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Anhörung zum Afghanistan-Engagement zwischen 2009 und 2014

Bundestag | Aktuelle Themen - Mo, 27.03.2023 - 13:00
Der mittleren Phase des internationalen Afghanistaneinsatzes, den Jahren 2009 bis 2014, hat sich die Enquete-Kommission „Lehren aus Afghanistan für das künftige vernetzte Engagement Deutschlands“ in ihrer öffentlichen Anhörung am Montag, 27. März 2023, angenommen. Das Sitzungsthema lautete: „Ausweitung, Eskalation und Transition 2009 bis 2014: Die Ausweitung des deutschen Engagements im Kontext von Strategiewechsel und verschärfter Sicherheitslage“. Es war die Zeit, in der das Afghanistan-Mandat um das Ziel der Aufstandsbekämpfung erweitert wurde, die Truppenzahlen und auch die finanziellen Mittel zum Staatsaufbau der internationalen Geber aufgestockt wurden, um die Verantwortung mittelfristig in die Hände der afghanischen Regierung zu legen, und zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg fiel ein deutscher Soldat im Kampf, skizzierte der Vorsitzende, Michael Müller (SPD), den historischen Kontext. Zwischen Aufbauambitionen und Abbruchgedanken Hintergründe und Schwächen der Policy Review zum amerikanischen Afghanistan-Engagement zu Beginn der Präsidentschaft von Barack Obama, mit der die Aufstandsbekämpfung in den Mittelpunkt des amerikanischen Engagements rückte, schilderte Dr. Barnett Rubin vom Stimson Center in Washington, von 2009 bis 2013 Berater des Sonderbeauftragten für Afghanistan und Pakistan im US State Department. Seit dem ursprünglichen Marschbefehl Präsident Bushs 2001 mit dem Ziel der Terroristenjagd sei der Afghanistaneinsatz unter allen Administrationen und vier in dieser Zeit amtierenden Präsidenten in Washington viel diskutiert worden und umstritten gewesen, zwischen Aufbauambitionen und Abbruchgedanken, bis hin zu der Einsicht, dass man sich am besten so wenig wie möglich dort engagieren und alsbald zurückziehen sollte. Am Ende sei man gescheitert. "Regime Change"-Operationen könnten nicht erfolgreich und sollten kein Mittel der Außenpolitik sein, sagte der Politikberater und nannte als limitierende Faktoren des Afghanistan-Einsatzes, dass man die Taliban nicht daran habe hindern können, sich in das Nachbarland Pakistan als in einen sicheren Hafen zurückzuziehen, ein Land, auf das man selber als Brückenkopf für den eigenen Nachschub unbedingt angewiesen gewesen sei. Außerdem hätten die Strategen in Washington verkannt oder verdrängt, dass sich der afghanische Staat, eines der ärmsten Länder der Welt, niemals eine eigenständige, die Taliban abschreckende Armee, hätte leisten können. Die afghanischen Streitkräfte seien mit modernem Gerät nicht zurecht gekommen, dauerhaft von externer Unterstützung abhängig gewesen und hätten sich nie zu einer echten unabhängigen Kraft entwickeln können. Statt eine Rückzugsversicherung für die US-Kräfte zu sein und die Stabilität des Landes über den internationalen Einsatz hinaus zu garantieren, war die afghanische Armee noch vor dem endgültigen Abzug der Amerikaner kollabiert. Brigadegeneral: Heute besser aufgestellt Über seine Einsatzerfahrungen in Nordafghanistan zu dieser Zeit berichtete Brigadegeneral Jared Sembritzki, Abteilungsleiter Einsatz im Kommando Heer in Strausberg in Brandenburg und 2010 Kommandeur Quick Reaction Force 5, Isaf in Afghanistan. Afghanistan habe eine Generation deutscher Soldaten entscheidend geprägt. Die Bundeswehr habe als Institution einen wertvollen Lernprozess durchgemacht. Für ähnliche Einsätze sei man heute besser aufgestellt. Wichtig sei, dass die Politik bei der Mandatierung keine "Zero Risk"-Strategie suggeriere. Ab dem Frühjahr 2010 habe man aufgrund des Strategiewechsels schärfer gegen Aufständische vorgehen dürfen. Man habe damals erstmals als Bataillon außerhalb des Feldlagers über sechs Monate in einem ungesicherten, feindlichen Bereich