrahlt werden. Diese Rundfunksender sind Funkanlagen und damit Fernmeldeanlagen (§ 1 Abs. 1 FAG); sie gehören zum Fernmeldewesen im Sinne von Art. 73 Nr. 7 GG.

Bei einer dem natürlichen Wortverständnis und dem allgemeinen Sprachgebrauch folgenden Auslegung gehören zum Fernmeldewesen nur die technischen Vorgänge des Sendens der Rundfunkdarbietungen. Fernmeldewesen ist ein technischer, am Vorgang der Übermittlung von Signalen orientierter Begriff. Das Fernmeldewesen hat es mit den Fernmeldeanlagen, also mit technischen Einrichtungen zu tun, mit deren Hilfe Signale "in die Ferne" gemeldet oder übermittelt werden. Das wird durch das Gesetz über Fernmeldeanlagen von 1928 bestätigt, dessen Vorschriften, soweit sie hier heranzuziehen sind, sich nach Sinn und Wortlaut auf Regelungen über Errichtung und Betrieb von Funkanlagen, also auf die Regelung technischer Vorgänge, beschränken. Das in seiner politischen und kulturellen Bedeutung kaum zu überschätzende Massenkommunikationsmittel Rundfunk ist nicht Teil, sondern "Benutzer" der Einrichtungen des Fernmeldewesens (vgl. Moser, DÖV 1954,389 [390]; Lademann, JIR 8 [1957/1958] S. 307 [310]; vgl. auch Haenel, Deutsches Staatsrecht, 1892, Bd. 1 S. 415). Die fernmeldetechnischen Aspekte mögen in den frühen Zeiten des Rundfunks von überragender und sein Wesen prägender Bedeutung gewesen sein. Den fernmeldetechnischen Einrichtungen kommen aber - sieht man den Rundfunk als Ganzes - schon seit Jahrzehnten nur noch untergeordnete, dienende Funktionen zu.

c) Umfaßt das Fernmeldewesen nach allgemeinem Sprachgebrauch nur die der Übermittlung von Signalen dienenden funktechnischen Vorgänge, so ergibt sich, daß die sogenannte Studiotechnik nicht zum Fernmeldewesen gehört. Das Fernmeldewesen beginnt erst mit der Übermittlung der sendefertigen Ton- und Bildsignale vom Rundfunkstudio zu einem oder mehreren Sendern (Übermittlung durch Leitungen oder durch Funk); es umfaßt sodann die Ausstrahlung der Sendung und die sich etwa daran anschließenden technischen Vorgänge bis zum Empfang der Sendung.

Zum Fernmeldewesen im Sinne von Art. 73 Nr. 7 GG gehören die technischen Voraussetzungen, deren Regelung für einen geordneten Ablauf des Betriebs der Rundfunksender und des Empfangs ihrer Sendungen unerläßlich ist. Den Sendern müssen bestimmte Wellenbereiche zugeteilt werden, die auf die Frequenzen der anderen Sender abgestimmt sind. Um Überschneidungen und Störungen zu vermeiden, müssen Standort und Sendestärke der Sender nach funktechnischen Gesichtspunkten festgelegt werden. Die Einhaltung der Frequenzen und Sendestärken muß überwacht werden. Es muß Vorsorge getroffen werden, daß Ausstrahlung und Empfang der Sendungen nicht durch andere Fernmeldeanlagen und elektrische Einrichtungen gestört werden, und daß sie nicht ihrerseits den allgemeinen Funkverkehr stören. Entsprechendes gilt für Leitungen und Funkverkehr, durch die Ton- und Bildsignale vom Studio zum Sender übermittelt werden.

Diese Dinge gehören zum Fernmeldewesen. Soweit sie einer gesetzlichen Normierung zugänglich sind, kann nur der Bund sie regeln.

3. Auch aus dem Zusammenhang von Art. 73 Nr. 7 GG mit anderen Vorschriften des Grundgesetzes ergibt sich, daß zum Fernmeldewesen nur die Sendetechnik des Rundfunks gehört.

a) Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG kennt den Ausdruck "Rundfunk" und meint damit den Rundfunk als Institution. Das schließt zwar nicht aus, daß andere Bestimmungen des Grundgesetzes Teilbereiche des Rundfunks unter anderen, sachnäheren Bezeichnungen regeln. Die Erwähnung des "Rundfunks" in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbietet es aber anzunehmen, der Ausdruck Fernmeldewesen umfasse den Rundfunk als Ganzes. Können mit Fernmeldewesen nur Teilbereiche des Rundfunks gemeint sein, so kann es sich dabei nur um die Bereiche handeln, die der Übermittlung von Darbietungen dienen, also um die Sendetechnik.

Als Massenkommunikationsmittel gehört der Rundfunk in die Nachbarschaft von Presse und Film. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nennt alle drei Massenmedien in einem Satz. Eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes ist ausdrücklich nur für die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse und des Films vorgesehen (Art. 75 Nr. 2 GG). Der Rundfunk ist in Art. 75 Nr. 2 GG nicht genannt. Eine den Zusammenhang der Vorschriften des Grundgesetzes beachtende Auslegung kann nicht annehmen, daß dem Bund für den Rundfunk als Ganzes ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse zustehen, während er über die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse und des Films nur Rahmenvorschriften erlassen darf.

b) Das Grundgesetz geht bei der Ordnung der Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern vom Grundsatz der Länderkompetenz aus (BVerfGE 10, 89 [101]). Der Bund hat Gesetzgebungsbefugnisse nur, soweit das Grundgesetz sie ihm verleiht (Art. 70 Abs. 1 GG). In der Regel können daher Gesetzgebungsbefugnisse des Bundes nur auf eine ausdrückliche Verleihung durch das Grundgesetz gestützt werden. Bei Zweifeln über die Zuständigkeit des Bundes spricht keine Vermutung zugunsten einer Bundeskompetenz. Die Systematik des Grundgesetzes fordert vielmehr eine strikte Interpretation der Art. 73 ff. GG.

Es kommt hinzu, daß der Rundfunk jedenfalls auch ein kulturelles Phänomen ist. Soweit kulturelle Angelegenheiten überhaupt staatlich verwaltet und geregelt werden können (vgl. BVerfGE 10, 20 [36 f.]), fallen sie aber nach der Grundentscheidung des Grundgesetzes (Art. 30, 70 ff. und Art. 83 ff. GG) in den Bereich der Länder (vgl. BVerfGE 6, 309 [354]), soweit nicht besondere Bestimmungen des Grundgesetzes Begrenzungen oder Ausnahmen zugunsten des Bundes vorsehen. Diese Grundentscheidung der Verfassung, die nicht zuletzt eine Entscheidung zugunsten des föderalistischen Staatsaufbaus im Interesse einer wirksamen Teilung der Gewalten ist, verbietet es gerade im Bereich kultureller Angelegenheiten, ohne eine hinreichend deutliche grundgesetzliche Ausnahmeregelung anzunehmen, der Bund sei zuständig. Daran fehlt es aber.

c) Art. 87 Abs. 1 GG bestimmt, daß die Bundespost in bundeseigener Verwaltung geführt wird. Hieraus können keine Schlüsse auf den Umfang der Gesetzgebungskompetenz des Bundes gezogen werden. Es entspricht einem Grundsatz des deutschen Verfassungsrechts, daß die Bundeskompetenzen zur Gesetzgebung weiter reichen als die zur Verwaltung (vgl. Scheuner, Gutachten, S. 48). Nach der Systematik des Grundgesetzes bezeichnet die Gesetzgebungskompetenz des Bundes die äußerste Grenze für seine Verwaltungsbefugnisse (vgl. Krüger, Der Rundfunk im Verfassungsgefüge und in der Verwaltungsordnung von Bund und Ländern, 1960, S.78, und Zeidler, DVBl. 1960, 573 [579 f.]). Das heißt aber, daß die Verwaltungskompetenzen den Gesetzgebungsbefugnissen des Bundes folgen und nicht umgekehrt die Gesetzgebungs- den Verwaltungsbefugnissen. Aus angeblichen Befugnissen der Bundespost nach Art. 87 Abs. 1 GG können also keine Schlüsse auf den Umfang der Gesetzgebungskompetenz des Bundes gezogen werden. Überdies meinen "Post- und Fernmeldewesen" in Art. 73 Nr. 7 GG und "Bundespost" in Art. 87 Abs. 1 GG dieselben Sachbereiche. Der Umfang des Sachbereichs "Bundespost" ergibt sich aus dem, was unter "Post- und Fernmeldewesen" zu verstehen ist. Es ist auch nicht richtig, daß der Rundfunk als Angelegenheit der Bundespost angesehen wird. Die Bundesregierung läßt die Angelegenheiten des Rundfunks, von technischen Fragen abgesehen, federführend nicht beim Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen, sondern beim Bundesministerium des Innern bearbeiten. Sie gibt damit zu erkennen, daß es sich auch ihrer Ansicht nach nicht um Angelegenheiten des Fernmeldewesens handelt (vgl. § 1 des Postverwaltungsgesetzes vom 24. Juli 1953 - BGBl. I S. 676).

4. Die Interessen der Allgemeinheit fordern eine Ordnung des Funkverkehrs, die wirksam nur vom Bund vorgenommen werden kann. Das gilt auch für den Rundfunk. Zuteilung und Abgrenzung der Wellenbereiche der Sender, Bestimmung ihrer Standorte und Sendestärken unter funktechnischen Gesichtspunkten, die sogenannte Leitungstechnik, Überwachung des Funkverkehrs, sein Schutz gegen großräumige und örtliche Störungen sowie die Durchführung internationaler Vereinbarungen können nach Lage der Sache nur einheitlich geregelt werden, wenn ein Chaos im Funkverkehr vermieden werden soll.

Art. 73 Nr. 7 GG dient dem Zweck, die unerläßliche einheitliche Regelung dieser und ähnlicher Angelegenheiten möglich zu machen. Dieser Zweck fordert aber nicht, über funk- und insbesondere sendetechnische Fragen hinaus von Bundes wegen auch die Veranstaltung von Rundfunksendungen einer gesetzlichen Normierung zu unterziehen. Auch aus dem Zweck des Art. 73 Nr. 7 GG folgt also die Beschränkung auf sendetechnische Angelegenheiten des Rundfunks.

