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OLG Köln, 03.04.1992 - 19 U 191/91

Daten
Fall: 
Architekt ohne Bevollmächtigung des Bauherren
Fundstellen: 
BauR 1993, 243; IBR 1993, 245; NJW-RR 1992, 915; VersR 1993, 1286
Gericht: 
Oberlandesgericht Köln
Datum: 
03.04.1992
Aktenzeichen: 
19 U 191/91
Entscheidungstyp: 
Urteil

1. Der Bauherr, der einen Architekten mit der Einholung eines Angebots beauftragt, setzt damit gegenüber dem anbietenden Unternehmer nicht den Anschein, der Architekt sei auch zur Auftragsvergabe bevollmächtigt.
2. Erteilt der Architekt ohne Wissen des Bauherrn und ohne dazu bevollmächtigt zu sein, einen Auftrag, haftet der Bauherr auch nicht aus culpa in contrahendo.

Sachverhalt

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen dadurch, daß der für die Bekl. tätige Architekt R die Kl. mit Umbauarbeiten am Haus der Bekl. im Gesamtvolumen von 30758,92 DM beauftragt hat, ein Werkvertrag zustande gekommen ist, so daß die Bekl., nachdem sie die Kl. hinderte, die Bauarbeiten durchzuführen, nach § 649 BGB verpflichtet ist, die geforderte Vergütung zu zahlen. Das LG hat diese Frage im wesentlichen mit der Begründung bejaht, die Bekl. hafte aus Anscheinsvollmacht, weil es der Kl. nicht zuzumuten sei, sich beim Bauherrn zu erkundigen, ob der Architekt zur Vergabe von Aufträgen befugt sei. Die Berufung der Bekl. führte zur Klageabweisung.

Entscheidungsgründe

1.

Nach dem zwischen der Bekl. und dem Streitverkündeten geschlossenen Architektenvertrag war der Streitverkündete R nur bevollmächtigt, Angebote einzuholen und bei der Auftragsvergabe mitzuwirken (Nr. 2.1.7). Eine Bevollmächtigung zur selbständigen Auftragsvergabe bestand nicht. Der Architekt war hiernach nicht berechtigt, den Auftrag vom 16. 5. 1990 ohne weitere Bevollmächtigung durch die Bekl. zu vergeben. Daß er eine solche Vollmacht hatte, hat die Kl. zwar behauptet, aber nicht beweisen können, da der Architekt die Aussage verweigert hat. Das spricht nicht für das Vorliegen der von der Kl. behaupteten Vollmacht; eher läßt sich hieraus der Schluß ziehen, daß der Zeuge seine Vollmacht überschritten hat. Wenn die Kl. sich in der Berufung auf sein Zeugnis beruft, so müßte sie näher darlegen, daß der Architekt entgegen seinem Verhalten in erster Instanz nunmehr aussagen will. Das ist nicht geschehen, so daß es einer erneuten Ladung des Zeugen R nicht bedurfte.

Soweit die Kl. aus dem Datum des Architektenvertrages (9. 5. 1990) und des Angebots (2. 5. 1990) eine entsprechende Vollmacht herleiten möchte, überzeugt dies nicht. Auch wenn der Architekt vor Abschluß des schriftlichen Architektenvertrages schon ein Angebot eingeholt hat, so handelte er nur in dem Rahmen, der ihm später schriftlich eingeräumt worden ist; auf eine unbeschränkte Vollmacht kann hieraus nicht geschlossen werden.

Die Kl. kann zu ihren Gunsten auch nichts daraus herleiten, daß sich in der Begründung zum Kündigungsschreiben vom 2. 7. 1990 kein Hinweis darauf befinde, daß der Streitverkündete nicht bevollmächtigt gewesen sei. Dieses Schreiben stammt, wie zuvor schon die Auftragserteilung, aus der Feder des Streitverkündeten; dieser hatte aus Haftungsgründen wohl kaum Veranlassung, ausdrücklich darauf hinzuweisen, er sei zur Auftragsvergabe gar nicht bevollmächtigt gewesen.

2.

Eine Haftung der Bekl. nach den Grundsätzen der Duldungs- und Anscheinsvollmacht kommt ebenfalls nicht in Betracht.

Eine den Bauherrn verpflichtende Anscheinsvollmacht des Architekten ist gegeben, wenn der Bauherr durch sein Verhalten den Rechtsschein erweckt, den Architekten für bestimmte rechtsverbindliche Handlungen bevollmächtigt zu haben. Dabei reicht die Bestellung des Architekten für sich allein nicht aus, um einen

entsprechenden Rechtsschein zu erzeugen; es müssen weitere, dem Bauherrn zurechenbare Umstände vorliegen,die gegenüber dem Dritten den Anschein erwecken, er sei zu dem vorgenommenen Rechtsgeschäft bevollmächtigt. Im Zweifel muß sich der Unternehmer beim Bauherrn erkundigen (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 51. Aufl., § 173 Rdnr. 22 m. zahlr. Nachw.). Hier hat die Bekl. über die Bestellung des Architekten hinaus nichts unternommen, was einen entsprechenden Anschein hätte erwecken können. Die Kl. hatte zu keiner Zeit Kontakt mit der Bekl.; ihr Angebot hat sie nicht an die Bekl. als Bauherrin, sondern allein an den Streitverkündeten adressiert, so daß nicht einmal sichergestellt war, daß die Bekl. überhaupt Kenntnis hiervon erhielt. Unter diesen Umständen kann die Einholung eines Angebots durch den Architekten und die im Anschluß daran erfolgende Auftragsvergabe durch ihn nicht den Rechtsschein erwecken, er sei zur Auftragsvergabe bevollmächtigt gewesen.