operiert. Die Anwendung militärischer Mittel sei von da an nicht mehr als das letzte Mittel betrachtet worden, sondern man habe im Feld die Möglichkeit bekommen, sich einem Gegner entgegenzustellen, noch bevor man selber angegriffen wurde. „Clear, hold and build“ Schlüsselfragen seien damals gewesen, Sicherheit und Bewegungsfreiheit für die eigenen Kräfte in einem Raum herzustellen, den man selber nicht vollständig habe kontrollieren können. Den Ansatz des „clear, hold and build“ betrachte er nach wie vor als erfolgsversprechende Strategie, sagte der General. Dazu sei von großer Bedeutung gewesen, mit den lokalen, afghanischen Akteuren zusammenzuarbeiten. Afghanisches Militär, das sich im Aufbau befand, habe man nach und nach in die eigenen Operationen eingebunden. Auch bei den regelmäßigen gemeinsamen Lagebesprechungen habe man sich kennengelernt. So sei wertvolles Vertrauen gewachsen. Diese Rückbindung zu den Menschen vor Ort als ein Erfolgsfaktor sei leider in den späteren Jahren des Einsatzes wieder verloren gegangen. 2010 aber habe man gemeinsam mit den Afghanen in zum Teil wochenlangen, schweren Gefechten den Feind zurückdrängen und so in einem Raum eine permanente Präsenz schaffen können, der zuvor noch ein Kernland der Taliban gewesen sei. In einen sogenannten vernetzten Ansatz hätte er gerne alle einbezogen, aber damals habe es in seinem Einsatzgebiet an Vertretern anderer Bereiche gemangelt, so dass der Truppe entsprechende Aufgaben, von der Polizeiarbeit bis zum Straßenbau, zugewachsen seien, die man dann selbst wahrgenommen habe. Entwicklungspolitische Arbeit Das Verhältnis von Sicherheitslage und entwicklungspolitischer Arbeit in den Jahren 2009 bis 2013 beleuchtete Florian Broschk, Projektleiter bei der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) und von 2010 bis 2015 Sicherheitsberater der staatlichen deutschen Entwicklungszusammenarbeit in Mazar-e-Sharif und Kabul. Die internationale militärische Präsenz in den großen Feldlagern habe der Entwicklungszusammenarbeit, die ihre Stützpunkte in den Städten gehabt habe, geholfen. Direkter Ansprechpartner aber seien die afghanischen Sicherheitskräfte gewesen. Zusätzlich habe man bei der GIZ ein eigenes Risk Management Office (RMO) mit mehreren Loken Teams unterhalten, das für jedes einzelne Projekt den lokalen Sicherheitskontext evaluiert habe. Es habe zu dem international viel gelobten deutschen entwicklungspolitischen Ansatz gehört, engen Kontakt zu den Afghanen zu unterhalten, und beispielsweise in lokale Ratsversammlungen hineinzugehen, und um Zustimmung und Schutz für Projekte zu werben. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit sei stark in der Fläche des Landes präsent gewesen. Ganz unterschiedliche örtliche Kontexte, Strukturen, Akteure habe man sich da aneignen und verstehen müssen. Lokalen Kontext verstehen Das vorzubereiten sei Aufgabe der RMO-Teams gewesen. Dank dieser Unterstützung und zivilen Vernetzung hätten sich deutsche Entwicklungshelfer sehr zielgerichtet und sicher im Land bewegt und es sei dadurch nur selten zu Zwischenfällen gekommen. Man habe Projekte in freundschaftlicher Atmosphäre besprechen und Warnzeichen für eine Verschlechterung der Sicherheitslage frühzeitig wahrnehmen können. Die Taliban seien dann vor allem entlang traditioneller politischer Konfliktlinien und zunächst auch in eher wohlhabenden Gegenden wieder erstarkt, und nicht so sehr aufgrund von Armut. Man hätte den Wiederaufstieg der Taliban auch nicht durch noch mehr Entwicklungshilfeprojekte verhindern können. An die Politik richtete Broschk den Wunsch, die Entwicklungszusammenarbeit nicht mit zu hohen Erwartungen zu überfrachten. Idealerweise müsse man sich bei Entwicklungszielen Bescheidenheit verordnen, kulturell sensibel auftreten und versuchen den lokalen Kontext zu verstehen und daran die nötige Expertise ausrichten. (ll/27.03.2023)

