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Experten mit Änderungs­wünschen für die Reform des Pflegestudiums

Mi, 27.09.2023 - 14:45
Gesundheits- und Bildungsexperten begrüßen die von der Bundesregierung geplante Stärkung der hochschulischen Pflegeausbildung, fordern aber Nachbesserungen in einigen Regelungsdetails. Die Zahlung einer Ausbildungsvergütung wird ebenso unterstützt wie die neue Ausrichtung als duales Studium. Kritisch gesehen wird die Finanzierung, wie eine Anhörung des Gesundheitsausschusses am Mittwoch, 27. September 2023, ergab. Die Sachverständigen äußerten sich in der Anhörung und in schriftlichen Stellungnahmen. Die Sitzung wird zeitversetzt am Donnerstag ab 12.15 Uhr auf www.bundestag.de übertragen. Studium mit praktischem Ausbildungsanteil Dem Gesetzentwurf (20/8105) zufolge sollen Pflegestudenten künftig eine Ausbildungsvergütung erhalten. Das Pflegestudium soll zudem als duales Studium ausgestaltet werden. Das bedeutet, dass Studenten neben der hochschulischen Pflegeausbildung auch einen praktischen Ausbildungsanteil absolvieren. Die praktische Ausbildung wird der Vorlage zufolge aus einem Ausgleichsfonds finanziert, in den Bund, Länder, die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV), die Private Krankenversicherung (PKV) und mittelbar die Pflegebedürftigen einzahlen. Ferner will die Bundesregierung das Anerkennungsverfahren für Fachkräfte aus dem Ausland vereinheitlichen und vereinfachen. So soll ein Verzicht auf eine umfassende Gleichwertigkeitsprüfung zugunsten einer Kenntnisprüfung oder eines Anpassungslehrgangs möglich werden. DKG: Geplantes Inkrafttreten 2024 unrealistisch Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) bleibt die Zahl der Pflegestudenten hinter den Erwartungen zurück. Im Vergleich dazu sei bei der 2020 vollakademisierten Hebammenausbildung ein stetig steigender Trend zu beobachten. Der zentrale Unterschied sei die Ausbildungsvergütung beim Hebammenstudiengang. Zu begrüßen sei, dass die praktische Ausbildung eng an die Krankenhäuser angebunden und der Inhalt des Studiums auf praktischer Ebene fundiert vermittelt werden solle. Allerdings sei das geplante Inkrafttreten der Reform zum Jahresbeginn 2024 unrealistisch, erklärte die DKG unter Verweis auf die umfangreichen Vorarbeiten. Eine Sprecherin der DKG machte in der Anhörung deutlich, dass die Pflege immer komplexer werde und der Bedarf auch an akademisch ausgebildeten Pflegekräfte groß sei. Wer trägt die Finanzierungsverantwortung? Auch der GKV-Spitzenverband erklärte, die hochschulische Pflegeausbildung sei angesichts des demografischen Wandels und der Zunahme chronischer Erkrankungen mit komplexen multimorbiden Zuständen ein relevantes Thema für die Versorgung. Die fehlende Finanzierung einer Ausbildungsvergütung und der Praxisanleitung werde als Grund für die geringen Studentenzahlen gesehen. Die daraus abgeleitete Forderung nach weiteren Finanzmitteln für ein Studium könne den Übergang in ein Finanzierungsmodell zulasten der Kranken- oder Pflegeversicherung allerdings nicht begründen. Mit dem Pflegeberufegesetz (PflGB) sei entschieden worden, dass die Finanzierung der hochschulischen Pflegeausbildung nicht in den Aufgabenbereich der Beitragszahler falle. Die akademische Ausbildung sei eine hoheitliche Aufgabe des Staates, die Finanzierungsverantwortung liege bei den Bundesländern beziehungsweise beim Bund. Eine Kostenverlagerung auf die Kranken- und Pflegeversicherung werde abgelehnt. Trennlinien bei der Qualifizierung Die Gewerkschaft verdi sprach von einer überfälligen Reform. Die Zahlung einer Vergütung für die gesamte Dauer des Studiums steigere die Attraktivität der akademischen Ausbildung erheblich und trage dazu bei, die Studenten bei der Lebenshaltung zu unterstützen. Allerdings müsse überzeugend festgelegt werden, für welche Tätigkeiten die hochschulische in Abgrenzung zur beruflichen Pflegeausbildung qualifiziere. Als zentrales Differenzkriterium sei bislang die „Steuerung und Gestaltung hochkomplexer Pflegeprozesse“ vorgesehen. Eine klare Trennung zwischen einer komplexen und hochkomplexen Pflegesituation sei aber nicht immer möglich und auch nicht sinnvoll, da sich der Zustand des Patienten schnell ändern könne. Erforderlich sei ein sinnvolles Mit- und Nebeneinander von beruflich und hochschulisch qualifizierten Pflegekräften. Forderung nach "pflegepolitischem Gesamtkonzept" Der Deutsche Pflegerat (DPR) erklärte, angesichts der hohen Abbrecherquote müsse die Refinanzierung über den Ausbildungsfonds mit konkreten Sonderregelungen für einen definierten Übergangszeitraum abgesichert werden. Der Verband forderte außerdem die Abkopplung der Ausbildungskostenumlage von den Eigenanteilen, die überwiegend durch Pflegebedürftige in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen getragen würden. Auch andere Sachverständige äußerten sich in der Anhörung kritisch zu den höheren Eigenanteilen und forderten andere Finanzierungslösungen. Nötig sei dazu ein pflegepolitisches Gesamtkonzept. (pk/27.09.2023)

Fragestunde am 27. September

Mi, 27.09.2023 - 14:40
Im Anschluss an die Regierungsbefragung folgte am Mittwoch, 27. September 2023, die Fragestunde. Getrennt nach Ressorts beantworteten Vertreter der Bundesregierung 45 Minuten lang Fragen (20/8448), die von den Abgeordneten vorab schriftlich eingereicht worden waren. CDU/CSU-Abgeordnete mit den meisten Fragen Ein Drittel der insgesamt 48 Fragen, nämlich 16, wurden von Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion gestellt. Abgeordnete der AfD-Fraktion und der Fraktion Die Linke waren mit jeweils 15 Fragen vertreten. Hinzu kamen zwei Fragen der Abgeordneten Canan Bayram (Bündnis 90/Die Grünen). Von SPD- und FDP-Abgeordneten sowie von fraktionslosen Abgeordneten wurden keine Fragen gestellt. Zwölf der 48 Fragen richteten sich an das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. Sieben Fragen gingen an das Bundesministerium des Innern und für Heimat, je fünf Fragen an das Auswärtige Amt und an das Bundesministerium der Justiz. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr sollte vier Fragen beantworten. Mit jeweils drei Fragen mussten sich das Bundesministerium für Gesundheit, das Bundeskanzleramt und das Bundesministerium der Verteidigung auseinandersetzen. Das Bundesministerium der Finanzen wurde mit zwei Fragen in Anspruch genommen, während sich je eine Frage an das Bundesministerium für Bildung und Forschung, an das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und an das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz richtete. Was die Abgeordneten wissen wollten Beispielsweise erkundigte sich der Berliner CDU-Abgeordnete Dr. Jan-Marco Luczak beim Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, wie die Halbzeitbilanz des Ministeriums in der laufenden Wahlperiode in Bezug auf das im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP festgelegte Ziel ausfällt, pro Jahr 400.000 neue Wohnen zu bauen (davon 100.000 Sozialwohnungen). Luczak erkundigte sich zudem, welche weiteren Maßnahmen für die zweite Hälfte der Wahlperiode geplant sind, um die konkreten Ziele zu erreichen. Der hessische AfD-Abgeordnete Jan Ralf Nolte fragte das Bundesministerium der Verteidigung, anhand welcher Verhältnismäßigkeitsgrundsätze der Militärische Abschirmdienst (MAD) entscheidet, ob ein Soldat abgehört oder anderweitig nachrichtendienstlich überwacht wird. Nolte wollte ebenso wissen, wie lange ein Soldat ohne neue Erkenntnisse abgehört oder anderweitig nachrichtendienstlich überwacht werden darf. Die Abgeordnete der Linken Ina Latendorf aus Mecklenburg-Vorpommern wollte vom Auswärtigen Amt erfahren, welche Initiativen zur Wiederaufnahme der Schwarzmeergetreideinitiative einerseits und zur vollständigen Umsetzung der am 22. Juli 2022 zwischen der Russischen Föderation und dem Sekretariat der Vereinten Nationen geschlossenen Absichtserklärung andererseits die Bundesregierung plant. Sie erkundigte sich ferner, welche Initiativen die Bundesregierung unterstützt, und zwar vor dem Hintergrund der Erklärung der Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten von New Delhi, wonach „die unmittelbare und ungehinderte Lieferung von Getreide, Lebensmitteln und Düngemitteln/Inputs aus der Russischen Föderation und der Ukraine“ gewährleistet werden soll. Die Berliner Abgeordnete Canan Bayram (Bündnis 90/Die Grünen) fragte das Bundesministerium der Justiz, welche konkreten Pläne es innerhalb der Bundesregierung gibt, auch in Deutschland (ähnlich wie in Österreich) einen gesetzlichen Anspruch auf Wohnungstausch bei jeweils gleichbleibenden Bedingungen einzuführen. Falls ja, wollte die Abgeordnete erfahren, wann mit einem Referentenentwurf aus dem Ministerium zu rechnen ist. Zusatzfragen sind möglich Jeder Abgeordnete kann vorab bis zu zwei Fragen an die Bundesregierung einreichen. Nach der regelmäßig durch einen Parlamentarischen Staatssekretär oder einen Bundesminister erfolgenden Beantwortung können der Fragesteller, aber auch andere Abgeordnete des Deutschen Bundestages Zusatzfragen stellen und so die Bundesregierung zu weiteren Stellungnahmen zwingen. Reicht die Zeit nicht aus, werden noch nicht aufgerufene Fragen von der Regierung schriftlich beantwortet. Ebenso kann vorab bereits um schriftliche Beantwortung gebeten werden. (vom/27.09.2023)

Wintersport in Zeiten von Klimawandel und Schnee­mangel

Mi, 27.09.2023 - 14:30
Über die Zukunft des Wintersports in Zeiten von Klimawandel und Schneemangel wurde am Mittwoch, 27. September 2023, im Sportausschuss diskutiert. Bei der öffentlichen Anhörung prognostizierte Carmen de Jong, Professorin für Hydrologie an der Fakultät für Geografie und Raumplanung der Universität Straßburg, einen rasanten Anstieg der Skigebiets-Schließungen in den Alpen. Wintersportregionen in Europa litten nicht nur unter Schnee-, sondern zunehmend auch unter Wassermangel und Wasserkonflikten, sagte sie. Für viele Wintersportorte sei es besser, sich frühzeitig umzuorientieren, „als mit dem Rücken an der Wand die Pleite zu gehen“. Dem hielt Hansueli Rhyner vom WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos entgegen, dass die technische Beschneiung, „wenn auch nicht überall“, aber doch an vielen Orten den Wintersport retten könne. Sowohl bei dem für die Beschneiungsanlagen genutzten Strom als auch beim benötigten Wasser gebe es große Einsparpotenziale. Ausdifferenzierung der Angebote Die Vizepräsidentin des Deutschen Alpenvereins (DAV), Burgi Beste, hatte zu Beginn der Anhörung gesagt, der DAV sehe sich als zuständiger Spitzenverband für das Skibergsteigen, aber ebenso als Klimaschutzverband und als Naturschutzverband. Mit dem Klettern, das in Tokio 2020 erstmals im Olympischen Programm war, und dem Skibergsteigen, der Wettkampfvariante des Skitourengehens, das 2026 bei den Winterspielen Mailand-Cortina seine olympische Premiere feiert, sei der DAV der einzige deutsche Verband mit einer Sommer- und einer Wintersportart. Beim Skibergsteigen als Wettkampfsport sorgten strenge Regeln für eine natur- und umweltverträgliche Organisation und Durchführung, sagte Beste. „Wir wollen unsere Sportart möglichst umweltfreundlich ausüben“, betonte sie. Dass 90 Prozent der Skigebiete auf Beschneiung angewiesen seien, sehe der DAV kritisch. Noch immer seien Winter-Touristenorte zu stark auf den Winter und das klassische Wintersportangebot fokussiert, sagte sie. Dringend benötigt werde eine Ausdifferenzierung der Angebote, unter Beachtung von Klima- und Naturschutz. Soziale und ökologische Leitplanken Von einer ungebrochen hohen Nachfrage nach Wintersport sprach Franz Steinle, Präsident des Deutschen Skiverbandes (DSV). In Deutschland, dem Alpenraum und in der ganzen Welt würden Menschen auch in Zukunft Wintersport treiben und nach Gesundheit und Erlebnissen in der Natur streben. „Dies ist bisher und künftig nur im Einklang mit Gesellschaft und Umwelt verantwortbar“, sagte er. Der DSV wolle mit Innovationen und nachhaltiger Entwicklung die Zukunft erfolgreich gestalten. Dazu gehöre auch die Gestaltung schneesicherer Trainings- und Wettkampfstätten in Deutschland. Nachhaltigkeit sei dabei nicht nur ein Schlagwort, machte er deutlich. Der DSV wolle dauerhaft sportlich und wirtschaftlich erfolgreich sein, „jedoch immer innerhalb sozialer und ökologischer Leitplanken“. Eindrucksvoller Beleg für die breite Anerkennung, die die Maßnahmen und Aktivitäten des DSV in der Öffentlichkeit erfahren würden, sei die aktuelle Nominierung des Nordic Zentrums Oberstdorf für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Sport im Bereich Sportanlagen/Sportstätten, sagte Steinle. Beschneiung deutscher Skigebiete Einen radikalen Kurswechsel beim Wintersport forderte die Hydrologin Carmen de Jong. Politische Entscheidungsträger müssten erkennen, dass die künstliche Beschneiung, Pistenbearbeitung und das Ausweichen von Skigebieten in höhere Lagen „keine umwelt- und klimagerechte Lösung sind“. Da viele Skigebiete jetzt schon am Limit der Wasserverfügbarkeit stünden, sei eine Zunahme der Beschneiung keine sinnvolle Strategie. Ob Wintersport-Großveranstaltungen oder gar Olympische Winterspiele in Deutschland überhaupt noch zu verantworten sind, sei sehr fraglich, urteilte sie. Die Voraussetzungen für eine künstliche Beschneiung seien Temperaturen von mindestens minus drei Grad sowie eine gewissen Luftfeuchtigkeit, sagte Hansueli Rhyner. Viele Schneistunden brauche es zum Beschneien einer Piste nicht. „Die Sinnhaftigkeit ergibt sich über das Portemonnaie“, sagte er. „Technisch ist es ganz lange möglich, Schnee zu produzieren.“ Eine ganz große Spannbreite gebe es beim Stromverbrauch der Beschneiungsmaschinen – von 0,75 Kilowattstunden bis zu 15 Kilowattstunden. In den deutschen Skigebieten gingen derzeit 28 Prozent des Stromverbrauches in die Beschneiung. Zur Verfügung stehen müsse auch ausreichend Wasser – idealerweise aus Speicherseen. In die Skiregion hochgepumptes Wasser müsste stattdessen vorher noch extra gekühlt werden, erläuterte er. Auch beim Wasser sieht Rhyner großes Sparpotenzial. An vielen Orten werde derzeit mit schlecht eingestellten Maschinen gearbeitet. Vom Wintersportort zur Sommerdestination In den deutschen Mittelgebirgen wird es nach Einschätzung von Professor Frank Daumann von der Friedrich-Schiller-Universität Jena bald keinen Wintersport mehr geben. Wintersportorte, die die Schneesicherheit zu verlieren drohen, könnten versuchen, das Angebot von Wintersportdienstleistungen zurückzuführen und den Ort als attraktive Sommerdestination auszubauen, regte er an. In Orten, die nach wie vor schneesicher sind, eröffneten sich Preissetzungsspielräume. Dies biete zum einen die Chance, die Preise von Standarddienstleistungen anzuheben. Zum anderen könne in derartigen Orten auf ein exklusives und hochpreisiges Luxusangebot gesetzt werden. Ein wirtschaftspolitischer Handlungsbedarf des Bundes oder der Länder lasse sich aus den Entwicklungen nicht ableiten, befand Daumann. „Das ist ein typischer Strukturwandel, wie es ihn in allen Branchen gibt“, sagte der Sportökonom. Weiterentwicklung der Wettkampfangebote Auf die Folgen der eingeschränkten Trainings- und Wettkampfmöglichkeiten im Wintersport ging Marc-Oliver Löw, Direktor im Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) ein. Im Nachwuchsbereich gehe es um die Weiterentwicklung der Wettkampfangebote im Sommer – beispielsweise unter Einbeziehung von Inline-Skates, dem Rad oder auch dem Skiroller. Möglich seien auch Wettkämpfe in anderen Sportarten „mit dem Ziel einer vielseitigen und allgemeinen Ausbildung und gleichzeitigem Fokus auf Teilleistungen und Leistungsvoraussetzungen“. Im Spitzenbereich brachte er Überlegungen zur Verlagerung von Wettbewerben aus dem Winter in den Sommer ins Spiel. So etwa die Vergabe eines „Gesamt-Weltcup-Sieges“ unter Einbeziehung von Winter- und Sommerwettbewerben. Mit Blick auf ökonomische und ökologische Aspekte sprach sich Löw für die Etablierung fester Weltcup-, Weltmeisterschafts- und gegebenenfalls auch fester Olympiaorte aus. (hau/27.09.2023)

