Irritationen am Rand des Todes – Über rechtliche Konflikte bei der Sterbehilfe

Am 26. Februar 2020 erklärte das Bundesverfassungsgericht das damals in Deutschland bestehende Verbot der Sterbehilfe für verfassungswidrig und forderte eine neue gesetzliche Regelung an. Bis heute (Dezember 2023) gibt es keine Lösung. Hier ein paar grundsätzliche Gedanken zum Thema, die 2015 im Merkur – Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, Heft 798/2015, Seite 22–35 verkürzt veröffentlicht worden sind.

»Es schlägt! Es schlägt! Es schlägt – jetzt nicht mehr.«1

1. Unauflösbare Widersprüche

Franz Kafka (40) hat seit Jahren eine sich immer stärker entwickelnde und unheilbare Kehlkopf-Tuberkulose. Er lebt in einem Meer von Schmerzen. Einer seiner Ärzte, Dr. Oscar Beck schreibt am 03.05.1924:

»Bei der Nahrungsaufnahme steigern sich die Schmerzen derart, dass das Schlucken fast unmöglich ist. Ich konnte im Kehlkopf einen zerfallenden tuberkulösen Prozess konstatieren, der auch einen Teil des Kehldeckels mit einbezieht. Bei diesem Befund ist an irgendeinen operativen Eingriff überhaupt nicht zu denken, und ich habe eine Alkoholinjektion… gegeben. Heute rief mich Fräulein Diamant wieder an, um mir zu sagen, dass der Erfolg nur ein vorübergehender war« – allerdings:

»Am Montag ging es Franz sehr gut, er war lustig, zeigte Freude an allem, was Klopstock aus der Stadt mitgebracht hatte, aß Erdbeeren und Kirschen, roch sehr lange an ihnen, genoss ihren Duft, wie er überhaupt in den letzten Tagen alles mit verdoppelter Intensität genoss… An dem Genuss der anderen freute er sich mit«2.

Aber schon am Tag danach ist er seelisch (erneut) am Ende und verlangt eine letzte Dosis: »Töten Sie mich, sonst sind sie ein Mörder«3. Dr. Klopstock, der ihn seit Monaten betreute, spritzte eine Überdosis Pantopon, die kurz danach zum Tod führte.4

Wer um seinen Tod weiß, spürt vielleicht gerade dann den Wunsch nach Freiheit. Diese Freiheit unterscheidet uns von den Tieren, die – nach dem derzeitigen Stand der Forschung5 – weder Selbstgespräche führen, noch Selbstmord begehen können. Unsere biologischen Wurzeln beeinflussen jede unserer Handlungen: Im Alter, wenn die Möglichkeit zur Fortpflanzung entweder genutzt oder verstrichen ist, wächst das Einverständnis damit, dass wir die Erde verlassen müssen. In vielen Fällen haben wir guten Grund, es uns zu wünschen. Dazu gehört die Erfahrung, wie unsere Freunde wegsterben und langsam unsere soziale Umgebung immer weiter erodiert (denn neue Greise interessieren uns nicht). Die Krankheiten werden erst lästig und dann brutal, die Freuden des zweiten Chakra6 lösen sich in Nichts auf und kurz danach auch die Welt anderer Gefühle und Gedanken: Einige große Geister werden kindisch (auch Immanuel Kant), andere rollen noch herum und vergessen ihr Leben und sich selbst. Kurz: Die Erfahrungen werden immer geringer, die noch möglich sind und wir erkennen (wenn auch mühsam): nur die Hoffnung auf neue, bessere und andere Erfahrungen hat uns am Leben gehalten. Und dann trennen wir uns wie alte Elefanten von unserer Herde, die weiter zieht in die Savanne.

Das ist der Hintergrund des Dramas, das sich für jeden von uns am Rand des Todes abspielt. Der Tod zwingt dich, schonungslos in den Spiegel deines Selbst zu blicken, auch wenn du das im Leben vermeiden konntest. Jetzt bist du der Hauptdarsteller, begleitet von den Ärzten und guten, oft verwandten Menschen, denen dein Tod nicht gleichgültig ist. Sie alle agieren nach einem Drehbuch, das sie nur zu einem Teil selbst schreiben, denn große Passagen werden von den gesellschaftlichen und religiösen Auffassungen bestimmt – der Tod ist ein kulturelles Ereignis7. Selbst wenn er nur neben dem Sterbenden steht, entwickelt er eine Eigendynamik, auf die das Recht in vieler Hinsicht reagiert. Zwar ist er »kein Ereignis des Leben – den Tod erlebt man nicht«8. Aber er spiegelt das Leben in all seinen Aspekten. Alle Beteiligten haben unterschiedliche Sorgen und Wünsche und ahnen die möglichen Differenzen zwischen ihnen. Aber sie wissen nicht, wie sie diese Widersprüche und Dilemmata bewältigen sollen: Über sein Sterben kann ein alter oder kranker Mensch erst sprechen, wenn er zu verstehen gibt, dass er es ahnt9, denn den anderen verbieten Takt oder Berechnung, das Thema anzusprechen. Uns treibt in der Todeszone die Sorge, was noch möglich ist, und wir können den Verdacht nicht von uns weisen, dass wir dem Arzt oder den guten Menschen lästig fallen. Die wiederum wünschen niemandem den Tod, aber haben die Sorge, dass der Sterbende das nicht weiß und den Verdacht, dass er sie verdächtigt. Nur Offenheit gegeneinander könnte das ändern, aber wo nehmen wir sie her? Das sind nicht nur Kommunikationsprobleme10: Aus Wunsch, Sorge und Verdacht entstehen zwischen den Beteiligten Dilemmata, mit denen wir offenbar nur schwer umgehen können11. Im Idealfall betreten wir die Todeszone lebenssatt und neugierig auf das, was kommt – aber dafür müssten wir das Leben von Hiob12 geführt haben, jahrzehntelang von Schicksalsschlägen und Geschwüren verfolgt – die Realität sieht anders aus.

Niemand will mit seinem Sterben alleingelassen werden, wie zahllose Umfragen zeigen. In einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung von FORSA aus dem August 2012 erklärten 77 % der Befragten es für wünschenswert, dass Ärzte Sterbenskranken ein tödliches Medikament zur Verfügung stellen sollten, das der Patient dann selbst einnimmt13. Diese Studie hatte aber – systematisch falsch – nicht danach gefragt, ob man stattdessen eine qualifizierte ärztliche Betreuung in einem Hospiz vorziehe (Palliativmedizin). Wird so gefragt, entscheiden sich 56 % der Menschen für die zweite Option14, aber 35 % befürworten immer noch die »aktive Sterbehilfe«. Im Ausland ist die Lage völlig vergleichbar. Im Juli 2015 stellte die Agentur Ipsos MORI im Auftrag des Economist in 15 Ländern die Frage, ob assistierter Suizid bei medizinischer Indikation gewünscht werde. In Europa wurde die Frage eindeutig bejaht: Die Bandbreite bewegte sich zwischen Belgien (86 %) und Italien (61 %) und lag nur in Polen und Russland unter 50 %15.

Die Politik hat bisher auf diese Grundstimmung in keiner Weise reagiert, sondern sich 2012 nur mit der Frage beschäftigt, ob die gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung bestraft werden solle16. Schon diese Fragestellung löste Proteststürme der Kirchen aus, weil sie zu Recht befürchten, die nicht gewerbsmäßige Assistenz werde damit erlaubt. (Das ergibt sich aus den Erwägungsgründen zu Abs. 1 des Referentenentwurfes). Aus ähnlichen Gründen und unter zusätzlicher Berufung auf die ärztliche Berufsethik, nannte der Präsident der Bundesärztekammer Dr. Frank Ulrich Montgomery den Entwurf »ein Stück aus dem Tollhaus«. Wenn sich der Kampf der Funktionäre und Politiker auf dieser Ebene fortsetzt, wird mancher Ungläubige zum Mystiker werden, der in seinen letzten Tagen nur noch den Wunsch entwickelt, mit den Füßen nach vorn ins Paradies zu fahren:

»Heftigste Anstürme von Todesverlangen, und so fleht sie unter Tränen unablässig zu Gott, sie aus dieser Verbannung herauszuholen.17«

2. Recht auf Selbstmord oder medizinische Indikation?

Kann das Recht dem Drehbuch am Rande des Todes Struktur geben und Prozesse definieren, um die Widersprüche auflösen?