Experten: Weiter Änderungsbedarf an Preisbremse-Gesetzen

Bundestag | Aktuelle Themen - Mo, 27.03.2023 - 13:00
Eine von den Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP geplante Änderung des Preisbremsegesetzes (20/5994) war am Montag, 27. März 2023, Gegenstand einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Klimaschutz und Energie. Konkret geht es um zwei größere Änderungen: Die am 24. Dezember 2022 in Kraft getretenen Gesetze zur Einführung einer Strompreisbremse (StromPBG) und zur Einführung von Preisbremsen für leitungsgebundenes Erdgas und Wärme (EWPBG) sehen eine Prüfbehörde vor. Angesichts der umfangreichen und komplexen Aufgaben, die die Prüfbehörde im Rahmen des Gesetzesvollzugs übernehmen soll, planen die Koalitionsfraktionen den Kreis der für die Aufgabenwahrnehmung in Frage kommenden Personen oder Institutionen um juristische Personen des Privatrechts zu erweitern. Zudem wird vorgesehen, dass ab dem 15. Februar 2023 auch äquivalente Absicherungsgeschäfte, die in ihrer Wirkung einem Absicherungsgeschäft an der Energiebörse European Energy Exchange AG in Leipzig (EEX) entsprechen, gemeldet werden dürfen. Experte bemängelt "erhebliche Rechtsunsicherheit" Deutschland sei gut durch den Winter gekommen, besser als man das vor einem halben Jahr gedacht habe, sagte Dr. Sebastian Bolay von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) - und fügte sogleich ein deutliches „Aber“ an. Die gesetzliche Umsetzung der Preisbremsen habe in den vergangenen Wochen in der Wirtschaft zu erheblicher Rechtsunsicherheit geführt und sehr viele Ressourcen gebunden. Aufgrund der Dringlichkeit und der Geschwindigkeit, mit der die Bundesregierung die Gesetze vorbereitet habe, bestehe für zahlreiche Aspekte nach wie vor Klärungsbedarf, für die das Reparaturgesetz keine Regelungen liefere. Dazu zählten etwa Probleme für die Unternehmen, die mehr als zwei Millionen Euro Beihilfen in Anspruch nehmen wollen; des Weiteren der falsche Referenzpunkt (2021, im Lockdown, hätten die Unternehmen teils sehr viel weniger Energie verbraucht) - und es sei nach wie vor unklar, welche anderen Beihilfen mit Blick auf die Höchstgrenze einberechnet werden müssten. „Wir haben schon wieder ein Reparaturgesetz“, stellte Rechtsanwalt Dr. Wieland Lehnert fest. Es sei aber gut, dass das Gesetz repariert und korrigiert werde. Das Gesetzgebungsverfahren sei ein sehr schnelles gewesen, was auch notwendig gewesen sei, weil es Vorgaben von EU-Seite umzusetzen galt. Dass es für nötige Prüfungen Private brauche, sei aber kritisch zu bewerten: „Hoheitliche Aufgaben sollten vom Staat wahrgenommen werden“, sagte Lehnert. Er warb deshalb für ein Ausschreibungsverfahren, um sicherzustellen, dass es eine Auswahl gebe, bei der unter anderem darauf zu achten sei, dass Interessenkonflikte vermieden und auf die Unabhängigkeit der Bewerber geachtet werde. "Der Markt hat geliefert" Die allgemeine Lage im Energiemarkt sei gut, sagte Barbara Maria Lempp vom Verband Deutscher Energiehändler. Für Endkunden habe mit dem Krieg in der Ukraine und seinen Folgen aber eine problematische Zeit begonnen. Auch für Energieunternehmen bedeute er große Herausforderungen. Doch der Markt habe geliefert und die Gasbeschaffung für Europa sei auf neue Beine gestellt worden. So gesehen sei es sehr problematisch, dass erlaubte Erlöse und Gewinne vom Staat vorgeschrieben würden. Das Eingreifen des Staates verhindere eine nachfragegerechte Produktion, eine vernünftige Preisbildung und führe zu Verzerrungen. Deswegen sei es wichtig, dass