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Bericht zur Europäischen Digitalen Souveränität

Mi, 12.11.2025 - 15:30
Der Ausschuss für Digitales und Staatsmodernisierung hat am Mittwoch, 12. November 2025, einen Tagesordnungspunkt in einer im Übrigen nichtöffentlichen Sitzung öffentlich beraten. Dabei ging es um einen Bericht der Bundesregierung zum deutsch-französischen Gipfel zur Europäischen Digitalen Souveränität am 18. November 2025. Der Ausschuss für Digitales und Staatsmodernisierung widmet sich den aktuellen netzpolitischen Themen einschließlich des Ausbaus der digitalen Infrastruktur. In dem 30-köpfigen Gremium sollen die verschiedenen Aspekte der Digitalisierung und Vernetzung fachübergreifend diskutiert und entscheidende Weichen für den digitalen Wandel, die Verwaltungsdigitalisierung und den Bürokratieabbau gestellt werden. (12.11.2025)

Bärbel Bas: Priorität für sichere Arbeitsplätze

Mi, 12.11.2025 - 15:30
Für die Bundesregierung haben sichere Arbeitsplätze Priorität. Das hat die Bundesministerin für Arbeit und Soziales Bärbel Bas (SPD) am Mittwoch, 12. November 2025, in der Befragung der Bundesregierung hervorgehoben. Aktuell stünden „Tausende Arbeitsplätze im Feuer“, in der Stahl-, in der Chemieindustrie, im Maschinenbau und in der Automobilbranche. Die Bundesregierung habe ein Investitionsprogramm von 500 Milliarden Euro auf den Weg gebracht für Investitionen, „die das Leben der Menschen vor Ort spürbar besser machen werden“. Wichtig sei, dass ausländische Fachkräfte schneller und einfacher auf den deutschen Arbeitsmarkt kommen können. Dafür habe die Regierung Eckpunkte für eine sogenannte Work-and-Stay-Agentur beschlossen, „denn wir brauchen diese Fachkräfte in den Forschungslaboren, aber genauso in den Krankenhäusern und in Pflegeheimen“. Tariftreue, Grundsicherung, Rentenreformen Die Bürgerinnen und Bürger erwarteten nicht nur einen konjunkturellen Aufschwung, so die Ministerin, sondern auch, dass es im Land gerecht zugeht. Wichtig sei dabei das im parlamentarischen Verfahren befindliche Tariftreuegesetz, damit Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden nach Tarif bezahlen, von öffentlichen Aufträgen profitieren. Ab Januar werde der Mindestlohn erhöht. Davon würden sechs Millionen Menschen profitieren, sagte Bas. Geplant sei auch eine Reform der Grundsicherung, die in die Ressortabstimmung innerhalb der Regierung gegangen sei. Vieles sei auch bei der Rente schon auf den Weg gebracht worden. Man werde den Kurs und den Zeitplan halten, damit die Rentenreformen im Januar 2026 in Kraft treten können. Bas kündigte zudem die Einsetzung einer Rentenkommission an, die ihre Arbeit Anfang 206 aufnehmen soll, um die Zukunft der Rente zu gestalten. Darüber hinaus müsse die Arbeits- und Sozialverwaltung bürgerfreundlicher und schneller werden. Dazu werde die Sozialstaatskommission Anfang 2026 ihre Vorschläge unterbreiten. Hubertz: Ernste Lage und ermutigende Signale Neben der Arbeits- und Sozialministerin stellte sich auch die Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen Verena Hubertz (SPD) den Fragen der Abgeordneten. Sie nannte die Lage im Baugewerbe „ernst“. Die Zahl der Baufertigstellungen werde wahrscheinlich in diesem Jahr noch einmal zurückgehen, auch eine Folge der letzten Krisenjahre. „Der Wohnungsbau stockt, und wir liegen deutlich unter dem, was wir eigentlich benötigen“, sagte Hubertz. Doch es gebe auch erste, ermutigende Signale. Vier Dinge sind aus ihrer Sicht notwendig: erstens müsse schneller gebaut und Bürokratie abgebaut werden. Mit dem im Oktober verabschiedeten Bau-Turbo würden die Verwaltung, die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft 2,5 Milliarden Euro einsparen. Der Bau-Turbo solle mit einem „Umsetzungslabor“ begleitet werden. Zweitens müsse der Bauprozess einfacher, die Baukosten müssten adressiert werden. Wichtig sei dabei der Gebäudetyp E wie „einfach, effizient, endlich wieder bezahlbar“. Drittens sei es erforderlich, durch die Digitalisierung effizienter zu werden. Und viertens werde man im Investitionshaushalt des Bauministeriums den sozialen Wohnungsbau stärken mit Rekordmitteln von 23.5 Milliarden Euro. Mit elf Milliarden Euro sei man im Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität dabei. Die Förderprogramme sollen nach den Worten der Ministerin einfacher gestaltet werden. Fachkräfteeinwanderung und Work-and-Stay-Agentur Die SPD-Abgeordnete Rasha Nasr wollte von der Arbeitsministerin wissen, welche Ziele mit der Work-and-Stay-Agentur im Zusammenhang mit der Fachkräfteeinwanderung verfolgt werden. Bärbel Bas nannte als Ziel, eine digitale Plattform aufzubauen, um Bereiche zu bündeln, Prozesse zu zentralisieren, sodass die Betroffenen nur einmal einen Antrag einreichen müssen und die Abwicklung beschleunigt wird. Bevor die Agentur tätig werden kann, werde eine Prozessanalyse benötigt. Dazu werde eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe eingesetzt. Erfolge werde man bereits in dieser Legislaturperiode sehen, so die Ministerin. Arbeitszeitreform und Zeiterfassung Anne Zerr (Die Linke) griff das Thema Arbeitszeitreform auf und fragte, ob die tägliche Höchstarbeitszeit abgeschafft werden soll. Der Sozialpartnerdialog dazu sei abgeschlossen, antwortete die Ministerin. Die Regierung habe vereinbart, Modelle finden zu wollen, wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf flexibilisiert werden kann. An Schutzvorschriften wolle man allerdings nicht herangehen. Auf Nachfrage Zerrs räumte Bas ein, dass ein Zehn- oder Zwölfstundentag nicht familienfreundlich sei. Sie wies aber auch darauf hin, dass tarifliche Vereinbarungen dazu schon jetzt möglich seien. Die CDU-Abgeordnete Sandra Carstensen fragte nach dem Zeitplan der Regierung bei der Flexibilisierung der Wochenarbeitszeit. Es würden nun die Vorschläge aus dem Sozialpartnerdialog ausgewertet. Umgesetzt werden müsse auch die digitale Zeiterfassung, die Unternehmen sollten Überstunden auch bezahlen. Zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie könne sie noch nichts sagen, so die Ministerin, vieles sei schon nach dem jetzigen Arbeitszeitgesetz möglich. Arbeitszeitverdichtung und Mindestlohn Die Arbeitszeitverdichtung in Schlachthöfen sprach Dr. Zoe Mayer (Bündnis 90/Die Grünen) an. Die Fleischindustrie sei schon in der vergangenen Wahlperiode unter die Lupe genommen worden, sagte Bas: „Wir beobachten das sehr genau.“ Kontrollen seien nach wie vor nötig. Der höhere Mindestlohn bedeute höhere Kosten für die Unternehmen, befand der AfD-Abgeordnete Adam Balten und fragte nach der Entlastung der Mittelschicht. Es sei richtig, dass es den Mindestlohn gibt, betonte Bärbel Bas. Sie wolle, dass die Menschen von ihrer Arbeit leben können. Mit guten Tarifverträgen müsste man keinen Mindestlohn haben. Die „arbeitende Mitte“ müsse bei Abgaben und Steuern entlastet werden. Mietwucher und sozialer Wohnungsbau An die Bauministerin richtete die Bauausschuss-Vorsitzende Caren Lay (Die Linke) die Frage nach der Bekämpfung von Mietwucher. Verena Hubertz räumte ein, dass es Probleme am Mietmarkt gebe: „Wir müssen an die Spielregeln ran.“ Sie begrüße die Gesetzgebungsvorschläge der Linken, habe aber auch andere Ansprüche an die Ausgestaltung: „Wir werden Antworten geben.“ Auf die Nachfrage Lays, ob die Absenkung illegaler Mieten, die wenige Großvermieter verlangen, nicht der bessere Weg wäre, antwortete Hubertz unter Verweis auf den sozialen Wohnungsbau: „Wir brauchen bezahlbare Zuhause.“ Kommunale Handlungsfähigkeit und Schrottimmobilien Kassem Taher Saleh und Sylvia Rietenberg (beide Bündnis 90/Die Grünen) fragten nach der Handlungsfähigkeit der Kommunen und der Anpassung des kommunalen Vorkaufsrechts. Die Kommunen müssten gestärkt werden, antwortete die Ministerin und verwies auf 100 Milliarden Euro, die sie aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität erhalten. Viele Kommunen seien überfordert: „Wir brauchen Handlungsfähigkeit vor Ort.“ Geplante Änderungen im Baugesetzbuch seien in der Ressortabstimmung. Henrik Bollmann (SPD) sprach in diesem Zusammenhang Schrottimmobilien in Ruhrgebiet-Städten an, die ganze Stadtteile herunterzögen. Hubertz teilte die Dringlichkeit, denn diese Immobilien hätten eine Ausstrahlungskraft auf die Nachbarschaft. Die Regierung wolle die Handlungsfähigkeit der Kommunen stärken, wo Verwahrlosung drohe. Ein Instrument sei die Städtebauförderung, die auf 1,6 Milliarden Euro verdoppelt werden. Wohnungsmarkt und Baugesetzbuch-Novelle Carolin Bachmann (AfD) fragte, ob die Rückführung von Geflüchteten nicht zu einer Entspannung am Wohnungsmarkt beitragen könnte. Hubertz antwortete, es müsse investiert werden, damit es auf den Baustellen vorangeht. Es gebe 800.000 genehmigte Bauprojekte, die nicht begonnen worden seien. „Wir spielen nicht Wohnungsprobleme auf dem Rücken von Menschen aus“, sagte sie. Nach der geplanten großen Novelle des Baugesetzbuches erkundigte sich der CSU-Abgeordnete Stephan Stracke. Der Bau-Turbo sei nur der erste Schritt gewesen, die große Novelle werde folgen, entgegnete die Ministerin. Sie forderte mehr Tempo und mehr Digitalisierung. Was den Gebäudetyp E angehe, so müsse die Baupraxis mit eingebunden werden: „Wir wollen Orientierung, aber auch Rechtssicherheit geben“, sagte Hubertz. (vom/12.11.2025)

Auswirkungen von Kurzzeitvermietungen auf Wohnungsmieten

Mi, 12.11.2025 - 15:00
Der Tourismusausschuss hat sich am Mittwoch, 12. November 2025, in einer öffentlichen Anhörung mit dem Thema „Plattformen der Ferienwohnungsökonomie und die Umsetzung der EU-Verordnung zur Kurzzeitvermietung 2024 / 2028“ befasst. Ob die Kurzzeitvermietung von Ferienwohnungen zu steigenden Mieten auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt führt, wird von Sachverständigen unterschiedlich beurteilt. Ellen Madeker, Airbnb Germany, erklärte, sie halte solche Angaben für übertrieben. Über Airbnb vermietete Unterkünfte würden nur einen sehr geringen Anteil des deutschen Wohnungsbestands ausmachen. Sie hätten keinen signifikanten Einfluss auf die Verfügbarkeit von Wohnraum im urbanen und ländlichen Raum in Deutschland. Der Wohnraummangel habe vor allem strukturelle Ursachen, sagte Madeker unter Bezug auf eine Untersuchung. Der Großteil der Gastgeber auf Airbnb in Deutschland teile gelegentlich das selbst bewohnte Zuhause. Auch Michelle Schwefel, Deutscher Ferienhausverband, erklärte in ihrer Stellungnahme, in Großstädten sei der geringe Anteil von Ferienwohnungen am Gesamtbestand ein Grund, warum selbst eine rigorose Regulierung der Kurzzeitvermietung kaum einen senkenden Effekt auf Mieten oder auf den verfügbaren Wohnraum habe. Wachsender Marktanteil der Branche Dagegen hatte Alex Chapman, New Economics Foundation, in seiner Stellungnahme von steigenden Mieten als Folge der zunehmenden Nutzung von Plattformen durch private Vermieter berichtet. Außerdem könnten einkommensschwache Einheimische gezwungen sein, die bei Touristen begehrten Wohnviertel zu verlassen. Chapman erklärte, Plattformen zur Vermittlung von Ferienwohnungen hätten den deutschen Markt bisher nur verhältnismäßig wenig durchdrungen. Nach Angaben der europäischen Statistikbehörde Eurostat hätten im Jahr 2024 die durch solche Plattformen vermittelten touristischen Übernachtungen zwölf Prozent (etwa 60 Millionen) aller touristischer Übernachtungen ausgemacht. Wesentlich höhere Marktanteile hätten solche Plattformen mit 26 Prozent in Frankreich und Polen, mit rund 20 Prozent in Spanien und Italien sowie 14 Prozent in Dänemark. Der Marktanteil der Branche wachse in Deutschland jedoch sehr schnell. 2018 habe er erst bei sieben Prozent gelegen. Digitale Plattformen wie Airbnb würden einen wichtigen Beitrag zur Entzerrung des Tourismus und zur wirtschaftlichen Entwicklung insbesondere in ländlichen Räumen und städtischen Randgebieten leisten, stellte Madeker fest. Eine Studie von Oxford Economics habe ergeben, dass rund 70 Prozent aller über Plattformen wie Airbnb vermittelte Übernachtungen im Jahr 2023 in Deutschland auf kleine bis mittelgroße Städte und ländliche Regionen entfallen seien. Reisende, die über Airbnb in Deutschland übernachten, würden rund 131 Euro pro Tag ausgeben. Etwa 27 Prozent der Ausgaben entfielen auf die Unterkunft selbst, rund 31 Prozent auf den Einzelhandel und lokale Dienstleistungen, etwa 23 Prozent auf gastronomische Betriebe sowie 18 Prozent auf Freizeit- und Transportangebote. Bedeutung der Kurzzeitvermietung Schwefel wies auf die hohe Bedeutung der Kurzzeitvermietung für den Deutschlandtourismus hin. Beinahe jede zweite touristische Übernachtung finde in einem Ferienhaus oder einer Ferienwohnung statt. Allerdings beklagte sie das Fehlen vollständiger und regelmäßige Erhebungen über Umfang und wirtschaftliche Bedeutung der Kurzzeitvermietung. Die amtliche Beherbergungsstatistik erfasse nur gewerbliche Anbieter mit mindestens zehn Betten. Bei der Umsetzung der EU-Kurzzeitvermietungsverordnung (EU-KV-VO) muss es laut Schwefel zu einem deutschlandweit einheitlichen Registrierungsverfahren kommen. Die Zuständigkeit liege zwar bei den Ländern, aber 16 unterschiedliche Systeme und Formate von Registrierungsnummern müssten vermieden werden. Madeker nannte die EU-Regulierung ausgewogen und sinnvoll, weil sie mehr Transparenz schaffe. Walter Palmetshofer, Open Knowledge Foundation, verwies darauf, dass die Plattformen erst die europäische Regulierung hervorgerufen hätten, weil sie die Daten nicht herausgegeben hätten. Er begrüßte, dass es jetzt eine EU-Regulierung geben werde. (hle/12.11.2025)