Selbstmord und Selbstmordversuch18 sind nicht strafbar, obwohl schon im Begriff eine moralische Verurteilung steckt, der ich nicht folge19. Werden andere Personen durch den Selbstmordversuch verletzt oder gar getötet, kann der überlebende Täter deshalb (z. B. wegen fahrlässiger Tötung) bestraft werden. Rechtlich problematisch wird es für alle Menschen, die einem anderen beim Sterben helfen. Hier gibt es europaweit nur vereinzelte gesetzliche Regeln und in Deutschland nur Rechtsprechung zu Einzelfällen. Bisher wurde dabei zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe unterschieden, also anhand des Kriteriums, ob jemand (auch ein Arzt) ein Medikament verabreicht, eine Maschine abgestellt oder sonst etwas aktiv getan hat – im Gegensatz zum passiven Verhalten, das rechtlich gesehen dem aktiven gleichgestellt wird, wenn es eine Garantenpflicht zum Handeln (also zur Rettung) gab. Diese Unterscheidung ist seit einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zur Sterbehilfe aus dem Jahr 2010 irrelevant geworden, denn das Gericht hat erkannt, dass beide Wege nach Rom führen und es lediglich darauf ankommen kann, ob das jeweilige Verhalten dem erkennbaren Willen des Kranken entspricht und aus ärztlicher Sicht zu rechtfertigen ist.

»Eine zulässige "passive Sterbehilfe" setzt … nach bisher herrschender Meinung deshalb stets ein Unterlassen im Rechtssinn (§ 13 StGB) voraus; aktives Handeln im natürlichen Sinne soll danach stets als rechtswidriges Tötungsdelikt im Sinne der §§ 212, 216 StGB strafbar sein … An diesem an den äußeren Erscheinungsformen von Tun und Unterlassen orientierten Kriterium für die Abgrenzung zwischen gerechtfertigter und rechtswidriger Herbeiführung des Todes mit Einwilligung oder mutmaßlicher Einwilligung des betroffenen Patienten hält der Senat nicht fest«20.

Wurde bisher an den äußeren Verlauf der Handlung angeknüpft, kommt es jetzt auf die Motive an. Damit ist auch die gelegentlich vorgenommene Differenzierung »indirekte Assistenz« überflüssig geworden. Dieser Paradigmenwechsel ist in der öffentlichen Diskussion bisher nur unter Experten angekommen. Noch in den jüngsten parlamentarischen Positionspapieren finden sich die alten Begriffe, weil sie formale Abgrenzungen ermöglichen, die in der Realität keine Rolle spielen21. Andererseits stellt das Urteil klar:

»Gezielte Eingriffe in das Leben eines Menschen, die nicht in einem Zusammenhang mit dem Abbruch einer medizinischen Behandlung stehen, sind einer Rechtfertigung durch Einwilligung nicht zugänglich«.

Das bedeutet (derzeit) eine klare Absage an ein Recht zu sterben, das sich ausschließlich auf den Freiheitsanspruch des Menschen stützt. Art. 1 Abs. 1 GG lautet: »1. Die Würde des Menschen ist unantastbar. 2. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt«.

Dieser Text wird mehrheitlich so gelesen, dass der Staat einen Menschen auch gegen den Wunsch, sich selbst zu töten, schützen sollte. Erlaubte Sterbehilfe setzt daher in Deutschland zwingend eine medizinische Indikation voraus. Nicht nur Philosophen, auch Juristen wie etwa Reinhard Merkel (Hamburg) halten diese Auslegung für zu eng.

Wie geht man im Ausland mit den Wünschen, den Sorgen und dem Verdacht der Beteiligten gegeneinander um22? Die Schweiz nimmt in diesen Fragen international eine Sonderstellung ein, weil sie die Assistenz bei jeder Art von Freitod für straffrei erklärt, die nicht in »selbstsüchtiger Absicht«23 (§ 113 StGB Schweiz) geleistet wird. Holland (2002), Belgien (2002 – für Kinder: 2014), Frankreich (2005), Luxemburg (2009) haben zu diesen Fragen gesetzliche Regeln erlassen, die definierte Verfahren vorsehen, in denen eine medizinischen Indikation und die freiwillige Entscheidung des Patienten geprüft werden. In Großbritannien sind 2009 vergleichbare Richtlinien für die Beteiligten erlassen worden, deren Einhaltung die Gerichte überwachen. In Schweden, Dänemark, Finnland ist es ähnlich, in Norwegen unklar, in Italien dem Richterrecht überlassen, dessen Inhalt schwankt. In anderen europäischen Ländern (Spanien, Ungarn, Irland) ist die Tendenz der Rechtsprechung ablehnend und schwer durchschaubar. Im angloamerikanischen Rechtskreis gibt es sowohl gesetzliche Regelungen24 als auch Richterrecht, die sämtlich medizinische Indikationen voraussetzen.

Die unterschiedliche Behandlung durch Gesetzgebung und Rechtsprechung in den einzelnen europäischen Ländern wird sich in näherer Zukunft nicht vereinheitlichen, denn dahinter steckt keine Diskriminierung, sondern die Ausübung eines Ermessens, das Gesetzgeber und Gerichte aufgrund der unterschiedlichen kulturellen Rahmenbedingungen zu Recht in Anspruch nehmen:

»Es gibt unter den Mitgliedstaaten des Europarats keinen Konsens über das Recht einer Person zu entscheiden, wann und auf welche Weise sie ihr Leben beenden möchte. Deswegen haben die Staaten insoweit einen erheblichen Ermessensspielraum«25.

Auch deshalb ist ein »Sterbetourismus« für alle Beteiligten noch riskanter als unter den Bedingungen im eigenen Land, die man besser kennen und beherrschen kann. Vor allem die beteiligten Ärzte gehen hohe Risiken ein, weil jede ihrer Entscheidungen zugleich eine rechtliche ist und sie nicht immer entsprechende Beratung einholen können. Zudem ist eine Vielzahl von Fragen ungeklärt, über die nur das Parlament entscheiden kann26. Zunächst geht es um die verfassungsrechtliche Garantie der Menschenwürde. Ist sie nur eines von unzähligen Ermessenselementen und welchen Rang hat sie gegenüber anderen Kriterien? Sodann der ärztliche Bereich: Wann kann man hinreichend klar beurteilen, ob ein Mensch seinen Entschluss zum Sterben ohne Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfreiheit trifft? Welche Maßnahmen entsprechen dem Wunsch des Patienten wirklich? Und schließlich: Muss nicht jeder, der einen Sterbenden antrifft, ihn unabhängig von dessen vorgängigen Entscheidungen am Sterben hindern, um nicht z. B. wegen »unterlassener Hilfeleistung« (§ 323c StGB) strafbar zu sein? Sehr häufig will jemand mit einem Selbstmordversuch nur auf seine schwierige Situation hinweisen und ist froh, gerettet zu werden, wenn sie sich dadurch ändert27. Und vor allem: Wie soll man von außen erkennen, welche Entschlüsse ein Sterbender zuvor gefasst hat? All diese Fragen sind schon im Zusammenhang mit der gesetzlichen Regelung der Patientenverfügung in § 1901, Abs. 1 a BGB28 gestellt, aber nur teilweise beantwortet worden.