man das Abschöpfen von Übergewinnen beende und wieder auf den Markt setze. Motto: „Besser das Immunsystem stärken als an Erkältungssymptomen herumdoktern“. Die Möglichkeit der Verlängerung des Abschöpfungszeitraumes durch Rechtsverordnung über den 30. Juni 2023 hinaus sollte aus dem Gesetz gestrichen werden forderte Ingbert Liebing vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Der Abschöpfungsmechanismus zur Finanzierung der Strompreisbremse bleibe aus VKU-Sicht ein grundsätzlicher Fehler, weil nicht Gewinne, sondern Erlöse abgeschöpft würden - auch dann, wenn gar keine Gewinne entstünden. Des Weiteren forderte Liebing, dass die Missbrauchstatbestände auf Sachverhalte beschränkt werden, bei denen tatsächlich die Gefahr einer unberechtigten Inanspruchnahme der Preisbremsen bestehe. Die Sicherheitszuschläge für feste Biomasse, Abfall, Klärschlamm, Klärgas und Grubengas sollten deutlich angehoben werden. Bei anlagenbezogenen Vermarktungsverträgen sollten Anlagenbetreiber stets die Möglichkeit haben, die Überschusserlöse auf der Grundlage individueller Erlöse anstelle von Spotmarktpreisen oder Monatsmarktwerten zu ermitteln. Dies sollte auch für anlagenbezogene Vermarktungsverträge gelten, die zwischen verbundenen Unternehmen abgeschlossen werden. „Wir begrüßen, dass mit dem vorliegenden Entwurf nun vorgesehen ist, dass ab dem 15. Februar 2023 auch solche Absicherungsgeschäfte, die in ihrer Wirkung einem Absicherungsgeschäft an der Energiebörse European Energy Exchange AG in Leipzig (EEX) entsprechen, gemeldet werden dürfen.“ Die Vorgaben zur Berücksichtigung von Absicherungsgeschäften sollten aber noch mehr an die Praxis angepasst werden „Bitte die Abschöpfung nicht verlängern“ Weiteren Verbesserungsbedarf sieht auch Dr. Maximilian Rinck vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Der BDEW begrüße aber im Grundsatz sehr, dass der Gesetzgeber kurzfristig Anpassungen zu Preissicherungsmeldungen für zukünftige Absicherungsgeschäfte bei der Überschusserlösabschöpfung auf den Weg gebracht habe. Der BDEW begrüßt außerdem, dass der Gesetzgeber kurzfristig rückwirkend zum 15. Februar 2023 klarstellt, dass auch außerbörsliche Handelsgeschäfte als Grundlage für Preissicherungsmeldungen nach Paragraf 17 Nr. 2 i.V.m. Anlage 5 StromPBG dienen können. Die Formulierungshilfe adressiere jedoch nicht die Fälle, bei denen zum Beispiel interne Geschäfte als Fahrpläne abgesichert werden, da diese nicht oder nur schwer auf standardisierte EEX-Lieferprofile abgebildet werden können. Dr. Carsten Rolle vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) stieß ins gleiche Horn. Für viele liefen die Preisbremsen ins Leere, sagte Rolle. „Deswegen ist es unser starker Wunsch mit dieser Novelle nicht abzuschließen“, appellierte Rolle an den Gesetzgeber und forderte, weiter in der EU darauf zu dringen, dass die beihilferechtlichen Bedingungen geändert werden. Dr. Christine Wilckens sieht aus Sicht der Kommunalen Spitzenverbände drei Änderungsbedarfe. Zum einen fehle es an Rechtssicherheit für kommunale Beteiligungen bei nicht- oder teilsnichtunternehmerischen Betätigungen - so entstehe für Kommunen ein enormer Graubereich etwa bei Kindergärten, von denen manche kommunal, andere privatwirtschaftlich betrieben würden. Ein Problem sei die Beantragungsfrist. Diese bringe die Kommunen in Bedrängnis, denn die Beantragung sei so komplex, dass das in der vorgesehenen Zeit kaum zu schaffen sei. Und auch sie schloss mit dem Appell: „Bitte die Abschöpfung nicht verlängern.“ (mis/27.03.2023)