12. Sitzung des Ausschusses für Sport und Ehrenamt

Mi, 12.11.2025 - 14:30
Der Ausschuss für Sport und Ehrenamt ist am Mittwoch, 12. November 2025, zu einer öffentlichen Sitzung zusammengekommen. Unter anderem ging es um den Sachstand der Spitzensportreform. Die 14 Mitglieder des Ausschusses beschäftigen sich unter anderem mit Regelungen zur Bekämpfung von Doping und Manipulation im Sport sowie mit der gesellschaftlichen Bedeutung des Sports für andere Lebensbereiche wie Bildung, Gesundheit, Integration und Wirtschaft. Darüber hinaus befassen sie sich mit dem Ehrenamt in Deutschland. Bürgerinnen und Bürger hierzulande engagieren sich in großem Umfang freiwillig und unentgeltlich für gesellschaftliche Belange. (12.11.2025)

10. Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien

Mi, 12.11.2025 - 14:30
Der Ausschuss für Kultur und Medien hat sich am Mittwoch, 12. November 2025, in einem öffentlichen Fachgespräch mit dem Thema "Filmstandort Deutschland: Filmförderung, Kinoförderung, Filmerbe" befasst. Der Ausschuss für Kultur und Medien mit seinen 18 Mitgliedern ist auf der Bundesebene für den gesamten Themenkomplex zuständig. So kontrolliert er beispielsweise die kulturpolitische Förderpolitik der Bundesregierung, berät über die Zukunft der Deutschen Welle und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, entscheidet über die nationale Filmförderung mit oder diskutiert die Förderung geschichtlicher Lernorte von nationaler Bedeutung. (12.11.2025)

Experten diskutieren über Gefahren durch Desinformation

Mi, 12.11.2025 - 14:00
Experten warnen mehrheitlich vor anhaltender Einflussnahme und vor Desinformationskampagnen durch autoritäre Staaten. In einer Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe am Mittwoch, 12. November 2025, reichten die Empfehlungen von der stärkeren Förderung der Medienkompetenz bis hin zu Rufen nach mehr Regulierung, etwa durch eine enge Auslegung des Digital Service Act. An der Veranstaltung unter dem Titel „Desinformation durch autokratische Staaten mit dem Ziel der Schwächung von Demokratie und Bedrohung der Menschenrechte“ nahmen sechs Experten teil. Desinformation als Sicherheitsrisiko Die Journalistin Gesine Dornblüth bezeichnete russische Desinformation als „Sicherheitsrisiko“. „Sie sei ein zentraler Bestandteil des russischen hybriden Krieges gegen demokratische und offene Gesellschaften.“ Der Kreml weite die Desinformation weiter aus, für 2026 sehe der Haushalt die Rekordsumme von umgerechnet 1,5 Milliarden Euro für Propagandamedien vor. Inhaltlich gehe es vor allem darum, Stimmung gegen die Ukraine und ihre Unterstützer machen und Zweifel am Sinn der wegen des russischen Angriffskriegs gegen Russland verhängten Sanktionen zu streuen. Dornblüth sprach sich für eine Stärkung der Medienpädagogik in Schulen und in der Erwachsenenbildung aus. Wer wisse, wie russische Kampagnen funktionierten und wer mit ihnen rechne, sei weniger anfällig. Für Ferdinand Alexander Gehringer von der Konrad-Adenauer-Stiftung steht Russland bei Desinformationen „an vorderster Front und ist die größte Bedrohung für Deutschland“. Russische Kampagnen kombinierten „staatliche Medien, Geheimdienststrukturen, Troll-Netzwerke und KI-generierte Inhalte zu einem hochgradig vernetzten Ökosystem“. Dahinter stehe das Ziel, gesellschaftliche Spaltung zu vertiefen, das Vertrauen in demokratische Prozesse und Strukturen zu untergraben und die Handlungsfähigkeit der westlichen Staaten zu schwächen - nicht zuletzt bei der Unterstützung der Ukraine. Strategie der Informationsmanipulation In diese Kerbe schlug auch der Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje: Vertrauen solle durch solche Kampagnen systematisch zerstört werden. „Die Menschen sollen nicht mehr wissen, was wahr ist und was falsch ist, die gemeinsame Faktenbasis soll eliminiert werden“. Es handle sich bei „Desinformation um eine Strategie der Informationsmanipulation“. Wie weit diese Manipulation reichen, machte er am Beispiel von KI-Modellen deutlich, die von Russland strategisch gefüttert würden. „Im schlimmsten Fall kommt es zu der Situation, dass man eine KI befragt zur Überprüfung einer Information und die Antwort dieser KI ist eigentlich vom Urheber der Desinformation.“ Nötig sei mehr Medienbildung mit dem Ziel der „Informationskompetenz“. Es gehe vor allem darum, Quellen richtig einschätzen zu können. Stefan Liebich von der Rosa-Luxemburg-Stiftung machte auf das schleichende Sterben von Lokalzeitungen in Deutschland aufmerksam. Es müsse darum gehen, gemeinnützigen Journalismus zu unterstützen, entweder auf Spendenbasis, und wo das nicht funktioniere, auch vonseiten des Staates durch steuerliche Förderung. Mit Nachdruck machte sich Liebich für die Regulierung sozialer Netzwerke und gegen eine Verwässerung des Digital Service Act der EU stark. Wenn man sich anschaue, dass einige der reichsten Männer der Welt wie Elon Musk und Mark Zuckerberg die Plattformen „X“ beziehungsweise Facebook, Instagram und Whatsapp besitzen und zudem Unterstützer des US-Präsidenten Trump seien, „dann wird einem klar, was wir hier für ein Problem haben“. Perspektiven aus Ungarn und Taiwan Jan Mainka, Chefredakteur und Herausgeber der „Budapester Zeitung“, beklagte ein „eklatantes Auseinanderklaffen“ zwischen dem Ungarnbild deutscher „Mainstreammedien“ und der Wirklichkeit vor Ort. Es gebe eine ausgeprägte Meinungsfreiheit in Ungarn, Medien könnten frei berichten, es gebe keine staatlichen Eingriffe in den redaktionellen Alltag, es könne auch sehr hart kritisiert werden. Der Schlachtruf der ungarischen Opposition belege Premier Viktor Orban mit einer Schmähung, ohne dass dieser daraufhin klagen würde. Es gebe in Ungarn nicht den Straftatbestand der „Majestätsbeleidigung“. „Wenn man das machen würde wie hier in Deutschland, könnte man die komplette Opposition lahmlegen.“ Puma Shen, Abgeordneter im taiwanesischen Parlament für die Democratic Progessive Party, verwies in seiner schriftlichen Stellungnahme auf ein „asymmetrisches Dilemma“ für Demokratien. „Informationelle Autokratien“ wie China oder Russland stünden praktisch unbegrenzte, durch keine demokratische Kontrolle eingeschränkten Ressourcen und Kanäle für Kampagnen zur Verfügung. Autoritäre Kampagnen seien äußerst wirkmächtig und schwer zu bekämpfen. „Die Politik muss den Schwerpunkt auf die Zerschlagung der strukturellen Architektur der ausländischen Einflussnahme“, legen und zum anderen Medienkompetenz fördern. Bürgerinnen und Bürger sollten ermutigt werde, „Narrativen im Internet die Komplexität der echten Welt entgegenzusetzen und sich auf primäre und nuancierte Informationen zu konzentrieren“. (ahe/12.11.2025)

Ausstellung widmet sich Lebens­wegen jüdischer Kontingentflüchtlinge

Mi, 12.11.2025 - 12:14
Flucht, Identitätssuche und Neuanfang: Im Bundestag widmet sich eine Ausstellung den Lebenswegen jüdischer Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion in den 1990er-Jahren – und damit einem wenig bekannten Kapitel der deutschen Einwanderungsgeschichte. Eröffnet wurde die Schau am Dienstag, 11. November 2025, von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, die an die "Hoffnungen, Lebenswege und Schicksale" der Menschen erinnerte, die damals ihren Weg in die Bundesrepublik Deutschland fanden. Koffer, Erinnerungen, Verluste, Hoffnungen Nach dem Zerfall der Sowjetunion entschloss sich Deutschland 1991, Jüdinnen und Juden aus den Nachfolgestaaten im Rahmen des sogenannten Kontingentflüchtlingsverfahrens aufzunehmen. Grundlage war ein Bundestagsgesetz aus dem Jahr 1980: das „Gesetz über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge“. Es war ursprünglich für vietnamesische Bootsflüchtlinge gedacht, doch 1991 nutzte die Innenministerkonferenz es, um jüdischen Emigrantinnen und Emigranten einen sicheren Zufluchtsort zu bieten. Mehr als 200.000 Menschen kamen in den folgenden Jahren – mit Koffern, Erinnerungen, Verlusten, Hoffnungen. Sie kamen aus Leningrad, Kiew, Birobidschan und Taschkent und fanden sich oft in Plattenbauten am Stadtrand von Wuppertal, Leipzig oder Berlin wieder. Zu sehen bis 10. Dezember Die Ausstellung zeigt emotionale Gemälde, persönliche Gegenstände und künstlerische Installationen, darunter symbolträchtige Koffer aus der ehemaligen Sowjetunion, und eröffnet damit Einblicke in die Gedankenwelt der jüdischen Flüchtlinge. Historische Bilder und Videos ergänzen die Ausstellung. Zu sehen ist die Schau noch bis 10. Dezember 2025 in der Halle des Paul-Löbe-Hauses. Sie kann montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr besucht werden. Am Donnerstag, 20. November, und am Donnerstag, 4. Dezember, ist die Ausstellung von 9 bis 19 Uhr geöffnet. (12.11.2025)

Versorgungslage von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland

Mi, 12.11.2025 - 12:00
Der Gesundheitsausschuss hat sich am Mittwoch, 12. November 2025, in öffentlicher Sitzung mit dem Thema "Versorgungslage von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland" befasst. Die 38 Mitglieder des Gesundheitsausschusses arbeiten daran, das Gesundheitssystem zukunftssicher und effizient zu gestalten. Ziel ist es, die finanzielle Tragfähigkeit und wohnortnahe Versorgung zu sichern und zugleich die Arbeitsbedingungen sowie die Aus- und Weiterbildung in Medizin und Pflege nachhaltig zu stärken. (12.11.2025)

