Art. 3 GG

BVerfG, 17.07.1974 - 1 BvR 51/69, 1 BvR 160/69, 1 BvR 285/69, 1 BvL 16/72, 1 BvL 18/72, 1 BvL 26/72

1. Zu den Voraussetzungen wirtschaftslenkender Steuergesetze (im Anschluß an BVerfGE 16, 147 - Werkfernverkehr).
2. Die Sonderbesteuerung des Straßengüterverkehrs aufgrund des Gesetzes vom 28. Dezember 1968 ("Leberpfennig") war mit dem Grundgesetz vereinbar.

BVerfG, 25.06.1974 - 1 BvL 13/69, 1 BvL 23/69, 1 BvL 25/69

Zu den Anforderungen an die Gesetzesauslegung und Tatsachenfeststellung bei Vorlagebeschlüssen.

BVerfG, 21.05.1974 - 1 BvL 22/71, 1 BvL 21/72

1. Es ist mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Männern und Frauen (Art. 3 Abs. 2 GG) nicht vereinbar, daß nach § 4 Abs. 1 Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz das eheliche Kind eines deutschen Vaters und einer ausländischen Mutter stets die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt, das eheliche Kind ein deutschen Mutter und eines ausländischen Vaters aber nur dann, wenn es sonst staatenlos sein würde.
2. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, allen seit dem 1. April 1953 geborenen ehelichen Kindern deutscher Mütter, die bisher vom Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt ausgeschlossen waren, einen Weg zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zu eröffnen.
3. Stellt das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit einer Norm fest, so darf die Norm - ebenso wie im Falle der Nichtigerklärung - vom Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an in dem sich aus dem Tenor der Entscheidung ergebenden Ausmaß nicht mehr angewandt werden.

BVerfG, 05.03.1974 - 1 BvL 27/72

Die Erhebung der von der Weinwirtschaft an den Stabilisierungsfonds für Wein nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Weinwirtschaftsgesetz zu leistenden Abgabe (Mengenabgabe) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

BVerfG, 05.03.1974 - 1 BvR 712/1968

1. Es ist grundsätzlich dem Ermessen der gesetzgebenden Körperschaften überlassen, welche Verbände und Sachverständige bei einem Anhörungsverfahren ("Hearing") zu Wort kommen sollen.
2. Der Gleichheitssatz in Verbindung mit der Kunstfreiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 GG verpflichtet den Staat nicht, jede wirtschaftliche Förderungsmaßnahme oder steuerliche Begünstigung allen Bereichen künstlerischen Schaffens gleichermaßen zugute kommen zu lassen; er darf vielmehr eine sachgerechte Auswahl der einzelnen Medien und anderen Träger des Kulturlebens treffen, wobei für die Beurteilung der Förderungsbedürftigkeit auch wirtschafts- und finanzpolitische Gesichtspunkte berücksichtigt werden können.
3. Den §§ 4 und 12 Abs. 2 UStG 1967 (1973) ist keine Entscheidung des Gesetzgebers für eine prinzipielle umsatzsteuerliche Begünstigung oder Befreiung zahlreicher anderer Lieferungen und Leistungen des kulturellen Bereichs (§§ 4 und 12 Abs. 2 UstG) - auf sachbezogenen Erwägungen und verstößt deshalb nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
4. Die Belastung des Schallplattenumsatzes mit dem vollen Steuersatz (§ 12 Abs. 1 UStG) beruht - trotz steuerlichen Begünstigung oder Befreiung zahlreicher anderer Lieferungen und Leistungen des kulturellen Bereichs (§§ 4 und 12 Abs. 2 UStG) - auf sachbezogenen Erwägungen und verstößt deshalb nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

BVerfG, 18.07.1973 - 1 BvR 23/73, 1 BvR 155/73

1. § 10 Abs. 1 Nr. 11 AuslG verletzt nicht das Rechtsstaatsprinzip.
2. Der in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Rechtsschutz gilt in vollem Umfang auch für Ausländer.
3. Die Anforderungen an das für die sofortige Vollziehung von Ausweisungsverfügungen erforderliche öffentliche Interesse dürfen im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes nicht weniger streng sein als die Anforderungen an die Gründe für die Ausweisung selbst; vielmehr muß ein besonderes öffentliches Interesse gerade an der sofortigen Vollziehung bestehen.
4. Bei der gebotenen Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung und dem privaten Interesse des Ausländers an weiterem Aufenthalt im Inland ist auch zur berücksichtigen, daß die sofortige Vollziehung einer Ausweisungsverfügung den Ausländer in seiner Rechtsverfolgung im Hauptsacheverfahren behindern kann.
5. Werden durch die sofortige Vollziehung von Ausweisungen vor ihrer gerichtlichen Überprüfung vollendete Tatsachen geschaffen, so besteht für die Widerspruchsbehörden und die VG die Pflicht, die Hauptsacheverfahren mit möglichster Beschleunigung zu betreiben. Andernfalls kann auch eine zunächst gerechtfertigte Anordnung der sofortigen Vollziehung verfassungswidrig werden.
6. Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG gebietet, dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung einer Ausweisung auch die eigenen Interessen des deutschen Ehepartners gegenüberzustellen.

BVerfG, 03.07.1973 - 1 BvR 368/65, 1 BvR 369/65

1. Für die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde genügt es, wenn der Beschwerdeführer, der durch eine verfassungswidrige Rechtsanwendung in einer Gerichtsentscheidung betroffen ist, mit deren Aufhebung wenigstens die Chance erhält, daß eine erneute verfassungsgemäße Sachprüfung zu einem ihm günstigeren Ergebnis führt.
2. Es ist mit dem Grundsatz der Steuergleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht vereinbar, die Vergünstigung des § 24 Nr. 1 d LAG für Kapitalforderungen eines Rückerstattungspflichtigen auf Grund einer Vereinbarung nur dann zu gewähren, wenn die Vereinbarung über die Rückerstattung in einem förmlichen Rückerstattungsverfahren oder im Zusammenhang mit einem solchen Verfahren abgeschlossen worden ist.

BVerfG, 19.06.1973 - 1 BvL 39/69

1. Der Ausschluß der Beschwerde einer Behörde durch § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts, mit der die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage wiederhergestellt worden ist, verstößt auch dann nicht gegen das Grundgesetz, wenn der Verwaltungsakt der anordnenden Behörde zugunsten einer anderen Behörde derselben Körperschaft ergangen ist.
2. Wenn ein und derselbe Verwaltungsakt den einen Bürger begünstigt und einen anderen gleichzeitig belastet, ist § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO verfassungskonform dahin auszulegen, daß beiden die Beschwerde nach § 146 Abs. 1 VwGO zusteht.

BVerfG, 11.10.1972 - 2 BvR 912/71

1. Die Verfassungsbeschwerde ist auch gegen Entscheidungen besonderer Wahlprüfungsberichte oder gegen Entscheidungen von Staats- oder Verfassungsgerichten der Länder, denen die Wahlprüfung übertragen ist, zulässig.
2. Der Grundsatz der gleichen Wahl ist verletzt, wenn im Rahmen einer Sitzverteilung nach dem Wahlschlüsselverfahren der Wahlschlüssel bei der Zweitverteilung nach Reststimmen eine über die 5 v.H.-Sperrklausel hinausreichende absolute Sperrwirkung entfaltet.