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§ 958 BGB - Eigentumserwerb an beweglichen herrenlosen Sachen (Kommentar)

(1) Wer eine herrenlose bewegliche Sache in Eigenbesitz nimmt, erwirbt das Eigentum an der Sache.

(2) Das Eigentum wird nicht erworben, wenn die Aneignung gesetzlich verboten ist oder wenn durch die Besitzergreifung das Aneignungsrecht eines anderen verletzt wird.

1. Regelungsgehalt

§ 958 BGB regelt den Erwerb des Eigentums an beweglichen herrenlosen Sachen durch Aneignung. Die Aneignung ist eine der originären Erwerbsarten des Eigentums, bei denen kein Rechtsvorgänger erforderlich ist.1 Die Aneignung ist ein Realakt, der keinen rechtsgeschäftlichen Willen voraussetzt, sondern nur einen tatsächlichen Willen zur Sachherrschaft.2

2. Aneignung

Die Aneignung setzt zwei Tatbestandsvoraussetzungen voraus: die Herrenlosigkeit der Sache und die Inbesitznahme durch den Aneigner.3

2.1. Herrenlosigkeit

Die Herrenlosigkeit der Sache bedeutet, dass die Sache keinem Eigentümer zugeordnet ist. Dies kann entweder daran liegen, dass die Sache niemals im Eigentum einer Person gestanden hat (z. B. wilde Tiere nach § 960 Abs. 1 BGB) oder dass der Eigentümer das Eigentum an der Sache aufgegeben hat (Dereliktion nach § 959 BGB). Die Herrenlosigkeit muss objektiv gegeben sein; ein Irrtum des Aneigners über die Herrenlosigkeit schadet nicht.

2.2. Inbesitznahme

Die Inbesitznahme durch den Aneigner erfordert, dass dieser den Eigenbesitz an der Sache begründet. Der Eigenbesitz ist nach § 872 die tatsächliche Sachherrschaft in dem Bewusstsein, sie als eigene auszuüben. Der Eigenbesitz kann sowohl unmittelbar als auch mittelbar sein. Die Inbesitznahme muss freiwillig erfolgen; eine unfreiwillige Besitzaufgabe des bisherigen Eigentümers genügt nicht .

3. Rechtsfolge

Die Rechtsfolge der Aneignung ist, dass der Aneigner das Eigentum an der Sache erwirbt. Der Eigentumserwerb tritt kraft Gesetzes mit der Inbesitznahme ein und bedarf keiner Einigung oder Übergabe nach § 929 BGB. Der Eigentumserwerb wirkt gegenüber jedermann und kann nicht widerrufen werden.

4. Unterscheidung

Die Aneignung ist von anderen Formen des Eigentumserwerbs oder -verlusts zu unterscheiden. Wenn der bisherige Eigentümer das Eigentum an einer bestimmten Person übertragen will, liegt eine Übereignung nach § 929 BGB vor, nicht eine Aneignung. Wenn der bisherige Eigentümer die Sache entsorgen oder vernichten will, liegt ebenfalls keine Aneignung vor, es sei denn, er gibt den Besitz an der Sache auf und erklärt konkludent seinen Aufgabewillen. Die einseitige Aufgabe von Miteigentum ist nicht möglich, weil dadurch dem anderen Miteigentümer unfreiwillig der Werterhalt der Sache aufgebürdet wird.

Die Ausnahme nach Absatz 2 verhindert einen Eigentumserwerb durch Aneignung, wenn dieser gesetzlich verboten ist oder wenn dadurch das Aneignungsrecht eines anderen verletzt wird. Ein gesetzliches Verbot kann sich aus dem öffentlichen Recht oder dem Privatrecht ergeben. Ein Aneignungsrecht eines anderen besteht z.B. beim Jagd- oder Fischereiberechtigten oder beim Finder einer verlorenen Sache nach § 965 BGB.

  • 1. BeckOK BGB, § 958, Rn. 1.
  • 2. Münchener Kommentar BGB, § 958, Rn. 4.
  • 3. Prütting/Wegen/Weinreich, § 958, Rn. 2.
Literaturverzeichnis
Zitierte Literatur: 
  • opinioiuris.de, Bernhard Möller, Dereliktion
  • opinioiuris.de, Frank Behrens, Herrenlosigkeit
  • BeckOK BGB, § 959
  • MüKo BGB, § 959
  • Prütting/Wegen/Weinreich, BGB - Kommentar, § 959