5. Eine historische Interpretation des Ausdrucks Fernmeldewesen führt nicht zu anderen Ergebnissen. Es ist zwar richtig, daß mittels der Verwaltungspraxis der Reichspost Behörden des Reiches in der Zeit von 1926 bis Anfang 1933 einen nicht unerheblichen Einfluß auf die Organisation der Veranstalter von Rundfunksendungen und die Gestaltung der Programme genommen haben (vgl. die Darstellung bei Bausch a.a.O., S. 11 ff.; Pohle a.a.O., S. 27 ff.). Es geht jedoch nicht an, hieraus zu schließen, das Fernmeldewesen im Sinne von Art. 73 Nr. 7 GG umfasse den Rundfunk als Ganzes.

a) Eine gesetzliche Regelung des Rundfunks ist in der Zeit bis 1933 nicht getroffen worden. Weder die Verordnung zum Schutze des Funkverkehrs vom 8. März 1924 (RGBl. I S. 273) - Funkverordnung - noch das Gesetz zur Änderung des Telegraphengesetzes vom 3. Dezember 1927 (RGBl. I S. 331), das die Bekanntmachung der Neufassung des Telegraphengesetzes unter der Bezeichnung "Gesetz über Fernmeldeanlagen" vorsah, kennen das Wort Rundfunk. Die Begründung zu diesem Änderungsgesetz (RT III/1924 Drucks. Nr. 3682) erwähnt den Rundfunk lediglich im Zusammenhang mit der Erhebung von Gebühren für Errichtung und Betrieb von Rundfunkempfangsanlagen. Zweck der Änderung des Telegraphengesetzes war nach der Begründung die Festigung des staatlichen Funkhoheitsrechts angesichts der Fortschritte der Funktechnik (a.a.O., S. 5). Das Gesetz ist im Reichstag in allen drei Beratungen ohne Diskussion angenommen worden (RT III/1924, Verhandlungen Bd. 394 S. 11719 und 11732; Stenographischer Bericht über die 346. Sitzung am 24. November 1927).

Der Wortlaut des Gesetzes über Fernmeldeanlagen beschränkt sich bei unbefangener Deutung auf die Regelung funktechnischer Fragen; aus ihm ergeben sich keine Hinweise darauf, daß der Rundfunk als Ganzes dem Post- und Telegraphenwesen im Sinne von Art. 6 Nr. 7 und Art. 88 Abs. 1 WRV zugerechnet wurde. Gleiches gilt für die Begründung zum Gesetzentwurf. In den Kommentaren zur Reichsverfassung von 1919 wird der Rundfunk weder bei Art. 6 Nr. 7 noch bei Art. 88 Abs. 1 erwähnt, geschweige denn in das Post- und Telegraphenwesen einbezogen.

b) Die Bundesregierung kann sich also für die "historische Prägung" des Begriffs Fernmeldewesen nicht auf die Gesetzgebung, sondern nur auf die Verwaltungspraxis der Reichspost und des Reichsministers des Innern in der Zeit bis 1933 beziehen. Sie beruft sich hierauf insbesondere für ihre Ansicht, die Kompetenz zur Regelung des Fernmeldewesens umfasse auch die Befugnis, die Leitgrundsätze des Art. 5 GG gesetzlich zu normieren.

Das Mittel, mit dessen Hilfe sich nicht nur das Recht sondern auch die Länder Einfluß auf die Veranstaltung von Rundfunksendungen verschaffen, waren vor allem die seit 1926 üblichen mit Bedingungen verbundenen "Genehmigungen" zur Benutzung von Funksendeanlagen der Reichspost für Zwecke des Unterhaltungsrundfunks (Bedingungen), denen Richtlinien für den Nachrichten- und Vortragsdienst (Richtlinien) sowie Bestimmungen für die Überwachungsausschüsse und die Beiräte (Bestimmungen) beigefügt waren.

Es ist nur bedingt richtig, daß die Einwirkung von Reich und Ländern auf die Veranstaltung der Sendungen der "politischen Unparteilichkeit", der "organisatorischen Neutralität der Sendegesellschaften" und der Sicherung des Rechts der freien Meinungsäußerung (Art. 118 WRV) im Rundfunk diente. Hierfür könnte nur Nr. 1 der Richtlinien herangezogen werden, die bestimmte: "Der Rundfunk dient keiner Partei. Sein gesamter Nachrichten- und Vortragsdienst ist daher streng überparteilich zu gestalten" (ähnlich Nr. 10 der Bestimmungen für den Beirat von 1926 und Nr. 1 c der Leitsätze zur Neuregelung des Rundfunks von 1932, wiedergegeben bei Pohle a.a.O., S. 124 ff.). Im übrigen aber wurde mit Hilfe der Bedingungen ein System staatlicher Einflußnahme und Überwachung verwirklicht, das einer Zensur nahekam.

Die Programmgesellschaften durften nur solche politischen Nachrichten verbreiten, die sie von einer "Nachrichtenstelle", der "Drahtloser Dienst AG für Buch und Presse". erhalten hatten, deren Aktien zu 51 vom Hundert in der Hand des Reiches waren (Nr. 2 der Richtlinien). Nur unpolitische und lokale Nachrichten durften von anderen Stellen bezogen werden. Die von der Nachrichtenstelle oder von den zuständigen Landesregierungen als "Auflagenachrichten" bezeichneten Nachrichten mußten unverzüglich, unverkürzt und unverändert verbreitet werden, ebenso "Auflage-Vorträge" (Nr. 3, 5 und 7 der Richtlinien). Über die "Abwicklung" der von der Nachrichtenstelle vermittelten Nachrichten und Vorträge mußte dieser Gesellschaft laufend berichtet werden (Nr. 8 der Richtlinien). Der Überwachungsausschuß für den Nachrichten- und Vortragsdienst, der in der Regel aus einem Vertreter des Reiches und zwei Vertretern der zuständigen Landesregierung bestand, war "zur Entscheidung über alle mit der Programmgestaltung zusammenhängenden politischen Fragen" eingesetzt (Art. 3 Abs. 1 der Bedingungen). Die Programmgesellschaft war verpflichtet, "sich in allen politischen Fragen der Programmgestaltung mit dem Überwachungsausschuß in Verbindung zu setzen und seine Entscheidung abzuwarten" (Nr. 3 der Bestimmungen für den Ausschuß). Das Programm mußte seinen Mitgliedern laufend eingereicht, erhebliche Programmänderungen mußten ihnen mitgeteilt werden. Schließlich hatte der Ausschuß ein Einspruchsrecht gegenüber allen Teilen des Programms, soweit es sich nicht lediglich um Fragen der Kunst, Wissenschaft oder Volksbildung handelte (Nr. 5 und 6 der Bestimmungen). Ähnliche Befugnisse hatte der Beirat, dessen Mitglieder nach Anhörung der Programmgesellschaft von der zuständigen Landesregierung im Benehmen mit dem Reichsminister des Innern berufen wurden. Der Beirat war bestellt "zur Mitwirkung an der Gestaltung des Programms hinsichtlich der Darbietungen auf dem Gebiete von Kunst, Wissenschaft und Volksbildung" (Art. 3 Abs. 2 der Bedingungen). Auch der Beirat hatte das Recht, gegen das Programm Einspruch zu erheben (Nr. 7 der Bestimmungen für den Beirat).

Die Überwachungsausschüsse und Beiräte sind schon 1927 als "Instanzen der Zensur" bezeichnet worden (Dencker, Handwörterbuch der Rechtswissenschaft, Bd. 2, 1927, S. 547 [550 f.]). Es ist bezweifelt worden, daß diese Verwaltungspraxis mit dem durch Art. 118 WRV geschützten Recht der freien Meinungsäußerung vereinbar war. Häntzschel (HdbDStR II, 651 [668]) hat die zensierende Tätigkeit der Überwachungsausschüsse nur deshalb für vereinbar mit Art. 118 WRV gehalten, weil seiner Ansicht nach der Betrieb der Rundfunkanlagen kein hoheitlicher, sondern ein fiskalischer, auf Erwerb gerichteter Zweig der Postverwaltung war. Er meint, die Rundfunkzensur wäre "unzweifelhaft verfassungswidrig", wenn der Rundfunkbetrieb als Ausfluß eines staatlichen Hoheitsrechts anzusehen wäre (a.a.O., S. 668 Anm. 38). Nun ist aber seinerzeit ebensowenig wie heute bezweifelt worden, daß die Rechtsbeziehungen zwischen Reichspost und Programmgesellschaften ab 1926 öffentlich- rechtlicher Art waren.

Vgl. die schriftliche Antwort des Reichsministers des Innern vom 2. Dezember 1926 auf eine Entschließung des Reichstags, RT III/1924 Drucks. Nr. 2776; Neugebauer, Archiv für Post und Telegraphie 53 (1925) S. 46 (47); derselbe, Fernmelderecht mit Rundfunkrecht, 3. Aufl. 1929, S. 699 f.; derselbe, Archiv für Funkrecht 3 (1930) S. 155 (166 und 203) sowie S. 627 (628); Bredow a.a.O., S. 20; Freund, Der deutsche Rundfunk, 1933, S. 54; Schuster, Archiv für das Post- und Fernmeldewesen 1 (1949) S. 309 (314); Lüders, Die Zuständigkeit zur Rundfunkgesetzgebung, 1953, S. 12 f.; Peters, Die Zuständigkeit des Bundes im Rundfunkwesen, 1954, S. 6 f.; Steinmetz, Bundespost und Rundfunk, 1959, S. 11 ff.
Dabei ist unerheblich, ob die Grundlage dieser öffentlich- rechtlichen Beziehungen in einer mit Auflagen (Bedingungen) verbundenen "Genehmigung" oder "Verleihung" (§ 1 der Funkverordnung von 1924, § 2 FAG) zum Mitbetrieb einer Funkanlage gesehen wurde, so der Reichsminister des Innern sowie Neugebauer, Bredow, Freund und Schuster a.a.O.; vgl. auch Art. 4 Abs. 3 der Bedingungen, oder ob lediglich die Benutzung der Funkanlagen regelnde öffentlich-rechtliche Beziehungen anderer Art angenommen wurden (so Dencker a.a.O. sowie Peters und Steinmetz a.a.O.).

Gleichgültig, ob die Verwaltungspraxis der Reichspost und des Reichsministers des Innern mit Art. 118 WRV vereinbar war oder nicht, jedenfalls kann bei zusammenfassender Würdigung der mit Hilfe der Bedingungen verwirklichten "Sicherung des behördlichen Einflusses auf die Darbietungen des Rundfunks" (Bredow a.a.O., S. 20) nicht festgestellt werden, daß diese Einflußnahme dem Ziel diente, das Grundrecht der freien Meinungsäußerung einschließlich des Zensurverbots im Bereich des Rundfunks zu sichern. Gleiches gilt für die Einwirkungsmöglichkeiten, die sich das Reich über die Reichsrundfunkgesellschaft auf die einzelnen Programmgesellschaften verschaffte (vgl. Bredow a.a.O., S.41 f.). Dem steht nicht entgegen, daß eine parteipolitische Neutralisierung des Rundfunks in gewissem Umfang erreicht worden sein mag.

Die Bundesregierung beruft sich also zu Unrecht auf die Verwaltungspraxis der Zeit bis 1933, wenn sie meint, die Kompetenz zur Regelung des Fernmeldewesens eröffne dem Bund auch die Möglichkeit, die Leitgrundsätze des Art. 5 GG für den Rundfunk gesetzlich zu normieren.