Zunächst ist man erstaunt zu hören, dass die Ärzte einer gesetzliche Regelung dieser Probleme reserviert gegenüberstehen: Fragt man Ärzte, die selten mit Sterbenden zu tun haben, lehnen 60 % der niedergelassenen Ärzte und 65 % der Krankenhausärzte jede Art von Sterbehilfe ab. Aber nur wenig niedriger ist die Zahl bei Ärzten, die um Hilfe gebeten wurden und Hilfe abgelehnt haben (53 %)29. Offenbar sehen Ärzte, die sich mit dem Problem besser auskennen, die zwei wesentlichen Probleme sofort: Wenn sie ohne medizinische Indikation als Sterbehelfer tätig werden, ruinieren sie das Vertrauen ihrer Patienten, aber auch bei medizinisch gegebenen Anlässen können sie in schweres Fahrwasser geraten: Zwischen Arzt und Patient entwickeln sich ebenso wie mit nahen Angehörigen oder anderen, die einem Kranken Rat geben, besondere Übertragungsbeziehungen. Sie werden vor allem beim Doppelselbstmord sichtbar, wenn jemand veranlasst wird, einem anderen in den Tod zu folgen, obwohl er selbst kein sichtbares Motiv dafür hat30. Auch solchen Risiken wollen sich die Ärzte nicht aussetzen. Einige Politiker haben dafür wenig Verständnis und reden von einem »Sonderstrafrecht für Ärzte«31.

Wir wissen nicht, ob die Ärzte (und andere Fachleute) der Sterbehilfe positiver gegenüberstünden, wenn sie rechtliche Rahmenbedingungen hätten, die denen anderer Länder vergleichbar wären. Nicht nur die Ärzte, sondern jeder, der einem anderen Menschen beim Sterben hilft, kann sich dadurch nicht nur strafrechtlich, sondern auch zivilrechtlich haftbar machen. Wer z. B. einem Elternteil zum Tod verhilft, kann von seinen Geschwistern als erbunwürdig bezeichnet werden (§ 2339 BGB), wenn er dies ohne rechtliche Grundlage tut32. Oder: Ein Sterbender will sein Testament zu Gunsten eines bestimmten Erben ändern und der ahnungslose Arzt redet ihm – von anderen Erben ermutigt – gut zu, vorher Schluss zu machen. Und gerät dann in einen Schadensersatzprozess, in dem er sich entlasten muss).

3. Rahmenbedingungen für den Gesetzgeber

Eine gesetzliche Regelung muss vor dem kulturellen Hintergrund und innerhalb des verfassungsrechtlich gezogenen Rahmens versuchen, die oben skizzierten Widersprüche zwischen den Wünschen und Sorgen der Beteiligten in ein angemessenes Verhältnis zu bringen. Der Staat muss ethisch neutral sein33, denn nur so kann sich auf den Verdacht auflösen, dass einseitige Interessen verfolgt werden. Das geschieht in fünf Bereichen, die – auch bei rein medizinischer Indikation – untereinander erhebliche Zielkonflikte aufweisen:

  • Das Recht eines Kranken auf freie Entscheidung über sein eigenes Leben (Art. 1 Abs. 1 1. HS GG) sowie seine Religionsfreiheit (Art. 4 GG)34,
  • das Recht und die Pflicht des Staates, bestimmte Verfahren festzulegen, innerhalb derer sich diese Freiheit verwirklichen kann (Art. 1 Abs. 1 2. HS GG; Art. 20 Abs. 3 GG – Rechtsstaatsprinzip),
  • die berufliche Freiheit aller Beteiligten, vor allem der Ärzte und Juristen, Art und Umfang ihrer Tätigkeit am Rand des Todes festzulegen (Art. 12 Abs. 1 GG), sowie deren eigene Religionsfreiheit35),
  • die Definition des Handlungsrahmens für diese Beteiligten, insbesondere der strafrechtlichen Grenzen für ihr Verhalten.

Wenn man die Tötung auf Verlangen (wie in der Schweiz) grundsätzlich für zulässig hält, sofern sie nicht »eigensüchtig« motiviert ist, realisiert sich die Freiheit des Menschen in hohem Umfang. Die Regelungsinteressen des Staates treten völlig zurück. Diese Haltung ist sofort verständlich, wenn man akzeptiert, dass es nicht die Aufgabe des Staates ist, die Welt in Recht und Unrecht aufzuteilen. Der Staat kann auch bewusst Räume offen lassen, in denen das Recht seine Wertungen nicht durchsetzt, sondern die Entscheidungen einer moralischen Beurteilung überlässt, die jeder einzelne selbstverantwortlich treffen muss36.

Dignitas, einer Organisation, die Menschen in der Schweiz beim Sterben hilft, wird oft Geldschneiderei vorgeworfen. Dazu einige Zahlen37: Die Mitgliedschaft kostet (derzeit) eine Aufnahmegebühr von 95 € und einen Jahresbeitrag von 196 €. Für die Vorbereitung der Entscheidung werden 2.500 € verlangt, für die Durchführung das gleiche. Damit wird der zeitliche Aufwand der Beratung abgedeckt, die in diesen beiden Phasen entstehen. Die Einschaltung von Arzt, Behörden, die Drogen usw. kosten am Ende nochmals 3.750 €. Der Gesamtbetrag von 9.041,00 € ist zweifellos höher, als der Einzelfall sie veranlasst, aber Bedürftige erhalten Nachlässe, es muss geworben werden, die Organisation hat laufende Kosten usw. Seit 1998 hat Dignitas ca. 1.700 Menschen auf diese Weise in ihrem Tod begleitet38. Diese Zahl ist nicht repräsentativ für die Schweiz, weil die Menschen aus 40 Ländern kamen. Wie viele Fälle es in Deutschland werden könnten, lässt sich nicht verlässlich schätzen. Wenn wir nur über medizinische Indikationen sprechen, gibt es Vergleichszahlen: In Oregon (USA – ca. 4 Mio. Einwohner) waren es seit 1997 durchschnittlich 49 Menschen pro Jahr, in den Niederlanden (ca. 16 Mio. Einwohner) hätten es demnach 196 Menschen sein müssen, die Zahl betrug im Jahr 2013 aber nur etwa ein Viertel (42). Offenbar gibt es eine Vielzahl von Faktoren, die auf die absoluten Zahlen einwirken. Man wird aber auch in Deutschland kaum mehr als 1.000 Fälle pro Jahr vermuten dürfen. Vielleicht werden wir etwas ruhiger über dieses Thema reden können, wenn wir seine praktische Relevanz im Auge behalten.

Man kann auch in Deutschland – wie politisch oft gefordert wird – Vereinen die Organisation von Sterbehilfe nicht verbieten, denn sie haben die gleichen Grundrechte wie Einzelpersonen39. Allerdings werden sie personelle Verantwortungen definieren müssen und jedenfalls die Frage der Freiwilligkeit des Entschlusses im Zweifelsfall durch Ärzte treffen lassen. Ob man das als »gewerblich« bezeichnet und nur wegen der Gewerblichkeit verbieten kann, ist absolut unklar, denn es gibt keine scharfe Abgrenzung zwischen freien Berufen und gewerblich tätigen Personen. Man darf bei alldem nicht verkennen, dass die Schweiz sich darauf beschränkt hat, eine strafrechtliche Vorschrift in bestimmter Weise zu definieren. Sie hat aber kein sicheres formales oder gar inhaltliches Verfahren eingerichtet! Für Fritz Raddatz (84) war die Regelung sicher genug. Er befürchtete, beginnende Krankheiten könnten ihn daran hindern, im Alter auf dem gleichen – vor allem intellektuellen – Niveau zu leben, wie es ihm bis dahin noch möglich ist. Er wollte seinen Verfall nicht betrachten und hielt es für ein Gebot des Selbstbewusstseins und der Würde, den Zeitpunkt seines Todes zu wählen. Darüber gab er häufig Interviews40. Jean Pauls Bemerkung: »Das ganze Leben ist ein Selbstmord. Wir wollen im wirklichen Leben etwas anderes als (nur) leben41«, könnte von ihm stammen42.