Zweifel am Gesetz­gebungs­verfahren beim Hinweisgeberschutz

Bundestag | Aktuelle Themen - Mo, 27.03.2023 - 13:00
Bereits zum zweiten Mal in dieser Legislaturperiode hat im Rechtsausschuss eine Anhörung zum Schutz von sogenannten Whistleblowern, die auf Rechts- und Regelverstöße in Unternehmen und Behörden hinweisen, stattgefunden. Dabei ging es am Montag, 27. März 2023, nicht nur um den Inhalt der Neuregelung, sondern auch um das dafür geplante Gesetzgebungsverfahren. Denn nachdem der Bundesrat einen vom Bundestag beschlossenen Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Hinweisgeberschutz abgelehnt hatte, haben die Koalitionsfraktion das Vorhaben in zwei Gesetzentwürfe aufgespalten, von denen nach ihrer Auffassung nur einer im Bundesrat zustimmungspflichtig ist. In diesem Verfahren sehen nun einige Sachverständige die Gefahr eines Verfassungskonflikts. Entwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz Der neu eingebrachte Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes (20/5992) ist weitgehend identisch mit dem am 16. Dezember 2022 vom Bundestag verabschiedeten Gesetzentwurf (20/4909). Allerdings nimmt er ausdrücklich Beamte der Länder und Kommunen aus seinem Anwendungsbereich aus. Dadurch ist nach Einschätzung der einbringenden Koalitionsfraktionen keine Zustimmung des Bundesrates mehr erforderlich. In einem zweiten, zustimmungspflichtigen Gesetzentwurf „zur Ergänzung der Regelungen zum Hinweisgeberschutz“ (20/5991) wird diese Einschränkung wieder aufgehoben. Dieses Gesetz soll bereits vor dem eigentlichen Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft treten, so dass letzteres von Anfang an dem usprünglichen, vom Bundesrat abgelehnten Gesetz entsprechen würde. Das ursprüngliche Hinweisgeberschutzgesetz hatte in der Sitzung des Bundesrates am 10. Februar 2023 keine Mehrheit gefunden, weil die Länder mit Regierungsbeteiligung von CDU und CSU ihre Zustimmung verweigert hatten. Begründet hatten die Unionsvertreter ihre Ablehnung insbesondere mit einer zu starken Belastung kleiner und mittlerer Unternehmen. Die von ihnen beanstandeten Regelungen sollen nun nach dem Willen der Koalitionsfraktionen auch ohne Zustimmung der Länderkammer in Kraft treten können. Aufspaltung von Gesetzesvorhaben Jetzt in der Anhörung hat der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Winfried Kluth von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ernste Bedenken gegen dieses Vorgehen geäußert. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht mehrfach die Aufspaltung von Gesetzesvorhaben in einen zustimmungspflichtigen und einen nicht zustimmungspflichtigen Teil gebilligt, allerdings verlangt, dass eine solche Gestaltung nicht willkürlich oder missbräuchlich sein dürfe. Hier gebe es aber Zweifel, dann so Kluth in seiner Stellungnahme, „die Aufteilung in zwei Gesetzesvorhaben war einzig die Reaktion auf die Verweigerung der Zustimmung zum ersten, alle Aspekte umfassenden Gesetzesentwurf“ und nicht inhaltlich begründet. Übereinstimmend kommt der Bonner Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Gregor Thüsing in seiner Stellungnahme zu dem Schluss: „Wenn es sich hier nicht um Willkür, also nicht aus sachlichen Gründen gerechtfertigte, sondern nur aus dem System der Zustimmungsbedürftigkeit hergeleiteten Trennung handelt, wann dann?“ Nach den Recherchen in seinem Institut habe es einen solchen Fall, dass ein bereits im Bundesrat abgelehntes Gesetz aufgespalten und dann neu eingebracht wird, noch nicht gegeben. Thüsing plädierte eindringlich dafür, stattdessen das Vermittlungsverfahren zu wählen: „Nutzen Sie diese Chance, zu einem besseren Gesetz zu kommen!