Die Verfassungsmäßigkeit der Verwaltungspraxis der Reichspost und des Reichsministers des Innern hinsichtlich des Rundfunks war zudem auch in anderer Hinsicht umstritten. Die Neuordnung des Rundfunks in den Jahren 1925/1926 war ebenso wie die Reform vom Sommer 1932 das Ergebnis langwieriger Verhandlungen zwischen Reich und Ländern im Reichsrat und seinen Ausschüssen (vgl. Bausch a.a.O., S. 40 ff. und S. 91 ff.). In diesen Verhandlungen bestritten die Länder dem Reich die Kompetenz, das Rundfunkwesen zu ordnen; sie wandten sich insbesondere gegen die zwar nicht von der Reichspost, wohl aber vom Reichsminister des Innern ausgehenden Versuche, politischen Einfluß auf die Programmgestaltung zu gewinnen. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Reich und Ländern wurden jedoch nicht ausgetragen. Man einigte sich auf Kompromisse, die den Ländern einen nicht geringen Einfluß auf die Veranstaltung der Rundfunksendungen einräumten. Die Länder haben jedoch sowohl 1926 als auch 1932 die vom Reich in Anspruch genommenen umfassenden Kompetenzen bestritten und betont, daß sie auf Grund ihrer Polizei- und Kulturhoheit das Recht hätten, den Rundfunk von sich aus zu regeln (vgl. Bausch a.a.O., S. 55, 102 f. und 199 f.). Angesichts dieser grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen Reich und Ländern kann von einer "gewohnheitsrechtlichen Ergänzung der Verfassung" im Sinne einer Reichskompetenz (so Scheuner, Gutachten, S. 47) nicht die Rede sein.

Es kommt schließlich hinzu, daß der "behördliche Einfluß auf die Darbietungen des Rundfunks" (Bredow a.a.O.) nicht vom Reichspostminister und der Reichspost, sondern vom Reichsminister des Innern und den Landesregierungen ausging. Schuster (a.a.O., S. 320) hat zu Recht mit allem Nachdruck darauf hingewiesen, daß vor und nach 1933 "die Reichspost nie etwas mit der Programmseite zu tun, sondern sich ... nur auf die technische Seite (des Rundfunks) beschränkt hatte". Dem entsprach es, daß das "Rundfunkrecht" nur insoweit dem Fernmelderecht zugerechnet wurde, als es die technische Seite des Rundfunks regelte (vgl. Krause, Die Zuständigkeit zur Ordnung des Rundfunkwesens in der Bundesrepublik Deutschland, 1960, S. 80 ff., insbesondere die dort zitierten Äußerungen des Ministerialrats im Reichspostministerium Dr. Neugebauer).

Insgesamt kann also nicht angenommen werden, daß die Verwaltungspraxis der Reichspost, des Reichsministers des Innern und der Landesregierungen bis 1933 einen den Rundfunk als Ganzes umfassenden Rechtsbegriff Fernmeldewesen geprägt hat, den der Grundgesetzgeber hätte übernehmen können.

c) Die Zeit von 1933 bis 1945 muß außer Betracht bleiben. Die Entwicklung des Rundfunks in den Jahren von 1945 bis 1949 konnte zur Festigung eines den Rundfunk als Ganzes umfassenden Begriff des Fernmeldewesens nichts beitragen.

d) Die Entstehungsgeschichte des Art. 73 Nr. 7 GG bestätigt, daß das Fernmeldewesen nicht den Rundfunk als Ganzes umfaßt. Aus den Verhandlungen des Parlamentarischen Rates kann eindeutig nur entnommen werden, daß einerseits entgegen dem Vorschlag des Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee (Bericht, Darstellender Teil, S. 32) die technische Seite des Rundfunks zum Fernmeldewesen gerechnet wurde, und daß andererseits die "kulturelle Seite", also der Inhalt der Sendungen, Sache der Länder sein sollte. Die Frage, ob zum Fernmeldewesen auch die Organisation des Rundfunkwesens gehören sollte, blieb offen, ohne daß zwischen der Organisation der sendetechnischen Vorgänge und der Organisation der Veranstaltung von Rundfunksendungen unterschieden wurde. Eine auch nur annähernd eindeutige Antwort auf diese Frage kann den Materialien nicht entnommen werden.

Vgl. zur Entstehungsgeschichte JöR 1 (1951) S. 476 ff., sowie ParlRat, Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzung, Wortprotokoll über die 2. Sitzung am 22. September 1948, S. 4-8, 44-52; Wortprotokoll über die 8. Sitzung am 6. Oktober 1948, S. 30-33; Wortprotokoll über die 12. Sitzung am 14. Oktober 1948, S. 37- 40; Verhandlungen des Hauptausschusses, 29. Sitzung am 5. Januar 1949, S. 351 f.

Wenn der Parlamentarische Rat die "kulturelle Seite", also das Programm, nicht zum Fernmeldewesen gerechnet, sondern als Sache der Länder angesehen hat, so schließt das aus, daß er einen Begriff Fernmeldewesen in das Grundgesetz übernommen hat, der den Rundfunk als Ganzes umfaßt. Die nach Art. 5 GG gebotenen und zulässigen gesetzlichen Regelungen betreffen hauptsächlich den Inhalt der Sendungen, also - im Sprachgebrauch des Parlamentarischen Rates - die "kulturelle Seite" des Rundfunks. Nach seinem eindeutigen Willen waren solche Regelungen nicht dem Fernmeldewesen zuzurechnen.

6. Die Kompetenz zur Regelung des Fernmeldewesens nach Art. 73 Nr. 7 GG ist also auf sendetechnische Angelegenheiten beschränkt.

a) Weitergehende Gesetzgebungsbefugnisse stehen dem Bund für den Rundfunk auch kraft Sachzusammenhangs (vgl. BVerfGE 3, 407 [421]; 8, 143 [149]) nicht zu. Weder von der Studiotechnik noch von den mit der Veranstaltung von Rundfunksendungen zusammenhängenden Fragen gilt, daß ihre Regelung - soweit sie möglich und geboten ist - unerläßliche Voraussetzung für die Regelung der sendetechnischen Angelegenheiten des Rundfunks ist (vgl. BVerfGE 3, 407 [421]). Sendetechnik und Veranstaltung von Rundfunksendungen sind Sachbereiche, die sich trennen und gesondert regeln lassen. Insofern ist "der Rundfunk" kein Ganzes, das sinnvoll nur einheitlich von Bundes wegen geregelt werden könnte.

b) Soweit der Bund nach Art. 73 Nr. 7 GG Angelegenheiten des Rundfunks regeln kann, kann er auch deren "Organisation" gesetzlich normieren. Der Bund hat also die Befugnis, Regelungen über die Organisation (den Träger) rundfunksendetechnischer Anlagen zu erlassen. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Gesetzgebungskompetenz des Bundes hierfür unmittelbar aus Art. 73 Nr. 7 GG oder aus dieser Vorschrift kraft Sachzusammenhangs oder - soweit die Verwaltung in Frage steht - aus den Art. 83 ff. GG herzuleiten ist. Der Bund könnte also z.B. durch Gesetz rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts errichten, denen Bau und sendetechnischer Betrieb bundeseigener Anlagen für den Rundfunk übertragen werden könnte (Art. 87 Abs. 3 GG).

Der Bund kann jedoch organisatorische Vorschriften nur für solche Institutionen erlassen, die sich auf Errichtung und technischen Betrieb von Sendeanlagen beschränken (siehe aber unten III 2 und E I 5). Organisatorische Regelungen für die Veranstalter und für die Veranstaltung von Rundfunksendungen sind Sache des Landesgesetzgebers. Solche Regelungen haben - schon wegen Art. 5 GG - weit größere Bedeutung als Bestimmungen über die Organisation von Errichtung und technischem Betrieb von Sendeanlagen. Soweit Vorschriften organisatorischer Art für Institutionen, die Veranstaltung von Rundfunksendungen und Betrieb von Sendeanlagen in sich vereinigen, erlassen werden müssen, steht also die Kompetenz für die sendetechnischen Angelegenheiten dem Landesgesetzgeber kraft Sachzusammenhangs zu.

c) Befugnisse zur Regelung des Rundfunks über den Bereich sendetechnischer Angelegenheiten hinaus stehen dem Bund nach Art. 73 Nr. 7 GG auch nicht deshalb zu, weil "Verleihungen" nach § 2 FAG zur Errichtung und zum Betrieb von Funkanlagen und Verträge über die Benutzung solcher Anlagen zur Wahrung von Art. 5 i.V. m. Art. 1 Abs. 3 GG mit Auflagen (Bedingungen) hinsichtlich der Organisation der Veranstaltung von Rundfunksendungen und des Inhalts der Sendungen verbunden werden müßten (vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes über den Rundfunk BT III/1957 Drucks. 1434). Beschränkt sich die Kompetenz für das Fernmeldewesen mit Beziehung auf den Rundfunk auf sendetechnische Angelegenheiten, so ist die Bundespost bei solchen Verleihungen und Verträgen gehalten, ausschließlich sendetechnische Gesichtspunkte zu berücksichtigen (siehe unten E I 4). "Auflagen", die diesen Bereich verlassen, wären unzulässig.

7. a) Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Fernmeldewesen läßt auch Regelungen zu, die dem Bund das ausschließliche Recht vorbehalten, Funkanlagen für Zwecke des Rundfunks zu errichten und zu betreiben. Das im Gesetz über Fernmeldeanlagen von 1928 vorgesehene Funkregal des Reiches geht auf das Telegraphenregal und letztlich auf das Postregal zurück.

Vgl. § 1 des Gesetzes über das Telegraphenwesen des Deutschen Reichs vom 6. April 1892 (RGBl. S. 467) und das Änderungsgesetz hierzu vom 7. März 1908 (RGBl. S. 79) sowie die Funkverordnung von 1924; vgl. weiterhin Krüger a.a.O., S. 5 ff.

Das Grundgesetz hat an der überkommenen Kompetenz des Reiches insofern nichts geändert. § 1 FAG ist also, soweit seine Regelungen hier in Frage stehen, Bundesrecht geworden.

Art. 5 GG steht dem nicht entgegen. Denn Art. 5 GG fordert - anders als die Antragsteller meinen - nicht, daß die Veranstalter von Rundfunksendungen auch über die sendetechnischen Anlagen verfügen und die Möglichkeit haben müssen, diese Anlagen selbst zu betreiben (siehe unten E III).

b) Der Bund muß jedoch den Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens beachten (vgl. BVerfGE 4, 115 (140); 6, 309 (361 f.); 8, 122 (138 ff.) und unten E II). Dieser Grundsatz wäre verletzt, wenn der Bund heute von der Befugnis zur Regelung des Fernmeldewesens unter Berufung auf sein Funkregal in einer Weise Gebrauch machen würde, die darauf hinausliefe, den bestehenden öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten das Verfügungsrecht über die in ihrem Eigentum stehenden und von ihnen betriebenen Sendeanlagen zu entziehen. Gleiches würde gelten, wenn der Bund durch gesetzliche Regelung diesen Anstalten die von ihnen benutzten Wellenbereiche nehmen und sie bei der Verteilung der jetzt oder künftig zur Verfügung stehenden Frequenzen nicht gebührend nach Maßgabe der landesgesetzlichen Regelungen über die Veranstalter von Rundfunksendungen berücksichtigen würde.