Sachverständige: Anschluss im Wettlauf um den Weltraum nicht verlieren

Mi, 12.11.2025 - 10:25
Anlässlich der ESA-Ministerratskonferenz am 26. und 27. November 2025 in Bremen hat am Mittwoch, 12. November 2025, im Ausschuss für Forschung, Technologie, Raumfahrt und Technikolgenabschätzung ein öffentliches Fachgespräch stattgefunden. Die Sachverständigen aus Raumfahrt und Industrie betonten, dass Deutschland und Europa im Wettlauf um den Weltraum nicht den Anschluss verlieren dürften. Mutige und ambitionierte Entscheidungen gefordert Vom EAC European Astronaut Centre waren der Astronaut Dr. Alexander Gerst und Prof. Dr. Daniel Neuenschander geladen. Laut Gerst wird die anstehende ESA-Ministerratskonferenz zukunftsweisend sein und entscheiden, „wie sich Deutschland mit Europa für die Ära Weltraumfahrt aufstellen will“. Er forderte „mutige und ambitionierte Entscheidungen“, um Deutschland und Europa auf einen eigenen Weg bei der Weltraumforschung zu bringen und dadurch ein attraktiver Partner für andere Nationen zu werden. Sein Kollege Daniel Neuenschander ergänzte die fünf strategischen Ziele, um die es bei der ESA-Ministerratskonferenz gehe: Das seien der Schutz des Planeten und des Klimas; das Ziel Erforschen und Entdecken; drittens die Stärkung der Autonomie und Resilienz; viertens Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit sowie fünftens die Inspiration zukünftiger Talente. "Entwicklung resilienter Systeme ist essenziell" Vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) war Dr. Anke Pagels-Kerp zum Fachgespräch zugeschaltet. Sie machte deutlich, welchen Einfluss die Raumfahrt auf das tägliche Leben hat. So würden beispielsweise Smartphones, Autos und Flugzeuge von Navigationssystemen wie Galileo oder GPS abhängen. Auch der Börsenhandel, Geldautomaten oder Umspannwerke würde das „hochgenaue Zeitsignal der Navigationssatelliten“ nutzen. Störungen von Satelliten hätten dementsprechende fatale Folgen. „Die Entwicklung resilienter Systeme“ ist daher laut Pagels-Kerp „essenziell für unsere Gesellschaft“. Auch Extremwetterergebnisse wie vor einigen Jahren im Ahrtal würden künftig zunehmen. Satelliten könnten helfen, diese zu prognostizieren und im Krisenfall die Rettungskräfte zu unterstützen. Sie sagte außerdem, dass allein die Finanzierung noch keine gute Forschung mache. Es sei daher besonders wichtig, dass Europa seine Technologiekompetenzen erhalte und Investitionen „von der Ausbildung bis hin zur Anwendung“ getätigt würden. "Enormes Wachstumspotenzial der Raumfahrt" Als Vertreterin aus der Industrie nahm Eva-Maria Aicher von der Hensoldt Sensors GmbH am Fachgespräch teil. Sie betonte, dass die Zulieferindustrie das „Rückgrat der Wertschöpfungskette sei“ – sowohl technologisch und wirtschaftlich als auch strategisch. Die deutsche Industrie erwarte bei der ESA-Ministerratskonferenz ein starkes Bekenntnis der deutschen Politik zur Raumfahrt. Es brauche eine nationale Raumfahrtstrategie, die die ESA-Tätigkeit unterstütze, sagte Aicher. Schließlich sei die Raumfahrt die „Grundlage unseres Wohlstands und unserer Sicherheit im 21. Jahrhundert“. Aicher hob das „enorme Wachstumspotenzial“ der Raumfahrt hervor. Schätzungen zufolge könne der Weltraummarkt bis 2040 auf über 1,1 Billionen US-Dollar anwachsen. Die Regierung habe jetzt die Chance, „die Weichen für die strategische Positionierung Deutschlands in der globalen Raumfahrt zu stellen“. "Finanzierung noch nicht gänzlich geklärt" Marco R. Fuchs vom Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) ergänzte, dass die staatlichen Investitionen in die Raumfahrt in Europa relativ gesehen in den vergangenen Jahren zurückgegangen seien. Dies sei kein gutes Signal. Fuchs erklärte, dass in den meisten Ländern die Raumfahrt nach wie vor durch staatliche Investitionen definiert werden werde. Mehr als 100 Länder hätten mittlerweile eine eigene Raumfahrtagentur. Europa müsse aufpassen, dass es im Wettlauf zwischen USA und China nicht abgehängt werde. Auf Nachfrage zu den Plänen der Bundesregierung für die ESA-Ministerratskonferenz antwortete die Parlamentarische Staatssekretärin im Forschungsministerium, Dr. Silke Launert (CSU), dass Deutschland Zeichnungsabsichten in allen Bereichen habe. Allerdings sei derzeit die Finanzierung noch nicht gänzlich geklärt. Man habe daher Hoffnung, in einigen Teilbereichen Mittel aus der Bereichsausnahme zu bekommen, sagte Launert. (des/12.11.2025)

Eindringliche Schilderungen zu Long-Covid und Post-Vac

Mo, 10.11.2025 - 22:00
Mit eindringlichen und teilweise aufwühlenden Schilderungen zu Long-Covid und Post-Vac haben Sachverständige in der achten Sitzung der Enquete-Kommission „Aufarbeitung der Corona-Pandemie und Lehren für zukünftige pandemische Ereignisse“ am Montag, 10. November 2025, die Lebenslagen vieler Menschen in Deutschland thematisiert. "Wenige Ärzte haben Expertise" Gleich zu Beginn umriss Prof. Dr. med. Carmen Scheibenbogen die Ausgangssituation. „Wenige Ärzte haben Expertise, es gibt kaum Spezialambulanzen“, sagte die stellvertretende Leiterin des Instituts für Medizinische Immunologie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin: „Wirksame Medikamente fehlen ganz.“ Demgegenüber gab sie zu bedenken, dass laut einer Studie aus Leipzig 80 Prozent der Erkrankten über Stigmatisierungserfahrungen berichten würden. Die Enquete-Kommission des Bundestages durchleuchtete neben dem Schutz vulnerabler Gruppen die dauerhaften gesundheitlichen Folgen einer Corona-Infektion (Long-Covid) und auch die Impfschäden (Post-Vac). Nach Angaben Scheibenbogens sind fünf Prozent der Bevölkerung von Long-Covid betroffen, rund fünf je 100.000 Menschen erleiden Post-Vac. "Mehr als 1,5 Millionen Menschlen leben mit Long-Covid oder ME/CFS" „Mehr als 1,5 Millionen Menschen in Deutschland leben entweder mit Long-Covid oder ME/CFS“, einem chronisches Erschöpfungssyndrom, „der schwersten Form von Long-Covid“, sagte Ricarda Piepenhagen, Gründerin von „NichtGenesen“, einem Zusammenschluss von an Post Covid, ME/CFS und Post- Vac-Erkrankten und deren Angehörigen, die sich für Forschung, Anerkennung und Versorgung ihrer Erkrankungen einsetzen. Diese 1,5 Millionen Menschen, die durch die Schwere der Erkrankung häufig erwerbsunfähig geworden seien, kosten Schätzungen zufolge Deutschland circa 63 Milliarden Euro jährlich. Ramona Gerlinger vom Bundesverein Impfgeschädigter beschrieb, die Betroffenen hätten „Probleme im kompletten Umfeld, sie sind permanent krankgeschrieben, sie verzweifeln an ihrer Situation“. Sie rief zu mehr Initiative auf. Es müsse mehr getan werden bei Forschung und Behandlungsmethoden. Auch sei von hohen Dunkelziffern auszugehen. Von 14.000 bekannten Anträgen auf Anerkennung von Impfschäden seien nur 600 anerkannt worden. "Ich fordere erneut die deutschlandweite Aufklärungskampagne" Als Mutter einer an Long-Covid erkrankten Tochter berichtete Elena Lierck von „NichtGenesenKids“, dass ihr Verein jeden Tag mehr Anfragen erhalte. „Sich nicht adäquat mit der Erkrankung auseinanderzusetzen, darf nicht länger hingenommen werden“, appellierte sie: „Ich fordere erneut die deutschlandweite Aufklärungskampagne.“ Sie schilderte die Probleme junger Long-Covid-Erkrankter, am Schulunterricht teilzunehmen. Die Schule habe sich dem Kind anzupassen und nicht umgekehrt: „Es funktioniert nicht mit Druck.“ Stigmatisierungserfahrungen bestätigte Holger Lange vom Sozialverband VdK Deutschland. „Das berichten uns auch die Betroffenen in unserer Rechtsberatung“, sagte der Experte. „Wer vor der Krise verletzlich war, war in der Krise am stärksten gefährdet – und ist es vielfach noch heute.“ Lange forderte klar geregelte Versorgungsphasen vom Hausarzt bis zur Reha- und Teilhabeleistung: „Wir haben ein Zuständigkeitslabyrinth.“ "Arme sind häufiger und stärker erkrankt gewesen" Scheibenbogen kritisierte, dass nicht genügend in die Erforschung neuer Medikamente investiert werde. „Bisher werden solche Therapiestudien von der pharmazeutischen Industrie nicht unterstützt.“ Sie sprach von „vielversprechenden Ergebnissen“ mit bereits zugelassenen Medikamenten an der Charité zur Entfernung von Auto-Antikörpern. Diese sogenannte Immunadsorption sei zwar kein heilendes Verfahren, verschaffe aber zwei Dritteln der Behandelten Besserung. „Wir sind seit einem Jahr nicht in der Lage, diese Studie fortzusetzen“, sagte sie mit Blick auf vom Bundestag zugesagte acht Millionen Euro, die erst zu einem Teil geflossen seien. Auch die sozialen Faktoren der Pandemie wurden angeschnitten. „Arme sind häufiger und stärker erkrankt gewesen“, zitierte Lange vom Sozialverband VdK eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung. „Für Arbeiter gab es kein Home Office“, sie seien somit stärker betroffen gewesen von Kurzarbeit. Soziale Folgen für Kinder und Jugendliche Eva-Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbands, berichtete von den sozialen Folgen für Kinder und Jugendliche: Nicht nur Ältere seien vulnerabel gewesen. Sie beschrieb, wie die Mitarbeitenden in sozialen Einrichtungen selbst vulnerabel wurden: „Sie müssen sich einem erhöhten Infektionsrisiko aussetzen und doppelte Lasten tragen, auch bei der Organisation ihres eigenen Privatlebens“, sagte die Sachverständige. „Ein funktionierender Sozialstaat für alle ist die allerwichtigste Voraussetzung dafür, um eine Corona-Krise bestehen zu können.“ Auf die Frage der AfD, ob nicht jeder Fall von Long-Covid auch ein Fall von Post-Vac sein könne, antwortete Medizinerin Scheibenbogen mit Erfahrungen aus den verschiedenen Jahren. 2020 und 2021 seien viele Menschen noch nicht geimpft gewesen, aber es gebe für diesen Zeitraum ähnliche Zahlen von Long-Covid-Fällen wie heute – wo nun rund 80 Prozent der Bevölkerung geimpft seien. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir es nicht mit Impffolgen zu tun haben“, sagte sie mit Blick auf Long-Covid. Und zu den Impfungen: „Die Chance ist um ein Vielfaches höher, nicht an Long-Covid zu erkranken als das Risiko, Post-Vac zu erleiden.“ Auftrag der Corona-Enquete Um künftig besser auf Gesundheitskrisen vorbereitet zu sein, arbeitet die Enquete-Kommission interdisziplinär an der Frage, wie Risikobewertung, Früherkennung und Krisenbewältigung in künftigen Pandemien effektiver gestaltet werden können. Dabei sollen die Erkenntnisse aus den Bereichen Gesundheitswesen, Wirtschaft, Bildung, Soziales, Politik, internationale Zusammenarbeit und öffentliche Kommunikation zusammengeführt werden, um gezielt strukturelle Verbesserungen anzustoßen. Bis Ende Juni 2027 soll die Kommission einen umfassenden Abschlussbericht vorlegen, der konkrete Empfehlungen zur besseren Prävention, Bekämpfung zukünftiger Gesundheitskrisen und gesellschaftlichen Resilienz enthalten soll. Der Kommission gehören 14 Abgeordneten sowie 14 externen Sachverständige an. (jr/11.11.2025)

Experten begrüßen "Beitrag zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung"

Mo, 10.11.2025 - 16:00
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze“ (Zweites Betriebsrentenstärkungsgesetz, 21/1859, 21/2457)) wird von Sachverständigen als Beitrag zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung angesehen. Bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montag, 10. November 2025, wurden jedoch weitergehende Schritte angemahnt. Gesetzentwurf der Bundesregierung Der Gesetzentwurf eröffnet laut Bundesregierung neue Möglichkeiten, „damit auch nichttarifgebundene und damit häufig kleinere Unternehmen und ihre Beschäftigten an dieser Form einfacher, effizienter und sicherer Betriebsrenten teilnehmen können“. Des Weiteren werde das Abfindungsrecht flexibilisiert. Der vorzeitige Bezug von Betriebsrenten werde an das neue Hinzuverdienstrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst. Dies sorge für eine „erhebliche Vereinfachung und Entbürokratisierung der betrieblichen Altersversorgung“, heißt es. Im Steuerrecht soll die Förderung der Betriebsrenten von Beschäftigten mit geringeren Einkommen über den Förderbetrag zur betrieblichen Altersversorgung (BAV-Förderbetrag) verbessert werden. Außerdem soll den Pensionskassen vor dem Hintergrund des neuen Hinzuverdienstrechts in der gesetzlichen Rentenversicherung gestattet werden, höhere Zahlungen bei vorzeitigem Leistungsbezug zu vereinbaren. Abfindung von Kleinstanwartschaften Lutz Mühl vom Bundesarbeitgeberverband Chemie bewertete es als positiv, dass Branchen, die sich über einen Tarifvertrag einem bestehenden Betriebsrentenmodell anschließen und die Organisations- und Durchführungsmöglichkeiten verwenden, sich selbst nicht mehr an der Durchführung zu beteiligen haben. Das sei eine hilfreiche Klarstellung. „Wir praktizieren das bisher schon so mit den Branchen, die sich uns angeschlossen haben“, sagte er. Aktuell bedürfe das aber eines äußerst komplizierten Vertragswerkes. Was die Ausweitung der Möglichkeiten zur Abfindung von Kleinstanwartschaften angeht, so bleibt der Entwurf laut Mühl hinter dem Möglichen zurück. Wie auch der Normenkontrollrat in seiner Stellungnahme spricht sich der Bundesarbeitgeberverband Chemie für eine Erhöhung der Grenze für Abfindungen ohne Zustimmung auf zwei Prozent aus. "Kein großer Wurf" Der Gesetzentwurf gehe in die richtige Richtung, sei aber „kein großer Wurf“, befand Beate Petry von der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung. Nötig wäre es aus ihrer Sicht, die Doppelverbeitragung abzuschaffen und die Sozialversicherungsgrenze an die Steuerfreiheitsgrenze anzupassen. Bei der Geringverdiener-Förderung sei die Dynamisierung und Erhöhung der Förderung der richtige Weg. Noch besser wäre es aus ihrer Sicht, „wenn auch der Förderbetrag für die Arbeitgeber erhöht würde“. "Online-Wahlmöglichkeit eine echte Innovation" Dina Frommert von der Deutschen Rentenversicherung Bund äußerte sich unter anderem zur geplanten Ausweitung und Verstetigung der Online-Sozialversicherungswahlen. Die Forderung nach einer elektronischen Stimmabgabe habe die Deutsche Rentenversicherung Bund immer unterstützt, sagte sie. „Wir halten die Möglichkeit der Online-Wahl für eine echte Innovation“, sagte Frommert. Dies zeige, dass die Verwaltung digitalisiert und modernisiert werden könne. Über die eigentliche Wahlhandlung hinaus könne dies Selbstverwaltungen sichtbarer machen. Es könne auch jüngere Wählergruppen an die Rentenversicherung und an die Selbstverwaltung heranführen, sagte sie. "Zugang zum Sozialpartnermodell stärker öffnen" Alexander Gunkel von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sprach sich dafür aus, den Zugang zum Sozialpartnermodell deutlich stärker öffnen. Um die Chance der reinen Beitragszusage möglichst vielen Arbeitgebern und Beschäftigten zu eröffnen, müsse die Bezugnahme auf ein bestehendes Sozialpartnermodell „auch für Unternehmen aus Branchen anderer Gewerkschaftsorganisationen möglich sein“, forderte er. Ohne eine solche Öffnung bestehe die Gefahr, dass für einen Großteil der Beschäftigten in Deutschland auch weiter keine reine Beitragszusage möglich ist, weil die Mehrheit der Gewerkschaften bislang kein Sozialpartnermodell vereinbart habe. Pflichtanteil der Arbeitgeber gefordert Die neue Form der Betriebsrente sollte auf keinen Fall ohne Tarifvertrag möglich sein, machte Ingo Schäfer vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) deutlich. Davon halte er nichts, sagte er. Gebe es keine Tarifverträge, habe der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Ko-Finanzierung des Arbeitgebers und kein Mitspracherecht bei dem ausgewählten Produkt. Schäfer forderte einen Pflichtanteil der Arbeitsgeber, der jährlich mit der Lohnentwicklung angepasst werden sollte. Außerdem sollten Arbeitgeber ohne Ausnahme bei der Entgeltumwandlung eingesparte Sozialversicherungsbeiträge in voller Höhe an die Beschäftigten weitergeben oder in die Versorgung der Beschäftigten einzahlen müssen. "Langlebigkeitsrisiko abdecken" Die Einzelsachverständige Prof. Dr. Ute Klammer vom Institut für Soziologie der Universität Duisburg-Essen, begrüßte es, dass der Gesetzentwurf eine Evaluation für 2030 beinhaltet. Sie hält es nach eigener Aussage für nicht ausgeschlossen, dass man dann auch über ein Obligatorium bei der Betriebsrente als sinnvolle Lösung sprechen müsse, wie man es aus vielen anderen europäischen Ländern schon kenne. Mit Blick auf die Möglichkeit der Raten-Auszahlung der erworbenen Ansprüche sagte sie: Oberstes Ziel solle es sein, das „Langlebigkeitsrisiko“ abzudecken. Das erfolge durch eine Verrentung der Ansprüche statt durch eine Auszahlung. "Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklären" Im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen sei im Bereich der Betriebsrenten bislang relativ wenig erreicht worden, sagte Gesa Bruno-Latocha von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Das hänge mit der „sehr schlechten Tarifbindung“ zusammen. Die Lösung des Problems finde sich bei einem Blick in die Nachbarländer. Diese nutzten in der Regel das Instrument der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen. In Deutschland gebe es "leider" eine sehr lang tradierte Blockade „dieses international sehr bewährten Instrumentes“, sagte die GEW-Vertreterin. (hau/11.11.2025)