Lindner: Fiskalische Trendwende ist gelungen

Mi, 27.09.2023 - 13:00
Nach Aussage von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ist die fiskalische Trendwende trotz Rekordinvestitionen gelungen. In der Regierungsbefragung des Bundestages am Mittwoch, 27. September 2023, sagte Lindner, es wäre „ökonomisch unverantwortbar“, wenn der Staat die Inflation dadurch anheizen würde, dass er jetzt noch schuldenfinanzierte Ausgabenprogramme auf den Weg bringt. Die Schuldenbremse des Grundgesetzes werde eingehalten und ein Staatsdefizit von unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts werde bereits in diesem Jahr erreicht, und zwar unter Berücksichtigung des Kernhaushalts sowie aller Sondervermögen. „Wirtschaftliche Entwicklung unbefriedigend“ Die wirtschaftliche Entwicklung bezeichnete der Minister aufgrund konjunktureller Belastungsfaktoren und struktureller Defizite der Wettbewerbsfähigkeit als unbefriedigend. Die Regierung gehe das Problem an, und zwar mit dem Wachstumschancengesetz zur Stärkung von Forschungsförderung, Investitionen und Eigenkapitalbasis sowie dem Zukunftsfinanzierungsgesetz zur Verbesserung des Kapitalmarktzugangs junger und innovativer Unternehmen und der Mitarbeiterbeteiligung zur Bindung von Talenten in diesem Wirtschaftsbereich. Das Bundesfinanzministerium werde Innenministerin Faeser bei den geplanten stationären Kontrollen im grenznahen Raum zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität unterstützen, kündigte Lindner an. Bis zu 500 Vollzugsbeamte des Zolls würden zur Verfügung gestellt, um die Durchsetzung dieser stationären Kontrollen sicherzustellen. Nach 2015 habe Deutschland streckenweise die „Kontrolle über den Zugang zu diesem Land“ verloren, ein Zustand, der Lindner zufolge nicht fortgesetzt werden darf. Schulze: Drei Hebel für eine lebenswerte Zukunft In der Regierungsbefragung erinnerte überdies die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Svenja Schulze (SPD), daran, dass sich die Weltgemeinschaft 2015 eine gemeinsame Vision gegeben habe, Hunger und Armut bis 2030 zu beenden. Von der Erreichung der damals formulierten 17 Nachhaltigkeitsziele sei die Weltgemeinschaft jedoch noch weit entfernt. Erforderlich sei nun eine „Aufholjagd“: Nur mit vereinten internationalen Kräften könne eine lebenswerte Zukunft für alle wirklich erreicht werden. Das Gipfeltreffen der Vereinten Nationen in New York habe gezeigt, so die Ministerin, dass der politische Wille mit klaren politischen Maßnahmen verbunden werden müsse. Dazu nannte sie drei Hebel: Zum einen gehe es um Geschlechtergerechtigkeit, um Frauen stärker in die Erreichung dieser Ziele mit einzubeziehen. Zweitens müssten soziale Ungleichheit bekämpft und Menschen in Beschäftigung und soziale Absicherung gebracht werden. Und drittens werde mehr Geld benötigt. Die Abschlusserklärung des Gipfels habe eine Reform der internationalen Finanzarchitektur, vor allem der multilateralen Entwicklungsbanken, gefordert. Alle Finanzströme müssten an den 17 Nachhaltigkeitszielen ausgerichtet werden. Knapp vier Billionen US-Dollar fehlten aktuell noch, betonte Schulze. Um diese Lücke zu schließen, müsse auch die Privatwirtschaft mehr Geld in nachhaltige Projekte investieren. Die Weltbank müsse zu einer echten Transformationsbank werden, damit mehr Geld für Armutsbekämpfung, Klimaschutz und Geschlechtergerechtigkeit eingesetzt werden könne. Mehrwertsteuer in der Speisengastronomie Der CSU-Abgeordnete Florian Oßner sprach gegenüber dem Finanzminister Verteuerungen an, die die Regierung „befeuert“ habe und nannte unter anderem den Verzicht auf eine Verlängerung des verminderten Mehrwertsteuersatzes in der Speisengastronomie, während gleichzeitig das Bürgergeld erhöht werde. Lindner entgegnete, über eine Verlängerung der reduzierten Mehrwertsteuer könne nicht unabhängig von einer Gegenfinanzierung entschieden werden. Die dazu erforderliche Steuerschätzung liege erst im Oktober vor. Die Anpassung des Bürgergeldes habe mit Statistik zu tun. Der Minister wies zudem auf die geplante Anhebung des Grundfreibetrages bei der Einkommensteuer hin, um Inflationseffekte auszugleichen. Mehrwertsteuer auf Gas und Fernwärme Die geplante Anhebung des Mehrwertsteuersatzes auf Gas und Fernwärme von sieben auf 19 Prozent thematisierte Christian Görke (Die Linke). Er befürchtet, dass dadurch die Inflation befeuert wird. Lindner erwiderte, die Absenkung des Steuersatzes sei krisenbedingt befristet beschlossen worden, zudem seien Preisbremsen eingeführt worden. Zum Glück sei die Preisentwicklung anders verlaufen als zunächst befürchtet, sagte der Minister. Daher habe die Regierung vorgeschlagen, die Steuersenkung drei Monate früher als geplant aufzuheben, die Preisbremsen aber fortzusetzen. Er wies zudem auf das Inflationsausgleichsgesetz hin, mit dem die Bevölkerung entlastet und Kaufkraftverluste gedämpft worden seien. Entfernungspauschale und Umsatzsteuerbetrug Auf die Frage des AfD-Abgeordneten Kay Gottschalk, ob Lindner bereit wäre, die Pendler durch eine Erhöhung der Entfernungspauschale zu entlasten, sagte der Minister, dazu gebe es keine Pläne. Er riet im Übrigen dazu, nicht nur das Steuerrecht zu sehen, sondern auch die Tarifentwicklung bei Löhnen und Gehältern. Auch von der steuerfreien Inflationsprämie hätten schon viele profitiert. Tim Klüssendorf (SPD) sprach die Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug an. Eine wichtige Voraussetzung dafür sah Lindner in der Einführung der elektronischen Rechnungslegung. Dazu werde die Regierung bald einen konkreten Fahrplan vorlegen. Sie wolle Steuern nicht erhöhen, sondern das Steuerrecht durchsetzen, betonte der Minister. Kapitalmarkt und Fachkräftemangel Auf eine Frage der Abgeordneten Katharina Beck (Bündnis 90/Die Grünen) zum Vergleich öffentlicher Investitionen in Europa und den USA sagte Lindner, beim öffentlichen Investitionskapital habe Deutschland keinen Wettbewerbsnachteil. Das Problem sei die Mobilisierung von privatem Kapital. Der Standortnachteil bestehe darin, „dass wir einen fragmentierten Kapitalmarkt haben“. Daher plane die EU die „Capital Markets Union“, eine Kapitalmarktunion, um den Fondsstandort attraktiver zu machen. Deutschland habe noch ungenutztes Potenzial im Bereich der Start-up-Unternehmen, versicherte Lindner der FDP-Abgeordneten Anja Schulz. Die Unternehmen litten darunter, dass sie nicht genug Fach- und Führungskräfte finden. Aus diesem Grund erleichtere die Regierung die qualifizierte Einwanderung. Kürzungen im Entwicklungsetat Der CDU-Abgeordnete Volkmar Klein kritisierte, dass der Etat des Entwicklungsministeriums zum dritten Mal in Folge sinke und die Ministerin falsche Prioritäten setze, indem sie bei der Ernährung kürze. Svenja Schulze hielt dem entgegen, dass es bei den Haushaltstiteln nur eine begrenzte Flexibilität gebe. Sie äußerte die Hoffnung, dass Ernährungssysteme entstehen, die die Menschen unabhängiger machen. Deutschland sei einer der größten Geldgeber, wenn es darum gehe, Hunger nachhaltig zu bekämpfen. Der Großteil des Haushalts ihres Ministeriums setze sich für den Kampf gegen Hunger und Armut, den Ausbau von Gesundheitssystemen und für Geschlechtergerechtigkeit ein. Der gesamte Bundeshaushalt schrumpfe, und ihr Ministerium müsse einen Beitrag zur Konsolidierung leisten, so Schulze auf eine Frage des CSU-Abgeordneten Dr. Wolfgang Stefinger. Privates Kapital, Eigenverantwortung, Zivilgesellschaft 25 Prozent weniger Geld gegen den Hunger beklagte die Abgeordnete Ina Latendorf (Die Linke). Schulze sagte, man müsse auch privates Kapital in nachhaltige Bereiche lenken. Dafür setze sie sich ein. Nach einer Eigenverantwortung der Länder im Hinblick auf ihre Entwaldung fragte der AfD-Abgeordnete Dietmar Friedhoff. Schulze erwiderte, es gebe eine Eigenverantwortung. Der Klimawandel sei real. Es gehe um die ärmsten Länder der Welt, die Unterstützung bräuchten, und Deutschland leiste dazu einen wesentlichen Beitrag. Nach den Haushaltsmitteln für zivilgesellschaftliche Organisationen erkundigte sich die Grünen-Abgeordnete Susanne Menge. Zivilgesellschaftliche Organisationen sind sehr wichtig, sie seien Brückenbauer. In diesem und auch im kommenden Jahr seien eine Milliarde Euro dafür in den Haushalt eingestellt. Sie hoffe, diesen Betrag stabil halten zu können, sagte die Ministerin. Sozialsysteme und Investitionsfinanzierung Dr. Karamba Diaby (SPD) fragte nach der Situation in den Sahel- und den angrenzenden Küstenstaaten. Deutschland habe zentral mitgeholfen, in der Sahelzone Arbeitsplätze zu schaffen, sagte die Ministerin. Dort sollen nach ihren Worten auch Sozialsysteme aufgebaut werden. Dazu sei ein langer Atem erforderlich, sie habe den Vorsitz in der Allianz der Geberländer übernommen. Man vertraue auf Spill-over-Effekte in die Küstenstaaten, um den Ärmsten der Armen zu helfen. Dr. Christoph Hoffmann (FDP) fragte nach der Finanzierung wichtiger Investitionen in wirtschaftsschwachen Ländern. Es müsse gelingen, so die Ministerin, als demokratische Staaten auch große Projekte zu stemmen. Dazu gebe es unter anderem Initiativen der führenden demokratischen Industriestaaten (G7). Es müsse ermöglicht werden, für schwachen Länder Kredite zu beschaffen und sie zu stabileren Rahmenbedingungen zu führen. (vom/27.09.2023)