Andere Fälle sind erheblich schwieriger zu beurteilen: Wer sterben will, bevor seine Zeit gekommen ist, stützt sich nur ganz selten allein auf die Freiheit, selbst über sein Weiterleben zu entscheiden. Jean Amery schrieb oft philosophisch über das Thema43, aber er brachte sich erst um, nachdem seine Depressionen unerträglich geworden waren. Wann Depressionen Krankheitswert erreichen, ist schwer zu sagen. Aber die Energie reicht oft, um sich über die Grenze des Lebens zu stoßen (Virginia Woolf; Paul Celan; Kurt Tucholsky und jüngst: David Foster Wallace44). Die Dunkelziffer solcher Fälle ist mit Sicherheit sehr hoch: Über dem Tod der drei Brüder Thomas, Peter und Klaus Brasch – alle als Künstler tätig – liegt ein vergleichbarer Schatten wie über der Familie Mann.

Menschen, die sich jeder Diskussion über ihre Motive entziehen wollen, akzeptieren keine medizinische Indikation – sie wollen auch dem Tod gegenüber Herr ihrer selbst bleiben45 – vielleicht, um ihm auf diese Weise seine Grenzen zu zeigen? Dahinter stecken große existenzielle Grundentscheidungen jedes einzelnen und man kann mit großem Recht fragen: Wie weit sind wir noch am Rand des Todes anderen oder der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, uns da hineinreden zu lassen?

Ich kenne zwei Fälle, bei denen zum Sterben entschlossene Menschen, ihre bereits seit langem erwachsenen Kinder (oder nur einige von ihnen) nicht zu informieren. Alle, die nichts wussten, haben sich extrem zurückgestoßen gefühlt und das hat verständliche Gründe: Stellt man sich doch ein offenes Gespräch mit dem Betroffenen vor, Angebote, seine Leiden zu lindern, die Möglichkeit, gemeinsame Zeit zu verbringen – all diese Chancen verwirft der »philosophisch« Handelnde, ohne dem anderen die Möglichkeit zu geben, sie zu ergreifen. Viele berauben sich auch selbst der Einsicht, dass das Sterben eine eigene Erfahrungswelt eröffnen kann46. Peter Noll etwa entschied sich, gegen den diagnostizierten Blasenkrebs nicht vorzugehen und beschrieb das letzte Jahr voller Schmerzen – aber auch »unbegründeter« euphorischer Stimmungen – akribisch47. Andere nutzen vielleicht die Zeit, ein ausführliches Testament zu schreiben, kurze Lebenserinnerungen (wenigstens auf Video) zu hinterlassen etc., was aber nur möglich ist, wenn der Schrecken der Schmerzen palliativ gelindert werden kann. Und plötzlich verschwindet der Wunsch zu sterben (manchmal nicht wenige Tage vor dem Tod), weil überraschend die eigene Position in der Welt – auch in die Zukunft gerichtet – auf neue Weise sichtbar wird48.

Der Gesetzesentwurf von Renate Künast, Petra Sitte, Gregor Gysi, Andreas Hofreiter u. a.49 folgt den Interessen dieser Klientel. Sie sagt mit einem gewissen Recht: Jemand wie Wolfgang Herrndorf kann sich eine Pistole besorgen, aber was sollen die Menschen machen, die sich nicht in den Kopf schießen können? Der Entwurf ignoriert aber die derzeitige Rechtslage in Deutschland , auch wenn er eine gewerbsmäßige Tätigkeit verbietet (§§ 4, 5): Wie der Leitsatz des oben zitierten BGH-Urteils von 2010 zeigt, kann niemand aus seiner Menschenwürde den Anspruch auf Assistenz beim Suizid herleiten. Allerdings kann diese Ansicht sich ändern: Überzeugende parlamentarische Mehrheiten können die Inhalte des Begriffs der Menschenwürde durchaus beeinflussen und erst eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird Klarheit schaffen.

4. Medizinische Indikation

Ohne jeden Zweifel entfaltet die Schutzpflicht des Staates (Art. 1 Abs. 1 (2. Hs.) GG ) sich bei medizinischer Indikation. Sie rechtfertigt – bereits nach jetziger rechtlicher Auffassung

  • die Zerstörung der Beziehungen zwischen Mensch und Gesellschaft, weil der Tod das ohnehin tut, sofern er unabweisbar ist und der Betroffene sich freiwillig so entscheidet. Es gibt zwei unterschiedliche Verfahren:
  • Eine gesetzliche Regelung, deren Durchführung den Beteiligten überlassen bleibt und von den Gerichten nachträglich überprüft werden kann: Dieser Weg öffnet sich eher dem Freiheitsgedanken, vergrößert damit aber unvermeidbar die Risiken der Beteiligten,
  • die Einrichtung eines Gerichtsverfahrens, in dem die Beteiligten ihre Positionen vortragen und das Gericht eine (in weiteren Instanzen überprüfbarer?) Entscheidung trifft: Dieser Weg ist formal strenger und risikoloser.

Innerhalb dieser beiden Alternativen hängt die gewählte Lösung davon ab, wie viel Freiheit man den Beteiligten aus verfassungsrechtlichen Gründen zugestehen will und/oder muss, denn es gibt »nur eine schmale Basis für einen Würdeschutz des Einzelnen vor sich selbst im Sinne eines fürsorglichen Eingriffs in die individuelle Autonomie (BVerfGE 63, 332 (337)«50.

Wie weit die Möglichkeiten gehen, ist auch von politischen Auffassungen abhängig und bleibt damit unscharf:

»Für diese Unschärfe sind zwei Gründe denkbar: (erstens) grundsätzliche Unsicherheit über die konstituierenden Elemente des Würdeschutzes (etwa der Würdeanspruch eines Embryos in vitro) und (zweitens) Wertungsunsicherheit bei der Konkretisierung des Würdeanspruchs im Einzelfall«51.

Die einfachste Lösung beschränkte sich auf die Prüfung des Geisteszustandes des Kranken, seine Beratung über denkbare Alternativen, die Einrichtung von Wartefristen – all das etwa vergleichbar der Regelung bei Schwangerschaftsabbrüchen § 218a Abs. 2 StGB. Selbst in dem seltenen Fall bewusstloser Menschen ohne Patientenverfügung (oder von Kindern) kann ein Betreuer (oder ein Gericht) entscheiden, aber es wird Fälle geben, bei denen jede Regelung versagt: Bei psychisch Kranken dürfte die Frage der Freiwilligkeit des Entschlusses immer zweifelhaft bleiben: Ernest Hemingway (62) waren schon einige Selbstmordversuche misslungen, zuletzt versuchte er, in den Propeller eines Flugzeugs zu laufen. Er wusste um seine psychische Belastung, hat seiner Ansicht nach alles vom Leben gesehen und wollte sterben52. Hätten wir Ihnen dabei assistieren dürfen? Oder: Eluana Englaro (39) liegt seit 18 Jahren im Wachkoma. Eine Patientenverfügung gibt es nicht. Ihre Eltern sind aber davon überzeugt, dass sie sich bei klarem Bewusstsein für den Tod entscheiden würde53. Ein Gericht in Mailand und danach das Verfassungsgericht in Rom erlaubten das 2009, weil die anderen Beteiligten das Dilemma nicht auflösen konnten.