8. Nach Art. 73 Nr. 7 GG steht also dem Bund die Befugnis zu, Errichtung und Betrieb von Rundfunksendeanlagen zu regeln. § 3 Abs. 1 des Staatsvertrags fällt in den Bereich dieser ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes, soweit er dem Norddeutschen Rundfunk das ausschließliche Recht vorbehält, solche Sendeanlagen zu errichten und zu betreiben. Insoweit ist § 3 Abs. 1 des Staatsvertrags mit Art. 73 Nr. 7 GG i.V. m. Art. 71 GG unvereinbar und daher nichtig. Soweit § 3 Abs. 1 des Staatsvertrags dem Norddeutschen Rundfunk das ausschließliche Recht zur Veranstaltung von Rundfunksendungen vorbehält, ist er mit Art. 73 Nr. 7 GG vereinbar.

§ 3 Abs. 1 des Staatsvertrags regelt nur Errichtung und Betrieb von Sendeanlagen sowie die Veranstaltung von Sendungen, nicht aber ihren Empfang. Es kann deshalb offen bleiben, ob und inwieweit der Bund Regelungen über Rundfunkempfangsanlagen und über Gebühren für den Betrieb solcher Anlagen erlassen kann, und wie diese Gebühren rechtlich zu qualifizieren sind.

III.

Die Einräumung des ausschließlichen Rechts zur Veranstaltung von Rundfunksendungen an den Norddeutschen Rundfunk steht nicht in Widerspruch zu Gesetzgebungsbefugnissen des Bundes für den Rundfunk, die sich aus anderen grundgesetzlichen Vorschriften als Art. 73 Nr. 7 GG ergeben mögen.

1. Als Vorschriften dieser Art kommen z.B. in Betracht Art. 21 Abs. 3 GG (Parteienrecht), Art. 73 Nr. 1 GG (Verteidigung und Schutz der Zivilbevölkerung), Art. 73 Nr. 9 GG (Urheberrecht), Art. 73 Nr. 10 GG (u. a. internationale Verbrechensbekämpfung) sowie Art. 74 Nr. 21 (u. a. Hochsee-, Küsten- und Binnenschiffahrt, Wasserstraßen, Wetterdienst) und Art. 74 Nr. 22 GG (Straßenverkehr). Diese Kompetenzen des Bundes erlauben jedoch lediglich, Teilaspekte des Programms (insbesondere die Zuteilung von Sendezeiten an politische Parteien und die Durchgabe bestimmter Meldungen) oder einzelne Rechtsfragen des Rundfunks (etwa urheberrechtlicher Art) zu regeln. Weitere Kompetenzen des Bundes mögen sich kraft Sachzusammenhangs aus seinen Zuständigkeiten z.B. für Verteidigung, Zollwesen und Angelegenheiten des Bundeskriminalamtes herleiten lassen. Alle diese Bundeskompetenzen ergeben jedoch - auch zusammengefaßt - noch keine Gesetzgebungsbefugnis zur Regelung der Veranstaltung von Rundfunksendungen. Sie lassen also das landesgesetzlich vorgesehene Monopol des Norddeutschen Rundfunks unberührt, unbeschadet seiner Verpflichtung, bundesgesetzliche Einzelregelungen zu beachten. Dabei kann außer acht gelassen werden, inwieweit es sich bei diesen Gesetzgebungsbefugnissen des Bundes um ausschließliche Kompetenzen handelt, und inwieweit der Bund im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung von seinen Kompetenzen Gebrauch gemacht hat.

2. Es kann offen bleiben, ob die Zuständigkeiten des Bundes für auswärtige Angelegenheiten und für gesamtdeutsche Fragen ebenfalls nur erlauben, Teilaspekte des Programms und Einzelfragen des Rundfunks zu regeln, oder ob diese Zuständigkeiten weiter reichen und dem Bund gestatten, umfassendere Regelungen für solche Rundfunksendungen zu erlassen, die für das Ausland oder für die Deutschen bestimmt sind, die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland in deutschen Gebieten wohnen. Es kann ferner offen bleiben, ob der Bund wegen seiner Zuständigkeiten für auswärtige Angelegenheiten und gesamtdeutsche Fragen durch Gesetz eine Bundesoberbehörde oder Anstalt des öffentlichen Rechts zur Veranstaltung von Rundfunksendungen errichten und für diese Behörde oder Anstalt auch die Leitgrundsätze gesetzlich normieren kann, die sich aus Art. 5 GG für die Veranstaltung und die Veranstalter von Rundfunksendungen ergeben. Denn solche umfassenderen Kompetenzen des Bundes, über die im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden ist, würden sich nur auf die Veranstaltung und die Veranstalter solcher Sendungen beziehen, die ausschließlich oder doch ganz überwiegend für das Ausland oder für die Deutschen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland bestimmt sind.

Dem Norddeutschen Rundfunk ist durch § 3 Abs. 1 des Staatsvertrags das ausschließliche Recht vorbehalten, "für die Allgemeinheit" Rundfunksendungen zu veranstalten. Damit ist - wenn nicht ausschließlich, so doch in erster Linie - "die Allgemeinheit" der Bundesrepublik Deutschland gemeint. Das dem Norddeutschen Rundfunk eingeräumte Monopol kann also nicht in Widerspruch zu Kompetenzen stehen, die dem Bund zur Regelung von Rundfunksendungen zustehen mögen, die speziell für das Ausland oder die Deutschen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland bestimmt sind.

3. Aus Art. 5 GG kann der Bund keine Zuständigkeiten herleiten. Art. 5 GG ist keine Kompetenznorm, sondern bindet denjenigen, der die Veranstaltung von Rundfunksendungen zu regeln hat.

IV.

Der Bund hat - anders als die Bundesregierung meint - keine Befugnis aus der Natur der Sache, durch Gesetz die Veranstaltung von Rundfunksendungen zu regeln, die der überregionalen Aufgabe nationaler Repräsentation nach innen, d. h. der Selbstdarstellung der Nation vor der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland, zu dienen bestimmt sind. Ebensowenig stehen dem Bund entsprechende Verwaltungskompetenzen zu. Er kann auch nicht nach Art. 87 Abs. 3 GG für diesen Zweck durch Gesetz eine Bundesoberbehörde oder Anstalt des öffentlichen Rechts errichten (siehe unten E I 6) Es bedarf deshalb keiner Prüfung, ob es sich um eine ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis des Bundes handeln würde, und ob das in § 3 Abs. 1 des Staatsvertrags vorgesehene Monopol des Norddeutschen Rundfunks zur Veranstaltung von Rundfunksendungen mir einer solchen Bundeskompetenz vereinbar wäre.

V.

Das ausschließliche Recht des Norddeutschen Rundfunks zur Veranstaltung von Rundfunksendungen widerspricht auch nicht dem Art. 5 GG (siehe unten E III).

VI.

Das hamburgische Gesetz, betreffend den Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk, ist also, soweit es sich auf § 3 Abs. 1 des Staatsvertrags bezieht, mit dem Grundgesetz nur insoweit unvereinbar und daher nichtig, als es dem Norddeutschen Rundfunk das ausschließliche Recht vorbehält, sendetechnische Anlagen des Hörrundfunks und des Fernsehfunks zu errichten und zu betreiben.

Im übrigen ist das Gesetz, soweit es sich auf § 3 Abs. 1 des Staatsvertrags bezieht, mit dem Grundgesetz vereinbar.

E.

I.

Der Bund hat durch Gründung der Deutschland-Fernsehen-GmbH gegen Art. 30 i.V.m. Art. 83 ff. GG verstoßen. Die Veranstaltung von Rundfunksendungen ist nach der deutschen Rechtsentwicklung eine öffentliche Aufgabe. Wenn sich der Staat mit dieser Aufgabe in irgendeiner Form befaßt, wird sie zu einer "staatlichen Aufgabe", deren Erfüllung nach Art. 30 GG Sache der Länder ist, soweit das Grundgesetz keine andere Regelung getroffen oder zugelassen hat. Für die Veranstaltung von Rundfunksendungen hat das Grundgesetz keine andere Regelung zugunsten des Bundes getroffen oder zugelassen (siehe aber unten 5).

1. a) Es kann dahingestellt bleiben, ob die für die bundesstaatliche Struktur unserer Verfassungsordnung grundlegende Vorschrift des Art. 30 GG jede staatliche Tätigkeit schlechthin erfaßt. Jedenfalls fällt unter diese Kompetenznorm diejenige Betätigung des Staates, die der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob Mittel des öffentlichen oder des privaten Rechts verwendet werden. Eine andere Auslegung würde, zumal angesichts des zunehmenden Umfangs der nichteingreifenden Verwaltung, dem Sinn des Art. 30 GG nicht gerecht werden. Sie würde auch der Entstehungsgeschichte der Vorschrift widersprechen.

Vgl. JöR 1 (1951) S.295 ff., sowie die Äußerungen des Abgeordneten Dr. Laforet, Parl. Rat, Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzung, Wortprotokoll über die 5. Sitzung am 29. September 1948, S. 124, 127 f., 135 und die Ausführungen des Abgeordneten Dr. Hoch, ebenda, S. 129, 138 und 145; vgl. auch Parl. Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, 48. Sitzung am 9. Februar 1949, S. 626.

b) Die Veranstaltung von Rundfunksendungen gehört in Deutschland seit 1926 herkömmlich zu den Aufgaben der öffentlichen Verwaltung. Entscheidend für die Einbeziehung des Rundfunks in den Bereich der öffentlichen Verwaltung war die Tatsache, daß "der Rundfunk ein Publikationsmittel und Nachrichtenträger ersten Ranges war und ist" und "im politischen Raum wirkt" (vgl. Hans Schneider, Gutachten, S. 8). Daß ein Teil der Darbietungen des Rundfunks als "freie persönliche Betätigung" gekennzeichnet werden mag, die "keinen inneren Zusammenhang mit öffentlichen Aufgaben" aufweist (vgl. Scheuner, Gutachten, S. 21) hat seit jeher für die rechtlichen Beziehungen zwischen Staat und Rundfunk nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Die Nachrichtengebung im weitesten Sinne (vgl. Hans Schneider a.a.O.) war seit Entstehung des Rundfunks Anlaß und Rechtfertigungsgrund dafür, die Veranstaltung von Rundfunksendungen in den Kreis der öffentlichen Aufgaben einzubeziehen.

Dem steht nicht entgegen, daß unter der Weimarer Verfassung die Sendungen von Gesellschaften des privaten Rechts veranstaltet wurden. Maßgebend hierfür war nicht die Ansicht, die Veranstaltung der Sendungen sei eine Angelegenheit privatwirtschaftlicher Betätigung, sondern u. a. die Tatsache, daß der Reichspost infolge der Inflation die Mittel fehlten, um diese Aufgabe selbst in Angriff zu nehmen (vgl. Bredow a.a.O., S. 12 und 19; Bausch a.a.O., S. 19). Die Reichspost hat sich aber bemüht, ohne eigene finanzielle Aufwendungen die Stimmenmehrheit in den Organen der Rundfunkgesellschaften zu erlangen. Im Jahre 1926 gelang es ihr, dieses Ziel zu erreichen (vgl. oben A I 2 b sowie Bredow a.a.O., S. 29 f.; Pohle a.a.O., S. 39 f. und 48 f.; Bausch a.a.O., S. 31 ff. und 58). Durch die Reform im Jahre 1932 wurde das private Kapital völlig ausgeschaltet; alle Anteile an der Reichsrundfunkgesellschaft und den regionalen Programmgesellschaften, die noch in privater Hand waren, wurden auf Reich und Länder übertragen (vgl. oben A I 3 sowie Pohle a.a.O., S. 124 ff.; Bausch a.a.O., S. 90 ff.).