Aus Duldungsvollmacht würde die Bekl. nur haften, wenn sie gewußt hätte, daß der Architekt gegenüber der Kl., oder anderen Dritten als ihr Vertreter aufgetreten ist oder seine Vollmacht überschritten hat und dies nicht unterbunden hätte. Auch für diese Annahme fehlt es an Tatsachen. Die Bekl. hat unwiderlegt vorgetragen, überhaupt keine Kenntnis von der Auftragsvergabe gehabt zu haben. Hierfür spricht auch das gesamte Verhalten des Architekten. Sonstige ihr zurechenbare Fälle, in denen der Architekt seine Vollmacht mit der Duldung überschritten hätte, sind nicht ersichtlich; es handelte sich um einen einmaligen Vorgang.

3.

Die Kl. vermag ihren Schadensersatzanspruch auch nicht aus c. i. c. zu begründen. Ist das Vertretergeschäft unwirksam, so haftet der Vertreter nach § 179 BGB. Daneben kann allerdings auch der Vertretene für eigenes Verschulden nach den Grundsätzen der Haftung für culpa in contrahendo verantwortlich sein. Hatte der Vertretene den ohne Vertretungsmacht handelnden Vertreter wissentlich zumindest in die Verhandlungen eingeschaltet, so muß er sich dessen Fehlverhalten im Rahmen des vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses aus geschäftlichem Kontakt gem. § 278 BGB zurechnen lassen. Dem Vertreter werden jedoch nur solche Verhaltensweisen des Vertreters nach § 278 BGB zugerechnet, die noch im Rahmen und im inneren Zusammenhang mit der ihm übertragenen Funktion liegen. Dazu gehören beispielsweise Schutzpflichtverletzungen und unrichtige Auskünfte. Nicht dazu gehört jedoch das schuldhafte Auftreten des Verhandlungsgehilfen als vertretungsberechtigter Stellvertreter (so Thiele, in: MünchKomm, 2. Aufl., § 177 Rdnr. 43; a. A. möglicherweise Palandt-Heinrichs, § 173 Rdnr. 18, § 179 Rdnr. 9, jeweils m. zahlr. Nachw.). Denn eine Zurechnung der Vertretung ohne Vertretungsmacht als c. i. c. über § 278 BGB würde die haftungsbegrenzende Wirkung der bloßen Verhandlungsvollmacht vernachlässigen; der Dritte darf auf die lediglich vom Vertreter ausdrücklich oder stillschweigend behauptete Vertretungsmacht nicht zu Lasten des Vertretenen vertrauen (so Thiele, in: MünchKomm, § 173 Rdnr. 43). Das gilt hier auch besonders deshalb, weil der Kl. als im Baugewerbe tätiger Unternehmerin bekannt sein mußte, daß den Vertragsbeziehungen zwischen Bauherrn und Architekten gewöhnlich die Einheitsarchitektenverträge zugrunde gelegt werden und daß diese gerade keine Bevollmächtigung zur Auftragsvergabe in dem hier in Rede stehenden Umfang vorsehen; sie ist vielmehr ausdrücklich dem Bauherrn vorbehalten. Die Vorschrift des § 179 BGB verweist an den Vertreter, sofern nicht ein eigenes Verschulden des Vertretenen bei der Auswahl oder Überwachung oder infolge mißverständlicher Bevollmächtigung vorliegt. Für letzteres sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Angesichts dessen bedarf die Frage, ob die Kl. bei einem auf c. i. c. gegründeten Schadensersatzanspruch den aus dem Auftrag resultierenden entgangenen Gewinn beanspruchen könnte, keiner Vertiefung. Grundsätzlich geht ein etwaiger Schadensersatzanspruch nach § 249 BGB nur auf das sog. negative Vertrauensinteresse, d. h. die Kl. könnte nur verlangen, so gestellt zu werden, wie sie ohne das schädigende Verhalten des anderen Teils gestanden hätte (vgl. BGH, NJW 1988, 2234 (2236) = LM § 252 BGB Nr. 37; Palandt-Heinrichs, § 276 Rdnr. 99); auf das Erfüllungsinteresse geht er nur, wenn das Geschäft ohne die c. i. c. mit dem vom Geschädigten erstrebten Inhalt wirksam zustande gekommen wäre, wovon hier nicht ausgegangen werden kann. Ohne die c. i. c. wäre es bei dem Angebot geblieben, so daß sie die hier geltend gemachte vereinbarte Vergütung nicht verlangen könnte (vgl. hierzu Palandt-Heinrichs, § 276 Rdnr. 100). Hätte die Kl. jedoch statt des Geschäfts mit der Bekl. ein anderes Geschäft abgeschlossen, so kann sie ersetzt verlangen, was ihr aus diesem Geschäft zugeflossen wäre (BGH, NJW 1988, 2234 = LM § 252 BGB Nr. 37). Beweispflichtig hierfür wäre die Kl., wobei ihr allerdings die Beweiserleichterungen des § 252 BGB zugute kämen (BGH, NJW 1988, 2234 = LM § 252 BGB Nr. 37). Die Kl. hätte also vorgetragen und unter Beweis stellen müssen, daß sie bei Auftragserteilung (2. 7. 1990) noch zumindest ein anderes Angebot hatte, das sie deshalb ausgeschlagen hat und daß die Auftragserteilung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre. Hierfür ist nichts ersichtlich.