54. Sitzung des Bildungsausschusses

Mi, 27.09.2023 - 11:00
Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ist am Mittwoch, 27. September 2023, zu einer öffentlichen Sitzung zusammengekommen. Seine 38 Mitglieder beraten langfristige Weichenstellungen in der Forschungs- und Bildungspolitik, befassen sich aber auch mit der individuellen Förderung des Einzelnen zum Beispiel durch das BAföG. Eine Besonderheit der Ausschussarbeit ist das Büro für Technikfolgen-Abschätzung (TAB), das den Bundestag bei forschungs- und technologiepolitischen Fragen berät sowie Analysen und Gutachten liefert. (27.09.2023)

46. Sitzung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Mi, 27.09.2023 - 11:00
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist am Mittwoch, 27. September 2023, zu einer öffentlichen Sitzung zusammengekommen. Die 38 Mitglieder des Familienausschusses beschäftigen sich mit unterschiedlichen gesellschaftspolitisch relevanten Themen. Ihre Aktivitäten zielen unter anderem darauf ab, Familien sowie Kinder und Jugendliche zu stärken, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erzielen, die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern und – vor dem Hintergrund des demografischen Wandels – die Rahmenbedingungen für ein weitgehend selbstbestimmtes Leben der älter werdenden Bürgerinnen und Bürger weiterzuentwickeln. (27.09.2023)

Experten bewerten Anpassung des Energie­wirtschafts­rechts

Mi, 27.09.2023 - 11:00
Der Ausschuss für Klimaschutz und Energie hat sich am Mittwoch, 27. September 2023, im Rahmen einer Anhörung mit dem „Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Energiewirtschaftsrechts an unionsrechtliche Vorgaben und zur Änderung weiterer energierechtlicher Vorschriften“ (20/7310) und einer Formulierungshilfe der Bundesregierung befasst. Neben dem Regulierungsthema ging es unter anderem um die Planung und Errichtung eines Wasserstoff-Kernnetzes und die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Netzausbau. Anlass der Anpassung des Energiewirtschaftsrechts ist die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in einem Vertragsverletzungsverfahren, dass Deutschland die Elektrizitäts- und die Erdgasbinnenmarkt-Richtlinien des Dritten Energiebinnenmarktpakets in vier Punkten nicht zutreffend umgesetzt hat. Drei Klagepunkte des Vertragsverletzungsverfahrens betrafen Entflechtungsfragen. Der vierte Klagepunkt betrifft die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden von normativen Vorgaben des nationalen Gesetzgebers. Um die Entscheidung des EuGH im noch offenen vierten Klagepunkt umzusetzen, sieht der Gesetzentwurf der Bundesregierung vor bisherige Verordnungsermächtigungen durch Festlegungskompetenzen der Bundesnetzagentur zu ersetzen. „Echte Zeitenwende“ Für den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) stellte Paula Hahn eingangs fest, in Umsetzung des Urteils brauche es einen zukunftsfesten und von der EU-Kommission bestätigten europarechtskonformen Rechtsrahmen. Der Gesetzentwurf setze dies weitgehend um. Rechtsstaatlich seien aber dringend weitere Vorkehrungen zu treffen, die das behördliche Handeln absichern. Stefan Rogat von der Netze BW GmbH sprach von „einer echten Zeitenwende“: Die bisherige normative Regelung, die auf Verordnungsermächtigungen der Bundesregierung basierte, werde nun durch eine administrative Regulierung ersetzt, die auf Festlegungskompetenzen der Bundesnetzagentur fuße. Legislative und Exekutive fielen damit zusammen. Deshalb plädierte Rogat für die Schaffung eines wissenschaftlichen Beirats, der für eine bessere Nachvollziehbarkeit der Regulierungsentscheidungen sorgen könne. Machtzuwachs für die Bundesnetzagentur Auch Thorsten Müller von der Stiftung Umweltenergierecht sieht in der Neuregelung einen großen Machtzuwachs für die Bundesnetzagentur. Aus großer Macht ergebe sich eine Verantwortung, sagte Müller. Das Vorgehen – Abschaffung der Verordnungsermächtigungen, Schaffung entsprechender Festlegungsbefugnisse der Bundesnetzagentur bei befristeter Fortgeltung der heutigen Regelungen in den Strom- und Gaszugangsverordnungen, den Strom- und Gasnetzentgeltverordnungen und der Anreizregulierungsverordnung - sei aber „unionsrechtlich nicht zu kritisieren.“ Forderungen nach mehr Einfluss für den Bundestag Der Einfluss des Bundestags beschränke sich künftig darauf, dass 16 Parlamentsmitglieder im Beirat der Bundesnetzagentur säßen, sagte Rechtsanwalt Stefan Wollschläger (SPD) Rechtsanwalt und Partner, Becker Büttner Held (BBH). Die Funktionen des Beirats bestünden im Energiebereich im Wesentlichen daraus, die Bundesnetzagentur bei der Erstellung von Berichten zu beraten. Wollschlägers Forderung: „Im Rahmen der vom EuGH aufgestellten Grundparameter sollten die Rechte des Beirates gestärkt und ein Stellungnahmerecht in allgemeinen Festlegungsverfahren eingeführt werden.“ Volle Zustimmung gab es dafür von Andreas Zuber vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU), dem es ebenfalls um die Sicherung der parlamentarischen Checks-and-Balances im Regulierungsverfahren ging. Auch eine unabhängige Regulierungsbehörde dürfe nicht vollkommen der parlamentarischen Kontrolle entzogen sein, sagte Zuber. Deswegen sollten die Beteiligungsrechte des Beirats entsprechend den im Gesetzentwurf vorgesehenen Beteiligungsrechten für den Länderausschuss gestaltet werden. Problem der Abregelungen Christoph Maurer, Geschäftsführer der Consentec GmbH, konzentrierte sich in seiner Stellungnahme auf die Regelungen zur Vermeidung der Abregelung von erneuerbarem Strom durch zuschaltbare Lasten. Die netzbedingte Abregelung erneuerbarer Energien habe 2022 bei rund8 TWh gelegen. Damit könnten bereits heute erhebliche Teile des Potenzials zur Erzeugung erneuerbaren Stroms nicht genutzt werden. Maurer nannte es „vorzugswürdig“, wenn möglichst große Anteile der von Netzengpässen betroffenen Strommengen nicht abgeregelt, sondern in der Nähe der Erzeugungsstandorte durch zusätzlichen Stromverbrauch sinnvoll genutzt würden. Ausbau des Wasserstoffnetzes Matthias Dümpelmann, Geschäftsführer der 8KU GmbH legte, sein Augenmerk auf den Ausbau des Wasserstoffkernnetzes. Der erfordere beträchtliche Investitionen, die im direkten Kapitalmarktwettbewerb mit den Ausbauten der Stromnetze und anderen Infrastrukturprojekten stehe. Der Aufbau eines Wasserstoff-Kernnetzes sei deshalb im Hinblick auf dessen Auslastung mit erheblichen Risiken verbunden, die bei der Ausgestaltung zu berücksichtigen seien: Nur dann fänden sich Unternehmen, die bereits seien zu investieren. Beschleunigung des Netzausbaus Für Tim Meyerjürgens als Vertreter der Übertragungsnetzbetreiber 50hertz, Amprion, Tennet und Transnet BW war der wichtigste Punkt neben der Regulierungsfrage die Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren für Höchstspannungsleitungen. Die Übertragungsnetzbetreiber würden es zugleich sehr begrüßen, so Meyerjürgens, wenn die EU-Notfall-Verordnung verlängert würde, damit sichergestellt sei, dass fürs erste auch künftig keine UVP sowie Artenschutz-Prüfung durchzuführen seien. René Mono von E.ON begrüßte die Möglichkeit zum vorausschauenden Netzausbau und unterstrich die Bedeutung dieses Regelungsvorschlages für die weitere Integration sowohl von Erneuerbare-Energien-Anlagen als auch von neuen Verbrauchseinrichtungen. Sicherzustellen sei hier aber insbesondere, „dass die anerkannten regulatorischen Kosten nicht nachträglich, etwa durch überzogene Effizienzanforderungen, neutralisiert werden.“ Herausforderung „Energiespeicherung“ Für Florian Valentin vom Bundesverband Energiespeicher Systeme (BVES) steht außer Frage: Ohne Energiespeicher werde die erfolgreiche Fortsetzung der Energiewende zunehmend in Frage gestellt, ohne ausreichende Integration von Energiespeichern die Energiewende nicht gelingen. Die Einsicht habe sich auch durchgesetzt. Aber: Mit den derzeit bestehenden Rahmenbedingungen für den Betrieb und Einsatz von Energiespeichern seien die ambitionierten Speicher-Ausbau-Pläne nicht zu erreichen, sagte Valentin. Er rate dringend, bestehende Hürden wie zum Beispiel die nur vorübergehende Befreiung von Netzentgelten zu beseitigen. Gesetzentwurf der Bundesregierung Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat in einem Vertragsverletzungsverfahren entschieden, dass Deutschland die Elektrizitäts- und die Erdgasbinnenmarkt-Richtlinien des Dritten Energiebinnenmarktpakets in vier Punkten nicht zutreffend umgesetzt hat. Drei Klagepunkte des Vertragsverletzungsverfahrens betrafen Entflechtungsfragen. Der vierte Klagepunkt betraf die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden von normativen Vorgaben des nationalen Gesetzgebers. Um die Entscheidung des EuGH im noch offenen vierten Klagepunkt umzusetzen, sieht der Gesetzentwurf (20/7310) der Bundesregierung vor, dass die Verordnungsermächtigung des Paragrafen 24 EnWG aufgehoben wird. Gleiches gelte laut Entwurf für die Verordnungsermächtigung des Paragrafen 21a EnWG, auf den sich zwar die Klage der Kommission nicht erstrecke, die von der Reichweite der Entscheidung des EuGH aber erfasst werde. Beide Verordnungsermächtigungen sollen daher durch Festlegungskompetenzen der nationalen Regulierungsbehörde ersetzt werden. Bundesrat zur Anpassung des Energiewirtschaftsrechts Der Bundesrat hat zum Gesetzentwurf Stellung genommen (20/8165). Darin begrüßt er die Anpassung des Energiewirtschaftsrechts und die darin vorgesehenen Rahmenbedingungen für den schnellen Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland. Der Aufbau eines bundesweiten Wasserstoffnetzes sei von strategischer Bedeutung und eine der entscheidenden Voraussetzungen für eine erfolgreiche Dekarbonisierung der Industrie und der Energiewirtschaft in Deutschland, heißt es darin. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, beim Aufbau einer geeigneten Wasserstoffinfrastruktur und eines Wasserstoff-Kernnetzes bis zum Jahr 2032 die regionalen Besonderheiten und Herausforderungen in den einzelnen Ländern und Regionen mit zu berücksichtigen. Eine enge Einbindung der Länder in die weiteren Entscheidungs- und Kommunikationsprozesse sei unerlässlich. Weiter führt der Bundesrat aus, der aus den Vorgaben des Bundes-Klimaschutzgesetzes notwendige Kohleausstieg in Deutschland werde nur gelingen, wenn kurzfristig auch genügend gesicherte, flexibel einsetzbare Kraftwerkskapazität neu entstehe. „Hier sind H2-ready-Gaskraftwerke und H2-Speicherkraftwerke an bisherigen Kraftwerksstandorten, die durch vorhandene Stromnetzanbindung und überschaubare Genehmigungsanforderungen eine Chance für schnellen Kapazitätsaufbau böten, ein entscheidender Beitrag zur Versorgungssicherheit.“ Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darum, dass H2-ready-Gaskraftwerke, die sich in der Planung befinden oder für die eine Genehmigung beantragt wurde, bei der Entwicklung eines Wasserstoff-Kernnetzes ebenso berücksichtigt werden. Wenn noch keine leitungsgebundene Infrastruktur vorhanden sei, die von Erdgas auf Wasserstoff umgestellt werden könne, müsse der Bau von neuen Leitungsinfrastrukturen möglich sein. Der Neubau von Leitungsinfrastrukturen sei auf solche Standorte zu fokussieren. In ihrer Gegenäußerung dankt die Bundesregierung dem Bundesrat für die Anmerkungen zum Gesetzentwurf allgemein betreffend das Wasserstoff-Kernnetz. Sie betont, dass die Länder nach dem Gesetzentwurf durch die Bundesnetzagentur Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen werden und unterstreicht, dass H2-ready-Gaskraftwerke, die sich in der Planung befinden und die übrigen Voraussetzungen erfüllen, als Anschlusspunkte bereits durch den Gesetzentwurf erfasst seien. (mis/27.09.2023)