In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob die vom Reich in Anspruch genommenen Zuständigkeiten mit der Kompetenzverteilung zwischen Reich und Ländern und ob der von Reich und Ländern ausgeübte Einfluß auf den Rundfunk (siehe oben D II 5) mit dem Recht der freien Meinungsäußerung und dem Zensurverbot (Art. 118 WRV) vereinbar waren. Hier kommt es nur darauf an, daß diese Einflußnahme nur als Auswirkung der Ansicht verstanden werden kann, die Veranstaltung von Rundfunksendungen gehöre nicht nur in den Bereich des Öffentlichen, sondern in den der öffentlichen Aufgaben.

Die Zeit von 1933 bis 1945 muß auch hier außer Betracht bleiben. Nach 1945 trat die Auffassung vom Rundfunk als einer öffentlichen Aufgabe noch stärker in Erscheinung, indem als Veranstalter der Rundfunksendungen Anstalten des öffentlichen Rechts gegründet wurden. Auch das Bundesgesetz vom 29. November 1960 errichtet zwei öffentlich-rechtliche Anstalten, und der Entwurf dieses Gesetzes sah für das zweite Fernsehprogramm eine solche Anstalt vor. Die von Rundfunkanstalten öffentlichen Rechts erfüllten Aufgaben gehören zum Bereich der öffentlichen Verwaltung (BVerfGE 7, 99 [104]).

c) Zusammenfassend ist festzustellen, daß der Rundfunk in Deutschland zu einer öffentlichen Einrichtung geworden ist und in öffentlicher Verantwortung steht. Wenn sich der Staat mit dem Rundfunk in irgendeiner Form befaßt, so nimmt er damit eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung wahr.

Im Ergebnis ebenso OVG Hamburg, Urteil vom 10. Juli 1956 III 11/56 - DVBl. 1957, 67 (68); Ipsen, Die Rundfunkgebühr, 2. Aufl. 1958, S. 40 f.; Krause a.a.O., S. 106 ff.; Krüger a.a.O., S. 16 und 78; Maunz BayVwBl. 1957, 4 (5); Quaritsch, JIR 8 (1957/1958) S. 339 (341 f.); Weber, in: Der Rundfunk im politischen und geistigen Raum des Volkes, S. 67, Ridder, Kirche, Staat, Rundfunk, 1958, S. 42 f.; anderer Ansicht OLG München, Urteil vom 24. Oktober 1957 - 6 U 1010/57 - NJW 1958, 1298 (1299 f.); Apelt, Festschrift für Nawiasky, 1956, S. 375 (381); Peters a.a.O., S. 33.
Entgegen der Ansicht der Bundesregierung wird also die Veranstaltung von Rundfunksendungen als Aufgabe der öffentlichen Verwaltung von der Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern (Art. 30 GG) erfaßt, und zwar auch dann, wenn sich der Staat, wie er es hier getan hat, privatrechtlicher Formen bedient.

2. Die Bundesregierung meint, die Erfüllung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung mit privatrechtlichen Mitteln werde nur dann von Art. 30 GG erfaßt, wenn es um die Ausführung von Gesetzen gehe. Da die Gründung der Deutschland-Fernsehen-GmbH nicht Gesetzesausführung sei, greife Art. 30 GG nicht ein.

Art. 30 GG gilt aber sowohl für die gesetzesakzessorische wie für die "gesetzesfreie" Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Das ergibt sich zwingend aus dem Verhältnis von Art. 30 GG zum VIII. Abschnitt des Grundgesetzes (Art. 83 bis 91 GG) und daraus, daß dieser Abschnitt von der Bundesverwaltung auch insofern handelt, als sie gesetzesfreie Verwaltung ist.

Die Art. 83 bis 86 GG handeln wegen der dem deutschen Bundesstaatsrecht eigentümlichen Trennung der Kompetenz zum Erlaß und zur Ausführung der Bundesgesetze von der Ausführung der Bundesgesetze. Die Gegenüberstellung von "Ausführung der Bundesgesetze" und "die Bundesverwaltung" in der Überschrift des VIII. Abschnitts wäre jedoch unverständlich, wenn auch die folgenden Artikel lediglich die gesetzesakzessorische Verwaltung erfassen würden. Die in den Art. 87 bis 90 GG und besonders in Art. 87 Abs. 1 GG angeführten Sachbereiche bundeseigener Verwaltung werden zu einem nicht unerheblichen Teil "gesetzesfrei" verwaltet. Das gilt für den Auswärtigen Dienst, die Bundesbahn und die Bundespost nicht weniger als für die Verwaltung der Bundesautobahnen, der Bundesstraßen und der Bundeswasserstraßen. Die Art. 87 Abs. 1, 89 und 90 GG beschränken sich nicht darauf, dem Bund außer der Kompetenz zur Gesetzesausführung die Befugnis zuzusprechen, einen bundeseigenen Verwaltungsunterbau zu unterhalten (vgl. insbesondere Art. 89 Abs. 2 Satz 2 und Art. 87 b Abs. 1 Satz 2 GG, in denen Aufgaben der Bundesverwaltung näher umschrieben werden). Die Art. 83 ff. GG regeln also auch die nicht- gesetzesausführende Bundesverwaltung.

Ebenso Laforet, DÖV 1949, 221 ff.; Nawiasky, Die Grundgedanken des Grundgesetzes, 1950, S. 122; Peters, Festgabe für Erich Kaufmann, 1950, s. 281 (290); Hans Schneider, Gutachten, S. 18 f. und S. 36; anderer Ansicht Köttgen, JöR 3 (1954), S. 67 (73, 78 und 80).

Handelt aber der VIII. Abschnitt des Grundgesetzes auch von der gesetzesfreien Bundesverwaltung, so folgt daraus - was die Bundesregierung nicht verkennt -, daß der Grundsatz des Art. 30 GG auch für diese Verwaltung gilt. Die Gründung der Deutschland-Fernsehen-GmbH ist also nach Art. 30 GG zu beurteilen, obwohl sie nicht in Ausführung eines Gesetzes vorgenommen wurde.

3. Die Bundesregierung meint, das Prinzip des Art. 30 GG - die grundsätzliche Zuständigkeit der Länder - werde im VIII. Abschnitt des Grundgesetzes nur in Art. 83 GG und dort nur für die gesetzesausführende Verwaltung wiederholt; das rechtfertige den Schluß, der Vorrang der Länder (Art. 30 GG) gelte nicht für die gesetzesfreie Verwaltung. Für diese Verwaltung habe der VIII. Abschnitt des Grundgesetzes generell eine "andere Regelung" im Sinne von Art. 30 GG getroffen.
Man kann aber für das Verhältnis des VIII. Abschnitts des Grundgesetzes zu Art. 30 GG nicht allein von Art. 83 GG ausgehen. Dieser Abschnitt regelt nicht nur die gesetzesakzessorische, sondern, wie dargelegt, auch die gesetzesfreie Bundesverwaltung. Auch für sie trifft er im einzelnen "andere Regelungen", von denen in Art. 30 GG die Rede ist. Der VIII. Abschnitt trifft also nicht generell für die gesetzesfreie Verwaltung eine "andere Regelung" dahin, daß sie von dem in Art. 30 GG statuierten Vorrang der Länder ausgenommen ist.

4. a) Die Worte "Post- und Fernmeldewesen" in Art. 73 Nr. 7 GG und "Bundespost" in Art. 87 Abs. 1 GG bezeichnen dieselben Sachbereiche (siehe oben D II 3 c). Nach Art. 73 Nr. 7 GG kann der Bund Errichtung und technischen Betrieb von Rundfunksendeanlagen regeln (siehe oben D II 2, 3, 4, 6, 7 und 8). Dementsprechend kann die Bundespost nach Art. 87 Abs. 1 GG solche Anlagen auch selbst errichten und betreiben. Der Bund hat also durch den Bau posteigener Sender, die zur Ausstrahlung eines zweiten Fernsehprogramms dienen sollen (siehe oben A III 1), nicht gegen Art. 30 i.V. m. Art. 83 ff. GG verstoßen.

b) Die Veranstaltung von Rundfunksendungen gehört dagegen nicht zum "Post- und Fernmeldewesen" im Sinne von Art. 73 Nr. 7 GG (siehe oben D II). Für sie hat das Grundgesetz durch Art. 87 Abs. 1 GG, nach dem die "Bundespost" in bundeseigener Verwaltung geführt wird, keine "andere Regelung" im Sinne von Art. 30 GG getroffen. Die Gründung der Deutschland-Fernsehen- GmbH ist deshalb weder unmittelbar noch kraß Sachzusammenhangs (vgl. oben D II 6) durch Art. 87 Abs. 1 GG gedeckt.

c) Die Kompetenz zur Regelung des Post- und Fernmeldewesens umfaßt nicht die Befugnis, die Leitgrundsätze gesetzlich zu normieren, die durch Art. 5 GG in materiell-rechtlicher und organisatorischer Hinsicht für die Veranstaltung und die Veranstalter von Rundfunksendungen gefordert oder zugelassen werden (siehe oben D II, insbesondere 3, 5 und 6, sowie D III). Daraus folgt, daß der Bund Verleihungen nach § 2 FAG und Verträge über die Benutzung von bundes(post-)eigenen Rundfunkanlagen nicht von "Auflagen" abhängig machen darf. die über den Bereich sendetechnischer Angelegenheiten hinausgehen.

Weiterreichende Verwaltungskompetenzen stehen dem Bund entgegen der Auffassung der Bundesregierung auch wegen Art. 1 Abs. 3 GG nicht zu. Diese Vorschrift ist ebensowenig wie Art. 5 GG eine Kompetenznorm. Zur Wahrung der Grundrechte sind Bund und Länder nach Maßgabe ihrer durch das Grundgesetz abgegrenzten Zuständigkeiten berufen. Zur Gewährleistung der "Rundfunkfreiheit" sind die Länder zuständig. Der Bund ist insofern auf die Einwirkungsmöglichkeiten beschränkt, die das Grundgesetz ihm für den Fall zuerkennt, daß ein Land das Grundgesetz außer acht läßt.

d) Die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz für die Veranstaltung von Rundfunksendungen steht also den Ländern zu. Die zur Ausstrahlung der Programme notwendigen sendetechnischen Anlagen unterliegen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes (siehe aber oben D II 6 und 7). Der Bund verfügt nach Art. 87 Abs. 1 GG auch über entsprechende Verwaltungsbefugnisse und ist insbesondere für die Zuteilung der Wellenbereiche an die Sender zuständig; er darf diese Zuteilung und den Abschluß von Verträgen über die Benutzung von bundeseigenen Sendeanlagen aber nur unter sendetechnischen Gesichtspunkten vornehmen. Für die danach notwendige Zusammenarbeit von Bund und Ländern muß für beide Seiten der Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens maßgebend sein. Das gilt auch für den Bereich der sogenannten "Leitungstechnik".