Experten bewerten geplante Umsetzung von EU-Vorgaben zum Wettbewerbsrecht

Mo, 10.11.2025 - 14:00
Auf differenzierte Einschätzungen der Sachverständigen aus Rechtswissenschaft und Praxis traf ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG, 21/1855, 21/2464) in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am Montag, 10. November 2025. Mit dem Vorhaben sollen die EU-Richtlinien 2024 / 825 (EMPCO-Richtlinie) und 2023 / 2673 (Fernabsatz-Richtlinie) in nationales Recht umgesetzt werden, die Verbraucher besser vor irreführenden Umweltaussagen und manipulativen Online-Praktiken (Dark Patterns) auf Online-Schnittstellen schützen sollen. Künftig sollen etwa allgemeine Umweltaussagen wie „umweltfreundlich“ nur dann gemacht werden dürfen, wenn eine „anerkannte hervorragende Umweltleistung“ nachgewiesen werden kann. Die Richtlinie muss bis zum 27. März 2026 in nationales Recht umgesetzt werden. Die neuen Regelungen müssen dann ab dem 27. September 2026 angewendet werden. Schutz vor Greenwashing Prof. Dr. Susanne Augenhofer von der Universität Innsbruck, die von der Fraktion Die Linke für die Anhörung vorgeschlagen wurde, begrüßte den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Greenwashing grundsätzlich. Gleichwohl sei festzuhalten, dass die bestehenden Regelungen des UWG beziehungsweise der zugrundeliegenden Richtlinie für unlautere Geschäftspraktiken bereits die selben Ergebnisse hätten erreichen lassen können. Aus den Vorgaben der Richtlinien folge ein geringer Gestaltungsspielraum für den Gesetzentwurf. Dennoch gebe es Verbesserungsmöglichkeiten. Durch das UWG würden nicht nur Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern auch sonstige Marktteilnehmer und die Allgemeinheit geschützt. Dementsprechend sollte der Begriff „kommerzielle Kommunikation“ in der Definition der Umweltaussage durch den Begriff „geschäftliche Handlungen“, der üblichen Definition, im UWG ersetzt werden, sagte Augenhofer. Prof. Dr. Christoph Busch von der Universität Osnabrück ging ausführlich auf Artikel 16e der Verbraucherrichtlinie ein, der sich mit der manipulativen Gestaltung von Finanzdienstleistungen befasst. Der Einsatz von Dark Patterns könne bei Verbrauchern erhebliche finanzielle Auswirkungen haben. Die geplante Regelung sei deshalb grundsätzlich zu begrüßen. Er sehe aber in einigen Bereichen Änderungsbedarf, sagte der von der SPD-Fraktion für die Anhörung nominierte Experte. Es gebe beispielsweise ein Umsetzungsdefizit. Artikel 16e enthalte zwei Regelungsaufträge: ein allgemeines Verbot von Dark Patterns beim Fernabsatz von Finanzdienstleistungen und einen Katalog von Regelbeispielen. Der vorliegende Gesetzentwurf beschränke sich darauf, eines der Regelbeispiele umzusetzen. Dem lasse sich auch nicht entgegenhalten, dass das allgemeine Verbot durch die Generalklauseln des UWG hinreichend umgesetzt sei. Schwerpunkt Dark Patterns Ebenfalls von der SPD-Fraktion für die Anhörung vorgeschlagen wurde Prof. Dr. Peter Kenning von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er legte seinen Schwerpunkt ebenfalls auf die angedachte Regulierung der Dark Patterns. Die Entwicklung der digitalen Welt habe in vielen Bereichen zu einer hohen Komplexität des Verbraucheralltags geführt, sagte Kenning. Für Verbraucher sei dies problematisch, der Einsatz der seit 2010 bekannten sogenannten Dark Patterns durch Unternehmen mache sie verwundbar. Es stelle sich die Frage, so Kenning, weshalb es in Deutschland 15 Jahre gedauert hat, bis die erste Regulierung vorgenommen wird. Für ihn zeige das einmal mehr, dass es Transferdefizite zwischen den Verbraucherwissenschaften und dem regulierenden Bereich gibt. Es sei daher gut, dass der Koalitionsvertrag eine Stärkung der Verbraucherforschung auch in diesem Bereich als politisches Ziel dieser Legislaturperiode definiert habe. "Unlautere Werbung in großer Zahl zu finden" Der Rechtsanwalt Prof. Dr. Remo Klinger verwies in seiner schriftlichen Stellungnahme darauf, dass die Werbung mit Umweltaussagen bereits nach geltendem Recht hohen Anforderungen unterliege. Die EU-Richtlinie 2024 / 825 bringe ein größeres Maß an Rechtssicherheit. Bisher könnten nur Unternehmen mit einer Rechtsabteilung wissen, welche Anforderungen sie bei entsprechender Werbung zu erfüllen haben. Zugleich werde der Verbraucherschutz gestärkt, denn unlautere Werbung mit Umweltaussagen sei aktuell in großer Zahl zu finden. Der zu begrüßende Gesetzentwurf ziele darauf ab, die Richtlinie möglichst unverändert in deutsches Recht zu überführen, sagte Klinger, der auf Vorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur öffentlichen Anhörung eingeladen wurde. Der Entwurf vermeide Defizite bei der Umsetzung, gleichzeitig seien weitere Anpassungen nötig. Eine Reihe von Einwänden, die gegen den Entwurf vorgebracht worden seien, seien nicht tragfähig. Stellungnahme der Wirtschaftsverbände Stefanie Lefeldt vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft präsentierte eine gemeinsame Stellungnahme von 14 Wirtschaftsverbänden. Diese hielten die angedachten Regelungen für nicht unbedingt notwendig, sagte die für die Unionsfraktion teilnehmende Expertin. Nach Meinung der Verbände sei Greenwashing schon lange verboten. Und das UWG reiche, so wie es sei, dafür aus. Nichtsdestotrotz müsse man sich mit der EMPCO-Richtlinie beschäftigen. Die Probleme, die die Verbände hätten, beträfen eher die EMPCO an sich als deren vorliegende begrüßenswerte Eins-zu-eins-Umsetzung. Um so wichtiger sei aber aus Sicht der Verbände, an den wenigen Stellschrauben, die noch übrig seien, auch zu drehen, sagte Lefeldt. Das betreffe unter anderem den Anwendungsbereiche Business-to-Business und Business-to-Customer. Aus Sicht der Verbände sollte der erstgenannte Bereich vollständig ausgenommen werden. In der Stellungnahme werden die Einschätzungen der Bundesregierung zum Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft als insgesamt nicht nachvollziehbar und unrealistisch niedrig bewertet. Prof. Dr. Martin Schmidt-Kessel von der Universität Bayreuth, der ebenfalls von der Unionsfraktion vorgeschlagen wurde, hält die Konzeption, die EMPCO-Richtlinie in UWG und Bürgerlichem Gesetzbuch getrennt umzusetzen, für sehr überzeugend. Nicht ganz so überzeugt sei er bei den Begriffsdefinitionen. Das betreffe die Begriffe Funktionalität und Haltbarkeit, die Kaufrechtsrichtlinien-Definitionen seien und praktisch Begriffsvorgaben für das BGB machen würden, was keine gute Gesetzgebung sei. Was keinesfalls so bleiben dürfe sei die Definition des Verbrauchers. Zu den Informationspflichten insgesamt fehle ihm eine hinreichende Rechtsfolgenabschätzung. Zum Problem der Dark Patterns sagte Schmidt-Kessel, hier würde dringend eine Klarstellung gebraucht, er würde aber eine Beschränkung auf Finanzdienstleistungen für „völlig sinnbefreit“ halten. Er würde allerdings nicht die Generalklausel umsetzen, wie von Busch vorgeschlagen, sondern die Einzelmaßnahmen. "Bundesregierung soll Spielraum nutzen" Wie Roland Stuhr von der Verbraucherzentrale Bundesverband in seiner Stellungnahme erklärt, kann das Verbraucherrecht durch klare Regelungen dazu beitragen, dass umweltbezogene Aussagen verlässlicher und überprüfbar werden und dadurch nachhaltige Kaufentscheidungen erleichtern. Angesichts der starken Verbreitung manipulativer Praktiken auf digitalen Schnittstellen wie Webseiten und Apps und der klaren Zielsetzung im Koalitionsvertrag forderte Stuhr ein konsequentes und wirksames Vorgehen des Gesetzgebers. Während manipulative Praktiken grundsätzlich in die alleinige Zuständigkeit der Europäischen Union fielen, gelte für Finanzdienstleistungen eine Ausnahme. Hier sei jetzt auch der nationale Gesetzgeber aufgefordert, entsprechenden Praktiken einen Riegel vorzuschieben. Diesen Spielraum müsse die Bundesregierung nutzen. Dazu machte der für die Fraktion der CDU/CSU teilnehmende Experte eine Reihe von Vorschlägen zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Gesetzentwurf der Bundesregierung Der Entwurf sieht vor, dass Nachhaltigkeitssiegel künftig auf einem Zertifizierungssystem beruhen oder staatlich anerkannt sein sollen. Zudem soll unter anderem ein Verbot eingeführt werden, Verbraucherinnen und Verbraucher beim Abschluss von Finanzdienstleistungsverträgen im Fernabsatz durch besondere Gestaltung von Online-Schnittstellen in unzulässiger Weise zu beeinflussen. Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass die Umsetzung der EU-Richtlinie gegen den unlauteren Wettbewerb eine erhebliche zusätzliche bürokratische Belastung für die Wirtschaft verursachen werde. Das Vorhaben verdeutliche, wo die „One in, one out“-Regel ihre Schwäche habe. Belastungen, die auf der Umsetzung von EU-Vorgaben beruhen, seien von der Verpflichtung zur Kompensation ausgenommen. Der NKR dringe deshalb gegenüber der Bundesregierung auf eine Abschaffung der Ausnahme. Das Instrument sei ansonsten keine wirksame Bürokratiebremse. Stellungnahme des Bundesrates In seiner Stellungnahme (21/2464) zum Gesetzentwurf fordert der Bundesrat eine praxisnähere Ausgestaltung der Fristen zur Umsetzung der EU-Richtlinie für die Neugestaltung von Verpackungen. Die Länderkammer hält die Umsetzungsfrist bis zum 27. September 2026 für zu kurz und bittet um eine Verlängerung, um wirtschaftlichen Schaden und Abfall zu vermeiden. Die Bundesregierung begrüßt das Anliegen des Bundesrates, sieht jedoch europarechtliche Hürden für eine Verlängerung der Fristen. Sie werde das Thema jedoch gegenüber der Europäischen Kommission aufgreifen. Ein weiterer Schwerpunkt der Stellungnahme des Bundesrates betrifft die Bürokratiekosten. Die Länderkammer weist darauf hin, dass die Umsetzung der EU-Richtlinie mit einem einmaligen Aufwand von rund 355 Millionen Euro sowie jährlichen Bürokratiekosten von rund 52 Millionen Euro für die Wirtschaft verbunden sei. Der Bundesrat fordert daher, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die bürokratischen Lasten insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen deutlich zu reduzieren. Gegenäußerung der Bundesregierung Die Bundesregierung betont in ihrer Gegenäußerung, dass sie die Bürokratiekosten bereits im Dialog mit Wirtschaftsverbänden so weit wie möglich reduziert habe. Der Gesetzentwurf stelle zudem eine strikte Eins-zu-eins-Umsetzung der EU-Richtlinie dar. Die verbleibenden Belastungen von rund 52 Millionen Euro jährlich für alle Wirtschaftsbereiche seien durch die europäischen Vorgaben bedingt und könnten durch Vorgaben des innerstaatlichen Rechts nicht weiter reduziert werden. Trotzdem werde sich die Bundesregierung weiterhin dafür einsetzen, dass die neuen Regelungen mit möglichst wenig Aufwand umgesetzt werden können. (mwo/10.11.2025)