Ein anderer Maßstab gilt für alle Menschen, die den Sterbenden begleiten. Das sind Ärzte, aber auch Angehörige, Freunde, Seelsorger, Psychologen, Juristen und so weiter.54 Auch sie haben Verfassungsrechte (Berufsfreiheit Art. 12 GG, Religionsfreiheit Art. 4 GG), aber viel stärker sind sie von einfachen Gesetzen betroffen, die ihr Verhalten regeln. Ihnen droht Bestrafung wegen Tötung auf Verlangen nach § 216 StGB (sechs Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe) oder fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) bis hin zu Totschlag (§ 213 StGB) oder sogar zum Mord55, wenn die behauptete Zustimmung des Kranken – aus welchen Gründen auch immer – im Prozess nicht beweisbar ist. Darüber hinaus droht Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung (§ 323c StGB), wenn ein Sterbender nicht wieder ins Leben zurückgeholt wird, obgleich das möglich wäre. Starke Drogen werden notwendig sein, die im Allgemeinen nicht zur Verfügung stehen und deren Umgang geregelt werden muss. Zu klären sind weitere Auswirkungen in den Berufsrechten der Ärzte und Anwälte, im Erbrecht, im Gesellschaftsrecht und in vielen anderen Gebieten. Die derzeit vorliegenden parlamentarischen Diskussionspapiere lassen die Komplexität des Problems nicht einmal erahnen, denn alle diese Personen haben eigene Rechte und Pflichten, die verfassungsrechtlich nach anderen Maßstäben beurteilt werden, wie jene des Todkranken.

5. Relevante Kriterien

Bei der Suche nach verfassungsrechtlich haltbaren Kriterien, an denen die Beteiligten sich orientieren können, kann man sich auf bekannte Lösungen (Niederlande56, Belgien usw.) zurückgreifen. Aus ihnen ergeben sich folgende Fragen:

  • Soll man eine Altersgrenze festlegen (mindestens Volljährigkeit)?
  • Wie stellt man sicher, dass der Patient freiwillig handelt?
  • Wer entscheidet für den Patienten bei Minderjährigkeit, oder bei Bewusstlosigkeit (wenn keine Patientenverfügung vorhanden ist)?
  • Wann ist die Lage des Patienten aussichtslos und sein Leiden unerträglich, insbesondere: Ist er über palliative Alternativen voll aufgeklärt?57
  • Muss eine Voraussage über die vermutete Restlebenszeit getroffen werden (z. B. sechs Monate)?
  • wie lang muss eine Karenzzeit zwischen dem Entschluss, Sterbehilfe anzufordern, der Entscheidung darüber und ihrer Durchführung sein (ein Monat? drei Monate?) Wie wird ein möglicher Rücktritt gesichert?
  • Welche technischen Mittel zur Sterbehilfe sind erlaubt?
  • Wie kann man jeder einzelne Entscheidung im Verfahren durch das Vieraugenprinzip absichern? Welche Fachleute sind daran zu beteiligen (Ärzte, Juristen, Psychologen)?
  • Wie sind die Entscheidungen zu dokumentieren?
  • Welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es, die Entscheidung (oder vorgängige Gutachten) durch Beteiligte oder Dritte anzugreifen?

Nur wenn es gelingt, diese Fragen so zu beantworten, dass sie mit den oben skizzierten rechtlichen Rahmenbedingungen vereinbar sind, können wir Rechtssicherheit für alle Beteiligten schaffen und gleichzeitig den letzten Rest der Freiheitsrechte und der Menschenwürde für jeden sichern, der am Rand des Todes steht. Diesem Strukturprinzip folgen viele systemische Entscheidungsabläufe, die wir aus dem alltäglichen Leben kennen und anzuwenden wissen.

Den Ärzten kommt dabei zweifellos die Schlüsselstellung zu, weil sie darüber befinden, ob eine medizinische Indikation vorliegt. Der Gesetzgeber muss ihnen sagen, welche Tatsachen diesen Begriff ausfüllen und in welchem Verfahren sie vorgehen müssen. Das derzeitige berufsethische Verbot der Sterbehilfe wird von keinem Arzt formal streng eingehalten, wenn er sich nicht aus religiösen Gründen gehindert sieht, zu handeln58. Aber er hat die Freiheit, seine Entscheidungen nach seiner Berufserfahrung und seinen eigenen moralischen Kriterien zu treffen. An dieser Lage will die Bundesärztekammer aus naheliegenden Gründen nichts ändern. Ihre Auffassung wird aber nicht von allen Ärzten geteilt59. Die meisten Ärzte entwickeln eine verständliche Zurückhaltung gegen jede Art von Überregulierung. Das erklärt sich aus der Kontrolle, die das Ergebnis jedes Verfahrens ist. Schon aus berufsrechtlichen Gründen kann niemand einen Arzt zu Beteiligung an einem Verfahren zwingen. Wenn er aber teilnimmt, wird er stärker kontrolliert werden als bisher.

Die Lösung muss also auch auf diese berechtigten Interessen Rücksicht nehmen, denn wir können auf die Begleitung durch die Ärzte nicht verzichten: Viele alte Menschen äußern den Wunsch zu sterben, aber man braucht Erfahrung, um solche Bemerkungen nicht immer wörtlich zu nehmen. Man kann sie auch überhören. Beides kann falsch sein. Es kann sich um reine Stimmungsschwankungen handeln. Dies umso mehr, als ein fachgerechter Einsatz der Palliativmedizin die Situation grundlegend ändert. Wer tolerierbare Schmerzen hat und anständig behandelt wird, schätzt die Zeit und die mit ihr verbundenen Erfahrungen, die ihm noch bleiben. Stimmungsschwankungen treten ein. So kommt es, dass es »fast unmöglich (ist) einzuschätzen, ob der Sterbewunsch eines Patienten endgültig ist, oder sich doch noch ändert«60.

6. Der Euthanasieverdacht

»Wo das Vertrauen fehlt, wächst der Verdacht«61. Unter den Verdachtsmomenten, die in den Köpfen der Beteiligten entstehen, gibt es einen, über den in der öffentlichen Diskussion nicht gesprochen werden darf – wir fürchten das Tabu der Euthanasie, das auf den Verbrechen der Nazizeit (Euthanasieprogramm Aktion T 4) beruht. Aus ihm entwickelten sich die technischen Mittel für den Holocaust. Gleichzeitig mit dem Überfall auf Polen, am 01.09.1939, ordnete Adolf Hitler persönlich an, dass geistig Behinderte durch Ärzte getötet werden sollten62. Die Motive dieses Befehls sind unklar, er könnte aber im Zusammenhang mit der Tatsache gesehen werden, dass – vor allem in Kriegszeiten – ein Mensch in den Augen der Gesellschaft nur lebenswert ist, wenn er ihr keine unzumutbaren Kosten auferlegt63? Diese Frage versteckt sich hinter den Äußerungen von Abgeordneten, niemand dürfe einen Sterbenskranken fragen, wie lange er noch leben wolle64. Ärzte wissen genau, dass ältere Menschen auch dieses Problem vor Augen haben65.

Das Weiterleben wird ab dem Eintritt ins Rentenalter extrem teuer – jedenfalls für die Allgemeinheit66: Von insgesamt 254 Milliarden € Krankheitskosten entfallen auf Menschen, die älter sind als 85 Jahre, 26,3 Milliarden € (10,3 %). Bezieht man Menschen ab 65 in die Rechnung mit ein, lösen sie 48,4 % der Gesamtkosten aus, also knapp die Hälfte und die Zahl steigt alle zwei Jahre bedrohlich. Schon in den ältesten Zeiten haben Menschen, die ihren Angehörigen nicht zur Last fallen wollten, freiwillig den Tod gesucht. Die ethnologische Forschung berichtet aus den Eskimokulturen über die Praxis alter Menschen, die beim Weiterzug der Nomaden ohne Nahrung freiwillig zurückblieben, um die Gruppe zu entlasten, oder sich aktiv umbrachten67. Auch aus Japan, wo Selbstmord unter bestimmten Umständen eine Frage der Ehre ist (Seppuku)68, sind solche Reaktionen bekannt. In Gesundheitssystemen, die weltweit weniger luxuriös als in Deutschland ausgestaltet sind, führen schon weit geringere Zahlen zu der Frage, wie man politisch damit umgehen muss. In einigen Ländern (Großbritannien) wird der Standard der ärztlichen Leistungen abgesenkt. Die dort prägende utilitaristische Ethik nimmt Abwägungen von Kosten und Nutzen anders vor, als moralische Überlegungen, die sich an anderen Werten orientieren. Peter Singer, ein schonungsloser australischer Denker hat vergleichbare Fragen gestellt und wurde daraufhin von der PhilCologne wieder ausgeladen69. In Deutschland können wir aufgrund des oben skizzierten historischen Hintergrundes über solche Fragen gewiss noch nicht diskutieren.