Mit dem Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens (vgl. unten II) wäre es nicht vereinbar, wenn der Bund den bestehenden Rundfunkanstalten die von ihnen benutzten Wellenbereiche entziehen und sie bei der Verteilung der jetzt oder künftig zur Verfügung stehenden Frequenzen nicht gebührend nach Maßgabe der landesgesetzlichen Regelungen über die Veranstalter von Rundfunksendungen berücksichtigen würde. Gleiches würde gelten, wenn der Bund von seinen Verwaltungsbefugnissen unter Berufung auf das Funkregal in einer Weise Gebrauch machen würde, die darauf hinausliefe, diesen Anstalten das Verfügungsrecht über die in ihrem Eigentum stehenden und von ihnen betriebenen Sendeanlagen zu entziehen.

5. Die Gründung der Deutschland-Fernsehen-GmbH ist nicht deshalb mit Art. 30 und Art. 83 ff. GG vereinbar, weil das Grundgesetz in Art. 87 Abs. 1 GG Verwaltungskompetenzen des Bundes für auswärtige Angelegenheiten und gesamtdeutsche Fragen vorgesehen oder zugelassen hat.

Es kann offenbleiben, in welchem Umfang dem Bund unter diesem Gesichtspunkt Verwaltungskompetenzen für die Veranstaltung von Rundfunksendungen zustehen. Sie würden nicht weiter reichen als die Gesetzgebungsbefugnisse (siehe oben D III 2). Sie könnten also allenfalls die Schaffung von Institutionen zur Veranstaltung von Rundfunksendungen rechtfertigen, die ausschließlich oder doch ganz überwiegend für das Ausland oder die Deutschen bestimmt sind, die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland in deutschen Gebieten wohnen. Daß die Deutschland- Fernsehen-GmbH nicht ausschließlich oder ganz überwiegend solchen Zwecken dienen soll, bedarf keiner Begründung.

6. a) Die Gründung der Deutschland-Fernsehen-GmbH kann schließlich unter dem Gesichtspunkt von Art. 30 und Art. 83 ff. GG auch nicht damit gerechtfertigt werden, daß die Veranstaltung von Rundfunksendungen eine "überregionale" Aufgabe sei, oder daß das Grundgesetz die Veranstaltung solcher Sendungen durch den Bund zugelassen habe, die der nationalen Repräsentation nach innen dienen sollen. Der Bund hat hierfür keine Verwaltungs- und Gesetzgebungskompetenz aus der Natur der Sache.

b) Eine Kompetenz aus der Natur der Sache ist begründet nach dem "ungeschriebenen, im Wesen der Dinge begründeten, mithin einer ausdrücklichen Anerkennung durch die Reichsverfassung nicht bedürftigen Rechtssatz, wonach gewisse Sachgebiete, weil sie ihrer Natur nach eigenste, der partikularen Gesetzgebungszuständigkeit a priori entrückte Angelegenheiten des Reichs darstellen, vom Reiche und nur von ihm geregelt werden können" (Anschütz, HdbDStR I, 367; siehe BVerfGE 11, 89 [98 f.] und 11, 6 [17]). Diese Voraussetzungen für die Anerkennung einer natürlichen Bundeskompetenz gelten auch heute noch. Schlußfolgerungen aus der Natur der Sache müssen begriffsnotwendig sein und eine bestimmte Lösung unter Ausschluß anderer Möglichkeiten sachgerechter Lösung zwingend fordern (BVerfGE 11, 89 [99]).

Das ist hier nicht der Fall.

c) Funkwellen halten sich nicht an Ländergrenzen. Insofern zeitigt die Veranstaltung und Ausstrahlung von Rundfunkprogrammen Wirkungen, die man als "überregional" bezeichnen mag. Diese physikalische "Überregionalität" ist aber nicht geeignet, eine natürliche Bundeszuständigkeit zu begründen.

Die Veranstaltung von Rundfunk- und insbesondere von Fernsehsendungen fordert beträchtliche finanzielle Aufwendungen. Deshalb ist das z. Zt. veranstaltete erste Fernsehprogramm zum überwiegenden Teil ein Gemeinschaftsprogramm, zu dem alle Rundfunkanstalten beitragen. Die hohen Kosten der Herstellung eines vollen Fernsehprogramms würden die finanziellen Möglichkeiten einzelner Anstalten übersteigen. Man mag insofern von einer finanziell bedingten "Überregionalität" der Veranstaltung von Fernsehsendungen sprechen. Die Überforderung regionaler Finanzkraft kann aber nicht die Annahme rechtfertigen, nach der Natur der Sache sei der Bund zuständig (vgl. Köttgen, Die Kulturpflege und der Bund, in: Staats- und Verwaltungswissenschaftliche Beiträge, 1957, S. 183 [191]).

Eine natürliche Bundeszuständigkeit kann auch nicht aus der Tatsache hergeleitet werden, daß eine Aufgabe (z.B. die Veranstaltung eines Fernsehprogramms) nicht von jedem Land (der einzelnen Rundfunkanstalt) gesondert, sondern von den Ländern (den Rundfunkanstalten) gemeinsam oder nach näherer Vereinbarung wahrgenommen wird. Die Tatsache der gemeinsamen oder koordinierten Erfüllung einer Aufgabe durch die Länder (die Rundfunkanstalten) ist, gleichgültig welcher Art die Motive für die Zusammenarbeit sein mögen, für sich genommen kein Grund, der eine natürliche Bundeszuständigkeit rechtfertigen könnte. Es ist ein für den Bundesstaat entscheidender Unterschied, ob sich die Länder einigen, oder ob der Bund eine Angelegenheit auch gegen den Willen der Länder oder einzelner Länder gesetzgeberisch regeln und verwalten kann.

d) Aus der Notwendigkeit nationaler Repräsentation nach innen, d. h. der Selbstdarstellung der Nation vor der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland, kann eine natürliche Bundeskompetenz zur Veranstaltung von Rundfunksendungen ebensowenig abgeleitet werden wie aus dem Gebot, die "kontinuitätsbewahrende Tradition" zu pflegen. Sicherlich ist es notwendig, diese Dinge von Staats wegen zu fördern. Es ist aber unverkennbar, daß mit ihnen Aufgaben bezeichnet sind, die sich einer näheren Bestimmung entziehen. Es gibt viele Institutionen und Veranstaltungen kultureller Art, die der nationalen Repräsentation nach innen zu dienen bestimmt sind. Letztlich kann das gesamte Erziehungs- und Bildungswesen als Pflege "kontinuitätsbewahrender Tradition" verstanden werden.

Für die Förderung dieser Aufgaben durch Rundfunksendungen gilt die Abgrenzung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern durch das Grundgesetz. Der Bund wäre aus der Natur der Sache zur Veranstaltung solcher Sendungen nur dann zuständig, wenn es sich dabei um eigene, der Zuständigkeit der Länder von vornherein entrückte Angelegenheiten des Bundes handeln würde, die nur von ihm wahrgenommen werden könnten. Daran fehlt es. Aus der Natur der Aufgabe "nationale Repräsentation nach innen" und "Pflege kontinuitätsbewahrender Tradition" folgt nicht begriffsnotwendig, daß ihre Förderung durch Rundfunksendungen des Bundes zwingend geboten ist (vgl. BVerfGE 11, 89 [98 f.]). Das gilt umso mehr, als der Einflußnahme des Bundes auf den Inhalt der Sendungen, ohne den ihr "nationalrepräsentativer" und die Tradition fördernder Charakter schwerlich erreicht werden könnte, durch Art. 5 GG enge Grenzen gezogen wären.

e) Art. 135 Abs. 4 GG, der bei "überwiegendem Interesse des Bundes" erlaubt, von dem in Art. 135 Abs. 1 bis 3 GG geregelten Vermögensübergang abzuweichen (vgl. BVerfGE 10, 20 [36 ff.]), kann zur Stützung der Ansicht der Bundesregierung nicht herangezogen werden. Art. 135 Abs. 4 GG enthält eine "Sonderkompetenz", von der der Bund bei Errichtung einer bundesunmittelbaren Verwaltung Gebrauch machen kann, ohne an die Voraussetzungen des Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG (Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes) gebunden zu sein (BVerfGE 10, 20 [45]). Die Vorschrift sollte dem Bund die Möglichkeit geben, "den organischen Zusammenhang ihrer Zweckbestimmung nach zusammengehöriger, durch die Kriegswirren zerrissener Sammlungen und Bibliotheken von national- repräsentativer Bedeutung wieder herzustellen und sie ihrer ursprünglichen gesamtdeutschen Aufgabe zu erhalten" (BVerfGE 10, 20 [47]). Nur auf Grund der ihm in Art. 135 Abs. 4 GG verliehenen Kompetenz konnte der Bundesgesetzgeber der Stiftung "Preußischer Kulturbesitz" (Gesetz vom 25. Juli 1957, BGBl. I S. 841) auch die künftige Verwaltung des preußischen Kulturbesitzes übertragen (BVerfGE 10, 20 [45 f.]). Art. 135 Abs. 4 GG ist eine Ausnahmevorschrift. Sie wäre überflüssig, wenn dem Bund schon nach anderen Vorschriften des Grundgesetzes die Befugnis zustünde, sich der nationalen Repräsentation und Traditionspflege anzunehmen.

Die Gründung der Deutschland-Fernsehen-GmbH fällt also unter Art. 30 GG. Für sie hat das Grundgesetz eine "andere Regelung" im Sinne dieser Vorschrift zugunsten des Bundes weder getroffen noch zugelassen. Die Gründung der Deutschland-Fernsehen-GmbH verstößt demnach gegen Art. 30 i.V.m. Art. 83 ff. GG.

II.