Bauindustrie verlangt noch schnellere Vergabeverfahren

Mo, 10.11.2025 - 14:00
Die von der Bundesregierung geplante Beschleunigung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge geht der Bauindustrie noch nicht weit genug. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie am Montag, 10. November 2025, erklärte Tim-Oliver Müller vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, zwar könne jetzt vom zeitraubenden und komplizierten Vergabeverfahren über einzelne Lose abgewichen werden. Eine Gesamtleistung dürfe aber nur vergeben werden, wenn zeitliche Gründe dies für aus dem Sondervermögen finanzierte Infrastrukturvorhaben ab einem geschätzten Wert von rund 14 Millionen Euro erfordern würden. Laut Müller hat es aber keinen Sinn, „für den gleichen Beschaffungsgegenstand unterschiedliche Beschaffungsregeln anzuwenden, nur weil die Finanzierung in einigen Fällen aus dem Sondervermögen stammt und zufällig eine bestimmte Projektgröße erreicht wird“. So könne der kommunale Neubau einer Förderschule mindestens sechs Jahre und über 50 Einzelaufträge („Lose“) beanspruchen. Die ursprünglich geschätzten Kosten könnten sich dadurch nahezu verdoppeln. Dina Westphal von der Deutschen Bahn AG sagte, es bestehe das praktische Bedürfnis, Lose zusammengefasst vergeben zu können. Dafür sehe das Gesetz bereits Ausnahmen von der Losvergabe vor, wenngleich die Anforderungen für Auftraggeber hoch seien. Allerdings würden die engen Anwendungsvoraussetzungen und die Kopplung an das Infrastruktur-Sondervermögen kaum Erleichterungen bei der Vergabe und anschließenden Umsetzung von Infrastrukturvorhaben bewirken. Bedeutung des Losverfahrens für mittelständische Betriebe Prof. Dr. jur. Martin Burgi von der Ludwig-Maximilians-Universität München lobte den Entwurf. Die beabsichtigte Vereinfachung und Beschleunigung gelinge. Er betonte aber die Bedeutung des Losverfahrens für mittelständische Betriebe. Wenn großvolumige Vorhaben, die aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität finanziert würden, insgesamt und nicht in Teilen vergeben werden würden, bestehe die Gefahr einer Einschränkung des Wettbewerbs. „Es ist empirisch belegt, dass mehr Wettbewerb stattfindet, wenn ich mehr Lose habe“, erklärte Burgi. Das Losverfahren bedeute „mehr Angebote, mehr Auswahl, mehr Qualität und mehr Preiswettbewerb“. Prof. Dr. Stefan Hertwig von der Berliner Kanzlei CBH Rechtsanwälte sagte, eine Beschleunigung und Vereinfachung des Vergaberechts sei uneingeschränkt zu begrüßen. Die geplante Neuregelung zur Losvergabe, wonach aus zeitlichen Gründen nur bei bestimmten Infrastrukturvorhaben eine Gesamtvergabe erfolgen dürfe, gehe an der Rechtswirklichkeit vorbei und sei nicht rechtssicher handhabbar. Es sollte daher auf den früheren Entwurf zurückgegangen werden, wonach generell auch „zeitliche“ Gründe eine Gesamtvergabe rechtfertigen könnten. Auch Bernd Düsterdiek von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände erklärte, die vorgesehene Neuregelung zum sogenannten Losgrundsatz werde die Rahmenbedingungen der Vergabepraxis in keiner Weise verbessern, sondern wäre im Gegenteil ein „deutlicher Rückschritt“. Der Entwurf verkompliziere die Vergabe, indem ein neuer Ausnahmetatbestand bezogen auf das Sondervermögen „Infrastruktur und Klimaneutralität“ eingefügt werde. Tiefstpreisangebote aus Nicht-EU-Staaten Heiko Reese von der Industriegewerkschaft Metall nannte es wirtschafts- und gesellschaftspolitisch fahrlässig, Haushaltsmittel in dreistelliger Milliardenhöhe nicht oder nur unzureichend zur Sicherung der heimischen Wertschöpfung und Beschäftigung sowie zur Förderung grüner Leitmärkte einzusetzen. Öffentliche Aufträge müssten daher konsequent mit „Local Content“-Regelungen verknüpft werden. Davon sei in dem Gesetzentwurf nichts zu erkennen. Auch Michael Stamm vom Deutschen Gewerkschaftsbund nannte es höchste Zeit, Local-Content-Vorschriften zu nutzen. Gerade Angebote aus Nicht-EU-Staaten seien immer wieder durch dumpingverdächtige Tiefstpreisangebote gekennzeichnet. Auch die Erteilung von Direktaufträgen mit einer Auftragswertgrenze in Höhe von 50.000 Euro stehe sei vergaberechtlich höchst problematisch, haushaltsrechtlich bedenklich und weder mittelstands- noch innovationsfreundlich. Mit dem europäischen Primärrecht dürfte sie kaum vereinbar sein. Kritik an der Rechtswegverkürzung Lars Mörchen von der Bundesrechtsanwaltskammer begrüßte die Zielsetzung des Entwurfs zur Vereinfachung, Beschleunigung und Digitalisierung des Vergaberechts. Er lehnte jedoch die Rechtswegverkürzung durch den Entfall der aufschiebenden Wirkung in der Beschwerdeinstanz ab. Eine solche verfahrensrechtliche Einschränkung führe entweder zu einem europa- und verfassungswidrigen Verstoß gegen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz oder in vielen Fällen sogar zu einer Verlangsamung des Verfahrens. Grundlage der Anhörung war der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge (21/1934). Damit soll unter anderem die Wertgrenze für Direktaufträge des Bundes auf 50.000 Euro erhöht werden. Weiterhin ist die Reduzierung von Nachweis- und Dokumentationspflichten vorgesehen. (hle/10.11.2025)

Überwiegend Zustimmung zur Stärkung der militärischen Sicherheit

Mo, 10.11.2025 - 14:00
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Stärkung der Militärischen Sicherheit in der Bundeswehr“ (21/1846) trifft bei Sachverständigen überwiegend auf Zustimmung. Insbesondere die darin enthaltene Neufassung des Gesetzes über den Militärischen Abschirmdienst (MAD) wurde in einer öffentlichen Anhörung des Verteidigungsausschusses am Montag, 10. November 2025, gelobt. Teils wurden aber auch weitere Ausweitungen der Befugnisse gefordert, teils Eingriffe in Grundrechte beklagt. Gesetzentwurf der Bundesregierung Mit der Neufassung des MAD-Gesetzes sollen der Aufgabenbereich und die Befugnisse des militärischen Nachrichtendienstes der Bundeswehr verstärkt auf die Landes- und Bündnisverteidigung ausgerichtet werden. So sollen die Befugnisse des MAD um das Auslesen technischer Spuren im Fall von Cyberattacken durch fremde Mächte erweitert werden. Das neue Gesetz zur Stärkung des personellen Schutzes in der Bundeswehr soll die bisherige Soldateneinstellungsüberprüfung ablösen. Zukünftig ist eine unterstützte Verfassungstreueprüfung vorgesehen. Auch die Feldjäger der Bundeswehr sollen neue Befugnisse bekommen, um die militärische Sicherheit zu stärken. Dabei sind unter anderem neue Vorschriften zum Anhalten und Überprüfen von verdächtigen Personen geplant. "Klare Systematisierung und Strukturierung" Prof. Dr. Markus Löffelmann von der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung sieht mit dem Entwurf die jüngere verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zum Nachrichtendienstrecht für den MAD „überwiegend gelungen“ umgesetzt. Der Entwurf besteche dabei durch eine klare Systematisierung und Strukturierung, „zu der insbesondere zahlreiche vor die Klammer gezogene Legaldefinitionen beitragen“. Stufen der Eingriffsintensität werden laut Löffelmann den transparenten Stufen der Beobachtungsbedürftigkeit und – mit gewissen Einschränkungen – den prozeduralen Sicherungen zugeordnet. Damit komme dem Entwurf eine Vorbildfunktion für die weitere Reformierung des Nachrichtendienstrechts auf Bundes- und Länderebene zu, befand Löffelmann. Eigenes Gesetz für die Aufgaben der Feldjäger vorgeschlagen Ronny Schlenzig, stellvertretender Vorsitzender der Streitkräftebasis im Deutschen Bundeswehrverband, sieht in dem Entwurf „nur einen zaghaften ersten Schritt, um den Bereich der militärischen Eigensicherung tauglich für die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen zu machen“. Schlenzig kritisierte, dass sich Vorschriften für Feldjäger in unterschiedlichsten Gesetzen wiederfänden. Um eine klare Grundlage zu schaffen, die Eigensicherung der Bundeswehr signifikant zu stärken, und auch um den Bürokratieaufwand zu begrenzen, sollte aus seiner Sicht perspektivisch ein eigenes Gesetz für die Aufgaben der Feldjäger etabliert werden. Der Gesetzgeber könne damit ein starkes Signal senden, dass er die Ernsthaftigkeit der Bedrohung erkannt hat und gewillt ist, Deutschland verteidigungsfähig zu machen, sagte Schlenzig. Zugleich könne so ein klarer Regelungsrahmen für die Notwendigkeit bei der Erfüllung des militärischen Auftrags im hybriden Spektrum gesetzt werden. Kritik am "verfassungsschutzrechtlichen Aufgabenschwerpunkt des MAD" Generalleutnant a.D. Joachim Wundrak nannte die Erweiterung der Kompetenzen des MAD zur Gewinnung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse im Ausland „längst überfällig“. Insofern sei der Entwurf zu begrüßen. Kritisch zu bewerten sei der neue verfassungsschutzrechtliche Aufgabenschwerpunkt des MAD. Damit bestehe die Gefahr, dass der MAD „in der Praxis zu einem zweiten Verfassungsschutz mutiert, statt sich seiner Kernaufgabe, der Abwehr von Spionage und Sabotage gegen die Bundeswehr, zu widmen“. Wundrak begrüßte des Weiteren die erweiterten Kompetenzen für die Feldjäger. Aus seiner Sicht ist die Zahl der Feldjäger derzeit aber zu gering, um flächendeckend einen signifikanten Sicherheitsmehrwert zu gewährleisten. "Neuformulierung ganz überwiegend gelungen" Christian Sieh, Justiziar im Bundesvorstand des Deutschen Bundeswehrverbandes, hält die Neuformulierung des MAD-Gesetzes für „ganz überwiegend gelungen“. Sichergestellt werden müsse jedoch, dass vom MAD erhobene Daten allein zu Zwecken verwendet werden, für die dieser auch zuständig ist. Die Übermittlung allein disziplinarisch relevanter Sachverhalte ohne Bezug zu Sicherheits- oder Verfassungstreuefragen an Disziplinarvorgesetzte oder personalverantwortliche Stellen sei nicht zulässig und müsse ausgeschlossen bleiben, forderte er. "Viele gute Ideen eingebaut" Prof. Dr. Matthias Bäcker von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz sieht in dem Entwurf „viele gute Ideen eingebaut“. Gleichwohl gebe es Defizite, befand er. So enthalte das MAD-Gesetz keinen abschließenden Katalog der zulässigen nachrichtendienstlichen Mittel. Das sei mit dem Gebot der Normenklarheit nicht zu vereinbaren. Da alle nachrichtendienstlichen Mittel eine verdeckte Erhebung personenbezogener Daten beinhalteten, handele es sich durchweg um Grundrechtseingriffe, „die zumindest eine mehr als bagatellarische Intensität aufweisen“. Zur Orientierung und zur Ermöglichung einer öffentlichen Diskussion ist es daher laut Bäcker unabdingbar, die zulässigen nachrichtendienstlichen Mittel abschließend in außenwirksamen und für die Allgemeinheit zugänglichen Rechtsnormen zu beschreiben. "Wann also darf der MAD eingreifen?" Rechtsanwalt Sebastian Baunack kritisierte dies ebenfalls. Er sprach zudem von bedenklichen Eingriffen in die Grundrechte, die teils mit unbestimmten Rechtsbegriffen begründet worden seien. In Paragraf 7 des Gesetzentwurfs sollen Eingriffe gerechtfertigt werden, wenn man „nachdrücklich“ feindliche Bestrebungen verfolgt, sagte er. Es sei aber völlig unklar, was mit nachdrücklich gemeint sei. „Wann darf also der MAD eingreifen?“ Ein Störgefühl habe er auch bei der Verfassungstreueüberprüfung, die künftig die bisherige Sicherheitsüberprüfung ersetzen solle. Gleichzeitig würden im Sicherheitsüberprüfungsgesetz die Überprüfungen ausgedehnt und sogar auf die Angehörigen des Sicherheitspersonals ausgeweitet. „Das passt nicht gut zusammen“, befand Baunack. (hau/11.11.2025)