“ Warnung vor „Zwei-Klassen-Recht“ Die Vorsitzende des Whistleblower-Netzwerks, Kosmas Zittel, wies auf eine Konsequenz hin, wenn das als zustimmungspflichtig eingestufte Aufhebungsgesetz vom Bundesrat abgelehnt werden sollte. Dann gebe es ein „Zwei-Klassen-Recht“, das für Bundesbeamte Anderes gilt als für Landes- und Kommunalbeamte. In diesem Fall aber sei auch das eigentliche Hinweisgeberschutzgesetz nicht EU-konform, da ja die EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern, die mit der Neuregelung in nationales Recht umgesetzt werden soll, für das ganze Land gelte und damit auch für Landesbedienstete. Inhaltlich bekräftigten die zu der Anhörung geladenen Sachverständigen, die teilweise schon an der letzten Anhörung im Oktober teilgenommen hatten, vielfach bereits damals geäußerte Kritik, wobei wie damals die positive Einschätzung überwog. Es gab aber auch neue Einwände gegen Änderungen, die der Rechtsausschuss nach der Anhörung in den damaligen Gesetzentwurf eingearbeitet hatte und die sich im jetzt vorliegenden Text wiederfinden. Verbesserung gegenüber geltendem Recht Wie auch andere Sachverständige sieht der Münchener Rechtsanwalt Dr. Maximilian Degenhart, der Unternehmen und Kommunen in Compliance-Fragen berät, in dem Gesetzentwurf eine wesentliche Verbesserung gegenüber geltendem Recht. Er beseitige Rechtsunsicherheit für potenziell hinweisgebende Beschäftigte und Beschäftigungsgeber. Aus seiner Praxis könne er berichten, dass Hinweisgeber fast immer etwas an ihrer Arbeitsstelle verbessern wollten und es „praktisch keine böswilligen Hinweise“ gebe. Dies spreche dafür, wie im Gesetzentwurf vorgesehen internen Meldestellen den Vorrang vor externen Meldestellen zu geben. Belastung kleinerer Unternehmen Die Belastung kleinerer Unternehmen durch die Umsetzung des geplanten Gesetzes stellte Hildegard Reppelmund, Syndikusrechtsanwältin der Deutschen Industrie- und Handelskammer, in den Vordergrund. Sie stellte deshalb die Pflicht zur Einrichtung anonymisierter Meldekanäle, die einen erheblichen Aufwand erfordere, in Frage. Dagegen begrüßte Louisa Schloussen von Transparency International die verpflichtende anonyme Meldemöglichkeit, die nach der Anhörung im Oktober „auf unsere Kritik hin“, wie sie erklärte, in den Gesetzentwurf eingefügt worden sei, als besonders wichtig. Aus seiner Erfahrung, dass gerade in kleinen Betriebsstätten die Chefs oft weniger an der Klärung eines gemeldeten Sachverhalts interessiert seien als daran, wer die Meldung gemacht hat, plädierte der Münchener Rechtsanwalt Dr. Christoph Klahold, Sprecher des Vorstands des Deutschen Instituts für Compliance, für Meldestellen auf Konzern-Ebene. Jana Wömpner vom Deutschen Gewerkschaftsbund monierte, dass der Gesetzentwurf an verschiedenen Stellen uneindeutige Begriffe wie den „hinreichenden Grund zur Annahme“ enthalte. Damit werde das Ziel, Rechtsklarheit zu schaffen, verfehlt und es bestehe sogar die Gefahr, dass sich die Rechtsposition von Hinweisgebenden verschlechtert. Zudem blieben verschiedene Regelungen zum Schutz von Hinweisgebenden und zum Schadenersatz hinter der EU-Richtlinie zurück, die mit dem Gesetz umgesetzt werden soll. Notwendigkeit des Hinweisgeberschutzes Der Göttinger Rechtswissenschafter Dr. Simon Gerdemann, der ein Forschungsprojekt zum Whistleblowing-Recht leitet, forderte die Anpassung des Gesetzentwurfs an eine unlängst ergangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Zusammenhang mit dem sogenannten LuxLeaks-Skandal. Diese bestätige im Kern die Notwendigkeit eines Hinweisgeberschutzes in Fällen von grundlegender Bedeutung für das demokratische Gemeinwesen. Vor diesem Hintergrund müsse der Schutz