Im deutschen Bundesstaat wird das gesamte verfassungsrechtliche Verhältnis zwischen dem Gesamtstaat und seinen Gliedern sowie das verfassungsrechtliche Verhältnis zwischen den Gliedern durch den ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz von der wechselseitigen Pflicht des Bundes und der Länder zu bundesfreundlichem Verhalten beherrscht (vgl. Smend, Ungeschriebenes Verfassungsrecht im monarchischen Bundesstaat, Festgabe für Otto Mayer, 1916, S. 247 ff.). Das Bundesverfassungsgericht hat daraus eine Reihe konkreter Rechtspflichten entwickelt. Im Zusammenhang mit Erwägungen über die Verfassungsmäßigkeit des sog. horizontalen Finanzausgleichs steht der Satz: "Das bundesstaatliche Prinzip begründet seinem Wesen nach nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Eine dieser Pflichten besteht darin, daß die finanzstärkeren Länder den schwächeren Ländern in gewissen Grenzen Hilfe zu leisten haben" (BVerfGE 1, 117 [131]). Der Verfassungsgrundsatz kann ferner in Fällen, in denen das Gesetz eine Verständigung zwischen dem Bund und den Ländern fordert, eine gesteigerte Mitwirkungspflicht aller Beteiligten begründen und dazu führen, daß der einer allseitigen Verständigung entgegenstehende unsachliche Widerspruch eines der Beteiligten rechtlich unbeachtlich wird (BVerfGE 1,299 [315 f.]). Bei der Entscheidung über die Gewährung von Weihnachtszuwendungen an öffentliche Bedienstete haben die Länder Bundestreue zu wahren und deshalb auf das gesamte Finanzgefüge von Bund und Ländern Rücksicht zu nehmen (BVerfGE 3, 52 [57]). Noch stärker tritt diese Rechtsschranke aus dem Gedanken der Bundestreue bei der Ausübung von Gesetzgebungsbefugnissen zu Tage: "Bleiben die Auswirkungen einer gesetzlichen Regelung nicht auf den Raum des Landes begrenzt, so muß der Landesgesetzgeber Rücksicht auf die Interessen des Bundes und der übrigen Länder nehmen" (BVerfGE 4, 115 [140]). Aus dem Verfassungsgrundsatz der Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten kann sich weiter die Pflicht der Länder zur Beachtung von völkerrechtlichen Verträgen des Bundes ergeben (BVerfGE 6, 309 [328, 361 f.]). Unter Umständen kann schließlich ein Land mit Rücksicht auf seine Pflicht zur Bundestreue verpflichtet sein, im Wege der Kommunalaufsicht gegen Gemeinden einzuschreiten, die durch ihre Maßnahmen in eine ausschließliche Bundeskompetenz eingreifen (BVerfGE 8, 122 [138 ff.]). Auch bei der Wahrnehmung der Bundeskompetenzen auf dem Gebiet des Rundfunks ist, wie oben dargelegt (vgl. I 4 d und D II 7 b), der Satz vom bundesfreundlichen Verhalten von grundsätzlicher Bedeutung.

Die bisherige Rechtsprechung läßt erkennen, daß sich aus diesem Grundsatz sowohl konkrete, über die in der bundesstaatlichen Verfassung ausdrücklich normierten verfassungsrechtlichen Pflichten hinausgehende, zusätzliche Pflichten der Länder gegenüber dem Bund und zusätzliche Pflichten des Bundes gegenüber den Ländern entwickeln lassen als auch konkrete Beschränkungen in der Ausübung der dem Bund und den Ländern im Grundgesetz eingeräumten Kompetenzen ergeben.

Der vorliegende Fall gibt Veranlassung, den verfassungsrechtlichen Grundsatz von der Pflicht zu bundesfreundlichen Verhalten nach einer anderen Seite weiter zu entwickeln: Auch das procedere und der Stil der Verhandlungen, die zwischen dem Bund und seinen Gliedern und zwischen den Ländern im Verfassungsleben erforderlich werden, stehen unter dem Gebot bundesfreundlichen Verhaltens. In der Bundesrepublik Deutschland haben alle Länder den gleichen verfassungsrechtlichen Status; sie sind Staaten, die im Verkehr mit dem Bund Anspruch auf gleiche Behandlung haben. Wo immer der Bund sich in einer Frage des Verfassungslebens, an der alle Länder interessiert und beteiligt sind, um eine verfassungsrechtlich relevante Vereinbarung bemüht, verbietet ihm jene Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten, nach dem Grundsatz divide et impera zu handeln, d. h. auf die Spaltung der Länder auszugehen, nur mit einigen eine Vereinbarung zu suchen und die anderen vor den Zwang des Beitritts zu stellen.

Jener Grundsatz verbietet es auch, daß die Bundesregierung bei Verhandlungen, die alle Länder angehen, die Landesregierungen je nach ihrer parteipolitischen Richtung verschieden behandelt, insbesondere zu den politisch entscheidenden Beratungen nur Vertreter der ihr parteipolitisch nahestehenden Landesregierungen zuzieht und die der Opposition im Bunde nahestehenden Landesregierungen davon ausschließt. Es ist in Fällen der hier erörterten Art das gute Recht der einer Partei angehörenden Politiker im Bund und in den Ländern, zunächst einmal in politischen Gesprächen ihre Auffassungen zur Lösung des den Bund und alle Länder interessierenden Problems zu klären und miteinander abzustimmen, auch während der Verhandlungen zwischen Bund und Ländern sich über weitere gemeinsame Schritte zu verständigen. Die notwendigen Verhandlungen zwischen dem Bund und den Ländern, also zwischen den Regierungen und ihren Sprechern, müssen aber den oben dargelegten Grundsätzen entsprechen.

Die jahrelangen Bemühungen um eine Neuregelung des Rundfunkwesens traten in ein neues Stadium, als die Bundesregierung Anfang 1958 eine bundesgesetzliche Regelung in Aussicht nahm. Nachdem im Laufe des Jahres 1959 der Entwurf eines Bundesgesetzes mehrfach mit Vertretern der Länder erörtert worden war, einigten sich die Länder im Januar 1960 auf die Einsetzung einer Vierer-Kommission, der zwei christlich-demokratische und zwei sozialdemokratische Mitglieder von Landesregierungen angehörten; sie sollte für die Landesregierungen die Verhandlungen mit der Bundesregierung führen. Diese Kommission wurde jedoch niemals von der Bundesregierung an Verhandlungen beteiligt. Nur eines ihrer Mitglieder, der der Christlich-Demokratischen Union angehörende Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, hat - nicht in dieser Eigenschaft, sondern als Mitglied seiner Partei - an einer Reihe von Besprechungen teilgenommen, die zwischen Politikern und Abgeordneten der Christlich-Demokratischen und Christlich- Sozialen Union stattgefunden haben, unter denen auch Mitglieder der Bundesregierung waren (vgl. dazu das Schreiben des Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz an den Bundesminister Dr. Schröder vom 17. November 1960). Er hat, soweit die Teilnehmer an diesen Gesprächen dahin übereinkamen, es auch übernommen, jene Kommission und die übrigen Landesregierungen zu informieren. In diesen Gesprächen wurden Vorschläge und Pläne erarbeitet und formuliert, die aber nicht zum Gegenstand von Verhandlungen der Bundesregierung mit den Landesregierungen oder mit der von ihnen gebildeten Kommission gemacht wurden. Das gilt insbesondere von dem erstmals in einer dieser Besprechungen am 8. Juli 1960 aufgetauchten Gedanken, zur Veranstaltung eines zweiten Fernsehprogramms eine von Bund und Ländern zu gründende Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu errichten, und von dem in einer weiteren ausschließlich Politikern der Christlich-Demokratischen und Christlich- Sozialen Union zugänglichen Sitzung am 15. Juli 1960 erörterten Entwurf eines Gesellschaftsvertrags, der am 25. Juli 1960 unterzeichnet werden sollte. Daß die von sozialdemokratischen Ministerpräsidenten geführten Landesregierungen über diese Pläne durch den Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz mit Schreiben vom 16. Juli 1960 informiert und von ihm gleichzeitig mit den übrigen Ministerpräsidenten zu einer Beratung über diese Pläne auf den 22. Juli 1960 eingeladen wurden, enthob die Bundesregierung nicht ihrer Verpflichtung, unmittelbar mit allen Landesregierungen über den von ihr gefaßten Plan zu verhandeln. Daß sie das unterließ, verstieß gegen die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten.

Aber auch die Art, wie die Länder in den letzten Tagen vor Gründung der Gesellschaft durch die Bundesregierung behandelt wurden, ist mit dieser Pflicht unvereinbar. Sie wußte, daß die Ministerpräsidenten der Länder in dieser ihrer Eigenschaft zum ersten Male am 22. Juli 1960 Gelegenheit erhielten, über den Plan zu beraten, ein zweites Fernsehprogramm durch eine aus dem Bund und den Ländern gebildete Gesellschaft veranstalten zu lassen. Die Ministerpräsidenten, und zwar auch die der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union angehörenden, akzeptierten den Vorschlag der Bundesregierung nicht vorbehaltlos, sondern machten Gegenvorschläge. Über das Ergebnis dieser Beratungen wurde die Bundesregierung durch Schreiben vom 22. Juli 1960 unterrichtet. Die Bundesregierung bestand gleichwohl darauf, daß am 25. Juli 1960 der Gesellschaftsvertrag in der von ihr vorgesehenen Form unterzeichnet werde. Das Schreiben der Bundesregierung trägt das Datum des 23. Juli 1960, ist in Bonn am 24. Juli 1960, 17 Uhr, aufgegeben und beim Adressaten, dem Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, am 25. Juli 1960,16.15 Uhr, eingegangen, zu einer Zeit also, zu der der Gesellschaftsvertrag bereits notariell beurkundet war (vgl. dazu Schreiben des Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz vom 17. November 1960). Ein solches Vorgehen ist schlechthin unvereinbar mit dem Gebot zu bundesfreundlichem Verhalten - auch dann, wenn die Bundesregierung Grund hatte, über den hinhaltenden Widerstand der Länder oder einiger Landesregierungen ungehalten zu sein. Es geht hier nicht darum, ob die Bundesregierung die Verhandlungen mit den Ländern als gescheitert betrachten und den nach ihrer Überzeugung verfassungsrechtlich zulässigen Weg zur Gründung der Gesellschaft ohne Beteiligung der Länder beschreiten durfte, sondern darum, daß jede Landesregierung als das verfassungsmäßige Organ eines Gliedstaats der Bundesrepublik Deutschland von der Bundesregierung erwarten durfte, daß diese auf Gegenvorschläge der Länder, die einem neuen Plan galten, nicht mit vollendeten Tatsachen antwortet - und dies innerhalb unangemessen kurzer Frist.

Der Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten widerstreitet schließlich die Art der Gründung der Gesellschaft. Es geht wiederum nicht um die Frage, ob die Bundesregierung den Plan der nach ihrer Auffassung verfassungsrechtlich unbedenklichen Gründung der Gesellschaft verwirklichen durfte. Es lassen sich Situationen denken, in denen der Bund im Interesse der Länder eine Gesellschaft gründet, in der neben ihm ein "Treuhänder" für die Länder als Gesellschafter auftritt. Wenn aber, wie hier, klar ist, daß die Länder nicht willens sind, sich an der vom Bund beabsichtigten Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu beteiligen, dann verstößt der Bund gegen das Gebot zu bundesfreundlichem Verhalten, wenn er sich einen "Treuhänder" für die Länder sucht und mit dessen Hilfe die von den Ländern abgelehnte Gesellschaft gründet.

Das Verhalten der Bundesregierung gipfelt in dem Gründungsakt, der die Gesellschaft ins Leben rief. Die Verfassungswidrigkeit der Prozedur haftet deshalb dem Gründungsakt derart an, daß die durch ihn geschaffene Situation auch aus diesem Grunde nicht zum Ausgangspunkt einer verfassungsrechtlich zulässigen Betätigung entsprechend dem Gesellschaftszweck werden kann. In diesem Sinn verstößt die Gründung der Gesellschaft gegen das verfassungsrechtliche Gebot zu bundesfreundlichem Verhalten.

III.