Experten: Fusionsforschung muss gestärkt werden

Mi, 27.09.2023 - 09:20
Fusionstechnologien sind vielversprechend für die Zukunft, der Ausbau der Technologie sollte den Ausbau erneuerbarer Energien jedoch nicht bremsen. Dies haben Sachverständige bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am Mittwoch, 27. September 2023, betont. Grundlage war ein Antrag (20/6907) der CDU/CSU-Fraktion zur „Stärkung der Fusionsforschung auf Weltklasseniveau“. Die Union hatte in dem Antrag unter anderem von der Bundesregierung gefordert, auf Fusionstechnologie zu setzten, um die Energiewende voranzutreiben und das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. „Industrielle, technologische und personelle Basis“ Zustimmung zum Antrag kam von Prof. Dr. Thomas Klinger, dem Direktor am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald. Er wies darauf hin, dass Fusion die einzige noch nicht primär von der Menschheit genutzte Energiequelle und ferner eine CO2-neurale Technologie sei. Somit sprächen alle Gründe dafür, an Fusion weiterzuforschen, sagte der auf Vorschlag der SPD eingeladene Sachverständige. Zwar sei die Technologie nuklear, jedoch gebe es in der Bundesrepublik bereits gute Gesetze zum Strahlenschutz. Um Fusion aber tatsächlich in Deutschland nutzbar zu machen, brauche es eine „industrielle, technologische und personelle Basis“. Sachverständige sehen noch einen langen Weg Rafael Laguna de la Vera, Direktor der Bundesagentur für Sprunginnovationen, kurz Sprind, betonte, dass nicht nur, weil „Atom“ in der Fusionstechnologie vorkomme, Fusionskraftwerke auch so reguliert werden sollten wie Atomspaltungswerke. Beides seien komplett unterschiedliche Technologien. Auch wies der auf Vorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingeladene Sachverständige darauf hin, dass es noch rund 15 bis 20 Jahre dauern werde, bis Fusionskraftwerke betrieben werden könnten. So lange müsse die Weiterentwicklung und Nutzung von erneuerbaren Energiequellen wie Wind, Solar und Geothermie vorangetrieben werden. Prof. Dr. Mario Ragwitz von der Fraunhofer Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG betonte ebenfalls, dass der Weg bis zur technischen Nutzung des Fusionsprinzips für die Stromerzeugung in einem Kernkraftwerk noch weit sei und etliche Risiken bürge. So dürften nicht alle Hoffnungen auf die Fusionsforschung gesetzt werden, sagte der auf Vorschlag der Fraktion Die Linke eingeladene Sachverständige. Die Transformation des Energiesystems werde sich in den kommenden zwei Jahrzehnten auf weitgehend bekannte Technologien, die erneuerbaren Energien, stützen. So müsse der aktuell eingeschlagene Weg fortgesetzt werden. Langfristiges Potenzial zur Energiegewinnung Prof. Dr. Rüdiger Quay, Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik, sprach sich deutlich für die Förderung der Fusionsforschung durch die Bundesregierung aus. So böte die Fusionsforschung ein langfristiges Potenzial zur Energiegewinnung aus der Kernfusion. Um zukünftig wettbewerbsfähig zu bleiben, brauche Deutschland aber ein „Innovationsökosystem für die Fusionsforschung“. Dazu gehöre ein starkes wissenschaftliches Programm, offene Forschungsinfrastrukturen, die Beteiligung einer kompetenten Industrie sowie die internationale Zusammenarbeit zur Nutzung der knappen Ressourcen, sagte der auf Vorschlag der FDP-Fraktion eingeladene Sachverständige. Internationaler Wettlauf um Fusionstechnologien International sei bereits erkennbar, dass ein Rennen um Fusionstechnologien begonnen habe, sagte der auf Vorschlag der CDU/CSU eingeladene Sachverständige Prof. Dr. Markus Roth, Arbeitsgruppenleiter Laser und Kernphysik an der Technischen Universität Darmstadt und Chief Science Officer der Focused Energy GmbH. Daher müssten Schlüsseltechnologien, bei denen Deutschland Wettbewerbsvorteile habe, weiter ausgebaut werden. Nur so könne die deutsche Industrie auch in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen. Forschung und Aufbau von Fusionszentren sollten in enger Zusammenarbeit mit Start-up-Unternehmen und der Industrie erfolgen. So könnten staatliche Mittel und private Investitionen kombiniert werden. Zusammenarbeit von Industrie und Wissenschaft Prof. Dr. Hartmut Zohm vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik verwies auf fehlende Fachkräfte in den Fusionstechnologien. Daher appellierte er, dass künftig mehr Menschen in den Disziplinen ausgebildet werden sollten, die in der Fusionsforschung benötigt werden. Außerdem sei eine enge Zusammenarbeit von Industrie und Wissenschaft im Bereich der Fusionstechnologien nötig. Der auf Vorschlag der AfD eingeladene Sachverständige betonte, dass neben der Industrie auch die Grundlagenforschung weiter gestärkt werden müsse. Antrag der Union Um die Energiewende voranzutreiben und das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, muss die Bundesregierung aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion auf Fusionstechnologie setzen. Die Abgeordneten fordern von der Bundesregierung ein klares Bekenntnis zur Fusionsenergie. Außerdem solle sie den Bau von zwei Fusionsreaktoren mit konkurrierender Technik beauftragen. Prognosen zufolge werde der Strombedarf in der Bundesrepublik bis zum Jahr 2050 auf das Zwei- bis Dreifache im Vergleich zum Jahr 2020 ansteigen, schreiben die Antragsteller. Gemessen an diesem zusätzlichen Energiebedarf könne die Fusionstechnologie zum „Gamechanger“ werden, da sie große Menschen Strom erzeugen könne und mit ihr gleichzeitig keine „direkten CO2-Emissionen, kein Langzeit-radioaktiver Müll und kein Explosionsrisiko“ einhergehen würde. (cha/des/27.09.2023)

42. Sitzung des Aus­schus­ses für wirt­schaft­liche Zusammen­arbeit und Entwicklung

Mi, 27.09.2023 - 00:58
Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung kommt am Mittwoch, 27. September 2023, ab 10.10 Uhr im Saal 1.302 des Jakob-Kaiser-Hauses zu einer Sitzung zusammen. In einem öffentlichen Tagesordnungspunkt befasst sich das Gremium mit dem Thema „Land governance – traditionelle vs. formalisierte Landrechtssysteme und die Rolle der deutschen Entwicklungszusammenarbeit“. Geplant ist eine mündliche Unterrichtung durch die Bundesregierung und ein Gespräch mit Roman Herre von der Menschenrechtsorganisation FIAN. (22.09.2023)

EU-Pläne zur Luftquali­tätsrichtlinie stoßen auf geteiltes Experten-Echo

Mi, 27.09.2023 - 00:55
Die Pläne der EU-Kommission für eine Überarbeitung der geltenden EU-Luftqualitätsrichtlinie stoßen auf ein geteiltes Echo der Experten, das zeigte eine öffentliche Anhörung im Umweltausschuss am Mittwoch, 27. September 2023. Anlass für die Befassung mit dem Thema war ein Antrag CDU/CSU-Fraktion, in dem sie auf eine Verschiebung neuer EU-Vorschriften zur Luftqualität dringt (20/7354). In der Anhörung teilten die Sachverständigen grundsätzlich das Ziel der EU-Kommission, die Luftqualität zu verbessern, doch hielten vor allem Vertreter aus Industrie und Wirtschaft die angestrebten schärferen Grenzwerte für zu streng. Die Auswirkungen könnten den Standort Deutschland gefährden, so ihr Urteil. Mediziner und Umweltverbände hingegen sahen in strengeren Vorschriften einen längst überfälligen Schritt, um Gesundheit und Umwelt vor Luftverschmutzung zu schützen. Krankheiten durch Luftverschmutzung So verwiesen Emma Bud von der Umweltrechtsorganisation ClientEarth und Dorothee Saar von der Deutschen Umwelthilfe auf die jährliche Zahl rund 29.000 vorzeitigen Todesfällen aufgrund Feinstaub und weiteren 10.000 aufgrund erhöhter Stickstoffdioxidkonzentrationen in Deutschland. Krankheiten durch Luftverschmutzung seien kein individuelles gesundheitliches Problem, sondern verursachten auch immense volkswirtschaftliche Schäden, argumentierte Saar. Es brauche daher niedrigere Grenzwerte entsprechend der Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die seit 2008 geltende EU-Luftqualitätsrichtlinie habe zwar in der Vergangenheit zu deutlichen Verbesserungen der Luftqualität geführt, sei aber nicht mehr ausreichend, so Bud. Die Bundesregierung solle sich auf EU-Ebene für eine Überarbeitung einsetzen. Orientieren sollten sich die EU-Mitgliedstaaten dabei an der strengeren Verhandlungsposition des Europaparlaments. Eine Anpassung der Grenzwerte dürfe zudem nicht erst 2030, wie von der EU-Kommission geplant, erfolgen. Sachverständige mahnen Übergangsfristen an Demgegenüber warnten Wirtschaftsvertreter vor den Folgen strengerer und zu früh geltender neuer Vorschriften: Hauke Dierks von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) erinnerte an die Situation drohender Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in den Jahren 2018/2019. Dieses „Drama“ drohe sich zu wiederholen, wenn nicht „realistische Zeiträume“ zur Einhaltung von Grenzwerten eingeplant würden. Viele Unternehmen seien bei Nutzfahrzeugen und Wärmeerzeugung noch weit über das Jahr 2030 auf fossile Brennstoffe angewiesen. Daher seien die Ziele der EU-Kommission auch erst nach 2030 erreichbar. Auch Peter Müller-Baum vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, und Puya Raad, der für den Industriekonzern Thyssenkrupp sprach, hielten die Zeitschiene zur Umsetzung für zu kurz und „überambitioniert“. Die von der EU-Kommission geplante Verschärfung der Luftqualitätsrichtlinie drohe die notwendige Klimatransformation der Industrie zu behindern. Folge davon könnten Standortverlagerungen ins Ausland, Anlagenstilllegungen und der Verlust vieler „gut bezahlter“ Arbeitsplätze sein, sagte Raad. Noch deutlicher wurde Müller-Baum: Wenn Zulassungen von Anlagen mit Blick auf Emissionen erschwert oder gar verhindert würden, befördere das die „Deindustrialisierung Deutschlands“. Planungsunsicherheit bei Behörden „Zu einer angemessenen Übergangsfrist frühestens ab 2040“ für strengere Grenzwerte riet auch Annette Giersch vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Sie machte deutlich, dass der BDI derzeit keine Notwendigkeit für eine „Revision“ der bestehenden und „sehr erfolgreichen“ europäischen Luftqualitätsrichtlinie sehe. Die EU verfolge eine Vielzahl von Gesetzgebungsvorhaben, die dazu beitrügen, die Luftqualität zu verbessern. Zugleich warnte Giersch vor weitergehenden Klage- oder Schadensersatzvorschriften: Diese sorgten für Planungsunsicherheit bei Behörden und bedeuteten letztlich auch finanzielle Risiken für den Staat. Diese Gefahr sah auch Christine Wilcken vom Deutschen Städtetag. Sie betonte zwar, Städte und Kommunen unterstützten bereits Bemühungen für Gesundheitsschutz und bessere Luftqualität – etwa durch Tempolimits oder den Ausbau von Radwegen. Doch sie appellierte, die Kommunen nicht zu überfordern. Deren Möglichkeiten seien begrenzt und vielfach bereits ausgeschöpft. Sie rief dazu auf, alle Sektoren in den Blick zu nehmen, um Emissionen „an der Quelle“ zu begrenzen. Zudem müssten „örtliche und überörtliche Bedingungen“ in Städten, wie etwa Fluss- oder Tallagen oder Schiffsverkehr berücksichtigt werden. Diskussion über Verschärfung der Grenzwerte Die Einzelsachverständigen Gerhard Scheuch und Martin Schraag sahen keinen Bedarf für eine Verschärfung der Grenzwerte für Luftschadstoffe. Für die von Epidemiologen angeführten Gesundheitsprobleme, die auf Feinstaub zurückzuführen seien, gebe es nicht genügend Beweise, so der Aerosolphysiker Scheuch. Ohnehin erreiche die nicht vom Menschen verursachte Feinstaubkonzentration in vielen Gegenden der Welt Werte, die weit über dem von der EU-Kommission vorgeschlagenen Grenzwert lägen. Martin Schraag von der Gesellschaft Fortschritt in Freiheit zog die Herleitung der von der WHO empfohlenen Grenzwerte in Zweifel: Es müsse geklärt werden, warum die Weltgesundheitsorganisation „plötzlich“ Ergebnisse etablierter Studien durch auf epidemiologischen Modellrechnungen beruhenden Studien „überschreibe“. Demgegenüber erklärte die Epidemiologin Annette Peters, Direktorin des Helmholtz Zentrums München, dass die Novellierung der Grenzwerte aus Sicht der Gesundheitswissenschaft ein „längst überfälliger Schritt“ sei. Die wissenschaftliche Evidenz habe sich seit den Empfehlungen der WHO sogar noch weiter erhärtet. Große Studien in Europa und den USA untermauerten den Befund, dass Schadstoffkonzentrationen oberhalb der von der WHO empfohlenen Richtwerte das Mortalitätsrisiko steige. Peters betonte auch den Beitrag besserer Luftqualität auf die Eindämmung der Folgen des Klimawandels: Niedrigere Luftschadstoffbelastungen verringerten auch gesundheitliche Auswirkungen von Hitze. Eindringlich warnte auch die Umweltmedizinerin Barbara Hoffmann von der Universität Düsseldorf vor den Folgen der weiterhin hohen „Krankheitslast“ durch Luftverschmutzung in Deutschland. Die Luftverschmutzung nur durch Feinstaub stehe auf Platz acht von 52 der wichtigsten Risikofaktoren, betonte Hoffmann. „Wir nehmen für kein anderes essentielles Lebensmittel eine derartige Krankheitslast in Kauf.“ Die Folgen seien sehr teuer, so die Sachverständige - für den Einzelnen und die Gesellschaft. Jedes Jahr entstünden in der EU gesundheitsbezogene Kosten in Höhe mehrerer Hundert Milliarden Euro. Demgegenüber könne eine Verbesserung der Situation zu wirtschaftlichem Wachstum führen, hob Hoffmann hervor. Die EU-Kommission rechne bei schnellstmöglicher Angleichung an die WHO-Richtwerte mit einem Wachstum von 0,4 Prozent. Antrag der Union In einem Antrag fordert die CDU/CSU-Fraktion die Bundesregierung auf, sich bei den Verhandlungen über eine Änderung der Richtlinie 2008 / 50 / EG über Luftqualität und saubere Luft aus dem Jahr 2008 für einen Aufschub einzusetzen, damit Regelungsvorhaben wie etwa der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft oder die Elektromobilität erst Wirkung zeigen könnten. Außerdem solle die Bundesregierung sicherstellen, dass in der aktuellen Energiekrise Privathaushalte und Unternehmen durch die neuen Regelungen der Luftqualitätsrichtlinie nicht „unverhältnismäßig stark belastet“ werden, heißt es in der Vorlage. Weitere Forderungen der Unionsfraktion beziehen sich unter anderem auf die Technologieoffenheit in Bezug auf Heizsysteme, „bürokratiearme und für Kommunen tragbare Umsetzungen“ mit Blick auf die Erstellung von Luftreinhalteplänen sowie bezahlbare Preise für konventionelle Kraftstoffe. Auch solle die Bundesregierung für eine Verschiebung der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorgeschlagenen Luftqualitätsgrenzwerte bis 2040 eintreten, deren methodische Herleitung durch Experten eingehend zu überprüfen und sich gegen die gesetzliche Möglichkeit von kommunalen Fahrverboten einsetzen. Die Anwendung von Ordnungsrecht müsse insgesamt „maßvoll und praxistauglich“ sein, fordern die Abgeordneten. Bei den Vorschriften zur Luftqualität müssten „Verhältnismäßigkeit, Technologieoffenheit und Machbarkeit im Vordergrund stehen“. (sas/27.09.2023)