des Gesetzes, der sich bisher nur auf die Meldung von Verstößen gegen bestehende Rechtsnormen erstreckt, auch Personen umfassen, die auf formal legale, gesellschaftlich aber bedenkliche Vorgänge hinweisen. Regelung zu Äußerungen von Beamten Kontrovers wurde in der Anhörung eine vom Rechtsausschuss im Dezember in den damaligen Gesetzentwurf eingefügte und jetzt übernommene Regelung bewertet, dass Hinweisgeber, die auf verfassungsrechtlich bedenkliche Äußerungen von Beamten hinweisen, auch dann unter dem Schutz dieses Gesetzes stehen, wenn die Äußerungen nicht strafrechtlich relevant sind. Rechtsanwalt David Werdemann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte verwies auf die beamtenrechtliche Relevanz und begrüßte die damit geschaffene Möglichkeit, etwa gegen rechtsextreme Äußerungen in geschlossenen Chatgruppen vorzugehen. Andere Sachverständige warnten dagegen vor einer Kollision dieser Bestimmung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung. Erster Gesetzentwurf der Koalition Der jetzt neu eingebrachte Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes (20/5992) ist weitgehend identisch mit dem am 16. Dezember 2022 vom Bundestag verabschiedeten Gesetzentwurf (20/4909). Allerdings nimmt es ausdrücklich Beamte der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie Richterinnen und Richter im Landesdienst aus seinem Anwendungsbereich aus. Dadurch ist nach Einschätzung der einbringenden Fraktionen keine Zustimmung des Bundesrates mehr erforderlich. Zweiter Gesetzentwurf der Koalition In einem zweiten Gesetzentwurf „zur Ergänzung der Regelungen zum Hinweisgeberschutz“ (20/5991) wird diese Einschränkung wieder aufgehoben. Das ursprüngliche Hinweisgeberschutzgesetz hatte in der Sitzung des Bundesrates am 10. Februar 2023 keine Mehrheit gefunden, weil die Länder mit Regierungsbeteiligung von CDU und CSU ihre Zustimmung verweigert hatten. Begründet hatten die Unionsvertreter ihre Ablehnung insbesondere mit einer zu starken Belastung kleiner und mittlerer Unternehmen. Die von ihnen beanstandeten Regelungen sollen nun nach dem Willen der Koalitionsfraktionen auch ohne Zustimmung der Länderkammer in Kraft treten können. Kern des Gesetzentwurfes ist unverändert die Einrichtung von Meldestellen in Unternehmen, Behörden und Organisationen, an die sich Whistleblower wenden können. Diese sollen auch anonyme Meldungen bearbeiten und dazu eine anonyme Kommunikation zwischen Hinweisgebenden und Meldestellen ermöglichen. Geschützt sein soll auch, wer verfassungsfeindliche Äußerungen von Beamtinnen und Beamten meldet. Das soll auch für Äußerungen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle gelten. Hinweisgeber, die Repressalien erleiden, sollen eine Entschädigung in Geld auch dann verlangen können, wenn es sich nicht um einen Vermögensschaden handelt. Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern müssen eine interne Meldestelle einrichten. Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitenden können dabei Meldestellen gemeinsam aufbauen. Als externe Meldestelle soll, mit einigen Ausnahmen, das Bundesamt für Justiz dienen. Geschützt sein sollen nicht nur Beschäftigte der Unternehmen und Behörden, sondern etwa auch Beschäftigte von Zulieferern sowie Anteilseigner. Sofern ein Whistleblower nach einer Meldung berufliche Nachteile erfährt, sieht das Gesetz eine Beweislastumkehr vor. Es wäre dann zu beweisen, dass die Benachteiligung nicht auf der Meldung beruhte. Wer allerdings vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Informationen meldet, begeht eine Ordnungswidrigkeit und muss für einen dadurch entstandenen Schaden aufkommen. (scr/pst/27.03.2023)