Älteren Leuten, die selbst zum Problem werden können (wie mir), sollte es aber erlaubt sein, darüber laut nachzudenken. Manche, die gern gehen wollen, haben nichts dagegen, damit auch ihre Kinder zu entlasten. Aber dann spüren wir seltsame Gegenreaktionen: Unsere Kinder sind nicht identisch mit den sozialen Systemen, für die wir in jungen Jahren geblutet haben? Davon will man im Alter etwas zurückhaben und ist erstaunt, sich sterbend in einer Art Maschinenhalle oder schlimmer noch: in Besenkammern wiederzufinden. Da kreuzen sich Wünsche, Sorgen und ein stiller, nie ausgesprochener Verdacht. In den alten Zeiten, als man noch zu Hause gestorben ist, hat man unklare Verhältnisse mit interessanten Methoden aufdecken können. Mark Twain berichtet über einen Vorfall im Sterbezimmer einer alten Frau, zu der Ihr alter Hausarzt kommt, die sie sich zuvor mit ihm zerstritten hatte: »Er hatte seinen großen Schlapphut auf und einen Viertelmorgen Ingwerkuchen unter dem Arm, und während er sich gedankenvoll umschaute, brach er große Stücke von seinem Kuchen ab, mampfte vor sich hin und ließ die Krümel auf seine Brust und zu Boden rieseln. Die Frau lag blass und bewegungslos mit geschlossenen Augen da… Bald nahm der Arzt die Medizinfläschchen zur Hand, beschnüffelte sie verächtlich und schleuderte sie zum offenen Fenster hinaus. Als alle entsorgt waren, trat er ans Bett, legte der sterbenden Frau seinen Ingwerkuchen auf die Brust und sagte barsch (zu den weinenden Verwandten): »Was schluchzt ihr Idioten? Der Schwindlerin fehlt nichts. Strecken Sie die Zunge heraus! ... Der Frau fehlt nichts – sie ist nur träge. Was sie braucht, ist ein Beefsteak und eine Waschschüssel!« Da richtete sich die sterbende Frau im Bett auf und ihre Augen sprühten vor Kampfeslust… Sie schüttete ihr ganzes gekränktes Wesen über den Arzt aus – ein Vulkanausbruch, begleitet von Blitz und Donner, Wirbelwinden und Erdbeben, Bimsstein und Asche. Es war genau die Reaktion, die er haben wollte und sie wurde gesund70«.

7. Die parlamentarische Diskussion

Die oben beschriebene Position von Abgeordneten der Grünen und Linken dürfte nicht mehrheitsfähig sein, aber sie bringt eine wichtige freiheitsrechtliche Dimension in die Debatte, die wir unbedingt brauchen, damit wir unbefangen urteilen können. CDU und SPD konzentrieren sich derzeit auf strafrechtliche Verbote der Sterbehilfe, ein Ansatz, dem die Strafrechtslehre mit guten Gründen heftig widerspricht: 140 Strafrechtslehrer haben eine entsprechende Resolution verfasst71. Zu anderen Fragen, insbesondere den Einzelheiten einer etwaigen medizinischen Indikation haben sie es einzelnen Abgeordneten überlassen, Positionspapiere zu den relevanten Kriterien schreiben. Das ist fraktionsübergreifend geschehen.

Angela Merkel, Andrea Nahles, Wolfgang Bosbach u. a.72 bleiben allerdings an der Oberfläche der bisherigen Diskussion: »Wir wollen nicht, dass passive Sterbehilfe, indirekte Sterbehilfe, Behandlungsunterbrechung, palliative Sedierung, auch assistierter Suizid verboten werden«. Das klingt widersprüchlich, denn assistierter Suizid außerhalb medizinischer Indikation wird von den Abgeordneten nicht ernsthaft in Betracht gezogen – die Begriffe schlingern. Hintze (CDU)/Lauterbach (SPD) und andere73 beschreiben – derzeit noch sehr grob – den Weg, auf dem man Antworten finden kann. Aber auch er ist voller Widersprüche, denn er will eine straflose Therapiefreiheit für Ärzte sichern, die bereits berufsrechtlich fest verankert – wenn auch nicht ganz risikolos – ist. Der FDP ist seit der Erarbeitung des Referentenentwurfs (Fn. 14) 2012 unter Führung der damaligen Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger nichts Neues zum Thema eingefallen. Dieser Entwurf besteht aus einem Satz, der die gewerbsmäßige Sterbehilfe verbietet, entwickelt also weder Ideen zu Verfahren noch zu Inhalten. Das wird nicht ausreichen, um die Vertrauensbasis zu schaffen, die wir untereinander brauchen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die derzeitigen gesetzlichen Regelungen sind – anders als der Deutsche Ethikrat das meint74 – nicht ausreichend, weil sie nicht genügend Rücksicht auf die Begleitung des Sterbenden nehmen. Nur das Parlament kann die dazu notwendigen Rahmenbedingungen herstellen.

In der Ministerialbürokratie sieht man keinen Handlungsbedarf. Professor Dr. Andreas Jurgeleit, früher Vorsitzender der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Betreuungsrecht“, die den Entwurf zu dem 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetz erarbeitete, und Vertreter der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister in der Arbeitsgruppe „Patientenautonomie am Lebensende“ legt in einer umfangreichen Analyse dar, dass das Selbstbestimmungsrecht und die rechtliche Absicherung der Ärzte schon durch die jetzige Gesetzeslage gewährleistet sei (NJW 2015, 2708). Ob das Parlament sich dem anschließen wird?