Anhörung zum Kranken­haus­transparenz­gesetz

Mi, 27.09.2023 - 00:41
Mit einem Transparenzverzeichnis soll die Bevölkerung künftig über verfügbare Leistungen und die Qualität von Krankenhäusern informiert werden. Das soll Patienten helfen, eine selbstbestimmte und qualitätsorientierte Auswahlentscheidung für die jeweilige Behandlung zu treffen. Das Online-Verzeichnis ist Teil der geplanten umfassenden Krankenhausreform und soll am 1. April 2024 freigeschaltet werden, wie aus dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP "zur Förderung der Qualität der stationären Versorgung durch Transparenz" (Krankenhaustransparenzgesetz, 20/8408) hervorgeht, der am Mittwoch, 27. September 2023, im Gesundheitsausschuss beraten werden soll. Die öffentliche Anhörung beginnt um 15 Uhr im Saal E 300 des Paul-Löbe-Hauses und dauert etwa eineinhalb Stunden. Die Sitzung wird zeitversetzt am Donnerstag ab 14 Uhr auf www.bundestag.de übertragen. Gesetzentwurf der Bundesregierung Mit dem Krankenhaustransparenzgesetz werden die Krankenhäuser dazu verpflichtet, die erforderlichen Daten über ihre personelle Ausstattung, das Leistungsangebot und bestimmte Qualitätsaspekte zu übermitteln. Aufbereitet werden die Daten vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) sowie vom Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG). Das Leistungsangebot der Krankenhäuser soll differenziert nach 65 Leistungsgruppen dargestellt werden. Ferner ist die Zuordnung der einzelnen Krankenhausstandorte zu Versorgungsstufen (Level) geplant, abhängig von der Anzahl und Art der vorgehaltenen Leistungsgruppen. Dies soll eine niedrigschwellige Einschätzung ermöglichen, wie das Leistungsspektrum eines Krankenhauses einzuordnen ist, also ob dort komplexe Eingriffe oder eine Grund- und Regelversorgung erbracht werden können. Vorgesehen sind Level der Stufen 1 bis 3 sowie eigene Level für Fachkrankenhäuser und sektorenübergreifende Versorger (Level F und Level 1i). Krankenhäuser mit Level 3 sollen eine umfassende Versorgung von Patienten gewährleisten. Der Level 3U steht dabei noch einmal separat für Hochschulkliniken. Häuser mit Level 2 sollen eine erweiterte Versorgung sicherstellen. Level-1n-Krankenhäuser sollen die Basisversorgung inklusive der Notfallmedizin leisten können. Die Veröffentlichung des Transparenzverzeichnisses hat nach Angaben der Koalitionsfraktionen keine Auswirkungen auf die Krankenhausplanung der Länder und die Krankenhausvergütung. Die Festlegung und Ausgestaltung von Leistungsgruppen soll einer künftigen Krankenhausreform vorbehalten bleiben. (pk/irs/21.09.2023)

Antrag zum Recht auf Wohnungstausch bei Sach­verständigen umstritten

Mo, 25.09.2023 - 14:30
Ein Antrag der Fraktion Die Linke zur Einführung eines Rechts auf Wohnungstausch (20/6714) war Gegenstand einer öffentlichen Anhörung* im Rechtsausschuss am Montag, 5. September 2023. Der Antrag, nach dem es tauschwilligen Mieterinnen und Mietern ermöglicht werden soll, aus zu großen in kleinere Wohnungen zu ziehen und umgekehrt, stieß bei den zehn Sachverständigen auf Pro und Contra. Die Vorlage sieht vor, dass die bestehenden Mietverträge jeweils ohne Mieterhöhung übernommen werden können. In dem Antrag wird auf einen entsprechenden Passus im österreichischen Mietrecht verwiesen. Nur wenige Tausche über Börsen Für den Antrag sprachen sich die Vertreter von Wohnungstauschbörsen und Mieterverbänden aus. Von der Linksfraktion eingeladen war Joachim Faßmann vom Cottbuser Kollektiv Stadtsucht, das seit 2020 als Projektträger die Koordinierungsstelle Wohnungstausch (KSWT) im Auftrag der Landeshauptstadt Potsdam betreibt. Wie Faßmann in seiner Stellungnahme schilderte, dauerte es etwa drei Jahren, bis der Wohnungstausch in Potsdam auf signifikante Erfolge verweisen konnte. Im August 2023 seien 550 Tauschgesuche registriert gewesen, aus denen sich mehr als 4.500 Tauschmöglichkeiten ergäben. 12 Wohnungstausche seien umgesetzt worden, 35 weitere Tausche seien in Vorbereitung und Umsetzung. Die Erfahrungen zeigten, dass es einer öffentlichen Förderung des Wohnungstauschs bedarf. Dabei gehe es nicht um die Pflicht zum Wohnungstausch, sondern um das Recht und eine angemessene finanzielle Unterstützung auf Bundes- und Landesebene. John Weinert, Geschäftsführer der Bonner Tauschwohnung GmbH, die seit 2010 ein bundesweites Wohnungstauschportal und kommunale Wohnungstauschportale betreibt sowie Wohnungstauschlösungen für Wohnungsunternehmen und Genossenschaften anbietet, verwies in seiner Stellungnahme auf „riesige stille Wohnraumreserven“ und plädierte ebenfalls für ein Recht auf Wohnungstausch. Über Tauschwohnung seien in den letzten zwei Jahren rund 5.300 Haushalte vermittelt worden, so Weinert, der von der SPD-Fraktion eingeladen wurde. Aktuell seien es durchschnittlich drei Tauschpaare pro Tag mit steigender Tendenz. Viele Menschen seien bereit, im Alter in eine kleinere Wohnung zu ziehen. Dafür sollten die richtigen Bedingungen geschaffen werden. Wohnungstausch funktioniere zwar auch jetzt schon auf Basis von Freiwilligkeit. In der Praxis scheiterten Wohnungstauschvorgänge oft an den Vermietern, die sich oft nicht über die Vorteile im Klaren seien. Rechtsposition für Mieter und Mieterinnen verbessern Franz Michel vom Deutschen Mieterbund (DMB) erklärte, ein Rechtsanspruch wie im Antrag gefordert würde die Rechtsposition für Mieter und Mieterinnen erheblich verbessern und wäre eine „sinnvolle, kluge Lösung“. Eine Verbesserung könne allerdings nur entstehen, wenn auch die Tauschbedingungen gesetzlich geregelt werden. Vor allem müsse festgelegt werden, wann der Vermieter seine Zustimmung verweigern darf, denn der Rechtsanspruch dürfe keine enttäuschten Erwartungen schüren. Ein Blick nach Österreich zeige, so der von der SPD-Fraktion eingeladene Sachverständige, dass mehr Rechtssicherheit beim Wohnungstausch möglich und sinnvoll sei. Auch für Deutschland empfehle sich, den Wohnungstausch in einer eigenständigen Norm im Bürgerlichen Gesetzbuch zu regeln, in der analog zum österreichischen Modell die konkreten Bedingungen festgelegt werden, unter denen ein Wohnungstausch rechtlich eindeutig vollzogen werden kann. Dr. Ulrike Hamann vom Berliner Mieterverein ging in ihrer Stellungnahme auf zwei Studien ein, die sich mit dem Problem unter- beziehungsweise überbelegter Wohnungen befassen und vorschlagen, zur Lösung des Problems die Mietenregulierung aufzuheben. Dabei werde jedoch nicht auf die Einkommenslage der betroffenen Haushalte eingegangen, so Hamann, die auf Einladung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen teilnahm. Ein wesentlicher Teil der Haushalte, die in unterbelegten Wohnungen wohnen, verfügten über ein überdurchschnittliches Einkommen und könnten sich daher eine große Wohnung leisten und wollten dies vermutlich auch. Gleichzeitig würde eine Mietenderegulierung die Situation der Haushalte mit niedrigem Einkommen, die bisher überbelegt wohnen, noch verschlechtern. Vor diesem Hintergrund mache der Antrag der Linksfraktion mehr Sinn als eine Deregulierung. Wie Michel vom DMB sprach sich Hamann für die Einführung eines Rechts wie in Österreich aus. Im Vorschlag der Linken gebe es jedoch zu viel Auslegungsspielraum. Freiwillige Initiativen nicht gefährden Die Immobilienbranche lehnt den Antrag strikt ab. Es brauche keine gesetzlichen Regelungen, denn diese würden nur dazu führen, dass freiwillige Initiativen der Wohnungsunternehmen gefährdet oder eingestellt werden, erklärte Carsten Herlitz vom GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Der Verband vertritt nach eigenen Angaben rund 3.000 kommunale, genossenschaftliche, kirchliche, privatwirtschaftliche, landes- und bundeseigene Wohnungsunternehmen, die fast 30 Prozent aller Mietwohnungen in Deutschland bewirtschaften. Laut Herlitz, der von der CDU/CSU-Fraktion eingeladen wurde, bieten die im GdW organisierten Unternehmen bereits verstärkt Möglichkeiten an, wie Mieterinnen und Mieter ihre Wohnungen tauschen können. Dabei werde auf Freiwilligkeit und Kooperation gesetzt – ohne staatlichen oder gesetzgeberischen Zwang. In der Praxis sei aber festzustellen, dass Angebote über Tauschbörsen nicht oder nur in ausgesprochen geringem Maß angenommen werden. Eine Übernahme der Regelung aus Österreich dürfte weder die praktischen Probleme beim Wohnungstausch, noch die rechtlichen Probleme lösen, so Herlitz. Inka-Marie Storm, Chefjustiziarin von Haus & Grund Deutschland, die ebenfalls von der Unionsfraktion eingeladen wurde, begrüßte Anstrengungen für ein größeres Wohnraumangebot. Haus & Grund ist laut Storm der mit Abstand größte Vertreter der privaten Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer in Deutschland. Derartige Maßnahmen dürften allerdings nicht allein zu Lasten der vermietenden Eigentümer gehen, erklärte Storm in ihrer Stellungnahme. Ein so tiefreichender Eingriff in die Rechte und Interessen der Vermieter, wie er durch den Antrag gefordert werde, stehe in keinem Verhältnis zu den Zielen des Antrags. Die Forderungen des Antrags seien inakzeptabel. Er verstoße gegen die Vertragsfreiheit und die Eigentumsfreiheit des Vermieters. Branche verlangt Einvernehmen aller Beteiligten Dr. Christian Osthus, stellvertretender Bundesgeschäftsführer des Immobilienverband Deutschland (IVD), erklärte, das Instrument des Wohnungstausches könne aus der Perspektive des IVD sein, die Lage auf dem Wohnungsmarkt zu verbessern, solange die schutzwürdigen Interessen aller Beteiligten gewahrt blieben. Das sei grundsätzlich nur dann der Fall, wenn der Tausch im Einvernehmen aller Beteiligten erfolgt. Es gebe Wohnungsbauunternehmen, die das Tauschmodell praktizieren, aber nur wenige erfolgreiche Tauschgeschäfte, so Osthus. Bei kleinen Wohnungsbaugesellschaften und privaten Kleinvermietern, die mit Abstand das Gros der Vermieter darstellten, spiele der Wohnungstausch praktisch keine Rolle. Dies könne man nicht durch einen Zwang des Vermieters überwinden, dem Wohnungstausch zuzustimmen. Das zeige auch das Beispiel Österreich. Auch die Vertreter der Rechtswissenschaft bewerteten den Antrag unterschiedlch. Prof. Dr. Martin Häublein von der Universität Innsbruck, Institut für Zivilrecht, sagte zu der im Antrag geforderten Problemlösung nach österreichischem Vorbild, diese Norm habe in über vier Jahrzehnten keine nennenswerte praktische Bedeutung erlangt und werde als „totes Recht“ angesehen. Sie habe in Österreich nichts zur Entspannung des Wohnungsmarktes beigetragen. Die Ursachen lägen in einem Grundkonflikt, den die Norm zu lösen habe. Unter Hintanstellung der unter anderem durch die Verfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention verbürgten Privatautonomie des Vermieters werde diesem gegen seinen Willen ein Vertragspartner aufgezwungen, erklärte Häublein, der auf Einladung der Unionsfraktion Stellung zu dem Antrag nahm. Das müsse durch einen hinreichend gewichtigen Grund gerechtfertigt sein, andernfalls sei der Eingriff in die Privatautonomie nicht gerechtfertigt und die Norm rechtswidrig. Auch in Deutschland würde eine solche Regulierung mehr Probleme aufwerfen als lösen. Regelungen wie bei der Untermiete Prof. Dr. Markus Artz, Lehrstuhlinhaber an der Universität Bielefeld, Direktor der Forschungsstelle für Immobilienrecht und Vorsitzender des Deutschen Mietgerichtstags, der von der SPD-Fraktion eingeladen wurde, hält die Einführung eines Anspruchs auf Zustimmung zum Wohnungstausch für ein Mittel, mit dem man einen Teil eines riesigen Problems angehen könnte. Er könne sich das ähnlich wie bei der Untermiete vorstellen, dass es im Grunde ein Anspruch jeweils gegen den Vermieter auf Zustimmung gibt, den dieser auch verweigern kann, wenn ihm aus Gründen, die in der Person des Mietinteressenten liegen, eine Vermietung nicht zuzumuten ist. Auch die Solvenz des neuen Mieters sei ein sehr wichtiger Grund. Es dürfe selbstverständlich kein Zwang und kein Druck auf Bestandsmieter geben, ihre Wohnungen zu verlassen, sondern dies müsse auf Freiwilligkeit basieren. Dem Vermieter gehe natürlich die Möglichkeit der Neuvermietung verloren, so dass er sich durchaus vorstellen könne, so Artz, dass man ihm einen geringfügigen Zuschlag zur Bestandsmiete gewähren könnte. Mag. Elke Hanel-Torsch, Wiener Landesvorsitzende der Mietervereinigung Österreichs, die auf Einladung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen teilnahm, erläuterte die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Wohnungstausch in Österreich. Der Paragraf 13 des Mietrechtsgesetzes würde theoretisch einen Wohnungstausch ermöglichen. Die Voraussetzungen seien jedoch so hoch, dass sie den Anwendungsbereich einengten und die Norm damit „totes Recht“ sei. Nach ihrer Kenntnis habe es in den vergangenen Jahren kein einziges Wohnungstauschverfahren gegeben, „weil die Voraussetzungen einfach nicht erfüllbar sind“. Ein zusätzliches Problem sei in Österreich, dass zwei Drittel aller Mietverträge nur noch befristet seien. Dann mache ein Tausch de facto keinen Sinn. Außerdem dürfe der Vermieter oder die Vermieterin den Mietzins im Fall eines Tausches anheben. Antrag der Linken Wie die Fraktion Die Linke in ihrem Antrag schreibt, sind die aktuellen Instrumente des Mietrechts, die den Anstieg der Mietpreisniveaus dämpfen sollen, angesichts unaufhörlich steigender Mieten und einer sich verschärfenden Wohnungsnot in ihrer Wirkung völlig unzureichend. Neben grundlegenden bundesgesetzlichen Änderungen zum Schutz der Mieter und Mieterinnen vor noch weiter steigenden Wohnkosten und einer anderen Wohnungsbaupolitik seien flankierend schnelle und pragmatische Lösungen erforderlich, um die Situation auf dem Wohnungsmarkt zu entspannen. Dazu gehöre die Einführung des Rechts auf Wohnungstausch. Zur Begründung verweist die Fraktion auf die Situation am Wohnungsmarkt und einen „Lock-in-Effekt“, der entstehe, „weil Neuvermietungsmieten deutlich stärker steigen als Bestandsmieten und ein Umzug in eine andere Wohnung meist einen deutlich höheren Quadratmeterpreis bedeutet“. Eine eigentlich gewollte Verkleinerung scheitere daran, dass selbst eine deutlich kleinere Wohnung mit einem neuen Mietvertrag mehr Miete kosten würde, schreibt die Fraktion. Dieses „Mismatch“ auf den Wohnungsmärkten könnte durch ein Recht auf Wohnungstausch behoben werden, bei dem die günstigen Vertragskonditionen der bestehenden Mietverträge beibehalten werden. Förderprogramme gefordert Der Bundestag solle die Bundesregierung daher auffordern, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der einen Rechtsanspruch einführt, der Mietern und Mieterinnen den gegenseitigen Eintritt in bestehende Mietverträge unter Beibehaltung der jeweiligen Vertragskonditionen und demnach ohne Erhöhung der Mieten ermöglicht. Nach österreichischem Vorbild müsse eine Zustimmung der Vermieter und Vermieterinnen eingeholt werden, die nur wegen besonders triftiger Gründe verweigert werden dürfe. Zudem sollten Förderprogramme aus Bundesmitteln eingerichtet werden, um Mieterhaushalten mit geringem Einkommen bei einem Wohnungstausch eine Umzugsprämie zu gewähren und Kommunen beim Aufbau von lokalen Wohnungstauschbörsen zu unterstützen. (mwo/25.09.2023) *Video bis 04:54 ohne Ton.