Lob für die Haltelinie beim Rentennivau und Sorge vor Kostenexplosion

Mo, 10.11.2025 - 14:00
Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat am Montag, 10. November 2025, Sachverständige zur geplanten Haltelinie beim Rentenniveau und Ausweitung der Mütterrente befragt – mit wenig überraschenden Bewertungen durch die jeweils von den Fraktionen des Bundestages eingeladenen Experten. Denn erwartungsgemäß bewerteten die arbeitgebernahen Verbände die Rentenpolitik deutlich skeptischer, während arbeitnehmernahe Verbände wie der Deutsche Gewerkschaftsbund den zur Debatte stehenden Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stabilisierung des Rentenniveaus und zur vollständigen Gleichstellung der Kindererziehungszeiten (21/1929) begrüßten. Gesetzentwurf der Bundesregierung Mit dem Gesetz wollen CDU/CSU und SPD das derzeit geltende Rentenniveau von 48 Prozent (Verhältnis der Rente eines „Standard-Rentners“ nach 45 Beitragsjahren zum aktuell gültigen Durchschnittsverdienst) über 2025 hinaus bis 2031 verlängern. Ansonsten drohten deutlich sinkende Alterseinkommen, warnt die Regierung im Entwurf. Der Plan bedeutet, dass die Renten weiter entsprechend der Lohnentwicklung steigen, der Nachhaltigkeitsfaktor also weiter ausgesetzt bleibt. Dieser soll den Anstieg eigentlich bremsen, wenn demografiebedingt mehr Rentnern immer weniger Beitragszahler gegenüberstehen. Die Kindererziehungszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung soll künftig für vor 1992 geborene Kinder um weitere sechs Monate auf drei Jahre verlängert werden. Mit der Novelle würde die „Mütterrente“ keinen Unterschied mehr nach Geburtsjahr des Kindes machen. Die sich aus diesen beiden Vorhaben ergebenen Mehrkosten will der Bund aus Steuermitteln erstatten. "Dauerhafte Stabilisierung des Rentenniveaus" Für Ingo Schäfer vom Deutschen Gewerkschaftsbund steht fest, am Gleichgewicht von Löhnen und Renten dürfe nicht gerüttelt werden, denn „dies ist auch für die jungen Beschäftigten ein Gewinn“. Er forderte eine dauerhafte Stabilisierung des Rentenniveaus, auch über 2031 hinaus. Dr. Magnus Brosig von der Arbeitnehmerkammer Bremen betonte, die Begrenzung des Beitragssatzes in der Rentenversicherung sei „kein Wert an sich“. Befragungen hätten gezeigt, dass für Versicherte nicht die Beiträge, sondern die Leistungen Priorität hätten. „Ein paritätisches Konzept ist ein nachhaltiges und gutes Konzept“, sagte er. Für unsere Mitglieder ist ein Rentenniveau von 48 Prozent keine „abstrakte Ziffer“, stellte Verena Bentele vom Sozialverband VdK Deutschland klar. Es gehe um eine wichtige Weichenstellung, die das Vertrauen aller Generationen in die Rentenversicherung extrem stärken könne. „Bei Menschen mit wenig Geld ist die Rentenversicherung die Basis ihrer Absicherung im Alter“, betonte sie. Als entscheidendes Mittel im Kampf gegen Altersarmut bezeichnete auch Ulrike Stein vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung die Höhe des Rentenniveaus. Sie verwies auf das in den vergangenen Jahren gestiegene Armutsrisiko vor allem in der Gruppe der über 65-Jährigen. „Belastung für die jüngere Generation“ Kritik äußerte dagegen Alexander Gunkel von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. In den nächsten Jahren könne sich die Bundesregierung ein solches Rentenpaket vielleicht noch leisten, aber wie es mit dem finanziellen Spielraum in 20 bis 30 Jahren aussieht, sei völlig unklar. „Das Rentenpaket ist schuldenfinanziert und die Schulden zahlen die Jüngeren“, sagte er. Prof. Dr. Martin Werding, Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität Bochum, nannte die Haltelinie eine „Belastung für die jüngere Generation“. Um die Bundeszuschüsse für die Rentenkasse nicht ausufern zu lassen, könne das Sicherungsniveau der gesetzlichen Rente „kontrolliert abgesenkt“ werden, wenn gleichzeitig die dadurch entstehende Lücke durch kapitalgedeckte Vorsorge geschlossen würde. Dr. Imke Brüggemann-Borck rechnete für die Deutsche Rentenversicherung Bund vor, dass ohne die Haltelinie das Rentenniveau ab 2028 sinken, 2031 bei 47 Prozent und 2040 dann nur noch bei 46 Prozent liegen würde. In der schriftlichen Stellungnahme mahnte die Rentenversicherung einen Gesamtblick auch auf die betriebliche und staatlich geförderte Altersvorsorge an, wenn am Drei-Säulen-Modell der Alterssicherung festgehalten werden soll. (che/10.11.2025)

Lob und Kritik für das Steueränderungsgesetz 2025

Mo, 10.11.2025 - 14:00
DFB-Präsident Bernd Neuendorf hat den Entwurf des Steueränderungsgesetzes 2025 der Bundesregierung (21/1974, 21/2470) gelobt. „Viele der Dinge, die uns am Herzen liegen, spiegeln sich in diesem Steueränderungsgesetz wider“, sagte Neuendorf, geladen auf Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion, am Montag, 10. November 2025, in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses. Dem DFB ging es beispielsweise um die geplante Anhebung der steuerfreien Übungsleiterpauschale auf 3.300 Euro und der Ehrenamtspauschale auf 960 Euro. „Erhebliche Verbesserungen“ gebe es auch im Bereich der Steuerbürokratie, die vor allem kleine Vereine belaste. Ja zu geplanten Änderungen beim E-Sport Positiv bewertet Neuendorf auch die geplanten Änderungen im Bereich E-Sport. Hier sehe der Gesetzentwurf eine rechtssichere steuerliche Abgrenzung vor. In seiner schriftlichen Stellungnahme fordert der DFB, „dass gemeinnützige Fußballvereine in ihrem ideellen Bereich auch E-Sport-Angebote anbieten können, ohne dadurch in eine gemeinnützigkeitsrechtliche Rechtsunsicherheit zu geraten“. Zur Frage der Definition von E-Sport erklärte der DFB-Präsident, dass es dazu eine Debatte im Fußball gebe. Klar müsse sein, dass „gewaltverherrlichende Spiele“ ausgeschlossen werden müssten. Der DFB lobt ferner, dass Photovoltaikanlagen als steuerlich unschädliche Betätigung bei der Gemeinnützigkeit gelten sollen und die Freigrenze bei der Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung auf 100.000 Euro steigen soll. "Gewerkschaftsmitglieder mit Nicht-Mitgliedern gleichstellen" Raoul Didier vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), geladen auf Vorschlag der SPD-Fraktion, sprach sich für eine steuerliche Gleichstellung von Gewerkschaftsmitgliedern mit Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern aus. Er verwies dabei auf den Arbeitnehmerpauschbetrag. Dazu heißt es in der schriftlichen Stellungnahme des DGB: „Soweit die Werbungskosten den Arbeitnehmerpauschbetrag nicht überschreiten, wird dieser durch einen Gewerkschaftsbeitrag auf ein Durchschnittseinkommen bereits annähernd zur Hälfte aufgezehrt. Damit geht der Steuergesetzgeber zu Unrecht davon aus, dass Gewerkschaftsmitgliedern und Nicht-Mitgliedern regelmäßig ein gleich hoher Aufwand entsteht.“ Mit Blick auf die grundgesetzlich garantierte Koalitionsfreiheit und das in Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes ebenfalls verankerte Verbot, diese einzuschränken oder zu behindern, halte der DGB es daher für geboten, die Mitgliedsbeiträge zusätzlich zum Pauschbetrag geltend machen zu können und dies unabhängig davon, ob die Werbungskosten die Höhe des Pauschbetrages überschreiten. "Mobilitätsgeld erweitern und Verpflegungspauschalen erhöhen" Prof. Dr. Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie in der Hans-Böckler-Stiftung, geladen auf Vorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, kritisierte wesentliche Maßnahmen des Gesetzentwurfs. Zur geplanten Senkung der Umsatzsteuer auf Speisen in der Gastronomie auf den ermäßigten Satz erklärte er, dass derzeit gesetzliche Vorhaben auf die Generierung von Wirtschaftswachstum zielen sollten. Ihm sei nicht klar, wie die Umsatzsteuersenkung in der Gastronomie dazu beitrage. Auch zur Anhebung der Entfernungspauschale auf 38 Cent ab dem ersten Entfernungskilometer äußerte Dullien sich kritisch. In seiner schriftlichen Stellungnahme schreibt er zu den beiden Maßnahmen: „Sie begünstigen zudem Haushalte mit hohem Einkommen. Es wird empfohlen, auf diese Maßnahmen zu verzichten.“ Stattdessen empfahl Dullien in der Anhörung eine Erweiterung des Mobilitätsgeldes und einer Erhöhung der steuerlichen Verpflegungspauschalen. NGG gegen Abbau sozialstaatlicher Leistungen Susanne Uhl von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), geladen auf Vorschlag der Fraktion Die Linke, warnte, dass von der Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie vor allem die Systemgastronomie profitieren werde, aber nicht Betriebe im ländlichen Raum oder in strukturschwachen Gebieten. Eine Steuersenkung müsse sich „vor dem Hintergrund einer mehr als angespannten Haushaltslage mehr als gut begründen lassen“, mahnt die NGG in ihrer schriftlichen Stellungnahme. Die geplanten Maßnahmen in der Gastronomie führten zu staatlichen Mindereinnahmen von vier Milliarden pro Jahr, die dann nicht mehr für Sozialausgaben zur Verfügung stünden. „Dass es keinen Abbau sozialstaatlicher Leistungen geben darf, steht für NGG außer Frage.“ Dies sei der NGG vor allem auch deshalb wichtig, weil rund 50 Prozent der Beschäftigten im Gastgewerbe im Niedriglohnbereich arbeiteten, „also tendenziell auf aufstockende Leistungen des Sozialstaates, auf Wohngeld, angewiesen“ seien. "Auf ermäßigten Steuersatz verzichten und normalen Satz absenken" Kritisch zu den Maßnahmen in dem Gesetzentwurf äußerte sich auch Prof. Dr. Fritz Söllner, Finanzwissenschaftler an der Technischen Universität Ilmenau und geladen auf Vorschlag der AfD-Fraktion. Er stellte generell den ermäßigten Steuersatz infrage und schlug vor, auf diesen zu verzichten und dafür den normalen Satz abzusenken. Das würde helfen, Abgrenzungsprobleme und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. In der Anhörung wie in seiner schriftlichen Stellungnahme spricht sich Söllner mit Blick auf die Entfernungspauschale dafür aus, „die Einkommensteuer generell zu senken und dafür Ausnahmetatbestände und Sonderregelungen entweder ersatzlos abzuschaffen oder durch einen allgemeinen Werbungskostenpauschbetrag zu ersetzen“. Söllner weiter: „Erste Schritte zum Zurückschneiden des Wildwuchses dieser Vergünstigungen hat vor Kurzem die Expertenkommission ,Bürgernahe Einkommensteuer' des Bundesfinanzministeriums vorgeschlagen (Bundesministerium der Finanzen 2024) – bislang freilich ohne politische Resonanz.“ Thema der Anhörung waren neben dem Gesetzentwurf der Bundesregierung auch Anträge der AfD-Fraktion (21/2363) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (21/2558). (bal/10.11.2025)