  • 1. Letztes Wort Albrecht von Hallers (1708-1777). Einer der Begründer der wissenschaftlichen Medizin maß noch in der letzten Sekunden seines Lebens den Puls (cit. n. Karl Guthke, Letzte Worte, CH Beck 1990, S. 205.
  • 2. Max Brod: Franz Kafka, S. Fischer 1954, S. 220 - 256. Dora Diamant (26) lebte damals mit Kafka zusammen und gab ihm viel Lebensmut.
  • 3. So die (in unterschiedlichen Varianten zitierte) Bemerkung am Tag seines Todes zu seinem letzten betreuenden Arzt, Dr. Robert Klopstock (Max Brod: aaO. S. 259).
  • 4. Reiner Stach: Kafka – die Jahre der Erkenntnis, S. Fischer 2008., S. 615.
  • 5. Selbstgespräche sind nicht das gleiche wie Selbstreflexion (die kann auch ohne Sprache stattfinden), und wo genau sich unser Bewusstsein biologisch verorten lässt, wissen wir nicht (wie wird man demnächst darüber bei selbstbewussten Robotern denken?) (diesen und weitere Hinweise zur Theory of Mind in der Biologie verdanke ich Prof. Dr. Andreas Elepfandt, Berlin).
  • 6. Im Tantrischen Buddhismus die zweitunterste Ebene des Astral- Leibs, vor allem: Sexualität, Essen. Trinken, Luxus, Wärme, Schlaf, Gefühle, Kreativität, Begeisterungsfähigkeit für die guten Seiten des Lebens.
  • 7. Philippe Ariès : Geschichte des Todes, dtv 12. Aufl. 2009; ders.: Bilder zur Geschichte des Todes, Hanser 1984.
  • 8. Ludwig Wittgenstein: Tractatus logico-philosophicus, 6.4311, Werkausgabe Band 1, Suhrkamp 2006, Seite 84; ebenso Epimarchos aus Krastos (ca. 450 v. Chr.): »Sterben, nein, das bleibt fern, doch tot sein – das macht mir nichts aus«; Epikur (341-271 v. Chr.) an Meneukos: » Der Tod aber ist die Beraubung der Wahrnehmung. […] Er hat folglich weder für die Lebenden noch für die Verstorbenen eine Bedeutung, da er die einen nicht betrifft, die anderen aber nicht mehr leben«.
  • 9. Zu den einzelnen Phasen des Sterbens – Elisabeth Kübler-Ross : Interviews mit Sterbenden Herder 2014; Monika Renz: Hinübergehen, Kreuz-Verlag 5. Aufl. 2014, Seite 91 ff.
  • 10. H. Christof Müller-Busch gibt anschauliche weitere Beispiele: Abschied braucht Zeit – Palliativmedizin und Ethik des Sterbens, Suhrkamp 2012.
  • 11. Für diesen Hinweis danke ich Gregor Heussen und seinen filmischen Arbeiten über den Tod, die Medienethik usw. Http://www.gregor-a-heussen.de/filmografie.html
  • 12. https://www.die-bibel.de/online - das Buch Hiob, 42.17.
  • 13. Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben e.V. – www.dghs.de
  • 14. Deutsche Hospizstiftung – www.stiftung-patientenschutz.de
  • 15. The Economist vom 27.06.2015: Final Certainty. Man kann kaum wagen, solche statistischen Werte zu interpretieren, die Fehlerquote ist auch bei Fachleuten hoch: Gerade in Russland würde man mehr Zustimmung erwarten, denn dort finden wir hohe Selbstmordraten. Zu solchen typischen Interpretationsfehlern schreiben lehrreich und unterhaltsam: Bauer, Gigerenzer, Krämer: http://www.rwi-essen.de/unstatistik/
  • 16. Neufassung von § 217 StGB nach dem Referentenentwurf vom 18.07.2012 –dipbt.Bundestag.de/extrakt/ba/WP17/470/47094.html
  • 17. Teresa von Avila (1515-1582): Wohnungen der Inneren Burg, Vollständige Neuübertragung, Gesammelte Werke Bd.4, Herder 2005, Seite 173.
  • 18. Der Selbstmord war früher in einigen Ländern strafbar In England sagte man, kein Untertan dürfe sich dem König entziehen (er brauchte Soldaten). Solche Gesetze wurden in England 1961, in Irland 1993 und in Indien 2014 abgeschafft.
  • 19. Ich will den Begriff aber nicht generell gegen »Freitod« austauschen, weil solche Begriffsspielereien uns in vielen Fällen in eine politische Korrektheit drängen, die wir grundsätzlich ablehnen sollten.
  • 20. BGH, 25.06.2010 - 2 StR 454/09, NJW 2010, 2963 – Wachkoma; Zur früheren Rechtslage: BGH NJW 1984, 2639 (Putz): Freispruch – In diesem Fall hatte die Kranke – für die Zeit ungewöhnlich – eine klare (wenn auch nur mündliche) Patientenverfügung hinterlassen.
  • 21. Solche Denkfehler führen oft dazu, dass gewünschte Antworten durch geeignete Begriffe nahegelegt werden (kognitive Verzerrungen, Framing etc.) – Daniel Kahneman: Schnelles Denken, langsames Denken, Siedler 2012.
  • 22. Übersicht: http://www.drze.de/im-blickpunkt/sterbehilfe/rechtliche-regelungen
  • 23. Der Begriff ist nicht identisch mit »gewerblich« oder »Gewinnsucht«, sondern hat vor allem die Sterbehilfe durch Erbberechtigte im Auge.
  • 24. Gesetze: Oregon(1997), Washington(2008), Montana(2008), Vermont(2013), New Mexico (Richterrecht : Judge Nash am 13.3.2014). (http://euthanasia.procon.org/view.resource.php?resourceID=000132 ; Zu Australien: Der Rights of the Terminally Ill Act (1996) wurde wieder aufgehoben, das Richterrecht tendiert aber in seine Richtung. In Kanada wird seit 2014 ein Gesetzesentwurf über medical aid in dying diskutiert. Der Oberste Gerichtshof in Kolumbien erklärte 1997 die Kriminalisierung der Ärzte im Bereich von Sterbehilfe für verfassungswidrig. Siehe auch Michael Fuchs: Sterbehilfe und selbstbestimmtes Sterben –Zur Diskussion in Mittel- und Westeuropa, den USA und Australien, Konrad-Adenauer-Stiftung http://www.kas.de/wf/doc/kas_9649-544-1-30.pdf?120604154539
  • 25. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, EGMR (I. Sektion), Urt. v. 20. 1. 2011 − 31322/07 (Haas/Schweiz), NJW 2011, 3773.
  • 26. Der Gesetzesvorbehalt des Art. 20 Abs. 3 GG verbietet die Entwicklung eines freischwebenden Richterrechts, wie es die angloamerikanischen Systeme kennen.
  • 27. In den oben (Fn. 20) genannten US Bundesstaaten ist es möglich, sich nach entsprechender medizinischer Indikation von einem Arzt tödliche Barbiturate verschreiben zu lassen und nach Hause mitzunehmen. Nur zwei Drittel dieser Patienten machen später davon tatsächlich Gebrauch. http://www.humanistische-union.de/themen/bioethik/sterbehilfe/
  • 28. Neu geregelt seit 2005, zuletzt angepasst am 01.06.2015.
  • 29. Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Bundesärztekammer vom Juli 2010 veröffentlicht: http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/Sterbeh...
  • 30. Arthur Koestler brachte sich 1983 mit 78 Jahren um, weil er Parkinson und Leukämie hatte, seine Ehefrau Cynthia Jefferies (56) war nicht erkrankt und teilte seinen Tod. Ähnliche Fälle: Petra Kelly/Gert Bastian; Heinrich von Kleist/Henriette Vogel.
  • 31. Positionspapier der Abgeordneten Claudia LückIng-Michel, Michael Brand, Michael Frieser vom 11.11.2014 - www.michael-brand.de
  • 32. BGH, Beschl. v. 12. 9. 2012 – IV ZR 177/11 (KG), NJW-RR 2013, 9.
  • 33. Stefan Huster: Die ethische Neutralität des Staates, Mohr Siebeck , 2002.