Kritik an geplanter Erweiterung der Lkw-Maut

Mo, 25.09.2023 - 14:00
Mehrere Verbandsvertreter aus der Speditions- und Logistikbranche haben bei einer öffentlichen Anhörung des Verkehrsausschusses am Montag, 25. September 2023, massive Kritik an der zum 1. Dezember 2023 geplanten Erhöhung der Lkw-Maut geübt. Die im Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung mautrechtlicher Vorschriften (20/8092) geplante Erweiterung der Lkw-Maut um eine CO2-Komponente sei ein „sinnloser Inflationstreiber inmitten einer Wirtschaftskrise ohne jede Lenkungswirkung“, sagte beispielsweise Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher beim Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs Lob für den Gesetzentwurf gab es von Kim Kohlmeyer, Managerin E-Mobilität bei der Organisation Transport & Environment Deutschland. Mit dem Gesetz werde Deutschland seiner Vorreiterrolle in Europa und der Welt bei der Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs gerecht, befand sie. Peter Westenberger, Geschäftsführer beim Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE/DIE GÜTERBAHNEN), begrüßte, dass die Mautmehreinnahmen nicht wie in den vergangenen Jahren ausschließlich den Straßen, sondern auch der Schieneninfrastruktur zugutekommen sollen. Mit dem Gesetzentwurf verdopple die Bundesregierung die Lkw-Maut nahezu und belaste Wirtschaft und Gesellschaft mit jährlich etwa 7,62 Milliarden Euro zusätzlich, sagte BGL-Vorstandssprecher Engelhardt. Gerade für kleine mittelständische Betriebe sei es nicht ohne Weiteres möglich, die Mehrkosten an die Auftraggeber weiterzugeben. Viele dächten daher über die Betriebsaufgabe nach, sagte der Verbandsvertreter. Was die von der Bundesregierung erhoffte Lenkungswirkung hin zu mehr batterieelektrisch betriebenen Lkw angeht, so verwies Engelhardt darauf, dass aktuell 0,03 Prozent der täglich auf deutschen Straßen verkehrenden Lkw elektrisch unterwegs seien. Bis die Flotte von 800.000 Lkw ausgetauscht sei, brauche es noch ein paar Jahre. Aktuell seien E-Lkw auch bis zu 3,5-mal so teuer, wie ein Diesel-Lkw. Zudem gebe es aktuell keinen einzigen Mega-Charger, in der ein Lkw während der Lenkzeitunterbrechung zumindest so weit aufgeladen werden kann, dass er seine nächste Be- oder Entladestelle erreicht. Eine „absolute Katarstrophe“ ist aus seiner Sicht der angedachte Starttermin am 1. Dezember dieses Jahres. Aufgrund bereits geschlossener Verträge könne die Mautsteigerung für den Monat Dezember vielfach nicht mehr berücksichtigt werden. Insofern sollte die CO2-Mauterhebung frühestens zum 1. Januar 2024 starten, sagte er. Übergang zu emissionsfreien Technologien Die CO2-Bepreisung erfordere realistische Alternativen für Unternehmen, ausreichende finanzielle Ressourcen für den Übergang zu emissionsfreien Technologien und einen angemessenen Planungsvorlauf für betriebliche Anpassungen, sagte Thomas Hansche, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes Logistik & Verkehr-pro. All diese Voraussetzungen seien aber gegenwärtig nicht erfüllt. Hansche forderte eine Verschiebung des Inkrafttretens der CO2-basierten Maut bis zum 1. Januar 2030 sowie die Gleichstellung biogener Kraftstoffe und E-Fuels mit emissionsfreien Fahrzeugen. Die Mehrkosten in Höhe von 28 Milliarden Euro bis zum Jahr 2027 müssten im ersten Schritt in jedem Fall von den Transportunternehmern getragen werden, sagte Carsten Hansen, Leiter Grundsatzfragen und Innenstadtlogistik beim Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK). In der Folge werde es aber eine Umlage auf die Verbraucher geben müssen. „Das ist ganz sicher“, sagte Hansen. Gleichwohl sei das gerade in der Paketbranche nicht so einfach. Gerade im Online-Handel gebe es große Handelsunternehmen, die mit dem Transport nichts verdienen müssten. Wenn nun die Bundesregierung in der Gesetzesbegründung von einer Transportkostensteigerung von lediglich 0,1 Prozentpunkten ausgehe, sei das sehr schädlich für die Bemühungen der Branche, kostengerechte Preise durchzusetzen. Beim BIEK, wie auch bei anderen Verbänden, gehe man von Kostensteigerungen in Höhe von vier statt 0,1 Prozent aus, sagte Hansen. Einsatz emissionsfreier Fahrzeuge Frank Huster, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV), verwies darauf, dass bis Ende dieses Jahrzehnts emissionsfreie Fahrzeuge flächendeckend nicht einsetzbar sein würden. Auch seien die Verladeoptionen auf das System Schiene begrenzt. Insofern werde die mit der Verdoppelung der bestehenden Mautsätze angedachte Lenkungswirkung zu diesem frühen Einführungszeitpunkt deutlich verfehlt. Huster kritisierte zudem die „einseitige technologische Festlegung auf batterieelektrische und brennstoffzellenelektrische Antriebe sowie Wasserstoffmotoren“. Der Einsatz fortschrittlicher biogener Kraftstoffe (HV100, Bio-LNG und Bio-CNG) und E-Fuels in Verbrennungsmotoren, der schnell und ohne technischen Umrüstaufwand CO2-Reduktionserfolge um bis zu 90 Prozent im Straßengüterverkehr realisieren könne, bleibe indes unberücksichtigt. Kim Kohlmeyer von Transport & Environment Deutschland sieht den Einsatz solcher sogenannter „erneuerbaren Kraftstoffe“ als nicht mit den EU-Recht vereinbar an. Von ihrem Einsatz sei aber auch aus anderen Gründen dringend abzuraten. Erneuerbare Kraftstoffe, einschließlich fortschrittlicher Biokraftstoffe und strombasierter Kraftstoffe, würden auf absehbare Zeit knapp und teuer bleiben „und aufgrund von Nachhaltigkeitsaspekten nicht zur Verringerung der Emissionen beitragen“. Gleichzeitig würde eine Einbeziehung aus Sicht Kohlmeyers ihre dringend benötigte Verfügbarkeit für Sektoren wie die Schifffahrt, den Luftverkehr und die chemische Industrie erheblich beschränken. „Da, wo es möglich ist, muss elektrifiziert werden“, sagte sie. Auch was die Verfügbarkeit von E-Lkw angeht, vertrat Kohlmeyer eine andere Ansicht als die Verbandsvertreter aus der Speditions- und Logistikbranche. Die europäischen Lkw-Hersteller, darunter Daimler, MAN, Scania und Volvo, konzentrierten sich darauf, Elektro-Lkw für alle Fahrzeugsegmente und ab 2024 insbesondere auch für den Fernverkehr auf den Massenmarkt zu bringen, sagte sie. Rund 30 emissionsfreie Lkw-Modelle sei bereits angekündigt, die bis 2025 in die Massenproduktion für den europäischen Markt gehen sollen. Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene Prof. Matthias Knauff vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Friedrich-Schiller-Universität Jena bezweifelte hingegen, ob die mit dem Gesetz verfolgte Anreizwirkung kurzfristig erreicht werden kann. Eine Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene setze entsprechende Transportkapazitäten, der Einsatz emissionsfreier und damit klimafreundlicher Lkw deren Marktverfügbarkeit voraus. „Beides ist derzeit nur sehr eingeschränkt gegeben, so dass die klimapolitisch gewünschte Vermeidung höherer Mautkosten zumindest in naher Zukunft auf tatsächliche Grenzen stößt“, so Knauff. Damit erweise sich die Einführung einer CO2-Komponente zum aktuellen Zeitpunkt als „bloße Verteuerung des Gütertransports auf der Straße ohne Klimaschutzwirkungen“. Dies gelte umso mehr, als deren vorgesehene Höhe „erheblich und nicht europarechtlich bedingt ist“. NEE-Vertreter Peter Westenberger sieht die Güterbahnen sehr wohl in der Lage, mehr Güterverkehr abzuwickeln. „Wir haben Verlagerungspotenzial“, sagte Westenberger. Schon in den vergangenen Jahren sei der Schienengüterverkehr prozentual stärker gewachsen als der Straßengüterverkehr. Seit 2010 habe es ein Wachstum von 29 Prozent gegeben, „obwohl immer gesagt wurde, die Eisenbahn kann gar nicht mehr fahren“. Westenberger sagte weiter, ein Marktanteil von 35 Prozent bis 2030 sei möglich. Heute liege der Marktanteil bei 20 Prozent. Eine solche Steigerung würde sich auch auf den Autobahnen in Form eines geringeren Anteils von Lkw bemerkbar machen, sagte er. Der limitierende Faktor für mehr und schnelleren Schienengüterverkehr sei die Infrastruktur. Daher müsse die dies betreffende Finanzierung deutlich verbessert werden. Der Vorsitzende der Geschäftsführung des mit der Mauterhebung beauftragten Unternehmens Toll Collect, Gerhard Schulz, äußerte sich auf Nachfrage zur Möglichkeit, auch für Fahrzeuge ab 2,5 Tonnen Maut zu erheben. Die wesentliche Herausforderung für die Ausweitung sei die Beschaffung und Bereitstellung der On-Board-Units, der Lesegeräte. Mehr als eine Million solcher Geräte würden benötigt, sagte Schulz. Nach Einschätzung von Toll Collect sei die Ausweitung der Maut auf Fahrzeuge ab 2,5 Tonnen innerhalb von 24 Monaten „technisch und fachlich möglich“. Gesetzentwurf der Bundesregierung Die Lkw-Maut soll der Vorlage zufolge ab 1. Dezember 2023 um eine CO2-Komponente erweitert werden. Ab 1. Juli sollen dann auch Lkw mit über 3,5 bis 7,5 Tonnen technisch zulässiger Gesamtmasse die Maut entrichten müssen. Die Bundesregierung geht dem Entwurf zufolge von Maut-Mehreinnahmen durch die Einführung der Kohlenstoffdioxid-Differenzierung (nur Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen berücksichtigt) von 26,61 Milliarden Euro für die Jahre 2024 bis 2027 aus. Die erwarteten Mehreinnahmen durch die Mautausdehnung auf Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen technisch zulässige Gesamtmasse belaufen sich den Angaben zufolge auf vier Milliarden Euro für den besagten Zeitraum. 1,83 Milliarden Euro davon entfielen auf die CO2-Differenzierung, heißt es. Die zusätzlichen Einnahmen sollen laut Entwurf nicht nur für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur bei Bundesfernstraßen zur Verfügung stehen, sondern auch im Rahmen der gesetzlichen Regelung für Maßnahmen aus dem Bereich Mobilität. (hau/25.09.2023)