Es kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit ein Land - mit Rücksicht auf den Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens - gegen den Bund auch einen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf hat, daß der Bund die gemeinsame Verfassungsordnung nicht in einer Weise mißachtet, die die Interessen der Länder als Gliedstaaten des Bundesstaats verletzt. Jedenfalls sind der - noch darzulegende - Gehalt des Art. 5 GG und die darin enthaltene bundesverfassungsrechtliche Garantie der Freiheit des Rundfunks von so fundamentaler Bedeutung für das gesamte öffentliche, politische und verfassungsrechtliche Leben in den Ländern, daß diese vom Bund verlangen können, daß er im Bereich des Rundfunkwesens die durch das Grundgesetz gewährleistete Freiheit unangetastet läßt. Diese verfassungsrechtliche Position des Gliedstaats im Bundesstaat kann das Land gegen den Bund in einem Verfassungsrechtsstreit gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, §§ 68 ff. BVerfGG verteidigen. Deshalb kann in diesem Rechtsstreit auch gerügt werden, der Bund habe durch die Gründung der Gesellschaft Art. 5 GG verletzt.

Art. 5 GG enthält mehr als nur das individuelle Grundrecht des Bürgers gegen den Staat auf Respektierung einer Freiheitssphäre, innerhalb welcher er seine Meinung ungehindert äußern kann. Durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist insbesondere auch die institutionelle Eigenständigkeit der Presse von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung gewährleistet (BVerfGE 10, 118 [121]). Dieser Verfassungsgarantie widerspräche es, die Presse oder einen Teil von ihr unmittelbar oder mittelbar von Staats wegen zu reglementieren oder zu steuern. Eine Einflußnahme des Staates wäre mit dieser verfassungsmäßigen Garantie der Pressefreiheit nur vereinbar, wenn sie wegen der Konkurrenz mit der Fülle der vom Staat unabhängigen Zeitungen und Zeitschriften an dem Bild der freien Presse substantiell nichts ändern würde.

Die Bedeutung des Art. 5 GG für den Rundfunk kann nicht ohne Rücksicht auf den eben dargelegten Inhalt des Art. 5 gewürdigt werden. Unbeschadet einer noch zu erörternden Besonderheit des Rundfunkwesens gehört der Rundfunk ebenso wie die Presse zu den unentbehrlichen modernen Massenkommunikationsmitteln, durch die Einfluß auf die öffentliche Meinung genommen und diese öffentliche Meinung mitgebildet wird. Der Rundfunk ist mehr als nur "Medium" der öffentlichen Meinungsbildung; er ist ein eminenter "Faktor" der öffentlichen Meinungsbildung. Diese Mitwirkung an der öffentlichen Meinungsbildung beschränkt sich keineswegs auf die Nachrichtensendungen, politischen Kommentare, Sendereihen über politische Probleme der Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft; Meinungsbildung geschieht ebenso in Hörspielen, musikalischen Darbietungen, Übertragungen kabarettistischer Programme bis hinein in die szenische Gestaltung einer Darbietung. Jedes Rundfunkprogramm wird durch die Auswahl und Gestaltung der Sendungen eine gewisse Tendenz haben, insbesondere soweit es um die Entscheidung darüber geht, was nicht gesendet werden soll, was die Hörer nicht zu interessieren braucht, was ohne Schaden für die öffentliche Meinungsbildung vernachlässigt werden kann, und wie das Gesendete geformt und gesagt werden soll. Bei solcher Betrachtung wird deutlich, daß für den Rundfunk als einem neben der Presse stehenden, mindestens gleich bedeutsamen, unentbehrlichen modernen Massenkommunikationsmittel und Faktor der öffentlichen Meinungsbildung die institutionelle Freiheit nicht weniger wichtig ist als für die Presse. In Art. 5 GG kommt das eindeutig zum Ausdruck, wenn Abs. 1 Satz 2 neben der Pressefreiheit "die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film" gewährleistet.

Damit ist noch nichts über den Weg gesagt, auf dem diese Freiheit des Rundfunks im allgemeinen und die der Berichterstattung durch Rundfunk im besonderen gesichert werden muß, damit dem Art. 5 GG Genüge getan ist. Hier wird die Besonderheit bedeutsam, durch die sich der Rundfunk von der Presse unterscheidet. Zwar ist es unrichtig, daß Zeitungsverlage, Zeitungsdruckereien und Zeitungen in beliebiger Anzahl neu gegründet und unterhalten werden können. Der Unterschied zwischen Presse und Rundfunk besteht aber darin, daß innerhalb des deutschen Pressewesens eine relativ große Zahl von selbständigen und nach ihrer Tendenz, politischen Färbung oder weltanschaulichen Grundhaltung miteinander konkurrierenden Presseerzeugnissen existiert, während im Bereich des Rundfunks sowohl aus technischen Gründen als auch mit Rücksicht auf den außergewöhnlich großen finanziellen Aufwand für die Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen die Zahl der Träger solcher Veranstaltungen verhältnismäßig klein bleiben muß. Diese Sondersituation im Bereich des Rundfunkwesens erfordert besondere Vorkehrungen zur Verwirklichung und Aufrechterhaltung der in Art. 5 GG gewährleisteten Freiheit des Rundfunks. Eines der diesem Zweck dienlichen Mittel ist das Prinzip, nach dem die bestehenden Rundfunkanstalten aufgebaut sind: Für die Veranstaltung von Rundfunksendungen wird durch Gesetz eine juristische Person des öffentlichen Rechts geschaffen, die dem staatlichen Einfluß entzogen oder höchstens einer beschränkten staatlichen Rechtsaufsicht unterworfen ist; ihre kollegialen Organe sind faktisch in angemessenem Verhältnis aus Repräsentanten aller bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen zusammengesetzt; sie haben die Macht, die für die Programmgestaltung maßgeblichen oder mitentscheidenden Kräfte darauf zu kontrollieren und dahin zu korrigieren, daß den im Gesetz genannten Grundsätzen für eine angemessen anteilige Heranziehung aller am Rundfunk Interessierten Genüge getan wird. Es steht mit Art. 5 GG nicht in Widerspruch, wenn einer mit solchen Sicherungen ausgestatteten Institution unter den gegenwärtigen technischen Gegebenheiten und auf Landesebene ein Monopol für die Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen eingeräumt wird; aus Art. 5 GG folgt aber keinesfalls die Notwendigkeit, ein solches Monopol für eine Institution im Lande zu begründen.

Art. 5 GG fordert zur Sicherung der Freiheit auf dem Gebiet des Rundfunks allerdings nicht die in den Landesrundfunkgesetzen gefundene und für die Rundfunkanstalten des Bundesrechts übernommene Form. Insbesondere ist es vom der Bundesverfassung nicht gefordert, daß Veranstalter von Rundfunksendungen nur Anstalten des öffentlichen Rechts sein können. Auch eine rechtsfähige Gesellschaft des privaten Rechts könnte Träger von Veranstaltungen dieser Art sein, wenn sie nach ihrer Organisationsform hinreichende Gewähr bietet, daß in ihr in ähnlicher Weise wie in der öffentlich-rechtlichen Anstalt alle gesellschaftlich relevanten Kräfte zu Wort kommen, und die Freiheit der Berichterstattung unangetastet bleibt. Gegen eine solche Gesellschaft besteht von Verfassung wegen kein Bedenken, wenn beispielsweise durch Gesetz eine die spezifischen Zwecke des Rundfunks, insbesondere die Erhaltung seiner institutionellen Freiheit sichernde besondere Gesellschaftsform zur Verfügung gestellt und jede, den angegebenen Erfordernissen genügende Gesellschaft, die Rundfunksendungen veranstaltet, einer Staatsaufsicht ähnlich etwa der Banken- oder Versicherungsaufsicht unterworfen wird.

Art. 5 GG verlangt jedenfalls, daß dieses moderne Instrument der Meinungsbildung weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert wird. Die Veranstalter von Rundfunkdarbietungen müssen also so organisiert werden, daß alle in Betracht kommenden Kräfte in ihren Organen Einfluß haben und im Gesamtprogramm zu Wort kommen können, und daß für den Inhalt des Gesamtprogramms Leitgrundsätze verbindlich sind, die ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten. Das läßt sich nur sicherstellen, wenn diese organisatorischen und sachlichen Grundsätze durch Gesetz allgemein verbindlich gemacht werden. Art. 5 GG fordert deshalb den Erlaß solcher Gesetze.

Aus Art. 5 GG kann nicht hergeleitet werden, daß die Veranstalter von Rundfunksendungen notwendig Eigentümer oder Verfügungsberechtigte über die sendetechnischen Anlagen sein und als Veranstalter notwendig auch das Recht besitzen müßten, diese Anlagen zu betreiben. Art. 5 GG hindert nicht, daß auch Vertretern des Staates in den Organen des "neutralisierten" Trägers der Veranstaltungen ein angemessener Anteil eingeräumt wird. Dagegen schließt Art. 5 GG aus, daß der Staat unmittelbar oder mittelbar eine Anstalt oder Gesellschaft beherrscht, die Rundfunksendungen veranstaltet.

Die durch notariellen Vertrag vom 25. Juli 1960 gegründete Deutschland-Fernsehen-GmbH, deren Zweck "die Veranstaltung von Fernseh-Rundfunksendungen (ist), die den Rundfunkteilnehmern in ganz Deutschland und im Ausland ein umfassendes Bild Deutschlands vermitteln sollen", bestand ursprünglich aus der Bundesrepublik Deutschland und dem Bundesminister Schäffer als Gesellschaftern; seit dem Ausscheiden des Gesellschafters Schäffer, der "für die Länder der Bundesrepublik Deutschland" seine Stammeinlage übernommen hatte, ist alleiniger Gesellschafter die Bundesrepublik Deutschland. Die Gesellschaft ist also völlig in der Hand des Staates. Sie ist ein Instrument des Bundes, sie wird kraft der verfassungsmäßigen Kompetenzen der Bundesregierung und des Bundeskanzlers von diesen beherrscht. Diese Feststellung kann nicht durch den Hinweis auf den Inhalt des Gründungsvertrags und der nur einen Bestandteil des Vertrags bildenden Satzung der Gesellschaft entkräftet werden. Selbst wenn man unterstellt, daß die Gesellschaftsorgane, insbesondere der Aufsichtsrat und der Intendant, in relativer Unabhängigkeit arbeiten, und daß die satzungsgemäßen Grundsätze für die Programmgestaltung dem Gebot des Art. 5 GG, der institutionellen Freiheit des Rundfunks, zur Zeit Rechnung tragen, bleibt entscheidend, daß das Gesellschaftsrecht und die Gesellschaftssatzung keine Gewähr gegen eine Veränderung der gegenwärtigen Gestalt der Gesellschaft bieten. Ebenso wie aus Anlaß des Ausscheidens des Gesellschafters Schäffer die Satzung geändert worden ist, kann sie auch sonst jederzeit geändert werden. Die "Gesellschafterversammlung" kann jede Änderung beschließen, kann schließlich auch die Auflösung und Neugründung der Gesellschaft mit neuen Organen (einschließlich der damit verbundenen personellen Veränderungen) beschließen. Es ist ein elementarer Unterschied, ob die oben angegebenen organisatorischen Vorkehrungen und sachlichen Leitgrundsätze zum Zwecke der Erhaltung der Freiheit des Rundfunks in einem Gesetz oder in einem Gesellschaftsvertrag enthalten sind.

Gründung und Existenz der Deutschland-Fernsehen-GmbH verstoßen demnach gegen Art. 5 GG.