Art. 1 GG

BGH, 02.04.1957 - VI ZR 9/56

1. Das durch Art. 1, 2 GrundG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein sonstiges Recht im Sinne des §823 Abs. 1 BGB.
2. In einer seiner Erscheinungsformen richtet es sich auf die Wahrung der persönlichen Geheimsphäre durch Geheimhaltung ärztlicher Zeugnisse über den Gesundheitszustand.
3. Die Reichweite des Persönlichkeitsrechts bemißt sich im Streitfalle nach dem Prinzip der Güter- und Interessenabwägung.

Suizid und Gott – Zu Ferdinand von Schirachs Theaterstück »Gott«

»Töten Sie mich, oder Sie sind ein Mörder.«1 Ferdinand von Schirach hat wieder einmal ein Stück geschrieben, das – wie schon 2016 »Terror« – um eine unserer zentralen Rechtsfragen kreist: Kann ein gesunder Mensch (gleich welchen Alters) verlangen, ein tödliches Medikament zu erhalten, mit dem er sich umbringen kann? Im Februar 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Selbstbestimmungsrecht jedes Menschen auch die Entscheidung umfasst, ob er weiterleben will2. Derzeit ist die Frage offen, wie der Gesetzgeber das in der Praxis ausgestalten kann.

Art. 1 GG - Menschenwürde, Menschenrechte, Grundrechtsbindung (Kommentar)

(1) ¹Die Würde des Menschen ist unantastbar. ²Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Irritationen am Rand des Todes – Über rechtliche Konflikte bei der Sterbehilfe

Am 26. Februar 2020 erklärte das Bundesverfassungsgericht das damals in Deutschland bestehende Verbot der Sterbehilfe für verfassungswidrig und forderte eine neue gesetzliche Regelung an. Bis heute (Dezember 2023) gibt es keine Lösung. Hier ein paar grundsätzliche Gedanken zum Thema, die 2015 im Merkur – Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, Heft 798/2015, Seite 22–35 verkürzt veröffentlicht worden sind.

BVerfG, 05.06.1973 - 1 BvR 536/72

1. Eine Rundfunk- oder Fernsehanstalt kann sich grundsätzlich für jede Sendung zunächst auf den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Die Rundfunkfreiheit deckt sowohl die Auswahl des dargebotenen Stoffes als auch die Entscheidung über die Art und Weise der Darstellung einschließlich der gewählten Form der Sendung.
Erst wenn die Rundfunkfreiheit mit anderen Rechtsgütern in Konflikt gerät, kann es auf das mit der konkreten Sendung verfolgte Interesse, die Art und Weise der Gestaltung und die erzielte oder voraussehbare Wirkung ankommen.
2. Die Vorschriften des §§ 22, 23 KunstUrhG bieten ausreichenden Raum für eine Interessenabwägung, die der Ausstrahlungswirkung der Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG einerseits, des Persönlichkeitsschutzes gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG andererseits Rechnung trägt.
Hierbei kann keiner der beiden Verfassungswerte einen grundsätzlichen Vorrang beanspruchen. Im Einzelfall ist die Intensität des Eingriffes in den Persönlichkeitsbereich gegen das Informationsinteresse der öffentlichkeit abzuwägen.
3. Für die aktuelle Berichterstattung über schwere Straftaten verdient das Informationsinteresse der Öffentlichkeit im allgemeinen den Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz des Straftäters. Jedoch ist neben der Rücksicht auf den unantastbaren innersten Lebensbereich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten; danach ist eine Namensnennung, Abbildung oder sonstige Identifikation des Täters nicht immer zulässig.
Der verfassungsrechtliche Schutz der Persönlichkeit läßt es jedoch nicht zu, daß das Fernsehen sich über die aktuelle Berichterstattung hinaus etwa in Form eines Dokumentarspiels zeitlich unbeschränkt mit der Person eines Straftäters und seiner Privatsphäre befaßt.
Eine spätere Berichterstattung ist jedenfalls unzulässig, wenn sie geeignet ist, gegenüber der aktuellen Information eine erheblich neue oder zusätzliche Beeinträchtigung des Täters zu bewirken, insbesondere seine Wiedereingliederung in die Gesellschaft (Resozialisierung) zu gefährden. Eine Gefährdung der Resozialisierung ist regelmäßig anzunehmen, wenn eine den Täter identifizierende Sendung über eine schwere Straftat nach seiner Entlassung oder in zeitlicher Nähe zu der bevorstehenden Entlassung ausgestrahlt wird.

BVerfG, 16.07.1969 - 1 BvL 19/63

Zur Verfassungsmäßigkeit einer Repräsentativstatistik.

BVerfG, 27.02.2008 - 1 BvR 370/07

1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme.

BVerfG, 02.03.2006 - 2 BvR 2099/04

1. Die nach Abschluss des Übertragungsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeicherten Verbindungsdaten werden nicht durch Art. 10 Abs. 1 GG, sondern durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützt.
2. §§ 94 ff. und §§ 102 ff. StPO genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen auch hinsichtlich der Sicherstellung und Beschlagnahme von Datenträgern und den hierauf gespeicherten Daten und entsprechen der vor allem für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geltenden Vorgabe, wonach der Gesetzgeber den Verwendungszweck der erhobenen Daten bereichsspezifisch, präzise und für den Betroffenen erkennbar bestimmen muss. Dem wird durch die strenge Begrenzung aller Maßnahmen auf den Ermittlungszweck Genüge getan (vgl. Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. April 2005 - 2 BvR 1027/02 -).
3. Beim Zugriff auf die bei dem Betroffenen gespeicherten Verbindungsdaten ist auf deren erhöhte Schutzwürdigkeit Rücksicht zu nehmen. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung muss dem Umstand Rechnung tragen, dass es sich um Daten handelt, die außerhalb der Sphäre des Betroffenen unter dem besonderen Schutz des Fernmeldegeheimnisses stehen und denen im Herrschaftsbereich des Betroffenen ein ergänzender Schutz durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zuteil wird.

BVerfG, 14.03.1972 - 2 BvR 41/71

1. Auch die Grundrechte von Strafgefangenen können nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden.
2. Eingriffe in die Grundrechte von Strafgefangenen, die keine gesetzliche Grundlage haben, müssen jedoch für eine gewisse Übergangsfrist hingenommen werden.
3. Eine Einschränkung der Grundrechte des Strafgefangenen kommt nur in Betracht, wenn sie zur Erreichung eines von der Wertordnung des Grundgesetzes gedeckten gemeinschaftsbezogenen Zweckes unerläßlich ist.
4. Es wird Aufgabe eines Strafvollzugsgesetzes sein, eine Grenze zu ziehen, die sowohl der Meinungsfreiheit des Gefangenen wie den unabdingbaren Erfordernissen eines geordneten und sinnvollen Strafvollzuges angemessen Rechnung trägt.

BGH, 04.06.1974 - VI ZR 68/73

1. Zur Wahrnehmung des Persönlichkeitsschutzes eines Verstorbenen gegen grobe Entstellungen seines Lebensbildes kann seinen Angehörigen auch ein Widerrufsanspruch gegen den Verletzer zustehen (Ergänzung zu BGHZ 50, 133 (Mephisto)).
2. Dagegen können sie wegen solcher Eingriffe in das Ansehen des Verstorbenen vom Verletzer eine Geldentschädigung nicht fordern.