Gewerkschaften bewerten Plan zu FIU-Reform unterschiedlich

Mo, 25.09.2023 - 14:00
Meinungsverschiedenheit unter Gewerkschaften: Als Sachverständige eingeladene Gewerkschaftsvertreter haben in einer Anhörung des Finanzausschusses am Montag, 25. September 2023, einen wesentlichen Punkt in einem Gesetzentwurf der Ampel-Koalition gegensätzlich beurteilt. Dabei ging es um die Reform der Arbeitsweise der Financial Intelligence Unit (FIU), einer Bundesbehörde, und deren Rolle im Kampf gegen Geldwäsche, Terrorfinanzierung und andere Finanzdelikte. Die Bundesregierung hat dazu den „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der risikobasierten Arbeitsweise der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen“ (20/8294) eingebracht. Risikobasierte Arbeitsweise umstritten Eben diese risikobasierte Arbeitsweise erwies sich in der Anhörung als hochumstritten zwischen der BDZ Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft einerseits und der Gewerkschaft der Polizei - Bezirksgruppe Zoll andererseits. Diese hatte auch den Bund Deutscher Kriminalbeamter vorgeschlagen, der sich einig zeigte in der Ablehnung eines risikobasierten Arbeitens mit der Gewerkschaft der Polizei. „Den risikobasierten Ansatz halten wir für angebracht“, erklärte Thomas Liebel, Bundesvorsitzender der Zoll- und Finanzgewerkschaft. Er verwies darauf, dass nahezu alle FIUs nach diesem Ansatz arbeiteten. Angesichts der enormen Zahl von Geldwäschemeldungen von Banken und anderen Instituten, den sogenannten Verpflichteten, sei das Arbeitsaufkommen ohne automatisierte Prozesse nicht „zu wuppen“, erklärte er. Liebel verwies auf die allgemeine Zolltätigkeit, die ebenfalls risikobasiert arbeite. Nicht jeder Container, der nach Deutschland eingeführt werde, könne kontrolliert werden, sagte er. Dagegen warnte Frank Buckenhöfer von der Gewerkschaft der Polizei, dass der risikobasierte Ansatz dazu führen könne, dass bestimmte Delikte nicht mehr Berücksichtigung finden könnten. „Risikobasierter Ansatz ist die Befugnis, Schwerpunkte zu setzen“, sagte Buckenhöfer im Lauf der Anhörung. Die FIU sei dafür nicht geeignet. Dirk Peglow, Bundesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, erklärte ergänzend, dass der in internationalen Empfehlungen aufgeführte risikobasierte Ansatz nicht für die FIU gelte, sondern für die Verpflichteten. „Jede eingehende Meldung ist von der FIU zwingend zu analysieren“, sagte er. Weitere Pro- und Contra-Argumente Joachim Kaetzler von der Anwaltskanzlei CMS Hasche Sigle äußerte sich ebenfalls kritisch zur Idee eines risikobasierten Ansatzes. Bereits in seiner schriftlichen Stellungnahme hatte er geschrieben: „Gegen die Anwendung des risikobasierten Ansatzes auf sämtliche Tätigkeiten der FIU bestehen staatsorganisatorische beziehungsweise rechtsstaatliche Bedenken.“ Die Bundesnotarkammer zeigte sich hingegen als Befürworterin des risikobasierten Ansatzes und verwies darauf, dass auch Notare als Verpflichtete so handelten. Meldungen von diesen stünden dabei für 80 Prozent aller Meldungen außerhalb des Finanzsektors. Wenn Notare Verträge beurkundeten, bei denen beispielsweise syrische Staatsangehörige beteiligt seien, also Angehörige eines Risikostaates, dann würde dies anders bewertet als „ein traditioneller Waldkauf“, erklärte der Vertreter der Bundesnotarkammer. Risikobasiert bedeute, dort tätig zu werden, wo es sinnvoll sei. Silvia Frömbgen vom Banken-Dachverband Deutsche Kreditwirtschaft (DK) verwies auf Änderungen in der Gesetzgebung und Rechtsprechung, die dazu geführt hätten, dass Institute lieber öfter eine Meldung abgäben als ein Mal zu wenig, nach dem Prinzip „melden macht frei“. Wie das in den Niederlanden funktioniert, erläuterte Hennie Verbeek-Kusters. Sie leitet die dortige FIU und war auf Vorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen geladen. Im Ausschuss erklärte sie, dass die FIU der Niederlande „eigentlich immer risikobasiert gearbeitet“ habe. Nötig sei ein System, mit dessen Hilfe schnell neue Risiken aufgespürt werden könnten. „Es gibt kaum nationale schwere Kriminalität“, sagte Verbeek-Kuster. 80 Prozent der Geldwäschefälle in den Niederlanden hätten einen internationalen Bezug. Der Sachverständige Dennis-Kenji Kipker von der Hochschule Bremen, kritisierte mangelnden Datenschutz und sagte zum Gesetzentwurf: „Der Entwurf bleibt hinter verfassungsrechtlichen Vorgaben zurück.“ Mangelnden Datenschutz sieht auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Zwar hatte er in seiner schriftlichen Stellungnahme durchaus lobende Worte gefunden: „Die Fokussierung der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) auf schwere Straftaten im Zusammenhang mit Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ist ein wichtiges gesetzgeberisches Ziel, das ich ausdrücklich unterstütze.“ Jedoch findet sich dort auch Kritik. So sei die Rechtsgrundlage für den risikobasierten Ansatz zu pauschal. Positiv bewerten die Datenschützer grundsätzlich ein parlamentarisches Kontrollgremium für die FIU. Gesetzentwurf der Bundesregierung Mit dem Gesetzentwurf will die Bundesregierung den Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung fokussierter ausrichten. Vor allem stehe die Analyse von Meldungen mit Bezug zu sonstigen Straftaten dem Kernauftrag der Zentralstelle entgegen, begründet die Bundesregierung ihre Vorlage. Weiter schreibt sie: „Die Anzahl der bei der Zentralstelle eingegangenen Meldungen hat sich seit der Neueinrichtung der Zentralstelle im Jahr 2017 um ein Vielfaches gesteigert. Unter diesen Herausforderungen kann die Zentralstelle ihrem gesetzlichen Auftrag nur gerecht werden, indem sie ihre Prozesse konsequent auf die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ausrichtet und entsprechend internationalen und europäischen Empfehlungen risikobasiert ausgestaltet. Das im Jahr 2022 erneut erheblich gestiegene Meldeaufkommen macht es erforderlich, den gesetzlichen Kernauftrag der Zentralstelle klarer auszugestalten und die risikobasierte Arbeitsweise für sie klarzustellen.“ (bal/25.09.2023)

Ausbildungsvergütung für Pflege-Studenten soll verbessert werden

Fr, 22.09.2023 - 15:00
Pflege-Studenten sollen künftig eine der beruflichen Ausbildung entsprechende Ausbildungsvergütung erhalten. Das möchte die Bundesregierung mit ihrem Gesetzentwurf (20/8105) „zur Stärkung der hochschulischen Pflegeausbildung, zu Erleichterungen bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse in der Pflege und zur Änderung weiterer Vorschriften“ erreichen, der am Freitag, 22. September 2023, durch das Parlament beraten wird. Im Anschluss an die 40-minütiger Debatte ist die Überweisung der Vorlage an die Ausschüsse vorgesehen. Bei den weiteren Beratungen soll der Gesundheitsausschuss die Federführung übernehmen. Gesetzentwurf der Bundesregierung „Mangels einer auskömmlichen Finanzierung des praktischen Teils der hochschulischen Pflegeausbildung kann das vorhandene Potential an Pflegestudierenden derzeit nicht umfassend genutzt werden“, schreibt die Bundesregierung in dem Entwurf und verweist auf die sehr geringe Akademiker-Quote in der Pflegeausbildung in Deutschland. Das langfristige Ziel sei, den Anteil wie vom Wissenschaftsrat empfohlen auf zehn Prozent zu erhöhen. Das Pflegestudium soll künftig als duales Studium ausgestaltet werden. Das bedeutet, dass Studenten, die eine hochschulische Pflegeausbildung beginnen, mit einem Träger des praktischen Teils der Ausbildung einen Ausbildungsvertrag abschließen. Dieser erhält dafür eine Finanzierung aus einem Ausgleichsfonds. Pflegestudium als "attraktive Alternative" Die Bundesregierung schreibt: „Damit wird sichergestellt, dass das Pflegestudium neben der beruflichen Ausbildung eine attraktive Alternative darstellt und mehr Menschen mit Hochschulzugangsberichtigung dazu bewegt werden, sich für ein Pflegestudium zu entscheiden. Eine moderne hochschulische Ausbildung in der Pflege mit einer gesicherten Finanzierungsgrundlage ist auch angesichts des akuten Fachkräftemangels in der Pflege ein wichtiger Baustein, damit sich mehr (junge) Menschen für einen Pflegeberuf entscheiden.“ Ferner will die Bundesregierung das Anerkennungsverfahren für Fachkräfte aus dem Ausland vereinheitlichen und vereinfachen. Unter anderem soll ein Verzicht auf eine umfassende Gleichwertigkeitsprüfung zugunsten einer Kenntnisprüfung oder eines Anpassungslehrgangs möglich werden. „Dies entlastet antragstellende Personen wie auch die zuständigen Stellen der Länder gleichermaßen“, erklärt die Bundesregierung. (bal/hau/11.09.2023)

Antrag fordert Schutz von Menschen und Weidetieren

Fr, 22.09.2023 - 14:00
Die CDU/CSU-Fraktion fordert in einem Antrag die Bejagung von Wölfen. Die Vorlage mit dem Titel „Menschen und Weidetiere schützen – Raubtiere bejagen“ (20/8405) steht am Freitag, 22. September 2023, auf der Tagesordnung des Bundestages. Ob der Antrag im Anschluss an die knapp 70-minütige Debatte sofort abgestimmt oder an die Ausschüsse überwiesen wird, ist derzeit noch unklar. Antrag der Union In dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, „umgehend dafür zu sorgen“, dass Landesbehörden neben der Jagd auf Problemwölfe die Jagd auf „eine spezifizierte Anzahl von Wölfen zur Kontrolle der Bestände anlasslos und schadensunabhängig mit sofortiger Wirkung erlauben dürfen“. Dazu solle eine Änderung des Jagdrechtes vorgelegt werden, „um eine unbürokratische Bejagung des Wolfes im Rahmen eines aktiven Bestandsmanagements unverzüglich zu ermöglichen“. Aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion müsse die Bundesregierung die ablehnende Haltung zur Lockerung des Schutzstatus des Wolfes aufgeben und sich für eine Regeländerung einsetzen. Zudem soll das Angebot von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angenommen werden, der EU-Kommission die tatsächlichen und aktuellen Bestandszahlen der Wolfspopulationszahlen zu übermitteln, damit die Voraussetzung für eine Bewertung des aktuellen Erhaltungszustandes möglich werde. Die Unionsfraktion ist sich einig, dass es für Deutschland ein länderübergreifendes Wolfsmonitoring nach dem Vorbild der Vereinbarung von Bayern mit Tirol, Südtirol, Vorarlberg und dem Trentino geben müsse. (nki/21.09.2023)

Erste Beratung zur Novelle des Bundes-Klimaschutz­gesetzes

Fr, 22.09.2023 - 13:30
Der Bundestag hat am Freitag, 22. September 2023, in erster Lesung über die Klimaschutzpolitik beraten. Die von der Bundesregierung geplante Novellierung des Bundes-Klimaschutzgesetzes (20/8290) sowie ein Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Freiheit statt Ideologie – Aufkündigung aller internationalen Klimavereinbarungen“ (20/8417) wurden im Anschluss der Aussprache an die Ausschüsse überwiesen. Bei den weiteren Beratungen übernimmt jeweils der Ausschuss für Klimaschutz und Energie die Federführung. Gesetzentwurf der Bundesregierung Ziel der Novelle ist es laut Regierung, den Klimaschutz vorausschauender und effektiver zu machen. Daher solle künftig eine zukunftsgewandte, mehrjährige und sektorübergreifende Gesamtrechnung ausschlaggebend für weitere Maßnahmen sein. Statt wie bislang vergangene Zielverfehlungen in den Blick zu nehmen soll mit dem nun verstärkten Fokus auf zukünftige Emissionen besser als bisher überprüft werden können, ob Deutschland auf dem richtigen Weg ist – oder ob Maßnahmen nachgeschärft werden müssen. Diese Umstellung habe auch der Expertenrat für Klimafragen empfohlen. Anders als bisher soll den Angaben zufolge künftig im Mittelpunkt stehen, ob der Treibhausgasausstoß insgesamt reduziert wird, unabhängig davon, in welchem Bereich die Treibhausgase entstehen. Indem die Emissionen insbesondere dort gemindert werden, wo die größten Einsparpotentiale vorhanden sind, könnten die Klimaziele sozial gerecht und volkswirtschaftlich effizient erreicht werden. Damit werde die Gesamtverantwortung der Bundesregierung insgesamt und die Flexibilität zwischen den Sektoren gestärkt. Antrag der AfD Für die AfD gilt: „Klimaschutz ist ein politischer Kampfbegriff, das Klima lässt sich nicht 'schützen', der menschliche Einfluss auf das Klima ist umstritten.“ So steht es im Antrag der Fraktion. Darin fordern die Abgeordneten der AfD die Bundesregierung auf, alle internationalen Abkommen und. Vereinbarungen, aus denen sich für die Bundesrepublik Deutschland Verpflichtungen mit Bezug auf den „Klimaschutz“ oder die Reduzierung von CO2-Emissionen ergeben, schnellstmöglich und ersatzlos zu beenden und keine zukünftigen Verpflichtungen mehr hierzu einzugehen. Alle Ausgaben im Bundeshaushalt mit Bezug zum Klimaschutz, mit besonderem Blick auf die hierfür an das Ausland getätigten Zahlungen, sowie alle direkten (Bundeshaushalt) oder indirekten (über staatliche oder halbstaatliche Zwischenorganisationen) Zahlungen an Nichtregierungsorganisationen, die einen Bezug zu Klima- und/oder Umweltschutz haben, vertragskonform, unverzüglich und ersatzlos gestrichen werden. Stattdessen seien Maßnahmen zu treffen, sich an den allgemeinen Klimawandel anzupassen, welcher von natürlichen Faktoren dominiert werde, denn solche Maßnahmen seien „nicht nur erheblich wirksamer – ergo zielführender – sondern auch mit substanziell weniger Aufwand verbunden.“ (mis/hau/22.09.2023)