Anhörung zu Änderungen im Verbraucher­vertragsrecht

Mo, 10.11.2025 - 11:00
Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat sich am Montag, 10. November 2025, in einer öffentlichen Anhörung mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Änderung des Verbrauchervertrags- und des Versicherungsvertragsrechts sowie zur Änderung des Behandlungsvertragsrechts“ (21/1856, 21/2463) befasst. Sieben Sachverständige nahmen in der Sitzung zu dem Vorhaben Stellung. Gesetzentwurf der Bundesregierung Mit dem Gesetzentwurf sollen zum einen Vorgaben der EU-Richtlinien 2023 / 2673 und 2024 / 825 umgesetzt werden, die Änderungen der Verbraucherrechte-Richtlinie betreffen. Kern sind unter anderem die Einführung einer elektronischen Widerrufsfunktion bei online geschlossenen Fernabsatzverträgen sowie eine Einschränkung des „ewigen Widerrufsrechts“ im Bereich der Finanzdienstleistungs- und Versicherungsverträge. Auch Informationspflichten sind Gegenstand des Entwurfs. Darüber hinaus soll im Bürgerlichen Gesetzbuch ein Anspruch auf die unentgeltliche Aushändigung der ersten Kopie der Behandlungsakte verankert werden. Diese Änderung geht laut Vorlage auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26. Oktober 2023 zurück. "Bislang keine Probleme mit Ausübung des Widerrufsrechts" Für den Handelsverband Deutschland sagte Georg Grünhoff, dass die zusätzliche Regulierung des Widerrufsrechts für Online-Händler eigentlich nicht erforderlich sei. Verbraucher hätten bislang keine Probleme mit der Ausübung des Widerrufsrechts gehabt, so Grünhoff. Bei der Umsetzung der EU-Vorgaben warb der von der CDU/CSU-Fraktion benannte Sachverständige für eine möglichst praktikable Umsetzung bei allen Geschäftsmodellen. Konkrete Nachbesserungen forderte der Handelsverbandsvertreter mit Blick auf die Umsetzung der Widerrufsfunktion für Online-Händler, die ohne Kundenkonto agieren. Tatjana Halm von der Verbraucherzentrale Bayern nannte die Einführung der Widerrufsfunktion einen richtigen und wichtigen Schritt. Beschwerden mit Bezug auf den Widerruf träten häufig auf, führte Halm aus. Die auf Vorschlag der SPD-Fraktion benannte Sachverständige machte ebenfalls Vorschläge zur Umsetzung der Widerrufsfunktion, etwa mit Bezug auf die präzise Formulierung. Nachbesserungsbedarf sah Halm zudem bei den Regelungen zu den Informationspflichten. "Massive Einschränkung von Verbraucherrechten" Axel Kleinlein vom Beratungsunternehmen mathconcepts ging auf die geplanten Änderungen im Versicherungsvertragsrecht ein. Er sprach von einer „massiven Einschränkung“ von Verbraucherrechten insbesondere mit Blick auf die Verbraucherinformation. Kritisch sah der von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen benannte Sachverständige die vorgesehene Streichung des Anspruchs auf Information der ursprünglichen Vertragsbestimmungen im Versicherungsvertragsrecht. Auch die Anpassung beim „ewigen Widerrufsrecht“ sei hoch problematisch, so Kleinlein. Felix Methmann vom Verbraucherzentrale Bundesverband ging unter anderem auf die geplante Änderung im Behandlungsvertragsrecht ein. Diese sei ein kleiner, aber wichtiger Schritt, um die Patientinnen und Patienten in ihrer Position gegenüber den Behandelnden zu stärken. Dafür sei aber eine Überarbeitung des Patientenrechtegesetzes dringend erforderlich, sagte der von der SPD-Fraktion benannte Sachverständige. Methmann warb zudem dafür, das Gesetzesvorhaben dazu zu nutzen, eine sektorübergreifende allgemeine Bestätigungspflicht einzuführen, um Verbraucher gegen telefonisch untergeschobene, langfristige Verträge besser zu schützen. "Pragmatische Umsetzung von EU-Richtlinien" Dr. Maximilian Ott von der Bundesrechtsanwaltskammer sagte, der Entwurf lasse weder viel Raum für Kritik noch für Lob. Es handle sich um eine „pragmatische Umsetzung der Richtlinien“. Der von der Unionsfraktion benannte Sachverständige warb dafür, sich auf EU-Ebene für eine Vereinfachung der Widerrufsvorschriften einzusetzen. Prof. Dr. Martin Schmidt-Kessel von der Universität Bayreuth nannte die Konzeption des Gesetzentwurfs gelungen. Schmidt-Kessel begrüßte unter anderem die Beseitigung des „ewigen Widerrufsrechts“. Mit Blick auf Vorschläge zur Einführung einer Bestätigungslösung warnte der Rechtswissenschaftler davor, diese in einer „Eilaktion“ einzuführen. Zwar sei so eine Lösung richtig und unverzichtbar, doch müsse man sich gut überlegen, wie sie mit der Rechtsgeschäftslehre zusammenspiele, sagte der von der Unionsfraktion benannte Sachverständige. Florian Schönberg vom Sozialverband Deutschland Bundesverband kritisierte die geplante Umsetzung des Einsichtsrechts in die Behandlungsakte. Wie auch Verbraucherzentralen-Vertreter Methmann monierte Schönberg, dass künftig im Normtext auf die Begriffe „Unverzüglichkeit“ und „Vollständigkeit“ verzichtet werden solle. Diese Begriffe sicherten „Transparenz, Rechtssicherheit und Klarheit im Behandlungsverhältnis“, sagte der von der Fraktion Die Linke benannte Sachverständige. (scr/10.11.2025)

Wehrdienst-Modernisierungsgesetz stößt auf Skepsis und Kritik

Mo, 10.11.2025 - 10:00
Der Entwurf der Bundesregierung für das geplante Wehrdienst-Modernisierungsgesetz (21/1853) ist in einer öffentlichen Anhörung des Verteidigungsausschusses am Montag, 10. November 2025, bei der deutlichen Mehrheit der geladenen Sachverständigen auf viel Skepsis und Kritik gestoßen – allerdings aus ganz unterschiedlichen Gründen. Zweifel, ob die angestrebte Truppenstärke ausreichen wird Sowohl der Militärhistoriker Prof. Dr. Sönke Neitzel von der Universität Potsdam als auch der Vorsitzende des Deutschen Bundewehrverbandes, Oberst André Wüstner, bezweifelten, dass die von der Bundesregierung im Gesetzentwurf angestrebte Truppenstärke der Bundeswehr von 260.000 aktiven Soldaten und weiteren 200.000 Reservisten ausreichen wird, die Verpflichtungen Deutschlands gegenüber der Nato und den Kräftebedarf im sogenannten „Operationsplan Deutschland“ zu erfüllen. Die genannten Zahlen seien „diffus“ und das Verteidigungsministerium sei bislang eine „schlüssige Ableitung dieser Berechnung schuldig geblieben“, kritisierte Neitzel. Auch Wüstner bemängelte, dass es sich bei der erfolgten Festsetzung des Verteidigungsumfangs lediglich um eine „erste grob geschätzte Ableitung“ handele, die nicht auf einem „politisch gebilligten neuen Fähigkeitsprofil“ für die Streitkräfte beruhe. Nach Einschätzung Wüstners dürfte der benötigte Umfang der aktiven Truppe eher oberhalb von 300.000 Soldaten liegen. Der Leiter des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr, Generalleutnant Robert Karl Sieger, verwies darauf, dass das Verteidigungsministerium den anvisierten konkreten Truppenaufwuchs bis zum Frühjahr 2026 vorlegen werde. Dies bezeichnete Neitzel als „absurd“. Die neuen Anforderungen der Nato seien doch im Grunde seit Langem bekannt. "Wehrpflicht-Aussetzung ein großer strategischer Fehler" Neitzel und Wüstner bezweifelten ebenso wie Generalleutnant a.D. Joachim Wundrak zudem, dass es der Bundeswehr gelingen wird, den angestrebten Truppenumfang allein aus Freiwilligen rekrutieren zu können. Die Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 sei „ein großer strategischer Fehler“ gewesen. Schon jetzt sei absehbar, dass auch die geplante Steigerung der Attraktivität des Dienstes – etwa durch eine Erhöhung des Soldes oder Zuschüsse zum Erwerb des Führerscheins – nicht ausreichen werde, um genügend Freiwillige zu rekrutieren. Die Reaktivierung der Wehrpflicht für alle Männer sei deshalb „unabdingbar“, sagte Wundrak. Er plädierte für einen dreimonatigen Grundwehrdienst. Dies würde zumindest ausreichen, um den Bedarf an Soldaten für Sicherungsaufgaben im Rahmen der Territorialverteidigung zu decken. Die Wehrpflichtigen dürften allerdings nur im Inland eingesetzt werden. "Größte Herausforderung bei den Zeit- und Berufssoldaten" Neitzel sprach sich für die Einführung einer Auswahlwehrpflicht nach schwedischem Vorbild aus, bei dem verpflichtend zum Militärdienst eingezogen wird, wenn sich nicht genügend Freiwillige zum Dienst melden. Auch Wüstner präferierte dieses Modell. Auf jeden Fall müsse bereits jetzt im Gesetz ein Mechanismus verankert werden, um Wehrpflichtige einzuziehen, wenn sich nicht ausreichend Freiwillige melden. Er verwies zudem darauf, dass sich das Personalproblem der Bundeswehr weder mit Freiwilligen noch mit Wehrpflichtigen, die nur wenige Monate dienen, lösen lasse. Die größte Herausforderung liege im Bereich der Zeit- und Berufssoldaten, „den Profis“,argumentierte Wüstner. Die Personalstruktur der Bundeswehr müsse entsprechend umgebaut werden. "Potenzial an Freiwilligen noch nicht ausgeschöpft" Auch Neitzel bescheinigte, dass die Bundeswehr deutlich überaltert sei und lediglich 50 Prozent der Truppe mit dem eigentlichen Kernauftrag beschäftigt seien. Die übrigen 50 Prozent seien vor allem in Stäben, Behörden und Ämtern eingesetzt. Angesprochen auf das Problem der Wehrgerechtigkeit bei einer Auswahlwehrpflicht führte Neitzel an, dass in Friedenszeiten die Wehrgerechtigkeit noch nie gegeben gewesen sei. Es seien stets weniger junge Männer zum Dienst gezogen worden als zur Verfügung gestanden hätten. Im Gegensatz zu Neitzel, Wüstner und Wundrak argumentierte Generalleutnant Sieger, dass die Bundeswehr das Potenzial an Freiwilligen noch nicht ausgeschöpft habe. So seien in den vergangenen zwei Jahren die Bewerberzahlen und die Zahl der Einstellungen auf einen Höchstwert angestiegen. In den Jahren davor sei der Einbruch der Bewerberzahlen vor allem mit der Corona-Pandemie zu erklären. Durch die geplanten Maßnahmen zur Steigerung des Wehrdienstes könne es gelingen, mehr Freiwillige für die Bundeswehr zu gewinnen. Aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre ließe sich ableiten, dass die Freiwilligen vor allem auf eine heimatnahe Verwendung und auf einen „sinnstiftenden Dienst“ Wert legten. Massive Kritik von Schüler- und Jugendvertretung Massive Kritik am Gesetzentwurf der Regierung beziehungsweise an dessen Zustandekommen übten Quentin Gärtner, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, und die Vorsitzende des Deutschen Bundesjugendringes e.V., Daniela Broda. Übereinstimmend bemängelten sie, dass bei der Formulierung des Gesetzentwurfes die Bedürfnisse junger Menschen in Deutschland nicht berücksichtigt und deren Vertreter nicht angehört worden seien. Dabei habe man bei der Ausarbeitung von Gesetzesvorlagen etwa im Bundesfamilienministerium sehr gute Erfahrungen mit der Beteiligung von Jugendverbänden gemacht, führte Broda aus. Gärtner forderte: „Wir müssen gehört werden! Punkt.“ Er verwies darauf, dass die Jugendlichen in Deutschland sehr wohl bereit seien, einen Dienst für die Gesellschaft zu leisten. Doch darauf würden sie im aktuellen Bildungssystem nicht vorbereitet. „Die Resilienz der Gesellschaft wird nachhaltiger und stabiler sein, wenn junge Menschen nicht ausschließlich als Ausputzer für Entwicklungen betrachtet werden, die sie nicht zu verantworten haben“, sagte Gärtner. Er forderte ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Förderung junger Menschen vorrangig in den Bereichen Gesundheit und Bildung. Broda mahnte an, dass die Jugendlichen nicht nur über einen möglichen freiwilligen Wehrdienst informiert werden, sondern auch über gleichwertige Dienste im zivilen Bereich. (aw/10.11.2025)