Versorgung von Früh­geborenen mit niedrigem Geburtsgewicht

Bundestag | Aktuelle Themen - Mo, 27.03.2023 - 12:00
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) steht hinter der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) wonach bei der Versorgung von Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von unter 1.250 Gramm 25 Kinder, statt bislang 14 Kinder, an einem Standort pro Jahr betreut werden müssen, damit die Krankenhäuser diese Leistungen erbringen dürfen. Das wurde während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses am Montag, 27. März 2023, deutlich. „In den Einrichtungen mit mehr Erfahrung im Umgang mit Extrem-Frühchen reduziert sich die Sterbewahrscheinlichkeit der Kinder signifikant“, sagte BMG-Staatssekretär Dr. Edgar Franke (SPD). Für eine Rückkehr zur ursprünglichen Fallzahl von 14 Kindern pro Jahr spricht sich indes Renate Krajewski, Vorsitzende der Mitarbeitervertretung am Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum (DBK) in Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern) aus. Ihre der Sitzung zugrunde liegende öffentliche Petition konnte in der Mitzeichnungsfrist neben 56.682 Online-Unterstützungen auch noch 54.193 „analoge Unterschriften“ verbuchen. "Keine Anlaufstelle zwischen Rostock und Berlin" Die Frühchen-Station in Neubrandenburg ist der Eingabe zufolge vom Verlust des Status Perinatalzentrum Level 1 betroffen, weil die Zahl der dort frühgeborenen Kinder nur bei 16 bis 20 in den vergangenen Jahren lag. Klinik-Vertreterin Krajewski fordert daher in ihrer Petition, die vom G-BA beschlossene Mindestfallzahl von 25 Fällen pro Jahr zu streichen und durch „angemessenere Maßnahmen zur Qualitätssicherung“ zu ersetzen. Da in Neubrandenburg diese Anzahl nicht erreicht werde, „gibt es zwischen Rostock und Berlin keine Anlaufstelle mehr für Frühgeburten unter 1.250 Gramm, obwohl wir seit vielen Jahren in nachweislich guter Qualität arbeiten“, sagte sie vor den Abgeordneten. Der die Petentin begleitende Chef der Neubrandenburger Kinderklinik, Dr. med. Sven Armbrust, hielt eine Mindestzahl von 14 Kinder pro Jahr ebenfalls für ausreichend. „Die Sterblichkeit bei den Frühchen ist in den letzten Jahren von 5,1 Prozent auf 4,6 Prozent gesunken“, sagte er. So schlecht könne also die Versorgung trotz einiger kleinerer Zentren nicht gewesen sein. "Ein Gewinn an Sicherheit" Krajewski und Armbrust wiesen auf die sich durch längere Fahrwege zu den künftigen Zentren ergebenden Probleme hin. Frühgeburtlichkeit betreffe schließlich die gesamte Familie, sagte der Klinik-Chef. Wenn Mutter und Kind mehrere Monate auf der Station liegen müssten, sei es umso problematischer für den Rest der Familie, je weiter das Krankenhaus vom Wohnort weg gelegen ist. Das gelte insbesondere für den ländlichen Raum. Krajewski kritisierte außerdem, dass als Notfälle in ihrem Krankenhaus zur Welt gekommene Extrem-Frühchen nach der Geburt verlegt werden müssten. Die Risiken der Verlegung solcher extrem sensibler Kinder seien bei der Entscheidung des G-BA nicht berücksichtigt worden. Karin Maag, unparteiisches Mitglied im G-BA, sah das anders. Der Gewinn an Sicherheit für die extrem frühgeborenen Säuglinge sei in Einrichtungen, wo es eine höhere Fallzahl gebe und man daher mehr Erfahrungen damit habe, so groß, dass dies durch längere Fahrzeiten und Fragen der Mutter-Kind-Bindung nicht aufgewogen werden könne, sagte sie. Das Sterberisiko bei Frühchen sei schließlich extrem hoch. Umstritten blieb während der Sitzung unter anderem die Frage, ob es sich bei den Frühgeburten um planbare Behandlungen oder Notfälle handelt. Maag und Franke sprachen davon, dass 90 Prozent der Frühgeburten planbar seien. Der Leiter der Neubrandenburger Kinderklinik hielt dem entgegen, dass zwei Drittel der Geburten Notfälle seien. Dies habe eine Rückfrage seinerseits unter Kollegen bestätigt. „Es ist eine planbare Leistung“, sagte hingegen BMG-Staatssekretär Franke. Der Geburt eines Säuglings unter 1.250 Gramm Geburtsgewicht ginge regelmäßig eine erhebliche Entscheidungsphase voraus, „weil die drohende Frühgeburt in aller Regel Folge einer Erkrankung der werdenden Mutter in der Schwangerschaft ist“. Die Entscheidung des G-BA sei „wohlbegründet“ und Ergebnis eines ordnungsgemäßen Verfahrens, urteilte Franke. (hau/27.03.2023)

AfD fragt nach "Täter-Opfer-Beziehungen" bei Straftaten

Bundestag | hib-Meldungen - Mo, 27.03.2023 - 10:32
Inneres und Heimat/Kleine Anfrage

Gigabitausbau: Überbauaktivitäten vermeiden

Bundestag | hib-Meldungen - Mo, 27.03.2023 - 10:32
Digitales/Antwort Eine Evaluierung zum Thema Überbau von Glasfasernetzen wird derzeit vorbereitet. Das antwortet die Bundesregierung der Unionsfraktion auf eine Kleine Anfrage.

Fragen zur Organspende

Bundestag | hib-Meldungen - Mo, 27.03.2023 - 10:32
Gesundheit/Kleine Anfrage

Bundesregierung: Mittelstand wird durch Hilfspakete gestützt

Bundestag | hib-Meldungen - Mo, 27.03.2023 - 10:32
Wirtschaft/Antwort Die Bundesregierung ist sich der "herausragenden volkswirtschaftlichen Bedeutung mittelständischer Unternehmen bewusst", wie aus einer Antwort auf eine AfD-Anfrage hervorgeht.

Zahl staatenloser Menschen in Deutschland erfragt

Bundestag | hib-Meldungen - Mo, 27.03.2023 - 10:32
Inneres und Heimat/Kleine Anfrage

AfD-Fraktion fragt nach Zuckersteuer

Bundestag | hib-Meldungen - Mo, 27.03.2023 - 10:32
Finanzen/Kleine Anfrage

TOP 3 EU-Richtlinie Offenlegung Ertragssteuerinformationen

90. Sitzung vom 15.03.2023, TOP 3 EU-Richtlinie Offenlegung Ertragssteuerinformationen