Antrag zur Einsatz­bereitschaft der Bundes­wehr beraten

Fr, 22.09.2023 - 12:45
Nach dem Willen der AfD soll der Bericht über die „Einsatzbereitschaft der Streitkräfte“ deutlich erweitert werden. Ein entsprechender Antrag der Fraktion (20/8418) wurde am Freitag, 22. September 2023, durch das Parlament erstmals beraten und im Anschluss an die Debatte an den Verteidigungsausschuss überwiesen. Antrag der AfD In ihrem Antrag fordert die AfD-Fraktion die Bundesregierung auf, die Kategorien „Munitionsverfügbarkeit- und Reserven“, „personelle Einsatzbereitschaft“, „Grad der Vollausstattung“, „Aufwuchsfähigkeit“, „Produktionskapazitäten der Rüstungsindustrie“. „Tagesdienststärke“, „Fähigkeitslücken“ sowie „Einsatzbereitschaft aller Hauptwaffensysteme“ für alle Truppenteile der Streitkräfte in den Bericht aufzunehmen. Die territoriale Integrität und die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland würden im Spannungsfall nur durch eine einsatzbereite Bundeswehr garantiert, die in der Lage sei, ihren Auftrag zur Landesverteidigung im Verbund mit verbündeten Streitkräften zu erfüllen, heißt es im Antrag. Es sei die Aufgabe der Bundesregierung und des Parlaments, die bestmöglichen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Dies sei aber nur möglich, wenn die Datenlage zur Verfasstheit der Bundeswehr möglichst ausführlich ist und daraus die richtigen Schlüsse gezogen werden. (aw/22.09.2023)

Beratung über Anträge zu Anpassungen im Sozialgesetzbuch

Fr, 22.09.2023 - 11:45
Der Bundestag hat am Freitag, 22. September 2023, in erster Lesung einen Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Anpassung des Zwölften und des Vierzehnten Buches Sozialgesetzbuch und weiterer Gesetze“ (20/8344) beraten, die sich aus Änderungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) durch das Bürgergeldgesetz vom 16. Dezember 2022 ergibt. Die Initiative wurde gemeinsam mit einem Antrag der AfD mit dem Titel „Lebensleistung anerkennen – Vermögensfreibetrag bei Sozialhilfe und Bürgergeld angleichen“ (20/6275) und einem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel "Schlechterstellung von Menschen in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beenden" im Parlament debattiert. Alle drei Vorlagen wurden im Anschluss der Aussprache an den Ausschuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung überwiesen. Gesetzentwurf der Bundesregierung Infolge der Änderungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) durch das Bürgergeldgesetz vom 16. Dezember 2022 seien Anpassungen in anderen Gesetzen notwendig, damit sich alle Regelungen widerspruchslos in die bestehende Rechtsordnung einfügen und Wertungswidersprüche vermieden werden, schreibt die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf. Daneben seien Änderungen in bereits verkündeten Gesetzen erforderlich, da einige noch nicht in Kraft getretene Regelungen aufgrund aktueller Gesetzesvorhaben angepasst werden müssten. Unter anderem wurden im Rahmen des Bürgergeldgesetzes den Angaben zufolge nicht alle Änderungen des SGB II bei der Berücksichtigung von Einkommen auf das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) übertragen. Die unterbliebenen Angleichungen bei der Berücksichtigung von Einkommen an Änderungen im SGB II sollen nun im SGB XII nachgeholt werden. Zugleich ist vorgesehen, die Änderungen des SGB XII bei der Berücksichtigung von Einkommen „aus Gründen des Gleichlaufs“ im Bundesversorgungsgesetz nachzuvollziehen und unter anderem die ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt unpfändbar zu stellen. Von den angestrebten Änderungen betroffen sind neben dem Zwölften und Vierzehnten auch das Zweite, Dritte, Sechse, Neunte und Elfte Buch Sozialgesetzbuch. Weitere Anpassungen sollen dem Gesetzentwurf zufolge unter anderem im Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts, dem Wohngeldgesetz und dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erfolgen. Antrag der AfD Die AfD-Fraktion fordert in ihrem Antrag, die unterschiedlichen Freibetragsregelungen zum Schonvermögen beim Bürgergeld und bei der Sozialhilfe anzugleichen. Bei Sozialhilfeempfängern, die eine deutsche Staatsbürgerschaft hätten oder seit mindestens zehn Jahren in der Bundesrepublik lebten, solle der Vermögensschonbetrag künftig 15.000 statt wie bisher 10.000 Euro betragen. Bei allen anderen Sozialhilfeempfänger soll laut Antrag der Freibetrag von 10.000 Euro auf 5.000 sinken. Antrag der Linksfraktion Die Fraktion Die Linke fordert in einem Antrag (20/7642), die Schlechterstellung von Menschen in der Sozialhilfe bei der Anrechnung von Einkommen und Vermögen zu beenden. Es sei für die Betroffenen nicht nachvollziehbar, weshalb Sozialhilfeempfänger nach SGB XII (erwerbsunfähige Menschen) und Bürgergeldempfänger nach SGB II (erwerbsfähige Menschen) unterschiedlich behandelt werden würden, heißt es in dem Antrag. Konkret fordern die Abgeordneten, dass beispielsweise auch für Sozialhilfeempfänger „der Schutz von selbstgenutztem und angemessenem Wohneigentum“ sowie ein Vermögensschonbetrag von 15.000 Euro gelten sollten. (des/sto/22.09.2023)

Dissens über geforderten "Deutschland-Pakt in der Migrations­politik"

Fr, 22.09.2023 - 10:20
Die CDU/CSU-Fraktion dringt auf einen Kurswechsel in der deutschen Migrationspolitik. In einem Antrag (20/8404), über den der Bundestag am Freitag, 22. September 2023, erstmals debattiert hat, fordert sie die Bundesregierung zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur spürbaren Reduzierung der irregulären Migration auf. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) betonte in der Debatte, dass man auf allen Ebenen gefordert sei, irreguläre Migration einzuschränken. Dabei liefere die Regierungskoalition "echte, substanzielle Lösungen", während die Union nur darüber rede. „Wir steuern und ordnen Migration“, sagte die Ministerin. Antrag der Union In ihrem Antrag fordert die Union, die Liste der asylrechtlich sicheren Herkunftsstaaten um Georgien, Moldau, Indien sowie um Tunesien, Marokko und Algerien zu erweitern, um Asylverfahren beschleunigt durchzuführen. Auch soll die Bundesregierung dem Antrag zufolge an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz stationäre Grenzkontrollen mit ergänzender flexibler Schleierfahndung etablieren. Zugleich fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, alle Bundesaufnahmeprogramme einzustellen. Auch das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan sei „umgehend einzustellen, soweit es über die Aufnahme von Ortskräften hinausgeht, die in Afghanistan für Deutschland tätig waren und denen dort deshalb Verfolgung oder Repressionen drohen“, heißt es in dem Antrag weiter. Danach soll die Bundesregierung in der Migrationspolitik zudem „Pull-Faktoren“ vermeiden, „die Anreize für irreguläre – und oft lebensgefährliche – Migrationswege setzen“. Verkürzte Einbürgerungsfristen seien ebenso abzulehnen wie Spurwechsel aus der irregulären in die reguläre Migration. „Immer weiter ausufernde Bleiberechte für ausreisepflichtige Personen“ sollen dem Antrag zufolge vermieden und der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten nicht ausgeweitet werden. Ferner plädiert die Union dafür, Sachleistungen vorrangig zu Geldleistungen zu gewähren. Vereinbarungen über Rücknahme von Staatsangehörigen Daneben fordert sie die Bundesregierung auf, mit den relevanten Herkunftsstaaten wirksame Vereinbarungen über die Rücknahme ihrer Staatsangehörigen abzuschließen, um Ausreisepflichten besser durchsetzen zu können. Des Weiteren macht sie sich für intensivere Anstrengungen von Bund und Ländern zur freiwilligen Rückkehr und zu Rückführungen stark und spricht sich dafür aus, dass Abschiebungshaft unabhängig von Asylanträgen möglich sein soll. Darüber hinaus sollen nach dem Willen der CDU/CSU unter anderem Anreize für eine Sekundärmigration nach Deutschland durch eine Annäherung der Sozialstandards in der EU für Asylbewerber und Schutzberechtigte gesenkt werden. Auch werde eine Klarstellung im europäischen Recht gebraucht, „dass Sozialleistungen – auch nach Abschluss des Asylverfahrens – nur im zuständigen Mitgliedstaat bezogen werden können“. Ministerin: Es gibt keine einfachen Lösungen Faeser warnte in der Aussprache mit Blick auf Forderungen aus der Union nach einer Obergrenze bei den Migrationszahlen davor, "einfache Lösungen zu präsentieren, obwohl es die nicht gibt". Zugleich verwies sie darauf, dass sie die Bundespolizei an den Grenzen insbesondere zu Polen und Tschechien mit mehreren Hundertschaften verstärkt habe, die dort erfolgreiche Schleierfahndung machten. Auch habe sie Sofortmaßnahmen zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität auf den Weg gebracht. Zudem werde die vom Bundeskabinett beschlossene Einstufung von Georgien und Moldau als sichere Herkunftsländer für eine deutliche Entlastung sorgen. Die Koalition schütze das individuelle Grundrecht auf Asyl auch vor Missbrauch und habe einen "klaren Kurs in der Migrationspolitik: Fachkräfte gewinnen, Humanität leben, irreguläre Migration beenden". Union: Politik der Ampel befördert illegale Migration Alexander Dobrindt (CDU/CSU) nannte die "Migrationskrise" die "größte aktuelle Herausforderung der Zeit" und warnte, dass sich das Thema ohne eine Lösung zu einem "gesellschaftlichen Großkonflikt" entwickeln könne. Er hielt zugleich Faeser und der Ampelkoalition vor, die „Pull-Faktoren“ ausgeweitet zu haben und mit ihrer Politik die illegale Migration zu befördern. Die Einstufung weiterer Länder als sichere Herkunftsstaaten werde von den Grünen im Bundesrat blockiert. "Lösen Sie sich endlich vom grünen Gängelband und machen Sie einen Deutschland-Pakt, der mit uns möglich ist, um die illegale Migration zu begrenzen", fügte er an die Adresse der Ministerin hinzu. AfD: Union übernimmt AfD-Positionen Dr. Bernd Baumann (AfD) sagte, die Union mache mit ihrem Antrag "eine Wende um 180 Grad" und übernehme dabei alle Positionen der AfD bis ins Detail. So habe die AfD schon mehrfach Sach- statt Geldleistungen für Migranten gefordert, ebenso wie eine Begrenzung des Familiennachzugs oder Kontrollen an den Binnengrenzen. Wegen dieser Position sei seine Partei als rechtsradikal beschimpft worden, und heute fordere die Union selbst diese Maßnahmen. Dabei sei der "einzige Grund für den öffentlich inszenierten Richtungswechsel der CDU" der Erfolg der AfD. Grüne: Asylverfahren müssen schneller werden Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, dass die Kommunen angesichts der "extrem hohen Belastungen" bei der Unterbringung der Flüchtlinge genügend Geld brauchten, um die notwendigen Strukturen vor- und aufrechthalten zu können. Auch müsse dafür gesorgt werden, dass die Asylverfahren schneller werden und für viele Flüchtlinge ihr Status geklärt wird. Zugleich müsse man klarmachen, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei. "Wir sind ein Land von Migration; wir sind ein Land, in dem das individuelle Recht auf Asyl gilt", sagte Göring-Eckardt. Linke: Katalog setzt nur auf Abschottung und Entrechtung Clara Bünger (Die Linke) kritisierte, der Forderungskatalog der Union enthalte keine substanziellen Lösungen, sondern setze nur "auf Abschottung und Entrechtung". So wolle sie vermeintliche Anreize für Geflüchtete vermeiden und Sozialstandards absenken. Dabei gebe es keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass Anreize der Grund dafür seien, dass sich Menschen auf den gefährlichen Weg der Flucht machen. "Menschen fliehen, weil Kriege und repressive Regime sie dazu zwingen und ihnen keine Wahl lassen – nicht, weil es in Deutschland so tolle Sozialleistungen gibt", betont Bünger. FDP: Hauptlast tragen die Kommunen Konstantin Kuhle (FDP) attestierte den Kommunen, die Hauptlast bei der Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge zu tragen. Jetzt erwarteten die Städte und Gemeinden eine wirksame Begrenzung der irregulären Migration. Dies müsse die Bundesregierung leisten. Schon im Mai habe die Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen, dass Georgien und Moldau als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden sollen. Mittlerweile sei September, doch die Einstufung habe immer noch nicht stattgefunden. (sto/22.09.2023)