Mindestalter für Social Media und freier Zu­gang zur Psychotherapie

Mo, 10.11.2025 - 10:00
Mit zwei Petitionen hat sich der Petitionsausschuss in seiner öffentlichen Sitzung am Montag, 10. November 2025, befasst. In der ersten Stunde ging es um eine Petition zum Kinder- und Jugendmedienschutz, und zwar um ein Mindestalter von 16 Jahren für die Nutzung von Social Media und um die Einsetzung einer unabhängigen wissenschaftlichen Expertenkommission. Das Thema der zweiten Petition ab 13 Uhr betraf Ärzte. Konkret ging es um den Erhalt des freien Zugangs zur Psychotherapie. Vorerst kein gesetzliches Mindestalter für Social-Media-Nutzung Die gesetzliche Festschreibung eines Mindestalters von 16 Jahren für die Nutzung von Social Media mit eigenen Accounts wird es zumindest kurzfristig nicht geben. Laut der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Mareike, Lotte Wulf (CDU), sieht die Bundesregierung bei dem Thema „dringenden Handlungsbedarf“. Daher habe sie eine Kommission eingesetzt, die sich um die Frage des „Kinder- und Jugendschutzes in der digitalen Welt“ kümmert. Die Kommission werde im Herbst 2026 ihre Ergebnisse vorlegen, kündigte die Staatssekretärin an. „Uns ist dabei wichtig, wissenschaftsbasiert vorzugehen“, betonte sie. Eine Expertenkommission „zur Untersuchung der Auswirkungen digitaler Bildschirmmedien auf die Gesundheit und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen“ wird – neben dem Mindestalter von 16 Jahren – auch in der der Sitzung zugrundeliegenden öffentlichen Petition gefordert. Die Petentin Verena Holler, Mitgründerin und Vorstandsmitglied des Vereins „Smarter Start“, betonte vor den Abgeordneten den dringenden Handlungsbedarf, „Minderjährige im digitalen Raum zu schützen“. Kinder seien dort schwerwiegenden Gefahren und Risiken ausgesetzt. Sie verbrächten mehr und mehr Zeit vor Bildschirmen, „statt sich aktiv mit Familie, Freunden und der Offline-Welt auseinanderzusetzen“. Petentin plädiert für gesetzliches Mindestalter von 16 Jahren Suchtfördernde Designs hielten sie gefangen. Täglich liefen sie Gefahr, illegalen, schädlichen und extremistischen Inhalten zu begegnen. Die Frage sei daher nicht ob, sondern wie man Kinder vor Plattformen schützen kann, deren Geschäftsmodell es sei, die Nutzungszeit um jeden Preis zu maximieren, sagte Holler. „Wie schützen wir Kinder vor Plattformen, die ihr Verhalten, ihre Schwächen, ihre Stimmungen durchgehend beobachten und analysieren?“ Wenn sie unzufrieden mit ihrem Körper, traurig wegen Liebeskummer oder empfänglich für extremistisches Gedankengut seien, werde ihnen passgenau das vorgesetzt, für das sie in diesem Moment empfänglich seien. Für die einen seien das Inhalte, die Essstörungen fördern, für die anderen Inhalte, die Suizid als Lösung aller Probleme glorifizierten, für den dritten extremistische Propaganda. „Die richtige Antwort auf diese Fragen ist ein gesetzliches Mindestalter von 16 Jahren für Social Media kombiniert mit einer verpflichtenden Altersverifikation“, sagte sie. "Das Design muss sich ändern, nicht das Kind" Ein milderes Mittel sehe sie nicht. Die vermeintliche Alternative, Kinder durch den Aufbau von Medienkompetenz zum Selbstschutz zu befähigen, „klingt vernünftig, ist es aber nicht“. Es liege nicht an mangelnder Aufklärung, wenn Kinder zu lange scrollten, Enthauptungen ansähen oder sich bei Gewalttaten oder lebensgefährlichen Challenges filmten. Es sei vielmehr die logische Folge von Algorithmen, die genau zu diesem Zweck programmiert würden. Von Kindern zu fordern, sich dagegen behaupten zu können, sei unfair. Selbstverständlich brauche es auch eine Kompetenzförderung. „Wenn aber Dienste strukturell jugendgefährdend sind, muss sich das Design ändern, nicht das Kind“, sagte sie. Wichtig sei auch, dass das Verbot für alle gilt und es keine Möglichkeit gibt, dass Eltern für 13-Jährige einwilligen. „Dann heißt es wieder: Alle anderen haben aber…“, sagte die Mutter zweier Kinder. "Ein Wettlauf gegen die Zeit" Auf Nachfrage machte Holler deutlich, dass es nicht um die Benutzung von Social-Media-Diensten gehe: „Es geht, wie in Australien, um die Errichtung eigener Accounts.“ Zwar brauche es für unter 16-Jährige laut aktuellen gesetzlichen Regelungen dafür auch jetzt schon die Einwilligung der Eltern. Die Plattformen prüften das aber nicht. Die Petentin sprach von einem Wettlauf gegen die Zeit. „Wir sind Eltern. Unsere Kinder sind jetzt Kinder“, sagte Holler. „Ich kann nicht warten, bis in acht oder zehn Jahren eine im Digital Service Act (DSA) vorgesehene Regulierung tatsächlich greift.“ Die europäischen Leitlinien machten es möglich, dass Nationalstaaten ein Mindestalter regeln, sagte sie. „Das ist als Sofortmaßnahmen nötig, um auch sofort eine Wirkung zu haben.“ "Alle Plattformen regulieren" Die Argumentation, dass, wenn die großen Plattformbetreiber ein Verbot – kombiniert mit einer zuverlässigen Altersüberprüfung – umsetzen müssten, die Kinder zu noch schlimmeren unkontrollierten Plattformen gehen würden, ließ Tobias Windbrake, ebenfalls Vorstandsmitglied bei „Smarter Start“, nicht gelten. Selbstverständlich müssten alle Plattformen entsprechend reguliert werden. Eine solche Regulierung, so Windbrake, schaffe auch erst den Raum für „gute, ethische Plattformen“, die aktuell gar keine Chance hätten. Einer Altersregulierung bei Social Media stehe ihr Ministerium positiv gegenüber, sagte Staatssekretärin Wulf. Mit dem DSA gebe es auf europäischer Ebene positive Entwicklungen und Vorgaben an die Plattformbetreiber. Es brauche aber auch eine Altersverifikation, die wirkt. Mit der EUDI-Wallet gebe es Ansätze für einen Mechanismus, mit dem nachweisbar werden soll, wie alt ein Kind ist, wenn es einen Account anlegt. Ihrer Information zufolge werde die EUDI-Wallet Ende nächsten Jahres zur Verfügung stehen, „was dann mit dem Bericht der Kommission ganz gut zusammenfallen sollte“, sagte Wulf. Petentin Holler verwies noch auf die Entwicklung in Australien. Dort habe man sich zwölf Monate mit der Frage eines Mindestalters auseinandergesetzt. „Dort wurde ein Weg gefunden. In einem Monat tritt die Regelung in Kraft. Lassen Sie uns doch sehen, was klappt und was nicht klappt“, forderte sie. Petition für freien Zugang zur Psychotherapie für gesetzlich Versicherte Bei der Beratung der zweiten Petition warnte der Vorstandvorsitzende des Deutschen Psychotherapeuten Netzwerkes (DPNW), Dieter Adler, vor einer Verschlechterung der Situation für Patientinnen und Patienten, wenn künftig vor dem Besuch einer Psychotherapie-Praxis ein Haus- oder Kinderarzt aufgesucht werden muss. Es brauche weiterhin einen freien Zugang zur Psychotherapie für gesetzliche Versicherte, sagte Adler. „Der Hausarzt schafft nur einen weiteren Flaschenhals“, betonte er. Schon jetzt gebe es lange Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz. Ein verpflichtender Hausarztbesuch stelle eine weitere Hürde dar, sagte Adler. In seiner Petition bezieht er sich auf das im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vorgesehene „Primärarztsystem“, welches einen Hausarztbesuch vorschreibt – mit Ausnahme bei der Augenheilkunde und der Gynäkologie. Das Primärarztsystem sei prinzipiell eine gute Möglichkeit, die Kosten im Gesundheitswesen einzudämmen, heißt es in der Petition. Der freie Zugang zur Psychotherapie müsse jedoch erhalten bleiben. „Jeder, der Hilfe bei uns sucht, sollte dies auch ohne Zustimmung des Haus- oder Kinderarztes tun können.“ "Es geht nicht um Konkurrenz zu Hausärzten" Adler nennt es in der Vorlage unverständlich, „dass Augenärzte und Gynäkologen sofort aufgesucht werden können, Psychotherapeuten aber nicht“. Schließlich seien die Gründe, eine Psychotherapie aufzusuchen, „zu persönlich und müssen niemandem Dritten mitgeteilt werden“. Sie sollten auch nicht vorab von einem Arzt geprüft werden. Vor den Abgeordneten machte der Vorstandvorsitzende des Deutschen Psychotherapeuten Netzwerkes deutlich, dass es nicht um eine Konkurrenz zu Hausärzten ginge. „Im Gegenteil: Wir sind ja auch verpflichtet, als psychologische Psychotherapeuten einen Konsiliarbericht einzuholen, nachdem wir zu der Einschätzung gekommen sind, dass eine Therapie notwendig ist.“ Eine ärztliche Mitbehandlung sei in bestimmten Fällen ohnehin Teil der Therapie. "Psychotherapeuten können Gatekeeper-Funktion übernehmen" Für viele Patienten sei es nicht einfach, einzuräumen, man brauche eine Therapie, so Adler weiter. Oft seien es auch schambesetzte Themen nach einer Traumatisierung, die die Menschen zur Psychotherapie brächten. „Ich müsste als Patient als erst einmal meine Scham dem Hausarzt gegenüber überwinden. Im zweiten Schritt müsste ich das Ganze nochmal einem Therapeuten erzählen“, sagte Adler. Langfristig könne diese Hürde dazu führen, dass die Patienten Abstand von einer Therapie nähmen, warnte er. Was die Rolle des Hausarztes als „Gatekeeper“ angeht, so machte Adler deutlich, dass die Psychotherapeuten diese Funktion selbst übernehmen könnten. Schließlich kämen die Patienten zuerst in eine Sprechstunde, auch wenn aktuell gar kein Therapieplatz frei ist. Es werde dort eine Diagnose gestellt und auch eine Therapieempfehlung gegeben. "Primärarztsystem noch in der Ausarbeitungsphase" Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Dr. Georg Kippels (CDU), machte deutlich, dass das Primärarztsystem noch in der Ausarbeitungsphase sei und aktuell als eine Konzeptidee und ein Arbeitstitel existiere. Derzeit nehme man im Ministerium eine Stoffsammlung aller relevanten Aspekte und Fragestellung vor. Diese seien zum jetzigen Zeitpunkt weder strukturiert noch ausformuliert. „Für weitergehende konkretisierende Aussagen ist hier und heute noch kein Raum“, sagte Kippels. Auch die Ausnahmen für Augenärzte und Gynäkologen seien „nur eine Empfehlung aus dem Koalitionsvertrag“. Diese sei nicht als Vorfestlegung für eine künftige Regelung zu verstehen, sagte er. (hau/10.11.2025)

Rüstungsindustrie begrüßt schnellere Beschaffungen für die Bundeswehr

Mo, 10.11.2025 - 10:00
Die deutsche Rüstungsindustrie hat die geplanten schnelleren Beschaffungen für die Bundeswehr „uneingeschränkt begrüßt“. Dr. Hans Christoph Atzpodien vom Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie bewertete in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie am Montag, 10. November 2025, besonders positiv, dass der Gesetzentwurf wegweisende Öffnungen wie die Befreiung von der Verpflichtung zur Beschaffung „klimafreundlicher Leistungen“ enthalte. Grundlage der vom Vorsitzenden Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU) geleiteten Anhörung war der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur beschleunigten Planung und Beschaffung für die Bundeswehr (21/1931), mit dem die Vergabe öffentlicher Aufträge sowie die Errichtung verteidigungswichtiger Anlagen schneller durchgeführt werden soll als dies nach der derzeitigen Rechtslage möglich ist. "Auf technologische Exzellenz setzen" Atzpodien appellierte an Bundesregierung und Bundestag, in jedweder Konstellation auf die „souveränitätsbegründende Kraft“ und auf die technologische Exzellenz der heimischen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie zu setzen. „Eine starke nationale industrielle Basis trägt mit ihrer Spitzentechnologie maßgeblich zur Abschreckung und zur Verteidigungsfähigkeit Deutschlands, Europas und der Nato bei“, sagte der Sachverständige. Jens Plötner, Staatssekretär im Verteidigungsministerium, wies darauf hin, mit dem Gesetz sollten Fähigkeitslücken schneller geschlossen werden. Die technologische Souveränität solle gesichert und die Truppe mit dem bestmöglichen Gerät ausgestattet werden. Es werde jetzt auch leichter, Gesamtaufträge zu vergeben, statt die Vergabe in Teil-Losen vorzunehmen. Das Gesetz entlaste bei Bürokratie, setze verlässliche Fristen und stärke die Bundeswehr und die Industrie. "Wichtige Schritte in die richtige Richtung" Auch Uwe Horstmann vom Drohnenhersteller STARK Defence nannte den Entwurf „einen wichtigen Schritt in Richtung einer flexibleren, schnelleren und innovativeren Beschaffung von Verteidigungsgütern“. Die vorgesehenen Möglichkeiten, Start-ups bei Ausschreibungen stärker als bisher zu berücksichtigen, seien wichtige Schritte in die richtige Richtung. Finn-Christopher Brüning von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände erwartet durch das Gesetz eine schnellere Modernisierung der Standorte, der Ausrüstung sowie der Ausbildungsmöglichkeiten für die Truppe. Die Beschleunigungen dürften jedoch nicht auf Vorhaben der Bundeswehr beschränkt bleiben, sondern sollten auch auf kommunale Infrastrukturprojekte ausgeweitet werden. „Landes- und Bündnisverteidigung funktionieren nur dann, wenn nicht nur die Kasernen modern und einsatzbereit sind, sondern auch die Straßen, Wege, Brücken sowie die Ver- und Entsorgungsinfrastruktur vor den Toren der Liegenschaften der Bundeswehr und der Bündnispartner leistungsfähig und belastbar sind“, sagte Brüning. "Geringe Wettbewerbsintensität lässt Preise steigen" Prof. Dr. rer. pol. Michael Eßig von der Universität der Bundeswehr in München berichtete, das Beschaffungsvolumen der Bundeswehr werde gegenüber dem Vor-Ukrainekriegsjahr 2021 bis 2029 um 588 Prozent wachsen. Zugleich sei aber festzustellen, dass sich die Zahl der Bieter pro Vergabeverfahren stark verringert habe. Inzwischen würden 41,8 Prozent aller Verfahren mit nur einem einzigen Angebot enden. Die Bundeswehr erhalte etwa 2,2 Gebote pro Verfahren. Die geringe Wettbewerbsintensität lasse die Preise steigen. Eßig sagte, die Instrumente zur Stärkung der Innovationsbeschaffung seien prinzipiell zu begrüßen: „Die vorgeschlagenen Instrumente des Gesetzes erweitern den Handlungsspielraum der Beschaffungsorganisation.“ Dass das Gesetz jetzt für den gesamten Bedarf der Bundeswehr gelte und nicht nur für Militärausrüstung im engeren Sinne, sei zu begrüßen und notwendig. "Mobilisierte Mittel effektiv ausgeben" Julia Cuntz von der Industriegewerkschaft Metall forderte, die äußere Sicherheit dürfe nicht gegen die innere soziale Sicherung ausgespielt werden. Die nun mobilisierten Mittel müssten daher besonders effektiv ausgegeben werden. Andreas Seifert vom gemeinnützigen Verein "Informationsstelle Militarisierung" bezweifelte, dass das Gesetz die Aufgabe der Beschleunigung tatsächlich erfüllen kann. Das Gesetz selbst greife tief ins Wettbewerbs- und Vergaberecht ein und gebe der Regierung umfangreiche Befugnisse zur freihändigen Vergabe von Aufträgen. Trotz aller Bekundungen einer partnerschaftlichen Entwicklung der Rüstungsindustrie in Europa liege der Fokus des Gesetzes sichtbar auf der Stärkung einer nationalen deutschen Rüstungsindustrie. Dieser Protektionismus sei ein Kostentreiber. Negative Auswirkungen auf Windenergie-Ausbau befürchtet Potenziell erhebliche negative Auswirkungen auf den Ausbau der Windenergie befürchtete Dr. Michael Rolshoven von der Berliner Rechtsanwaltskanzlei Tettau. Der Gesetzentwurf stehe im Widerspruch zu den gesetzlichen Zielen des raschen Ausbaus der erneuerbaren Energien. Durch eine Art „pauschales Vetorecht“ der Bundeswehr gegen Windenergieanlagen wegen angenommener, wissenschaftlich aber nicht untersuchter Störungen von Radaranlagen seien erhebliche Flächenverluste für den Windenergieausbau zu befürchten. (hle/10.11.2025)