  • 34. »Geburtstag haben auch die Schweine« sagte meiner Mutter, eine militante Katholikin irischen Formats, die jeden Glückwunsch zu diesem Tag verweigerte, stattdessen aber Pakete zum Namenstag schnürte. Erst die Taufe macht einen zum Menschen: Das ist der Subtext, der dahinter steht und mit dem katholischen Abtreibungsverbot seltsam kontrastiert. (Spätestens) nach der Taufe stehst du in Gottes Hand und kannst über dein Leben nicht mehr verfügen. Auch andere Religionen – so vor allem der Islam – verurteilen den Selbstmord (und damit jede Form der Unterstützung). Aber in den Kirchen gibt es auch modernere Auffassungen, die jedenfalls das einfache Unterlassen von ärztlichen Maßnahmen für zulässig halten. Andere (Buddhismus, Hinduismus) stehen dem Thema neutral gegenüber. Näher dazu: Friedrich Wilhelm Graf, Apodiktische Ethik mit Lügen, Merkur 2015, Heft 5.
  • 35. Auch die Ärzte können dieses Verfassungsrecht für ihre Entscheidung in Anspruch nehmen: 44 % von ihnen lehnen es aus religiösen Gründen ab, einen Suizid zu unterstützen (Umfrage Allensbach, siehe oben Fn. 25).
  • 36. Diese Lehre vom »rechtsfreien Raum« bewährt sich auch in vielen anderen Konfliktsituationen, so vor allem dort, wo die medizinischen Ressourcen nicht ausreichen, um allen Kranken neue Organe zu implantieren etc. (Arthur Kaufmann: Rechtsphilosophie, CH Beck 2. Aufl. 1997 Kap. 15).
  • 37. Interview des Geschäftsführers Ludwig Minelli mit Christian Rath vom 16.08.2012, taz.de: »Gute Arbeit soll bezahlt werden.
  • 38. The Economist 27.06.2015, Final Certainty - Doctor-assisted dying.
  • 39. Das erkennt schon der Referentenentwurf von 2012 (Fn. 14) unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht vom 09.10.1991, BVerfGE 84, 372 (378). Anderer Ansicht: Stellungnahme der CSU– www.csu.de/aktuell/Meldungen/November – 2014.
  • 40. Er tötete sich am 26.02.2015 mit Hilfe von Dignitas in der Schweiz.
  • 41. Jean Paul, Ideengewimmel , Eichborn 1996 (Die Andere Bibliothek) Nr. 1388, 1401.
  • 42. Ähnliche Fälle: Gunter Sachs (2011 – auch sein Vater tötete sich 1958 in einem Schwermutsanfall mit 62 Jahren); Udo Reiter, (2014).
  • 43. Hand an sich legen. Diskurs über den Freitod, Klett-Cotta 15. Aufl. 2015.
  • 44. Der Planet Trillaphon im Verhältnis zur Üblen Sache. Zweisprachige Textausgabe deutsch/englisch. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2015. Diesen Text schrieb er 1984 als Student (22) und jeder, der ihn liest, wird annehmen, dass der Autor danach nicht mehr sehr lange gelebt hat. Aber dann wurde er Hochschullehrer, Tenniscrack in Midwest (USTA)und ein weltberühmter Autor – bis er sich 24 Jahre später am 12.09.2008 umbrachte. Charakteristisches Stilelement: Exzessive Fußnoten!
  • 45. Gian Domenico Borasio: Selbstbestimmt sterben, CH Beck 2014.
  • 46. Wer sich über die Schönheit des Sterbens informieren will, wenn es richtig organisiert wird: Soylent Green, Science-Fiction Film (1973) von Richard Fleischer.
  • 47. Rechtsphilosoph (1926 -1982), Freund von Max Frisch: Diktate über Sterben und Tod, Piper, 2009.
  • 48. Christoph Paulus hat anhand von Testamenten die Idee der postmortalen Persönlichkeit schon für das antike Rom nachgewiesen (Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 55, (1992).
  • 49. http://www.petra-sitte.de/wp-content/uploads/2015/06/Gesetzentwurf-Suizi...
  • 50. Maunz Dürig – Herdegen, Kommentar zum Grundgesetz, Rz. 78 zu Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG, CH Beck online (Stand 2014).
  • 51. Maunz-Dürig-Herdegen aaO. Rz. 82.
  • 52. Hemingway brachte sich am 02.07.1961 mit seinem Jagdgewehr um. Schon sein Vater (57) hatte sich 1928 selbst getötet, seine Schwester Ursula brachte sich 1966 um, sein Bruder Leicester (nach jahrzehntelanger Diabeteserkrankung) 1982.
  • 53. Die Regierung Berlusconi versuchte die Abschaltung der Maschinen mit einem Einzelfallgesetz zu verhindern, dass vom Verfassungsgericht für nichtig erklärt wurde.
  • 54. H. Christof Müller-Busch: Abschied braucht Zeit – Palliativmedizin und Ethik des Sterbens, Suhrkamp 2012.
  • 55. LG Bonn vom 22.02.2006 (Ks Js/05 – G 3/05), RDG 2007, 108.
  • 56. Sterbehilfegesetz (Niederlande) – Wikipedia.
  • 57. Die – auch in der Vorbereitung zur parlamentarischen Debatte – oft geäußerte Vermutung, bei Verbesserung der palliativen Methoden werde der Wunsch zu Sterben abnehmen, bestätigt sich nicht in Ländern, in denen die Palliativmedizin hoch entwickelt ist (Niederlande, US-Staaten siehe Umfrage Economist Fn. 13).
  • 58. Für Hinweise danke ich Dr. Alexander Mach, Dr. Burkhard Heussen und Dr. Franz Matthias Lüttgen.
  • 59. Offener Brief vom 12.12.2014, abgedruckt in der Ärztezeitung vom 11.05.2015, der sich gegen die Stellungnahme der Bundesärztekammer richtet – www.dghs.de
  • 60. 69 % aller Ärzte, 79 % der Palliativmediziner! Besonders problematisch: Kranke, die etwa aufgrund von ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) so eng in ihren Körper eingeschlossen sind, sodass sie allenfalls mithilfe leistungsfähiger Software Ja/Nein-Fragen beantworten können. In einem gut dokumentierten Fall entwickelt sich kein Sterbewunsch, weil das Leben offenbar auch in einem solchen Zustand noch angenehme Seiten hat (Bericht des Neurobiologen Nils Birbaumer, DER SPIEGEL 26/2015, Seite 114 ff.).
  • 61. Lao Tse zugeschrieben.
  • 62. Der Befehl lautete: »Reichsleiter Bouhler und Dr. med Brandt sind unter Verantwortung beauftragt, die Befugnisse namentlich zu bestimmender Ärzte so zu erweitern, dass nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei kritischster Beurteilung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gewährt werden kann.« http://www.ns-archiv.de/medizin/euthanasie/faksimile/Die zuständige Behörde in der Berliner Tiergartenstraße 4 (T4) organisierte den Mord an 60.000-80.000 Menschen, teilweise auch mit Gas. http://www.ns-archiv.de/medizin/euthanasie/faksimile/
  • 63. Es gibt derzeit zwischen 10.000-12.000 Wachkoma Patienten (jedes Jahr kommen etwa 1000 hinzu), von denen einige nach langen Jahren plötzlich wieder erwachen (Carola Timm/Diana Müller: Mein Leben ohne mich, Patmos 2015.
  • 64. Gregor Gysi, DER SPIEGEL 27/27.06.2015, Seite 56.
  • 65. 89 % der Ärzte insgesamt, Palliativmediziner: 91 %! (Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach, Fn. 25).
  • 66. Zuletzt im Jahr 2010 ermittelt durch das Statistische Bundesamt für 2008: www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Gesundheit/Krankheitskosten/... – dort Seite 15.
  • 67. Franz Boas: The Central Eskimo. Washington 1888.; Knud Rasmussen: The Netsilik-Eskimos. Kopenhagen 1931; Die Gabe des Adlers. Frankfurt/Main 1937.
  • 68. Inazo Nitobe : Der Ehrenkodex der Samurai, Anaconda 2006 Seite 93 ff.; Ivan Morris: Samurai – oder von der Würde des Scheiterns, Insel 1975.
  • 69. Interview mit der Neuen Züricher Zeitung: http://www.nzz.ch/nzzas/nzz-am-sonntag/philosoph-peter-singer-ein-embryo...
  • 70. Mark Twain: Meine geheime Autobiografie, Aufbau-Verlag, 2012, Seite 23 ff.
  • 71. http://www.jura.uni-augsburg.de/lehrende/professoren/rosenau/aktuelles/r...
  • 72. http://www.spdfraktion.de/sites/default/files/positionierung_sterbehilfe...
  • 73. http://www.spdfraktion.de/sites/default/files/2014-10-16_sterbehilfe_pos...
  • 74. http://www.ethikrat.org/presse/pressemitteilungen/2014/pressemitteilung-...
Literaturverzeichnis
Zitierte Literatur: 
  • Siehe Fußnoten.